1. Vairagya Prakarana – Über die Leidenschaftslosigkeit

Die Geschichte von Shukadeva

Dann sagte Viswamitra: „Oh Rama! Du bist gesegnet mit Unterscheidungsvermögen, Leidenschaftslosigkeit, reiner Vernunft, Intelligenz und klarem Verständnis. Für Dich gibt es nichts mehr zu lernen. Du besitzt spirituelle Weisheit wie die von Shuka, dem Sohn des großen Vyasas. Obwohl Shuka sein Wissen durch Intuition erlangte, benötigte er doch verschiedene Anweisungen, um seine spirituellen Erfahrungen zu bestätigen.“

Rama erwiderte:“Oh, Du verehrenswerte Muni! Bitte lass mich wissen, wie es kam, dass Shuka, der sich zunächst seines Wissens nicht so sicher war, später sicher in seinem Glauben fühlte.“

Viswamitra antwortete: „Ich werde Dir, Rama, die Geschichte von Shukadeva, deren Fall genau wie der Deine ablief, erzählen. Er besaß großes spirituelles Wissen. Er dachte ernsthaft über den flüchtigen Charakter dieser Welt nach und wurde genau wie Du all ihren Angelegenheiten über gleichgültig. Obwohl er spirituelles Wissen besaß, war er sich doch unsicher. Er war sich nicht sehr sicher ob der Unumstößlichkeit seines Wissens und hatte daraufhin keinen geistigen Frieden. Er ging zu seinem Vater und bat ihn um eine Antwort auf die folgenden Fragen: „Was ist dieses Maya, das so großen Schmerz verursacht? Wie verschwindet es? Woher kommt es? Wie weit dehnt es sich aus? Wo ist sein Ende? Wann entstand diese Welt?“

„Vyasa erklärte Shuka genau, was man über dieses Thema sagen konnte. Aber Shuka war nicht zufrieden. Denn er wusste all dies bereits zuvor. So schickte Vyasa seinen Sohn zu König Janaka, damit dieser ihm die Antworten lieferte. Also ging Shuka in die Stadt Videha. Der Palastwärter informierte den König über die Ankunft Shukas, dem Sohn von Vyasa, aber Janaka ging nicht zuerst Shuka zu begrüßen, denn er wollte dessen geistige Gelassenheit prüfen. So ließ er Shuka sieben Tage lang ohne Essen vor dem Tor warten, ohne dessen Geist auch nur im Geringsten zu beunruhigen. Anschließend wurde er für weitere sieben Tage in einem außerhalb gelegenen Gelände festgehalten. Danach führte man ihn in die innere Kammer des Palastes. Hier wurde er dann üppig mit den köstlichsten Speisen versorgt und attraktive Damen verwöhnten ihn mit Blumen, Wohlgerüchen und Sandelholzbalsam. Aber Shuka blieb vollkommen unbeeindruckt. Weder konnten jene Schikanen noch diese Unterhaltungen Shukas Geist beirren, der angesichts dieser Versuchungen fest wie ein Fels blieb. Durch diese Prüfungen entdeckte König Janaka, dass Shukadeva den höchsten Frieden des Ewigen erlangt hatte.

Janaka erhob sich, verbeugte sich vor Brahmarishi und sagte: „Du hast das Ziel des Lebens erlangt. Du hast die beste Frucht erworben, indem Du alle weltlichen Belange hinter dir gelassen hast. Bitte teile mir mit, weshalb du jetzt zu mir gekommen bist. Ich bin vollkommen bereit, dir zu dienen, Oh Mahatma!“

Shukadeva fragte: „Wie entstand Maya? Wie wächst es und wie wird es ausgelöscht? Bitte, oh verehrenswerter Guru. erkläre es mir ausführlich.“ Jananka wiederholte die gleichen Dinge, die ihn sein Vater, Vyasa, gelehrt hatte. Shukadeva erwiderte sodann: „All dieses habe ich lange zuvor schon durch meine eigene Eingebung erfahren und durch die von meinem Vater auf meine Anfragen erteilten Antworten. Du hast mir dieselben Dinge erzählt und wie es sich herausstellt, ist dies auch die wahre Bedeutung der Shastras. Das vergängliche Maya, das ihren Ursprung in Brahman in der Form des Atems oder einer Schwingung nimmt, um sich wieder mit Brahman zu vereinen, ist dabei von keinerlei Nutzen. Bitte kläre mich über die Natur von Atman oder Brahman auf.“

König Janaka erwiderte: „Alleine Brahman existiert. Er ist der Ewigwährende, Unteilbare und Selbstleuchtende. Er durchdringt alles als der gänzliche Chidakasa. Es gibt nichts außer Brahman. Jenes Jnana ist gebunden an sein eigenes Sankalpa und wird durch die Auslöschung der Sankalpas befreit. Du hast wahrhaft das Höchste Selbst erkannt. Du hast das Wissen über Atman erlangt. Deshalb besitzt du weder eine Verhaftung noch eine Sehnsucht nach sinnlichen Gegenständen. Du hast alles erlangt, was erlangt werden konnte. Du hast alles Erreichbare erreicht. Du bist ein Held, weil du alle Wünsche überwunden hast. Du bist ein vollkommener Jivanmukta. Du bist eins mit dem Höchsten Selbst.“

König Janaka führte Shukadeva in die atmischen Geheimnisse ein. Shukadeva verharrte in Stille und hielt seinen Geist fest auf das Höchste Selbst gerichtet. All seine Zweifel und Verwirrtheiten lösten sich vollkommen auf. Er wurde von der Täuschung der Maya befreit. Er verweilte tausend Jahre in Nirvikalpa Samadhi. Genauso wie ein Tropfen Wasser sich mit dem Ozean verbindet, so verband sich auch Shukadeva mit der Höchsten Seele oder dem Meer an Wonne.

Viswamitra fuhr fort: „Oh Rama! Auch du solltest den von Shukadeva befolgten Weg einschlagen. Jener, der Wissen über das Selbst erlangt hat, wird kein Verlangen nach weltlichen Zerstreuungen haben. Er wird sich nicht mit den Gegenständen identifizieren. Es ist sehr schwer, eine Abneigung oder Widerwillen gegenüber den Objekten zu erlangen. Wenn der Geist einen Hang zu Objekten hegt, wird die Verhaftung stärker. Gibt es einen solchen Hang nicht, wird die Verhaftung lockerer und verschwindet schließlich ganz. Nur die Auslöschung von Vasanas bedeutet Moksha oder die letzte Befreiung. Der durch Vasanas nach sinnlichen Objekten dürstende Geist führt zur Verhaftung.

Jene, welche die Vasanas ausgelöscht haben und den weltlichen Zerstreuungen gegenüber gleichgültig sind, sind befreite Weise.“ Dann wandte er sich an die versammelten Weisen und sagte: „Egal, was Rama durch seine Intuition auch erfuhr, es bedarf schon um des Seelenfriedens willen der Bestätigung seitens Vasishtha. Lassen wir den verehrten Vasishtha mit dem edelgesinnten Rama diskutieren, um so den Seelenfrieden wieder herzustellen. Er ist die einzige Person, die in der Lage ist, Zweifel in Bezug auf Rama auszuräumen und ihn friedvoll und glücklich zu machen, weil er ein Jnani ist.“

Viswamitra sagte zu Vasishtha: „Mein Herr, Sie werden sich erinnern an die Anweisungen, weisen Vorträge und Jnanageschichten, die uns Brahma erteilte, um unsere gegenseitige Feindschaft zu befrieden und das Wohlergehen aller Lebewesen zu fördern. Diese Dinge sollten Sie nun Rama lehren. Sie werden ihm helfen, den Seelenfrieden zu erlangen. Er, der wunschlos ist und seine Sinne kontrolliert hat, und nur er alleine wird von der Einführung eines Vorgängers profitieren. Denn, wenn die Einführung einem unangemessenen Schüler gegeben wird, der von der Welt nicht abgestoßen ist, dann wird sie genauso verseucht, wie Milch, die in einer Hundehaut aufbewahrt wird.“ Sämtliche Weisen, die sich in der Ratshalle des Dasarantha versammelten, rühmten Muni Viswamitra für seine erhabenen Äußerungen.

Vashishta sagte dann: „Oh du Weiser! Ich werde deinen Anweisungen gehorchen. Wer könnte sich schon weigern, das Geheiß der Guten und Weisen nicht zu befolgen? Ich werde nun Rama die reinen Weisheitsgeschichten mitteilen, die von dem auf den Nishada Hügeln aus dem Lotus geborenen Brahman für alle Menschen beständigen Geistes sowie reiner und tugendhafter Natur erteilt wurden, um sie vom Rad aus Geburt und Tod zu befreien“.

Vasishtha erzählte dann Rama diese Geschichten, um dessen Zweifel zu vertreiben und ihm den Zustand des höchsten Friedens und der ewigen Wonne zu zeigen.