Über Demokratie und Gesellschaft

Demokratie heißt für mich Steuerung durch das Volk. Sklaven sind Menschen, die anderen erlauben, ihr Leben zu steuern. Wenn es den Menschen gelingt, ihre Probleme gerecht und effizient an der Basis zu lösen, so behalten sie die Kontrolle über ihr Leben. Wenn sie aber die Lösung ihrer Probleme einer höheren Autorität übertragen, so verlieren sie die Kontrolle über ihr Leben.
Wir haben ein ansehnliches Maß an individueller Demokratie erreicht – z. B. das Recht des einzelnen auf freie Meinungsäußerung. Wir haben auch eine Menge politische Demokratie. Wir machen Fortschritte mit der sozialen Demokratie. Hätten wir soziale Demokratie, so würde jeder Mensch nach seinen Verdiensten bemessen und nicht nach seiner Gruppenzugehörigkeit. Es gibt Gesetze in diese Richtung; wir müssen noch einen langen Weg gehen, aber wir werden dahin kommen.

Am schlechtesten schneiden wir bei der wirtschaftlichen Demokratie ab. Hier haben wir nicht sehr viel Einfluß, und das beunruhigt mich. Denke daran, wenn wir der Welt ein gutes Beispiel setzen wollen, müssen wir uns selbst bessern. Ich will dir eine traurige Geschichte erzählen:
Ich ging bei Leuten durchs Wohnzimmer. Zwei Komiker im Fernsehen machten Witze vor dem Publikum, und einer von ihnen sagte: „Ich habe von meiner Firma eine Auszeichnung bekommen.“ „Warum?“ „Ich entwickelte eine Methode, um zu erreichen, daß ihr Produkt schneller verschleißt!“ Alles im Publikum lachte.
Das ist nicht zum Lachen. Rohmaterialien und Energie werden immer knapper. Zukünftige Generationen werden uns als Idioten ansehen, die auf Unbrauchbarkeit hin fabriziert haben. Ja, jeder weiß, was wir tun, und man lacht auch noch darüber. Da muß man Abhilfe schaffen, ganz offensichtlich.

Ein weiterer Punkt, wo man Abhilfe schaffen muß, ist die Arbeitslosigkeit. Ich bin darüber sehr beunruhigt. Etwa sieben oder acht Millionen unserer Mitmenschen in diesem Lande sind arbeitslos. Wie wirkt sich das auf die Leute aus? Es macht sie psychisch krank, weil ihnen von der Gesellschaft gesagt wird, daß man sie nicht braucht, daß es für sie keinen Platz gibt. Arbeitslosigkeit ist etwas Schreckliches. Wir müssen dem abhelfen, und wir müssen dem sofort abhelfen.
Mein Vorschlag ist folgender: Nach einer gewissen Zeitspanne sollten sich alle arbeitsfähigen Arbeitslosen um Gemeinschaftsarbeit bewerben können, die wie andere Wohlfahrtseinrichtungen finanziert wird. Es müßte nicht einmal eine Ganztagsbeschäftigung sein, aber man würde sich verdienen, was man an Unterstützung bekommt.
Es gibt keinen seelisch gesunden Menschen, der sich nicht eine sinnvolle Beschäftigung wünscht. Ich weiß, daß es einige wenige psychisch kranke Menschen gibt, für die dies nicht zutrifft, – vor allem die, die schon lange arbeitslos sind, und denen es psychisch sehr schlecht geht. Aber das trifft auf die meisten Menschen nicht zu. Die meisten Leute würden sich begierig auf die Chance stürzen, etwas tun zu können. Vom spirituellen Standpunkt aus kann man aus der Harmonie geratene Dinge, wie es der heute praktizierte Kommunismus ist, am besten in den Griff bekommen, wenn man keine Angst davor hat - Angst kräftigt das Böse. Laß gute Einflüsse darauf einwirken; sei ein gutes Vorbild. Versuche nie, es durch Übernahme seiner falschen Philosophie zu bekämpfen. Zum Beispiel heißt es, daß zur Philosophie kommunistischer Regierungen die Auffassung „Der Zweck heiligt die Mittel“ gehöre – was tatsächlich die Philosophie aller Länder ist, die Krieg als Mittel einsetzen. Nimm dir lieber die spirituelle Philosophie „Die Mittel heiligen den Zweck“ zu Herzen, und denke daran, daß nur gute Mittel wirklich einem guten Zweck dienen können.

Nur durch Beispiele können wir etwas verändern. Deshalb, wenn ich in diesem Land die Macht dazu besäße, so würde ich ein sehr sanftes, gutes Beispiel geben: Ich würde ein Friedensministerium einrichten. Das wäre mit einer sehr nützlichen Aufgabe betraut. Es würde friedvolle Wege der Konfliktlösung, Kriegsverhinde-rungsmaßnahmen und die Anpassung der Wirtschaft an den Friedens-zustand erforschen. Es würde mit großer Publizität gegründet werden, und wir würden alle Nationen dazu auffordern, ein ähnliches Ministerium einzurichten und mit uns zusammen für den Frieden zu arbeiten. Ich denke, daß viele Nationen dazu bereit wären. Kommunikation unter den Friedensministerien wäre ein Schritt zum Weltfrieden.
Während des Vietnamkrieges fragte ich meine Brieffreunde in aller Welt die gleiche Frage: „Welches Land stellt in den Augen Deiner Landsleute die größte Bedrohung für den Weltfrieden dar?“ Ich bekam eine einstimmige Antwort: Nicht Rußland, nicht China, sondern wir! Ich fragte, warum. Die Antworten fielen ein bißchen unterschiedlich aus. Die Orientalen antworteten: „Weil ihr als einzige Nation die Atombombe eingesetzt habt, um Menschen zu töten, und niemand kann uns garantieren, daß ihr sie nicht wieder einsetzt.“ In Süd- und Lateinamerika sagten sie: „Heute ist es Vietnam – und morgen werden wir es sein.“ In Europa und einigen anderen Erdteilen lautete die Antwort meistens: „Eure Wirtschaft arbeitet am besten in Kriegszeiten oder in Zeiten der Kriegsvorbereitungen“, oder: „In eurem Land kann man durch Krieg oder durch Kriegsvorbereitungen das große Geld verdienen.“

Ich berichte dies nicht gerne, es ist so negativ, aber ich meine, wir müssen wissen, daß die Länder auf dieser Erde nicht immer unser gutes Herz sehen, wenn sie über den Ozean blicken. Sondern sie sorgen sich wegen unserer Aktionen.
Ich möchte, daß wir nicht nur alle möglichen Schritte in Richtung Abrüstung und Frieden in der Welt unternehmen, sondern daß wir auch der Welt ein immer besseres Beispiel geben.
In den letzten Jahren hörte ich von einer ganzen Reihe meiner ausländischen Freunde: „Rußland hat Salt II unterzeichnet, warum habt ihr nicht unterschrieben? Seid ihr weniger an Abrüstung interessiert als die Russen?“ Ich hatte keine Antwort. Ich wünschte, wir hätten unterzeichnet. Es wäre ein freundlicher Schritt, nicht annähernd genug, aber wir hätten unterzeichnen sollen, um dann verstärkt für Salt 111 und jede erreichbare Übereinkunft zu arbeiten.

Auf meinem Weg durch Kanada wurde ich eingeladen, während des Konzerts des Jugendchors der Vereinigung spiritueller Gemein schaften Christi (Union of Spiritual Communities of Christ) zu sprechen; sie sind unter dem Namen Doukhobor bekannt, eine Pazifistengruppe, die im letzten Jahrhundert aus Rußland emigrierte. Ich sagte zu ihnen: „Ihr habt eine besondere Botschaft für diese Welt, insbesondere für Rußland. Da viele von euch Russisch sprechen, könntet ihr doch eine Friedensbotschaft nach Rußland senden. Diesen Chor zum Beispiel. Ihr habt die einzigartige Möglichkeit, mit ihnen in ihrer eigenen Sprache zu sprechen, anders als die gewöhnlichen Abordnungen, die oft gar nicht mit ihnen kommunizieren können. Diese Art von Austausch ist in der gegenwärtigen historischen Krise notwendig.“
Die Vereinten Nationen müssen verbessert werden. Wir Menschen dieser Welt müssen lernen, das Wohl der gesamten Menschheit über das Wohl irgendeiner Gruppe zu stellen. Hunger und Leiden müssen gelindert werden. Ein umfassender Austausch von Menschen zwischen den Ländern der Erde wäre sehr hilfreich.
Im Zusammenhang mit dem Frieden gibt es einige nationale Probleme - es muß am Frieden unter Gruppen gearbeitet werden. Unser vordringlichstes nationales Problem ist es jedoch, unsere Wirtschaft an eine Friedenszeit anzupassen.