Das Spirituelle Erwachen

Als ich mich in der Welt umblickte und soviel Armut sah, wurde mir zunehmend unbehaglicher, weil ich so viel besaß, während meine Brüder und Schwestern Hunger litten. Ich mußte endlich einen anderen Weg finden. Der Wendepunkt kam, als ich – verzweifelt und aus einer sehr ernsthaften Suche nach einer sinnvollen Lebensweise – eine ganze Nacht lang durch die Wälder lief. Ich kam zu einer mondbeschienenen Waldwiese und betete.

Ich fühlte vollkommene Bereitschaft, ohne irgendwelche Vorbehalte mein Leben zu geben, mein Leben dem Dienen zu widmen. „Bitte, laß mich Dein Werkzeug sein!“ betete ich zu Gott. Und unendlicher Friede überkam mich.
Glaube mir, das ist ein Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt. Danach kannst du nie mehr zu einem ganz egozentrischen Leben zurückkehren.
So fing meine zweite Lebensphase an. Ich begann so zu leben, daß ich mich auf das Geben statt auf das Nehmen konzentrierte, und ich betrat eine neue und wunderbare Welt. Mein Leben fing an, sinnvoll zu werden. Mir wurde die große Gnade einer ausgezeichneten Gesundheit zuteil. Ich hatte seitdem nie mehr Schmerzen, weder eine Erkältung noch Kopfschmerzen (die meisten Krankheiten haben psychische Ursachen). Von dieser Zeit an wußte ich, daß mein Lebenswerk die Arbeit für den Frieden sein würde, daß es alle erdenklichen Bereiche des Friedens umfassen würde: Frieden zwischen Völkern, Frieden zwischen Gruppen, Frieden zwischen Individuen und den sehr, sehr wichtigen inneren Frieden. Jedoch besteht ein sehr großer Unterschied zwischen der Bereitschaft, sein Leben zu geben und dem tatsächlichen Geben, und für mich lagen fünfzehn Jahre an Vorbereitung und innerer Suche dazwischen.

Ich war noch nicht weit auf dem spirituellen Pfad fortgeschritten, als ich das kennenlernte, was die Psychologen als das Ich und das Bewußtsein bezeichnen. Ich nenne es das niedrige und das höhere Selbst oder die selbst-zentrierte und die Gott-zentrierte Natur. Es ist, als hätten wir zwei Persönlichkeiten oder zwei Naturen oder zwei Willen mit zwei gegensätzlichen Standpunkten.

Das niedrige Selbst sieht die Dinge nur vom Standpunkt des körperlichen Wohlbefindens aus – das höhere Selbst berücksichtigt das psychische oder spirituelle Wohlbefinden. Dein niedriges Selbst sieht dich als das Zentrum des Universums – dein höheres Selbst sieht dich als eine Zelle im Körper der Menschheit. Wenn dein niedriges Selbst dich regiert, so bist du selbstsüchtig und materialistisch, aber wenn du den Eingebungen deines höheren Selbst folgst, wirst du die Dinge realistisch sehen und in dir und anderen Harmonie finden.

Körper, Gedanken und Gefühle sind Instrumente, die sowohl für die selbst-zentrierte als auch für die auf Gott ausgerichtete Natur arbeiten können. Die selbst-zentrierte Natur bedient sich dieser Instrumente, wobei sie sie nie ganz steuern kann, so daß hier ein Zustand des ständigen Kampfes herrscht. Sie können nur von der auf Gott ausgerichteten Natur ganz beherrscht werden.
Wenn die auf Gott ausgerichtete Natur die Oberhand gewinnt, so hast du inneren Frieden gefunden. Bis diese Zeit gekommen ist, kann man durch Disziplin teilweise Beherrschung erreichen. Es kann eine von außen auferlegte und früh ausgeübte Disziplin sein, die zu einem Teil des Unterbewußtseins der auf Gott ausgerichteten Natur wurde. Es kann auch eine vom eigenen Willen auferlegte Disziplin sein – Selbstdisziplin. Wenn du z. B. etwas tust, von dem du weißt, du sollst es nicht tun, und du willst es eigentlich auch gar nicht tun, dann mangelt es dir sicherlich an Disziplin. Ich rate dir zu spirituellem Wachstum und – bis zu seiner Ausreifung – Selbstdisziplin.

Während der Periode des spirituellen Wachstums kann der innere Konflikt mehr oder weniger stürmisch verlaufen. Meiner hielt sich mehr in der Mitte. Die egozentrische Natur ist ein schrecklicher Feind, der grimmig kämpft, um seine Identität zu wahren. In ihrer Verteidigung geht sie sehr geschickt vor, und man sollte sie nicht unterschätzen. Sie kennt die schwächsten Stellen deiner Abwehr und unternimmt den Angriff, wenn man am wenigsten darauf vorbereitet
ist. Sei in der Zeit zwischen den Angriffen demütig, und vertraue dich niemandem als der führenden Eingebung deines höheren Selbst an.

Religiöse Führer haben dem höheren Selbst viele schöne Namen gegeben. Einige nennen es inneres Licht oder innewohnender Christus. Als Jesus sagte, „das Königreich Gottes ist in Euch“, hat er sich offensichtlich auf das höhere Selbst bezogen. An anderer Stelle heißt es, Christus in euch, eure Hoffnung auf Herrlichkeit, der innewohnende Christus. Jesus wurde der Christus genannt, weil sein Leben durch diese höhere Macht regiert wurde.

Wenn ich über die Schritte zum inneren Frieden spreche, so tue ich das in einem bestimmten Rahmen, aber ich will die Anzahl dieser Schritte nicht willkürlich festlegen. Sie können erweitert oder einschränkt werden. Es ist dies lediglich eine Art, über diese Dinge zu sprechen, aber wichtig dabei ist: die Schritte zum inneren Frieden werden nicht in einer bestimmten Reihenfolge durchlaufen. Der erste Schritt für den einen mag der letzte für den anderen sein. So mache als ersten Schritt den, der für dich gerade am einfachsten scheint, und sobald du einige Schritte tust, wird es dir leichter fallen, noch ein wenig weiter zu gehen. Auf diesem Gebiet können wir uns austauschen. Keiner von uns muß sich aufgerufen fühlen, eine Pilgerreise zu unternehmen, und ich versuche auch nicht, euch dazu anzuregen, aber wir können Gedanken austauschen, wenn es um die Suche nach Harmonie in unserem eigenen Leben geht. Ich vermute, wenn ihr mich jetzt von einigen Schritten zum inneren Frieden reden hört, so werdet ihr sie als Schritte erkennen, die auch ihr gegangen seid.