Einführung

Die Kenopanishad gehört zum Sama Veda. Wie bei der Ishavasya Upanishad, leitet sich ihr Name auch vom ersten Wort des ersten Verses ab, nämlich Kena, „durch den, durch welchen“. Sie wird auch Talavakara genannt oder. Jaimini Brahmana des Samaveda, zu dem sie gehört. Die Rezension ,Sakha, wird Talavakara oder Jaiminiya Brahmana genannt. Shankaracharya sagt in seinem Kommentar, die Upanishade beginne im 9. Kapitel des Talavakara Brahmana des Sama Veda. In der Mss-Ausgabe des Brahmana, die von Dr. Burnell entdeckt wurde, beginnt die Upanishade jedoch im 10. Abschnitt (Anuvaka) des 4. Kapitels. Es gibt zwei verschiedene Kommentare von Shankarachrya zu dieser Upanishade, den Pada-bhashya und den Vakya-bhashya.

Die Kenopanishad ist ein kurzer Text von 4 Abschnitten (Khandas). Sie handelt im Wesentlichen von der Natur des Brahman und dem Wissen um das Selbst. Brahman wird in der Einleitung beschrieben mit dem Ausdruck „Keneshitam“ („durch wen, durch wessen Wunsch/Veranlassung“), und ist in Form von Frage und Antwort aufgebaut. Brahmavidya, die höchste Wissenschaft der Seele ist in der Tat eine komplizierte Wissenschaft. Es ist schwer, die Natur Brahmans, des höchsten Selbst, zu verstehen. Um ein leichteres Verständnis zu ermöglichen, ist die Upanishade. in Form eines Dialogs zwischen Lehrer und Schüler gehalten.

Die ersten beiden Teile sind in Dialogform. Es wird erklärt, wie man Brahman verwirklichen kann indem man Geist und Sinne transzendiert. Ebenso wird die Natur Brahmans behandelt. Atman, Brahman, ist jenseits der Reichweite von Sinnen und Geist. Er ist der Geist des Geistes, das Ohr des Ohres. Hinter Atem und Sinnen ist das höchste Brahman. Nur dank des Lichtes von Brahman funktionieren Geist, Prana und Sinne. Der 3. Teil enthält den bekannt Deva Yaksha Samvada, den Dialog zwischen den Devas (Engelswesen) und den Yakshas (Naturgeister, niedrige Götter). Im 4. Teil werden Meditationstechniken über Brahman und die Ergebnisse dieser Meditation erklärt.

Wenn man handelt (Karma, bzw. die vorgeschriebenen Rituale korrekt ausführt) ohne die Erwartung von Früchten, reinigt es den Geist, das Gemüt, und schafft im Aspiranten einen starken Wunsch nach endgültiger Befreiung.

Der Wunsch, Brahman zu erkennen und Freiheit von Geburt und Tod zu erlangen kann nur in dem Menschen erwachen, der mit einem reinen, ruhigen Geist versehen ist, der frei ist von Wünschen und welcher der äußeren Objekte dieser illusorischen Welt überdrüssig ist.

Brahman kann man nicht durch logische Diskussionen verwirklichen. Die Shruti (Schrift) sagt: „Um Brahman zu erkenn, mag sich der Aspirant einem Lehrer nähern, der versiert ist in den Vedas und der in Brahman begründet ist, mit Samit, dem Opferfeuer, in der Hand.“ – „Derjenige weiß, der unter einem Lehrer studiert hat.“ Nur Wissen, das man auf diese Art unter der Anleitung eines Lehrers erwirbt, führt zum Guten.

Wenn man Wissen von Brahman erlangt, verschwindet Avidya; die Unwissenheit, welche der Same von Bindung und Ursache der Karmas (Handlungen) ist, die man ausführt, um bestimmte Wünsche zu erfüllen. Die Shruti (Schrift) sagt: „Für den Kenner des Selbst, der den einen Atman überall wahrnimmt, gibt es weder Sorge noch Täuschung.“ – „Wer den Atman kennt geht jenseits des Leides.“

Moksha (Befreiung) kann man nicht erlangen durch Karma oder durch Wissen kombiniert mit Karma (Anmerkung des Übersetzers: Karma hier im Sinne von vorgeschriebenen ritzuellen Opferhandlungen). Das Wissen um Atman ist dem Karma entgegengesetzt und kann daher nicht zusammen mit Karma existieren. Bei Karma (Handlung in bestimmter Absicht) gibt es immer einen Handelnden, Ergebnisse, Früchte des Handelns usw. Das Ausführen vorgeschriebener Karmas bringt einen nur in die Welt der Vorfahren, es kann einen nicht unsterblich machen. Brahman, die einzige Wirklichkeit, kann man nicht durch andere Mittel erlangen als durch die Aufhebung von Unwissenheit durch Erkenntnis des Selbst.

Dieses höchste Brahman, welches unsterblich, furchtlos, ewig, aus sich selbst leuchtend, reine Wonne und alldurchdringend ist, kann von allen erreicht werden. Nur wenn man dieses Brahman erlangt, ist man frei von Geburt und Tod. Ein Aspirant, der der illusorischen sinnlichen Freuden dieser Welt überdrüssig war und einen brennenden Wunsch nach Erkenntnis des Brahman und Erreichen der endgültigen Befreiung hatte, kam zu einem Lehrer, der die Vedas kannte und selbst in Brahman aufgegangen war und fragte den Lehrer. Das ist der Inhalt der Verse in dieser Upanishade, beginnend mit Keneshitam usw.

Einleitendes Shanti-Mantra

Om āpyāyantu mamāngāni vākprānaahchakahuh shrotramatho balamindriyāni
cha sarvāni
sarvam brahmaupanishadam
māham brahma nirākuryam mā mā brahma
nirākarodanirākaranamastvanirākaranam me'stu
tadātmani nirate ya upanishatsu dharmāste mayi santu te mayi santu.
Om shāntih shāntih shāntih.

Harih Om! Mögen meine Glieder, Sprache, Auge, Ohr, Stärke und alle meine Sinne zu großer Kraft heranwachsen. All dies ist das Brahman der Upanishaden. Möge ich niemals Brahman verleugnen. Möge das Brahman mich niemals zurückweisen. Möge es keinerlei Ablehnung und Verleugnung des Brahman geben. Möge es keinerlei Abweisung durch das Brahman geben. Lasse all die Tugenden, von denen die Upanishaden sprechen, in mir ruhen, während ich mich im Selbst erfreue. Möge sie in mir wurzeln!

1. Vers:

Om
Keneshitam patati preshitam manah kena prānah prathamah praiti yuktah
Keneshitam vāchamimām vadanti chakshuh shrotram ka u devo yunakti

Schüler: Wer treibt den Geist dazu, zu seinen Objekten zu gehen? Auf wessen Befehlt kommt das Prana in Gang? Auf wessen Befehl spricht der Mensch? Welche Intelligenz lenkt die Augen und Ohren (zu ihren jeweiligen Objekten)?

Anmerkungen und Kommentar von Swami Sivananda

Die 8 Mantras dieses Teils sind sehr erhebend und inspirierend. Sie werden dich schrittweise zum Ziel führen, wenn du über ihre Bedeutung meditierst. Sie werden dich erkennen lassen, dass dir das Selbst sehr nahe ist. Diese Verse eignen sich sehr gut zur dauerhaften Wiederholung, Reflektion und Meditation darüber. Sie bringen den Geist nach innen. Sie führen dich schnell zum Tor der Intuition, wenn du zu Brahmamuhurta (Zeit Brahmans, 4 Uhr morgens bzw. vor Sonnenaufgang), wenn der Geist frei ist von den Strömungen von Rajas (Aktivität) und Tamas (Trägheit), konzentriert über sie meditierst.

Kena – durch wen, durch welchen Handelnden; Ishitam – gewünscht, gewollt, gelenkt; Patati – fällt auf, erleuchtet, geht (zu den Objekten); Preshitam – hingesandt.

Der Fragende ist ein intelligenter Mensch mit Unterscheidungskraft. Er ist ein echter Fragender, Suchender. Er dürstet nach wahrem Wissen. Er möchte unbedingt jene Höchste Wesenheit verwirklichen, die unveränderlich und ewig ist. Er denkt, dass eine höhere unabhängige Intelligenz den Geist, die Lebenskraft und die Sinnesorgane beherrscht und lenkt.

2. Vers:

Shrotrasya shrotram manaso mano yadvācho ha vācham sa u prānasya prānah
chakshushashchakshuratimuchya dhiiraah pretyāsmāllokādamriā bhavanti

Lehrer: Es ist das Ohr des Ohres, der Geist des Geistes, die Zunge der Zunge (die Sprache der Sprache) und auch das Leben des Lebens und das Auge des Auges. Indem sie diese hinter sich gelassen haben (die Ich-Identifikation in all diesen) und sich über das mit den Sinnen erfassbare Leben erheben, werden die Weisen unsterblich.

Anmerkungen und Kommentar von Swami Sivananda

Dieser Vers ist die Antwort auf die Fragen des 1. Verses. Der Lehrer antwortet dem würdigen Schüler, der ihn gefragt hat. Hinter dem Geist, Atem und den Sinnen ist Brahman, das Höchste Selbst. Wer dieses Brahman kennt erlangt Unsterblichkeit.

Unwissende Menschen identifizieren sich mit dem Körper, Geist, Prana und den Sinnen aufgrund von Unwissenheit, Avidya. Sie halten irrtümlicherweise diese falschen vergänglichen begrenzenden Attribute oder Fahrzeuge für den reinen unsterblichen Atman und sind daher im Kreislauf von Geburt und Tod gefangen. Aber weise Menschen lassen diese falsche Identifikation hinter sich, trennen sich von diesen begrenzenden Hüllen durch Hinterfragen, Unterscheidung und Anvaya-vatireka Yukti und die Praxis von Neti-Neti (Ich bin nicht der Körper, ich bin nicht das Prana, ich bin nicht der Geist, ich bin nicht die Sinne), identifizieren sich mit dem alldurchdringenden, ewigen, reinen Brahman, erlangen Wissen über Brahman und erreichen die Unsterblichkeit.

Atimuchya – frei seiend; der Ich-Identifikation mit den begrenzenden Werkzeugen wie Körper, Geist, Prana, Sinnen entsagt habend; der falschen Vorstellung entsagt habend, dass das Ohr, der Geist, das Prana usw. der Atman ist; Pretya – indem sie sich davon abgewandt haben; Asmat – von diesem; Lokat – Welt, Körper.

Einige Kommentatoren interpretieren Asmallokat pretya als „diese Welt verlassend“ oder „diesen sterblichen Körper verlassen habend“. Es kann aber auch bedeuten „sich über das sinnliche Leben erhebend“, denn die Weisen erlangen Unsterblichkeit sobald sie sich über das sinnliche Leben erheben und im höheren Selbst leben. Sie werden unsterblich, noch während sie in diesem Körper weilen. Sie brauchen nicht zu warten, bis sie den Körper oder die Welt verlassen, um unsterblich zu werden. Diese Interpretation ist passender.

So wie Wasser in einem Gefäß durch die Sonne oder ein Feuer erwärmt wird, so borgen auch der Geist, das Prana und die Sinne ihr Licht und ihre Kraft vom Atman. Der Atman ist die Quelle all dieser Organe. Das Ohr hört nur dank des Lichtes des Atman, die Zunge spricht nur durch die Kraft des Atman, der Geist denkt nur durch die Kraft des Atman und das Prana wirkt als Lebenskraft nur durch die Kraft des Atman. Der Geist und die Organe sind unbelebt und nicht intelligent aus sich heraus. Sie scheinen eine eigene Intelligenz zu besitzen durch das Licht und die Kraft des Atman. Brahman, Atman, gibt dem Ohr die Kraft des Hörens, dem Geist die Kraft des Denkens, der Zunge die Kraft der Rede, die Kraft des Leben dem Prana, dem Auge die Kraft des Sehens. Daher heißt es, Es ist das Ohr des Ohres, der Geist des Geistes, usw.

Es gibt einen Herrscher des Ohres, des Auges, der Zunge, des Geistes, der Lebenskraft, der sich von Ohr, Geist, Prana usw. unterscheidet. Die Ohren, die Augen, der Geist, das Prana usw. existieren für Seinen Gebrauch, so wie das Haus für den Gebrauch des Eigentümers da ist. Der Herrscher ist Brahman bzw. Atman.

Die Shruti (Schrift) sagt: „Brahman strahlt aus Seinem eigenen Licht heraus.“ „Durch Sein Licht wird das ganze Universum erleuchtet.“ „Die Sonne, der Mond, die Sterne, das Feuer und der Blitz strahlen durch Sein Licht.“ „Wer könne leben und atmen, wenn da nicht das aus sich selbst strahlende Brahman wäre.“ „Er lenkt den Prana nach oben und den Apana nach unten.“ Die Bhagavad-Gita (XIII-33) sagt;: „Wie die Sonne die ganze Welt erleuchtet, so erleuchtet der Atman (Kshetri), o Bharata, all diese Körper (Kshetra).“

Durch Verzicht auf alle Wünsche wird man unsterblich. In dieser Welt spricht der Mensch immer von „mein Sohn“, „meine Frau“, „mein Haus“ usw. Die Weisen unterlassen all solche weltlichen Gespräche und Wünsche (pretya asmallokat) und erlangen Unsterblichkeit durch Meditation über Brahman, der das Ohr des Ohres, der Geist des Geistes, usw. ist. Die Shruti sagt: „Nicht durch Taten, noch durch Nachkommenschaft, noch durch Reichtum, sondern nur durch Entsagung erreicht man die Unsterblichkeit.“ „Wenn man alle Wünsche hinter sich lässt, erlangt man das Brahman.“ „Alle Sinne nach innen gezogen habend um des Wunsches nach Unsterblichkeit willen.“

3. Vers:

Na tatra chakshurgacchati na vāggacchati no mano na vidmo na vijānīmo yathaitadanushishyādanyadeva tadvidiādatho aviditādadhi
Iti shushruma puurveshām ye nastadvyachachakshire

Die Augen gelangen nicht dorthin, noch die Rede noch der Geist. Wir wissen daher nicht, wie wir jemanden über ES belehren sollen. Es unterscheidet sich von allem, was bekannt ist und ist jenseits dessen, was unbekannt ist. So haben wir es von den alten Lehrern gehört, die es uns gelehrt haben.

Anmerkungen und Kommentar von Swami Sivananda

Das Auge und die Organe können Brahman nicht erreichen. Sie können sich Ihm nicht nähern, denn man kann nicht zu seinem eigenen Selbst hingehen. Wie können die Augen den Seher der Sicht sehen? Das Auge ist ein Objekt der Wahrnehmung für den Geist und den Atman. Wie geschickt ein Akrobat auch sein mag, er kann nicht auf seine eigene Schulter springen. So ist es auch mit Sinnen. Das Auge kann nur die äußeren Objekte des Universums sehen. Das ist seine einzige Funktion. Wie kann es seine Quelle, die äußerst feinstofflich ist, erreichen oder erkennen? Denn es ist nicht möglich, zu seinem eigenen Selbst zu gehen. Ähnlich kann auch die Sprache Es nicht erreichen. Wenn man das Wort Kuh ausspricht, bringt das Wort das Objekt Kuh, das damit bezeichnet wird, in den Geist. Das Wort geht sozusagen zum Objekt. Die Quelle, Stütze, Wohnstätte, der Ruheplatz der Welt und des Organs, das das Wort ausspricht, ist Brahman. Deshalb können Rede und Mund nicht dorthin gehen, d.h., sich dem Brahman nicht annähern.

Der Geist kann ebenfalls nicht dorthin gehen. Wie kann er den Erkennenden erkennen? So wie Feuer, das brennt und andere Gegenstände erhellt, weder sich selbst verbrennen noch sich selbst beleuchten kann, so kann auch der Geist, welcher äußere Objekte durch die Straßen der Sinne erkennen kann, nicht den Atman bzw. Brahman erkennen, denn Brahman ist auch die Quelle des Geistes. Der Geist selbst ist grobstofflich, unbelegt und endlich. Wie kann das Endliche das Unendliche erkennen? Der grobstoffliche unreine Geist kann sich Brahman nicht annähern. Aber der feine, reine Geist kann dorthin gehen, denn der reine Geist ist Brahman selbst.

Brahman kann kein Objekt der Wahrnehmung sein, denn Es ist ohne Teile, ohne Attribute, äußerst subtil. Es ist jenseits der Reichweite der Sinne (Atindriya, Adrishya). Es kann nur intuitiv durch Meditation verwirklicht werden. Die Sinne und der Geist können nur die äußeren Objekte dieses Universums wahrnehmen.

Man kann anderen Gegenstände erklären, die durch die Sinne wahrnehmbar sind, indem man ihre Attribute, Art, Aktivität etc. beschreibt. Aber Brahman ist ohne Attribute, Art, usw. Daher ist es nicht möglich, Schüler über Brahman zu belehren. Brahman zu definieren heißt Brahman zu leugnen. Sat-Chit-Ananda ist nur eine behelfsmäßige Beschreibung. Das ist der Grund, warum die Schriften versuchen, Brahman durch die Neti-Neti-Lehre („nicht dies – nicht das“) zu erklären. Der Lehrer muss sich sehr bemühen, seine Unterweisung zu geben. Der Schüler sollte einen subtilen, scharfen, reinen und einpünktigen Intellekt besitzen.

Es ist nicht möglich, den Schüler durch Instruktion, Beweise auf einer durch die Sinne erfassbaren Ebene oder andere Beweise an den Atman glauben zu lassen, aber man kann ihm den Zugang zum Glauben und Verständnis eröffnen mit Hilfe der Schriften.

Brahman kann nicht erkannt werden wie die Objekte der Welt. Es kann auch nicht nur durch Worte erklärt werden, wie man jemandem die Natur eines Gegenstandes in Worten erklären könnte.

Tat – das, Brahman, das Ohr des Ohres; Viditat – von dem bekannten Vyakta, dem ganzen manifesten Universum, aller objektiven Phänomene;Aanyat – davon verschieden; Aviditat – vom Unbekannten, dem Avyakta, dem Samen aller Manifestation; Adhi – wörtlich über, höher, verschieden, anders als.

Brahman unterscheidet sich vom Bekannten, vom gesamten manifesten Universum und auch vom Unbekannten (Avyakta).

Wenn es heißt: „Brahman unterscheidet sich von allem Bekannten“, könnten Menschen das Avyakta, das Unbekannte, für das Brahman halten. Um diese Fehlinterpretation zu vermeiden, sagt der Text: „Brahman ist auch jenseits des Unbekannten.“

Wenn unwissende Menschen den Satz lesen: „Brahman ist verschieden vom Bekannten und auch jenseits des Unbekannten“, , mögen sie denken, dass Brahman ein Nicht-Sein oder nur ein sonderbares Fantasieprodukt von Rishis (Seher, Weise) und Vedantins (Gelehrten der Vedanta-Philosophie) sei. Dem ist aber nicht so. Brahman ist die einzige Wirklichkeit. Es ist die Basis und Quelle für alles. Brahman ist kein Objekt. Es ist alldurchdringend, geheimnisvoll, unfassbar, Chaitanya, reines Bewusstsein. Man muss Es durch Intuition und eigene Wahrnehmung erkennen. Es ist sehr schwierig, die Natur Brahmans zu verstehen. Es ist sehr schwierig, die Natur Brahmans zu erklären, denn es gibt keine Mittel und keine Sprache dafür. Die alten Rishis haben ihr Möglichstes versucht, den Schüler das Brahman auf unterschiedliche Weise nahe zu bringen. Wer mit einem reinen, feinen Intellekt begabt ist, kann die erhabenen Ideen der Upanishaden leicht begreifen. Für Menschen voller Leidenschaft und weltlich Gesinnte mit einem unreinen, nach außen gerichteten Geist sind die Upanishaden ein Buch mit sieben Siegeln. Alles erscheint ihnen wie böhmische Dörfer.

Da Brahman jenseits der Reichweite der Sinne und des Geistes ist, sollte der Aspirant zuerst ein umfassendes Verständnis des Brahman erwerben durch das Studium der Upanishaden und die Belehrung eines erleuchteten Lehrers. Er sollte sich mit den 4 Mitteln ausstatten (Anmerkung des Übersetzers: die 4 Mittel/Voraussetzungen eines spirituellen Aspiranten: Viveka = Unterscheidungskraft, Vairagya = Nicht-Anhaften, Shatsampat = die 6 Tugenden/Stufen eines gleichmütigen Geistes, Mumukshutwa = starke Sehnsucht nach Befreiung), und viel meditieren. Dann wird er das Wissen über Brahman erlangen. Er wird Brahman verwirklichen wie eine Amalaka Frucht in der Hand. Dann werden alle Zweifel und Täuschungen verschwinden.

Das was sich sowohl vom Bekannten wie auch vom Unbekannten unterscheidet ist Brahman bzw. Atman. Das Wissen von Brahman wurdet traditionell vom Lehrer auf den Schüler weitergegeben. Gaudapada hat das Wissen um Brahman (Brahma Vidya) dem Govindapada weitergegeben; Govindapada an Shankara; Shankara an Padmapada, und so weiter. Brahman kann man nur durch die Instruktion eines erleuchteten Lehrers, eines verwirklichten Weisen, erkennen, nicht durch logische Diskussionen, noch durch Intelligenz, durch Gelehrsamkeit, gelehrte Darlegungen, Askese, Rituale usw. So wurde es uns von den Lehrern überliefert, die uns das Brahman gelehrt haben.

4. Vers:

Yadvāchā’nathyuditam yena vāgabhyu dyate
Tadeva bhrama tvam viddhi nedam yadidamupāsate

Was die Sprache nicht erhellt, aber was die Sprache erhellt, erkenne Dies allein als Brahman, und nicht das, was die Menschen hier auf Erden verehren.

Anmerkungen und Kommentar von Swami Sivananda

Yat – was; das was Intelligenz selbst ist, reines Bewusstsein; Yena – durch den, durch Brahman

Der Schüler hatte einen Zweifel, dass der Jivatma, die individuelle Seele, nicht Brahman sein kann. Er dachte, der Jivatma ist der Ausführende von Ritualen und derjenige, der die Früchte der Karmas erfährt. Der Lehrer hat aus dem Blick, dem Reden, dem Verhalen des Schülers dessen Zustand erkannt und sagt daher: „Zweifle nicht dergestalt. Der Atman ist Brahman.“

Die Seele des Menschen ist der Atman. Die Seele des Universums ist Brahman. Der Atman ist identisch mit Brahman.

Sprache kann Brahman nicht enthüllen. Brahman ist jenseits der Reichweite der Sprache. Die Zunge spricht durch die Kraft, das Licht des Brahman. Sprache ist begrenzt. Wie kann begrenzte Sprache das unendliche Brahman enthüllen! Brahman allein erleuchtet die Rede und ihr Organ, Vak, die Sprache, die von Agni (Wesenheit des Feuers) gesteuert wird. Daher ist Brahman die Rede der Rede, die Zunge der Zunge. Im Vajasaneyaka heißt es: „Brahman ist innerhalb der Sprache und lenkt die Sprache.“ Dieser Atman ist Brahman oder Bhuma (das Unendliche, das Unkonditionierte). Brahman ist unübertrefflich, groß, großartig, das Höchste von allem, alldurchdringend. Daher wird Es Brahman genannt.

Brahman ist ewig, unveränderlich, aus sich selbst strahlend, ohne Form, ohne Farbe, ohne Attribute, zeitlos, ohne Raum, unteilbar, ungeboren, unvergänglich, unsterblich.

Idam – dies (gemeint ist: diese Welt), die Menschen hier. Brahman ist nicht das, was die Menschen hier (idam) verehren als Ishvara (personifizierte Gottesvorstellung) und als andere Engelswesen, um ihre Wünsche erfüllt zu bekommen.

Manche mögen den Eindruck bekommen, der Text werte Bhakti, Hingabe, ab. Vedanta ist jedoch dem Bhakt gegenüber ganz sicher nicht ablehnend eingestellt. Hier wird nur die Verehrung niedriger Engelswesen mit selbstsüchtigen Interessen kritisiert. Ein Vedantin, ein Weiser, ist ein vollkommener Gottesverehrer. Höchstes Bhakti, höchste Hingabe und Jnana (Erkenntnis) sind eins. Vedanta sagt, dass der Ishvara (Gott), den die Menschen verehren, dein eigens Selbst ist. Vedanta lehrt eine erweiterte Form von Bhakti, eine höhere Form der Hingabe und Verehrung.

Beginne deine Gebet mit der Verehrung eines Bildnisses. Verleihe dem Bildnis alle Attribute Gottes, aber lasse deine Verehrung nicht bei dem Bildnis allein enden. Dehne sie aus. Sieh Gott in jedem Objekt. Spüre, dass die Welt eine Manifestation Gottes ist. Sieh die Welt als Gott. Das Bildnis wird göttliche Liebe in deinem Herzen fördern, und dich schließlich zur Verwirklichung der Einheit mit dem Selbst führen. Das Bild wird als Stütze dienen, auf das du dich am Anfang stützen kannst. Manche unwissende Menschen denken, das Bildnis allein sei Gott. Nur gegen diese Art von Verehrung wendet sich Vedanta.

Brahman ist der stille Zeuge der Aktivität des Sprechorgans.

5. Vers:

Yanmanasā na manute yen hurmano matam
Tadeva bhrama tvam viddhi nedam yadidamuā sat

Was man mit dem Geist nicht denken kann, aber wovon es heißt, es sei das, wodurch der Geist zum Denken veranlasst wird, erkenne dies allein als Brahman, und nicht das, was weltliche Menschen verehren.

Anmerkungen und Kommentar von Swami Sivananda

Erkenne das allein als das Brahman, was nicht vom Geist verstanden werden kann, was aber den Geist dazu bringt, alle Objekte zu begreifen.

Manah – Geist, das, wodurch man denkt; nicht nur Manas, sondern das ganze Antahkarana ist hier gemeint.

Der Geist ist mit allen Organen verbunden. Er ist der Befehlshaber, der Chef. Die Shruti (Schrift) sagt: „Wunsch, Wollen, Überlegen, Vertrauen, Nachlässigkeit, Mut, Ängstlichkeit, Scham, Intelligenz, Furcht – all das ist der Geist.“

Der Geist ist Drik, der Seher, die Objekte sind Drishya, das Gesehene (die sichtbaren Dinge). Der Atman bzw. Brahman ist der Sehende (Drik), der Geist ist das Gesehene (Drisya). Der Geist kann sich Brahman nicht nähern. Der Geist wird von der Intelligenz Brahmans erleuchtet, welche innerlich scheint. Der Geist funktioniert durch das Licht und Kraft Brahmans. Der Geist ist durchdrungen von Brahman. So sagen es die Kenner Brahmans. Die innere Intelligenz des Geistes ist Brahman. Der Geist versteht die Welt bzw. die Objekte dank der Kraft, des Lichtes, der Intelligenz des Brahman.

Die Sinne transportieren die Sinneseindrücke, die Bilder der Objekte zum Geist. Der Geist präsentiert sie dem Selbst (Atman; Purusha). Der Purusha nimmt sie wahr, schaut sie an, stempelt sie gewissermaßen ab und sendet sie zurück zum Geist, so wie ein Herrscher sein Siegel auf Dokumente setzt und sie an den Premierminister oder den Hof zurück gibt. Erst dadurch wird das Verständnis von Objekten vollkommen bzw. vollständig.

Brahman ist der stille Zeuge der Aktivitäten des Geistes.

6. Vers:

Yacchakshushā na pashyati yena chakshum shi pashyati
Tadeva brahma tvam viddhi nedam yadidamupāsate

Was nicht durch das Auge gesehen werden kann, aber wodurch die Augen fähig sind zu sehen – erkenne Dies allein als Brahman, und nicht das, was die Menschen in der Welt verehren.

Anmerkungen und Kommentar von Swami Sivananda

Pashyati – sieht. „Sehen“ bedeutet „als Objekt wahrnehmen“. Brahman lenkt das Auge zu den Farben und Formen. Brahman kann man nicht mit dem Auge sehen, da Es kein Objekt der Wahrnehmung ist. Das Auge ist ein endliches Instrument, das die Eindrücke der Objekte, wie z.B. Farbe, Gestalt, Form, Größe, usw. an den Geist übermittelt. Das Auge erhält seine Kraft des Sehens allein von Brahman, seiner Quelle. Das Auge wird durch die erhellende Intelligenz Brahmans dazu veranlasst, sich zu seinem Objekt hin zu bewegen. Brahman ist der wirkliche ungesehene Seher der Sicht. Er ist der stille Zeuge der Aktivitäten des Auges. Durch das Licht Brahmans, verbunden mit den Aktivitäten des Geistes, nimmt der Mensch die Aktivität des Geistes wahr. Brahman ist der Herr, der Besitzer dieser mentalen Fabrik. Die Augen, Ohren usw. sind die normalen Angestellten. Der Geist ist der Leitende Angestellte. Der Intellekt (Buddhi) ist der Direktor.

7. Vers:

Yacchrotrena na shrinoti yena shrotramidam shrutam
Tadeva brahma tvam viddhi nedam yadidamup āsate

Was man nicht mit dem Ohr hören kann, sondern wodurch die Ohren fähig sind zu hören – erkenne Dies allein als Brahman und nicht das, was die Menschen hier verehren.

Anmerkungen und Kommentar von Swami Sivananda

Brahman lenkt das Ohr zum Klang hin. Das Ohr ist ein endliches Instrument. Es übermittelt Klangeindrücke an den Geist. Die Aktivität des Ohres ist mit der Aktivität des Geistes verbunden. Es erhält seine Kraft des Hörens allein von Brahman, seiner Quelle. Das Ohr wird durch die erleuchtende Intelligenz Brahmans dazu bewegt, sich auf Klänge, Musik und so weiter zu richten.

Brahman ist der wahre ungehörte Hörer. Er ist der stille Zeuge der Aktivität des Ohres.

8. Vers:

Yatprānena na prāniti yena praanah prāniiyate
Tadeva brahma tvam viddhi nedam yadidamupāsate

Das, wodurch man atmet nicht mit dem Atem, sondern wodurch der Atem geatmet wird, erkenne Dies allein als Brahman und nicht das, was die Menschen hier verehren.

Anmerkungen und Kommentar von Swami Sivananda

Prana kann auch riechen bedeuten. Dann wäre die Übersetzung: „Was der Geruchssinn nicht wahrnimmt, sondern was den Geruchssinn zu seinem Objekt hin bewegt, erkenne Dies allein als Brahman und nicht das, was die Menschen in der Welt verehren.“

Es, das nicht von Prana belebt wird sondern dem Prana die Kraft gibt, alle Wesen zu beleben, erkenne Dies allein als Brahman, und nicht das, was die Menschen hier verehren.

Der Atem wird durch die erleuchtende Intelligenz Brahmans dazu bewegt, sich auf seine Objekte hin zu bewegen.

„Das was man atmet nicht mit dem Atem“ bedeutet „Das was man nicht wahrnimmt wie den Geruch, wenn die Luft die Nasenlöcher füllt, und das, was verbunden ist mit der Aktivität des Geistes und des Lebens.“

Iti prathamah kandah

Hier endet der 1. Teil.

Dvitiya Khanda (Teil 2)

1. Vers:

Yadi manyase suvedeti dabhramevāpi nunam tvam vettha brahmano rūpam
Yadasya tvam yadasya cha deveshvatha nu mīmāmsyameva te manye viditam

Lehrer: Wenn du denkst „ich weiß wohl“, dann ist das sicher nur wenig – nämlich die Form Brahmans die du erkannt hast als die Form der Devas (Engelswesen, Gottheiten). Daher solltest du weiter über Brahman nachforschen. Schüler: Ich denke, Brahman ist erkannt.“

Anmerkungen und Kommentar von Swami Sivananda

Yadi – wenn vielleicht; suveda – ich kenne (Brahman) gut (da ich von dir belehrt wurde); dabhram – wenig; vettha – weißt du; atha nu – daher jetzt; mimamsyam – wert zu hinterfragen.

Du kannst nur von einem Objekt sagen: „Ich kenne eine Sache gut.“ Du kannst nicht sagen: „Ich kenne Brahman gut.“ Das ist eine falsche Vorstellung. Ein Stück Holz kann im Feuer verbrannt werden, aber die Essenz des Feuers selbst kann nicht so verbrannt werden. Brahman ist kein Objekt der Wahrnehmung. Erkenntnis Brahmans ist intuitives Selbst-Gewahrsein. Für den Weisen gibt es unterschiedliches objektives, gegenständliches Ziel und subjektives Bewusstsein. Subjekt und Objekt sind für ihn dasselbe. Er sieht nur Brahman überall. Daher sagt die Upanishade: „Es ist unbekannt für jene, die es kennen und bekannt für jene, die es nicht kennen.“

Ein Schüler der aufmerksam der Darlegung zur Natur Brahmans im ersten Teil gefolgt ist, muss jetzt denken, dass er Brahman vollkommen kennt. Es ist die eindeutige Bedeutung aller Schriften über Vedanta (Philosophie der Einheit), dass das Selbst, die Seele dessen, der etwas erkennt, Brahman ist. Außerdem wird die Vorstellung von Brahman in dieser Upanishade eingeführt durch die Passage: „Es, welches das Ohr des Ohres ist“. Diese Idee wird fest etabliert in dem Passus „Das was sich nicht durch Sprache usw. ausdrückt“. Und schließlich folgt die Feststellung der Vedanta-Schule: „Es ist sogar verschieden von dem, was bekannt ist, usw.“ Trotz dieser augenscheinlich klaren Gründe liegt der Schüler falsch, wenn er annimmt, er habe vollkommene Kenntnis des Brahman erlangt. Von allem, was ein Objekt der Erkenntnis sein kann, ist vollkommene definitive Erkenntnis möglich, aber nicht von etwas, das kein solches Objekt werden kann. Und das ist Brahman, denn Es ist der Erkennende, und der Erkennende kann andere Dinge gut kennen, aber er kann sich nicht selbst zum Objekt seines Wissens machen. Um es in moderne Ausdrucksweise zu kleiden: Das „Ich“ das erkennt, kann niemals sein Objekt werden, denn sobald es Objekt geworden ist, ist es nicht mehr von der Natur des Subjekts. Ebensowenig kann Brahman zum Objekt der Erkenntnis eines anderen gemacht werden, denn außerhalb von Ihm existiert nichts, welches erkennen könnte.

Wenn hier der Schüler fragt, ist die Natur Brahmans vielfältig, da in den Worten des Textes „Was du weißt, ist nur wenig“ impliziert zu sein scheint und was die Vorstellung von einem Mehr oder Weniger erweckt, ist die Antwort: In Wirklichkeit gibt es nur eine einzige Auffassung von Brahman, da Es ohne Form, Farbe usw. ist, aber scheinbar ist Seine Natur vielfältig aufgrund der irrigen Vorstellungen Seiner Wesensart.

Wenn es weiterhin heißt, die Natur von allem ist das, wodurch es definiert ist, so ist Brahman insbesondere definiert als Bewusstsein, welches sich weder auf die äußeren noch die inneren Sinne bezieht, sondern nur auf Brahman, und daher ist Brahman Bewusstsein, so gestehen zu, dass dies zutrifft, jedoch erhalten wir dadurch keine genaue Vorstellung von Brahman, denn das, was wir unter Bewusstsein, Wissen, usw. verstehen, ist für uns nur zugänglich mittels der Sinne oder des Intellekts und drückt daher nicht Wissen an sich aus, sondern Wissen reflektiert durch irgendein Medium. Also genau das, was vorher gesagt wurde, nämlich, Es ist sogar verschieden von dem, was erkannt ist. Somit ist es richtig, dass Es auch jenseits dessen nist, was nicht erkannt ist.

Der Lehrer dachte, der Schüler habe vielleicht die fälschliche Vorstellung: „Ich kenne Brahman gut.“ Er wollte diese falsche Vorstellung ausräumen. Daher sagte er: „Wenn du denkst, du kennst Brahman gut, dann weißt du nur wenig.“ Der Erkennende kann vom Erkennenden nicht erkannt werden (Anmerkung des Übersetzers: d.h., sich nicht selbst als Subjekt erkennen). Es gibt keinen anderen Erkennenden als Brahman, für den Brahman ein zu Erkennendes sein könnte, das verschieden von Ihm selbst wäre. Die Shruti (Schrift) sagt: „Es gibt keinen anderen Erkennenden als Dieses“ Die Existenz eines anderen/weiteren Erkennenden wird verneint. Daher ist es ganz offensichtlich, dass der Glaube „Ich kenne Brahman gut“ eine Illusion bzw. falsche Vorstellung ist.

Wer mit den 4 Mitteln (Anm. des Übersetzers: die 4 Mittel der Erkenntnis, die 4 Voraussetzungen eines spirituellen Aspiranten auf dem Weg der Erkenntnis: Viveka = Unterscheidungskraft; Vairagya = Nicht-Anhaften; Shatsampat = die 6 Tugenden/Stufen des Gleichmuts; Mumukshutwa = der intensive Wunsch nach Befreiung) ausgestattet ist, rein und intelligent ist, kann die Lehren der Upanishaden verstehen. Viele mißverstehen und halten die begrenzten Hüllen, nämlich Körper, Geist, Ich-Sinn usw. für den Atman (höchstes Selbst), obwohl sie die Upanishaden studieren und die Schriften von den Weisen hören, da sie keine wirklichen Schüler bzw. qualifizierte Menschen sind.

Prajapati (myth.: der vedische Schöpfergott) lehrte Virochana (den Dämonenkönig) und Indra (den König der Engelswesen): „Dieser Purusha (Seele, Mensch; Bewusstsein), den man im Auge wahrnimmt, ist das unsterbliche und furchtlose Brahman“. Beide missverstanden diese Lehre und nahmen an, der Körper sei Brahman, da ihre Mängel nicht geläutert und ihre Gemüter unrein und grobstofflich waren. Indra blieb 101 Jahre bei Prajapati, löste seine Fehler und Unreinheiten durch Tapas (spirituelle Praktiken), Glauben und Enthaltsamkeit auf, und verstand schließlich jenes wahre Brahman, das ihm das erste, zweite und dritte Mal gelehrt worden war, erst beim vierten Mal.

Selbst bei weltlichem Wissen ist das so. Wenn 50 Schüler vom selben Lehrer gelehrt werden, verstehen einige ihn richtig, andere missverstehen seine Lehre, manche interpretieren sie als genau das Gegenteil, und wieder andere verstehen sie überhaupt nicht. Wenn das schon bei weltlicher Wissenschaft so ist, um wie viel mehr trifft dies zu bezüglich des Wissens um Brahman, welches subtil und jenseits der Reichweite des Intellekts ist.

Der nächste Punkt ist: Hat Brahman dann viele Formen, groß und klein, weil gesagt wird „dabhram“, wenig? Die Schriften erklären, dass Brahman ohne Form ist (Nirakara, Amurta). Brahman hat Formen vom relativen Standpunkt aus gesehen. Scheinbar viele Formen Brahmans entstehen durch die konditionierenden Faktoren von Name und Form. In Wirklichkeit hat Brahman keine Formen. Die Attribute durch welche Brahman definiert wird kann man sozusagen als seine Formen bezeichnen. Die Shrutis sagen: „Brahman ist Wissen-Wonne“, „Brahman ist verdichtetes Wissen – Prajnanaghana, Vijnanaghana, Chidghana“, „Brahman ist Sein-Wissen-Unendlichkeit – Satyam-Jnanam-Anantam-Brahma“. So wurde die Gestalt Brahmans definiert. Diese Attribute helfen den Aspiranten, am Anfang darüber zu meditieren. Diese Attribute sind zunächst die Stütze (Alambana). Man muss am Anfang seiner spirituellen Praxis den Geist auf diese Attribute heften. Nach und nach fallen sie von selbst weg und du wirst schließlich in Brahman aufgehen. Der Lehrer kann seine Schüler dazu bringen, Brahman durch diese Attribute zu verstehen, nicht, weil es wirklich Seine ureigene Essenz wäre, sondern aufgrund der obigen beiden Zwecke. Daher heißt es, die wahre Essenz Brahmans ist unbekannt für jene, die (die Hilfsattribute) wissen und bekannt für jene, die nicht wissen (Anm. d.Üb.: die nicht glauben, dass man Brahman wie ein Objekt erkennen kann).

Der Lehrer sagte zum Schüler: „Du weißt ein klein wenig über die Form Brahmans, so wie sie konditioniert erscheint im Menschen, und du weißt auch ein klein wenig über das Brahman, so wie Es konditioniert ist in den Devas (Engelswesen).“ Brahman bzw. Bhuma, das, was unendlich, ewig, eins ohne ein Zweites ist, kann man nicht wirklich kennen (wie man ein Objekt kennt). Daher sagte der Lehrer: „Oh Schüler, ich meine, du musst das Brahman noch zu erkennen suchen durch Erforschung. Du hast nur ein bisschen intellektuelles Wissen Brahmans. Du hast nicht das wahre intuitive Wissen des Selbst erlangt.“

Der Schüler begab sich an einen einsamen Ort, dachte über die Lehren nach, dann meditierte er darüber und verwirklichte Brahman in sich selbst. Dann ging er zu seinem Guru zurück und sagte: „Ich denke, ich kenne das Brahman.

Brahman ist nicht das Unbekannte und Nicht-Erkennbare der Agnostiker, obwohl es heißt: „Brahman ist nicht verstehbar, man kann Es nicht erkennen oder sehen, Brahman ist jenseits der Reichweite von Intellekt und Sinnen.“ Es ist mehr als das Bekannte, da Es als das eigene Selbst (Atman) verwirklicht werden kann. Brahman ist auf immer das stille, bezeugende Bewusstsein. Es ist das Subjekt, der Erkennende und Seher. Alles, was man mit den Sinnen wahrnehmen und mit dem Geist erfassen kann, kann nicht Brahman sein. Nur ein weltliches Objekt kann man mit den Sinnen wahrnehmen bzw. mit dem Geist daran denken. Der Sehende kann niemals gesehen werden. Der Erkennende kann niemals erkannt werden (vom Intellekt, vom Geist). Brahman ist im objektiven Sinn nicht erkennbar. Brahman ist nicht erkennbar durch Geist, Intellekt, und Sinne. Es ist ganz sicher erkennbar durch direkte intuitive Wahrnehmung in Samadhi (Überbewusstsein) als das Selbst, der Atman, durch ein reines Gemüt, welches Brahman selbst ist.

Bis du den höchsten Nirvikalpa-Zustand erreichst, worin du entdecken und fühlen wirst: „Alles ist wahrlich Brahman, es gibt nichts anderes als das Selbst“, musst du wieder und wieder praktizieren, hinterfragen, reflektieren, meditieren und Seine Gegenwart in allen Namen und Formen spüren.

2. Vers:

Nāham manye suvedeti no na vedeti veda ca
yo nastadveda tadveda no na vedeti veda ca ..

Schüler: Ich denke nicht, dass ich (Es) gut kenne; aber auch nicht, dass ich nicht weiß; ich weiß auch. Der unter uns, der Es kennt, kennt Es, und er weiß auch nicht, dass er nicht weiß.“

Anmerkungen und Kommentar von Swami Sivananda

Wir können Brahman nicht erkennen so wie wir andere Objekte dieser Welt kennen, indem wir uns auf sie als zu einer bestimmte Art gehörig beziehen und andere Unterschiede definieren. Andererseits wissen wir nicht, dass wir Es nicht kennen, d.h., niemand kann behaupten, wir würden Es nicht kennen, denn es braucht Brahman, um überhaupt irgend etwas zu erkennen. Wer daher diese doppelte Besonderheit bezüglich des Wissens um Brahman kennt, kennt Brahman, soweit Es erkannt werden kann; und er weiß nicht, noch kann es ihm irgendjemand schlüssig beweisen, dass er Brahman nicht kennt.

Der Schüler sagt: „Ich denke nicht, dass ich Es gut kenne, aber es ist auch nicht so, dass ich Es nicht kenne. (Gleichzeitig) weiß ich auch.“ Dagegen sagt der Lehrer: „Dann kennst du Brahman nicht, denn zwischen dem, was du sagst – „Ich kenne Es nicht gut“ und „Ich kenne Es“ -, ist ein Widerspruch. Wenn du nicht denkst, dass du Es gut kennst, wie kannst du dann denken, du kennst es? Wenn du andererseits denkst dass du es kennst, warum denkst du dann nicht, dass du es gut kennst?“ Der Schüler bleibt unerschütterlich in seinem Glauben dank der Stärke seiner eigenen Erfahrung. Er zeigt die Festigkeit seines Wissens um Brahman und sagt: „Derjenige unter uns (meinen Mitschülern) weiß dies, der es weiß, usw.“

Man kann Brahman nicht kennen wie man ein Objekt kennt. Brahman wird nicht als Objekt erkannt bzw. verwirklicht, sondern als reines Selbst-Bewusstsein durch Intuition, direkte innere Erfahrung, Erleuchtung. In dieser spirituellen Erfahrung gibt es kein objektives Bewusstsein, so wie man diese Welt erfährt. Subjekt und Objekt sind eins in der spirituellen Erfahrung. Das Selbst, Brahman, ist alles. Der Weise sieht Atman überall. Sarvam Khalvidam Brahma – alles ist wahrlich Brahman. Das ist eine erhabene, die Seele aufrüttelnde Erfahrung die man sich weder vorstellen noch in Worten beschreiben kann. Du musst es selbst in Samadhi erfahren, wo Geist, Intellekt und Sinne aufhören zu wirken.

3. Vers:

Yasyāmatam tasya matam matam yasya na veda sah:
avijñātam vijānatām vijñātamavijānatām ..

Lehrer: Derjenige kennt es, der denkt, er kennt es nicht; wer denkt, er weiß, weiß nicht. Es ist unbekannt für jene, die wissen, und bekannt für jene, die nicht wissen.

Anmerkungen und Kommentar von Swami Sivananda

Der Weise, der Kenner Brahmans, weiß sehr gut, dass Brahman nicht erfassbar ist (durch Geist, Intellekt, Sinne, wie ein Objekt), sondern nur durch Intuition als sein eigenes innerstes Selbst, Antaratman, verwirklichbar ist. Daher kennt er Brahman gut.

Er weiß, dass Brahman kein Objekt des Denkens durch den niedrigen Geist ist. Er weiß, dass man auf Brahman meditieren kann mit einem reinen Gemüt, welches mit den vier Mitteln der Befreiung ausgestattet ist und mittels der Lehren eines erleuchteten Gurus. Er weiß auch, dass Brahman der einzige Sehende, Wissende, das stille bezeugende Subjekt und die ursprüngliche Quelle von allem ist. Der Gedanke „Ich kenne Brahman“ kommt ihm nie in den Sinn.

Aber derjenige, der überzeugt ist, er kenne Brahman (Anm.: wie man ein Objekt kennt), kennt Es ganz sicher nicht. Er ist ein Unwissender. Er hält fälschlicherweise den Körper, Geist, das Ego, die Organe und die Pranas (Lebensenergien) für das reine Selbst, dentifiziert sich mit diesen illusorischen begrenzenden Hüllen und sagt, er kenne Brahman. Die zweite Hälfte dieses Verses legt diese unterschiedlichen Schlussfolgerungen eines Weisen und eines Unwissenden nachdrücklich dar.

In unwissenden Menschen, die Brahman als Körper, Geist und Sinne wahrnehmen, steigt die irrtümliche Vorstellung auf, „Ich kenne Brahman“, weil sie nicht zwischen Brahman und diesen illusorischen Produkten, den begrenzenden Konditionierungen, die durch Unwissenheit geschaffen wurden, unterscheiden können. Die zweite Hälfte des Verses will aufzeigen, dass ein solches falsches Verständnis von Brahman irreführend ist. Darüber hinaus begründet sie die Auffassung des ersten Teils des Verses.

Für einen weltlichen Menschen mögen die beiden Feststellungen widersprüchlich erscheinen. Dem ist jedoch nicht so. Wenn man es wieder und wieder aufmerksam und mit einem fokussierten Geist studiert, wird einem alles ganz klar. Der Lehrer kommentiert das, was er in den vorhergehenden Shlokas (Versen) gesagt hat, um sie dem Schüler ganz klar zu machen.

Wer denkt, er kennt Brahman nicht, verfällt nicht dem Irrtum, dass Brahman zum Objekt vollständigen verstandesmäßigen Verstehens gemacht werden könnte. Wer denkt, er kenne Brahman, hat kein Wissen um Brahman, denn er unterliegt der irrtümlichen Vorstellung, dass Brahman vollständig gedanklich erfasst werden könne und begrenzt somit Brahman.

4. Vers:

Pratibodhaviditam matamamritatvam hi vindate
ātmanā vindate vīryam vidyayā vindate'mritam

Brahman ist dann gut erkannt, wenn es als Zeuge jeden Bewusstseinszustands erkannt wird, denn (durch solches Wissen) erlangt man Unsterblichkeit. Durch sein Selbst erlangt man Stärke und durch Wissen Unsterblichkeit.

Anmerkungen und Kommentar von Swami Sivananda

Wenn man es vollständig in jedem Bewusstseinszustand erkennt, erlangt man in der Tat Unsterblichkeit.

Pratibodhaviditam – erkannt als der Zeuge von oder hinter jedem Akt des Erkennens, verstanden als Objekt intuitiver Erkenntnis, verwirklicht durch direkte Wahrnehmung in Samadhi. Pratibodham bedeutet Verwirklichung durch direkte Intuition (Aparoksha), direkte glückselige Vision.

Vindate – man erlangt; Viryam – Kraft, Stärke, Fähigkeit; Vidyaya – durch Wissen; Amritam – Unsterblichkeit.

Im vorhergehenden Vers wurde ausgeführt, dass Brahman unbekannt ist für jene, die wissen. Das scheint ein Widerspruch, ein Paradox zu sein. Wenn Brahman nicht erkennbar ist, dann gibt es keinen Unterschied zwischen einem unwissenden weltlichen Menschen und einem Kenner Brahmans, einem Weisen. Wie kann also jenes Brahman erkannt werden? Das wird in diesem Vers erklärt. In diesem Shloka wird das Rätsel gelöst.

Brahman nimmt wahr und kennt alle Zustände des Bewusstseins wie Objekte, da Es absolute Intelligenz ist. Es ist das bezeugende Bewusstsein, das Subjekt. Es ist der Zeuge des Wach-, Traum- und Tiefschlafzustandes. Es nimmt all die Modifikationen aller Gemüter wahr, da Es absolutes Wissen ist. Es ist mit jedem Gedanken, mit jeder mentalen Modifikation vermischt. Wenn Brahman daher erkannt, verwirklicht wird als der Zeuge aller Bewusstseinszustände, dann kennt man Es tatsächlich. Da Es der Zeuge aller Bewusstseinszustände ist, ist Es Intelligenz an sich in seiner Essenz; eine Masse reinen Bewusstseins; ohne Geburt, ohne Tod, ohne Verfall, ewig, rein, unbedingt, eins ohne ein Zweites; Es ist das Selbst, der Atman, aller Wesen.

Der Aspirant trennt sich von den Gedanken und mentalen Modifikationen und identifiziert sich mit dem Zeugen aller Wahrnehmungen, Gedanken und Bewusstseinszustände.

Wenn während Pralaya (Auflösung der Schöpfung) die ganze Welt in Brahman aufgeht, gibt es keinen Zeugen, weil alle Objekte verschwinden. Brahman bleibt sich gleich. Auch in NirvikalpaSamadhi, also wenn alle mentalen Modifikationen vollständig in Brahman aufgehen, gibt es keinen Zeugen.

So wie es keinen Unterschied gibt in der Essenz des Raums in einem Gefäß, einem Zimmer oder einer Wolke, genauso gibt es keinen Unterschied in der Essenz Brahmans. Brahman ist eine homogene Masse reinen Bewusstseins.

Dieser Atman ist nicht verbunden mit irgendetwas. Er trägt alles. Eine Sache, die Attribute hat, mag mit etwas anderem verbunden sein, welches ebenfalls Attribute hat. Wenn man behauptenn würde, jenes Brahman, das ohne Attribute, undifferenziert, fein, formlos, grenzenlos ist und nichts gemein hat mit irgendetwas anderem, würde sich mit etwas anderem verbinden, das andere Eigenschaften hat, so ist das sicher absurd und unlogisch.

Die Shrutis (Schriften) behaupten nachdrücklich: „Brahman ist ewig, rein, aus sich selbst leuchtend, unvergänglich, absolutes Sein, absolutes Wissen, absolute Wonne.“ Das ist nur dann möglich, wenn Brahman der Zeuge aller Bewusstseinszustände ist. Das Wissen, dass der Atman der Zeuge aller Bewusstseinszustände ist, schenkt Unsterblichkeit.

Die Stärke, die man durch Reichtum, Stellung, Gefolge, Soldaten, Munition und Gewehre bekommt, kann nicht den Tod überwinden, denn diese Stärke kommt von Dingen, die selbst sterblich sind. Es ist eine äußerliche flüchtige Stärke. Die Stärke, die man durch das Wissen um Brahman (die Seelenkraft) erlangt, ist die wirkliche unerschöpfliche Stärke, denn sie braucht keine andere Unterstützung. Sie ist inhärent und ewig in sich selbst.

Die Mundaka Upanishad sagt: „Dieser Atman kann nicht erreicht werden von jemanden, dem es an Stärke mangelt.“

Nur der Kenner Brahmans besitzt gewaltige spirituelle Stärke. Echte Stärke kommt nur durch das Wissen des Selbst. Der Kenner Brahmans wird absolut furchtlos. Er weiß, dass sein Selbst nicht im Geringsten von äußeren Bedingungen betroffen ist. Er ist sich voll bewusst, dass das Selbst unverwundbar und unbesiegbar ist. Der Kenner Brahmans kann die ganze Welt bewegen.

Die Herzen reicher Menschen, die Arbeits-Kraft und Geld-Kraft besitzen aber nicht das Wissen um das Selbst, sind von allen möglichen Ängsten erfüllt, wie z.B. der Angst vor Verlust, der Angst vor Krankheit, der Angst vor dem Tod, der Angst vor öffentlicher Kritik, der Angst vor Feinden, usw.

Unsterblichkeit (Amritam) ist die Urnatur Brahmans, so wie Hitze die Natur des Feuers ist. Brahma-Jnana, Wissen des Selbst, zerstört die Unwissenheit so wie Licht Dunkelheit auflöst und enthüllt so die innewohnende unsterbliche Natur.

5. Vers:

Iha cedavedīdatha satyamasti na cedihāvedīnmahatī vinashtih
bhūteshu bhūteshu vicitya dhīrāh pretyāsmāllokādamritā bhavanti ..

Wenn man (Jenes – Brahman) hier (d.h., in dieser Existenz, in dieser Welt) kennt, (erlangt) man das wahre Ziel (allen menschlichen Strebens). Wenn man (Es) hier nicht erkennt, ist der Untergang groß. Die Weisen, die den einen Atman in allen Wesen erkennen, erheben sich vom Sinnesleben und werden unsterblich.

Anmerkungen und Kommentar von Swami Sivananda

Mahati – groß; Vinashti – Zerstörung, Untergang (neue Geburten und Tode), die Region der Asuras, die Ebene undurchdringlicher Dunkelheit, Verlust, Schwierigkeiten; Pretya AsmatLokat – wenn man diese Welt verlässt, nach dem Tod, wenn man diese sterbliche Hülle abwirft; Amritah Bhavanti – unsterblich werden.

Die Leiden des Samsara (Kreislauf von Geburt und Tod) sind jenseits jeglicher Beschreibung. Unwissenheit ist die Grundursache aller menschlichen Leiden. Es ist sehr hart, Geburt, Alter, Tod, Krankheit zu erleiden. Wenn daher ein Mensch Brahman kennt in der oben erklärten Weise, dann herrscht Wahrheit, d.h. Unsterblichkeit für ihn. Wenn er Brahman nicht kennt, ist er gefangen im Kreislauf von Geburten und Tod.

Daher lassen echte strebende Aspiranten die fälschliche Vorstellung von „Ich“ und „Mein“ hinter sich, und wenden sich mit Überdruß von dieser Welt ab, da alles auf dieser Ebene vergänglich, illusorisch und vorübergehend ist. Sie üben Meditation auf das Selbst und nehmen die eine Essenz des Atman, d.h. Brahmans, in allen Objekten der Welt wahr, in den beweglichen und unbeweglichen. Sie erkennen die Einheit des Selbst in allem und werden unsterblich, d.h., werden Brahman selbst. Die Mundaka Upanishad sagt, „Wer jenes höchste Brahman kennt wird Brahman selbst.“

Wer in Brahman lebt, wer den Atman (das höhere Selbst) verwirklicht hat, führt ein wirkliches Leben. Weltliches nach äußeren Sinneseindrücken orientiertes Leben ist unwirklich. Es ist illusorisch. Der Kenner Brahmans erlangt Befreiung noch in diesem Leben (Jivanmukti, eine in diesem Körper befreite Seele). Sobald die Unwissenheit, welche die Ursache der Bindung ist, aufgelöst ist durch Verwirklichung der Erkenntnis Brahmans, erlangt man sofortige Befreiung.

Iti Dvitiiya kandhah

Hier endet der 2. Teil

Tritiya Khanda (Teil 3)

Brahman und die Devas (Engelswesen)

1. Vers:

Brahma ha devebhyo vijigye tasya ha brahmano vijaye devā amahīyanta .
ta aikshantāsmākamevāyam vijayo'smākamevāyam mahimeti

Lehrer: Brahman erlangte einen Sieg für die Devas (indem Es die Asuras besiegte). Durch den Sieg Brahmans erlangten die Devas Ruhm. Sie dachten: „Uns gehört der Sieg, uns gehört der Ruhm.“

Anmerkungen und Kommentar von Swami Sivananda

Die Devas hatten die falsche Vorstellung, sie hätten den Sieg in der Schlacht errungen, obwohl in Wirklichkeit Gott die Asuras (Dämonen, negative Kräfte) besiegt hatte. Sie wurden stolz und eingebildet.

Dieser Teil wird allgemein als eine spätere Ergänzung angesehen. Sein Prosastil hat mehr Brahmana-Charakter (Anm. d. Übersetzers: also den Charakter des Brahmana-Teils der Veden) als die vorherigen Verse im Upanishaden-Teil.

Aus dem Vers „Es ist jenen nicht bekannt die wissen“ (Teil 2, Vers 3), mögen manche argumentieren, dass alles was existiert durch Beweise erkennbar sei, und dass alles, was nicht existiert, nicht erkannt werden kann und daher auch nicht existiert, so wie die Hörner eines Hasen, der Sohn einer unfruchtbaren Frau oder der Lotos am Himmel. Die Schlussfolgerung wäre dann: Da Brahman unbekannt ist, existiert Es nicht. Die Geschichte (von den Devas) wird hier eingefügt, um zu verhindern, dass Menschen eine solche irrige Meinung unterhalten. Oder die Geschichte mag dazu dienen, das Wissen um Brahman zu rühmen. Agni (Wesenheit des Feuers) und Indra (König der Engelswesen) erlangten eine Vorrangstellung unter den Devas aufgrund ihres Wissens. Oder die Geschichte will zeigen, dass es sehr schwierig ist, Brahman zu erkennen, da es selbst für Agni und Indra äußerst schwierig war, Es zu erkennen. Oder die Geschichte wird hier eingeführt, um die falsche Vorstellung „Ich bin der Handelnde“ zu überwinden.

Die Geschichte zeigt die Überlegenheit Brahmans. Brahman ist das Leben hinter allen Engelswesen. Sie leiten ihre Macht allein von Brahman her. Die Geschichte lehrt, dass das Brahman, das höchste Absolute, verehrt werden sollte.

Der echte Krieg findet im Inneren statt zwischen den guten Neigungen (Shubha Vasanas) und den schlechten Neigungen (Ashubha Vasanas), zwischen Sattva (Reinheit, Klarheit) und Rajas-Tamas (Unruhe-Trägheit, Ignoranz), zwischen tugendhaften Samskaras (Eindrücken, Veranlagungen) und schlechten Samskaras, zwischen dem niedrigen unreinen Geist und dem höheren reinen Geist. Das ist der wirkliche Krieg zwischen den Devas und den Asuras.

Die Sinne, der Geist und der Prana (Lebensenergie) fangen an zu kämpfen und sagen: „ Wir halten diesen Körper zusammen und stützen ihn.“ Der Prana trägt den Sieg davon. Aber auch der Prana ist an sich unbelebt. Die Quelle dieses Prana ist ebenfalls Brahman. Die Sinnesorgane, der Geist und die Pranas bekommen ihr Licht und ihre Kraft nur von Brahman allein. Sie können kein Wissen um Brahman haben. Es gibt steuernde Wesenheiten für die Organe, den Geist und den Prana, wie z.B. Agni, Vayu, Surya, usw. Sie (diese Wesenheiten/Engelswesen/Götter) versuchten, das Wissen um Brahman zu erlangen, aber ohne Erfolg.

Aber der Jivatman, die individuelle Seele, repräsentiert durch Indra, lässt Arroganz, Egoismus und andere Fehler hinter sich und erlangt das Wissen um Brahman dank der Gnade der göttlichen Mutter, Uma, der Tochter des Himavan (der Herrscher des Himalaya; symbolisiert in der Geschichte den gereinigten Intellekt). Alle Dualitäten, Unterscheidungen, Verschiedenheiten verschwinden jetzt für ihn.

Das ist die esoterische Bedeutung der Parabel von den Devas und Asuras.

2. Vers:

Taddhaishām vijajñau tebhyo ha prādurbabhūva tanna vyajānanta kimidam yakshamiti ..

Es (das Brahman) kannte ihre Einbildung (dass sie von Eitelkeit aufgeblasen waren) und erschien ihnen (in Form eines Yaksha, Naturgeistes, um ihren Stolz zu vernichten). Sie erkannten Es nicht.

Anmerkungen und Kommentar von Swami Sivananda

Brahman wusste offensichtlich um diese falsche Vorstellung der Devas, da Es allwissend ist, da Es der innere Herrscher und Lenker aller Wesen ist, da Es der stille Zeuge aller Gemüter ist. Um ihre falsche Einbildung aufzulösen und sie zu segnen, erschien Brahman den Devas in Form eines Yaksha, eines „Great Spirit“ (großen Naturgeistes).

3. Vers:

Te'gnimabruvañjātaveda etadvijānīhi kimetad yakshamiti tatheti ..

Sie sprachen zu Agni: „Oh Jataveda! Finde heraus, was dieser Große Geist ist.“

4. Vers:

Tadabhyadravattamabhyavadatko'sītyagnirvā ahamasmītyabravījjātavedā vā ahamasmīti

Er sagte: „Ja.“. Agni lief zu Ihm (Brahman) hin.
Es (Brahman) fragte: „Wer bist Du?“
Er antwortete: „Ich bin wahrlich Agni, ich bin wahrlich Jataveda (wörtl.: „ der alle Geschöpfe kennt“ - Beiname von Agni, der Wesenheit des Feuers).“

5. Vers:

Tasmim stvayi km vīryamityapīdam sarvam daheyam yadidam prithivyāmiti ..

Es (Brahman) fragte ihn: „Welche Macht hast du, der du von solcher Natur bist?“
Agni antwortete: „Ich kann alles verbrennen, was immer hier auf Erden ist.“

6. Vers:

Tasmai trinam nidadhāvetaddaheti.
tadupapreyāya sarvajavena tanna shashāka dagdhum sa tata eva

nivavrite naitadashakam vijñātum yadetadyakshamiti

Es (Brahman) legte einen Grashalm vor ihn hin und sagte: „Verbrenne dies.“
Er (Agni) näherte siche dem Grashalm mit all seiner Kraft. Er konnte den Halm nicht verbrennen. Da kehrte er zu den Devas zurück und sagte: „Ich war nicht in der Lage festzustellen, was dieser Große Geist ist.“

Anmerkungen und Kommentar von Swami Sivananda

Die Devas wussten nicht, was jener Große Geist war. Sie sandten Agni, um herauszufinden, was dieser Große Geist war. Brahman fragte: „Wer bist Du?“ Agni antwortete: „Ich bin Agni, wohl bekannt als Jataveda (der alle Geschöpfe kennt).“ Brahman sagte: Du sagst, du bist wohl bekannt, welche Kraft besitzt du?“ Agn i antwortete: „Ich kann alles in diesem Universum und alles Unbewegliche auf dieser Erde zu Asche verbrennen.“ Daraufhin legt Brahman einen Strohhalm vor Agni hin und sagte: „Verbrenne dieses Stroh. Wenn du nicht in der Lage bist, es zu verbrennen, gib deine Eitelkeit und deine Überheblichkeit auf, zu behaupten, du könntest alles vernichten.“ Agni näherte sich dem Strohhalm mit großem Selbstbewusstsein. Aber er konnte ihn nicht verbrennen. Er beugte beschämt den Kopf, ging zu den Devas zurück und sagte: „Ich konnte nicht erkennen, was dieser Große Geist ist.“

 

7. Vers:

Atha vāyumabruvanvāyavetadvijānīhi kimetadyakshamiti tatheti

Die Devas sagten daraufhin zu Vayu (der Wesenheit des Windes): „Oh Vayu! Finde heraus, was dieser Große Geist ist.“

8. Vers:

Tadabhyadravattamabhyavadatko'sīti vāyurvā ahamasmītyabravīnmātarishvā vā ahamasmīti

Er (Vayu) eilte zu Ihm (Brahman) hin.
Es (Brahman) sagte: „Wer bist du?“
Er (Vayu) antwortete: „Ich bin wahrlich Vayu. Ich bin wahrlich Matarishvan (wörtl.: „Der Wind und Regen beherrscht“, ein Beiname von Vayu, dem Windgott.“

9. Vers:

Tasminstvaama kim vīryamityapīdam sarvamādadīya yadidm prithivyāmiti .

Brahman fragte ihn: „Welche Kraft hast du, der du von solcher Natur bist?“
Vayu antwortete: „Ich kann das ganze Universum wegblasen und alles, was auf Erden ist.“

10. Vers:

Tasmai trinam nidadhāvetadādatsveti tadupapreyāya sarvajavena tanna shashākādātum sa tata eva nivavrite naitadashakam vijñātum yadetadyakshamiti .

Es (Brahman) legte einen Grashalm vor ihn hin und sagte: „Blase dies weg.“ Er näherte sich dem Halm mit all seiner Kraft und war nicht in der Lage, ihn wegzublasen. Daraufhin kehrte er zurück und sagte zu den Devas: „Ich war nicht in der Lage, festzustellen, wer dieser Große Geist ist.“

Anmerkungen und Kommentar von Swami Sivananda

Vayu wird auch Matarishvan (der Herr über Luft und Regen) genannt, weil er im Raum (Matari) reist (Shva-yati).

11. Vers:

Athendramabruvanmaghavannetadvijānīhi kimetadyashamiti
tatheti tadabhyadravattasmāttirodadhe ..

Dann sprachen sie zu Indra: „Oh Maghavan (wörtl.: freigebig, gabenreich; Spender; stark im Handeln; Beiname des Gottes Indra) Finde heraus, was dieser Große Geist ist.“
Indra sagte: „Ja.“
Er (Indra) eilte zu Ihm hin.
Es (Brahman) verschwand, so dass er Es nicht mehr sehen konnte.

12. Vers:

Sa tasminnevākāshe striyamājagāma bahushobhamānāmumām haimavatīm tāmhovāca kimetadyakshamiti

An derselben Stelle erblickte er eine Frau, Uma, sehr schön, von goldener Farbe, die Tochter des Himavan (König des Himalaya).
Er fragte sie: „ Was ist dieser Große Geist?“

Anmerkungen und Kommentar von Swami Sivananda

Indra, der Herr der Engelswesen, Maghavan (der Mächtigste unter ihnen) lief zu dem Großen Geist. Der Große Geist sprach nicht einmal zu ihm, denn er wollte seine Überheblichkeit vollkommen zunichte machen. Indra kehrte nicht zu den Devas zurück wie Agni und Vayu. Er dachte ernsthaft nach. Erkenntnis, Weisheit, symbolisiert in Form einer Frau (Uma, der Tochter der Himalayas, der Gemahlin Shivas), mit Gold geschmückt, erschien Indra, um seine Unwissenheit zu zerstreuen. Die vielfältigen Kräfte und besonders Erkenntnis und Weisheit der Götter werden durch ihre „Gemahlinnen“ repräsentiert. Indra näherte sich ihr und fragte: „Wer ist dieser Große Geist, der sich gezeigt hat und dann verschwand?“

Warum verschwand Brahman, als Indra näher kam? Indra war noch nicht fortgeschritten genug, um über die wahre Natur Brahmans von Brahman selbst unterwiesen zu werden. Daher verschwand Brahman und ließ Uma zurück, um Indras Fragen zu beantworten.

Da Indra der mächtigste der Götter ist, verschwand Brahman, um deutlich zu machen, wie unerheblich Indras Macht war zur Erlangung des Wissens um Brahman.

Haimavatim – verziert mit Gold, die Tochter des Himavan.

Iti tritīyah khandah .

Hier endet der 3. Teil.

Chaturtha Khanda (Teil 4)

Uma und Indra

1. Vers:

Sā brahmeti hovāca brahmano vā etadvijaye mahīyadhvamiti tato haiva vidāmcakāra brahmeti

Der Lehrer: Sie sagte: „Es ist in der Tat Brahman; denn wahrlich durch den Sieg Brahmans habt ihr Ruhm erlangt.“ So erfuhr Indra einzig und allein aus den Worten Umas, dass es Brahman war (das als Yaksha erschienen war und den Sieg erfochten hatte).

Anmerkungen und Kommentar von Swami Sivananda

Ha – wahrlich; eva – nur

„Eure Vorstellung, dass der Sieg und Ruhm Euer sind, ist falsch“, sagte Uma. Indra erfuhr nur aus den Worten von Uma, dass es sich um Brahman handelte. Die Kraft von „nur“ betont, dass Indra es nicht von sich aus erkannte.

2. Vers:

Tasmādvā ete devā atitarāmivānyāndevānyadagnirvāyurindrastena hyenannedishtham pasparshuste hyenaprathamo vidāmchakāra brahmeti ..

Daher wurden diese Devas Agni, Vayu und (Indra) wahrlich hervorragend unter den anderen Göttern, denn sie berührten das Brahman am nächsten; sie wussten als erste, dass dieser Große Geist Brahman war.

Anmerkungen und Kommentar von Swami Sivananda

Die Devas, Agni, Vayu und Indra hatten sich Brahman am weitesten angenähert, denn sie hatten mit Brahman gesprochen und Es von nahem gesehen. Daher übertreffen sie die anderen Engelswesen an Macht, Wert und Wohlstand. Sie waren die ersten die Brahman kannten und so sind sie überragend.

3. Vers:

Tasmādvā indro'titarāmivānyāndevānsa hyenannedishtham pasparsha sa hyenatprathamo vidāmchakāra brahmeti

Daher wurde auch Indra wahrlich hervorragend vor allen anderen Göttern, denn er berührte das Brahman am nächsten; Er wusste als Erster, dass dieser Große Geist das Brahman war.

Anmerkungen und Kommentar von Swami Sivananda

Agniund Vayu erkannten das Brahman aus Indras Worten. Indra hörte als Erster von Brahman durch Uma. Daher übertrifft er die anderen Götter. Er näherte sich dem Brahman am meisten an, da er der Erste war, der Brahman erkannte.

4. Vers:

Tasyaisha ādesho yadetadvidyuto vyadyutadā itīnnyamīmishadā ityadidaivatam

Dies ist eine Erklärung zur Veranschaulichung von Ihm – Er strahlte wie der Glanz des Blitzes. Er verschwand wie das Blinzeln des Auges. Das ist der Vergleich des Brahman in Bezug auf die Devas.

Anmerkungen und Kommentar von Swami Sivananda

Shri Shankara sagt: „Dies ist das Adesha von Brahman, als dem hier behandelten Thema“ Adesha ist eine Instruktion in Form einer Illustration. Die Illustrationen, durch welche Brahman erklärt wird, wird sein Adesha genannt. Brahman zeigte sich den Göttern und verschwand aus ihrer Sicht wie ein Blitzstrahl. Er erstrahlte einen Moment lang wie ein blendender Blitzstrahl. Er erschien und verschwand im Moment eines Lidschlags. Seine Erscheinung war wie das Öffnen und Schließen des Auges, wenn es (das Auge) Gegenstände wahrnimmt bzw. Sich von ihnen abwendet. Brahman erschien plötzlich und verschwand wie ein Blitz oder ein Augenzwinkern. Das ist die Lehre (adesha) für die Götter.

5. Vers:

Athādhyātmam yadetadgacchatīva ca mano'nena
chaitadupasmaratyabhīkshnam sankalpah

Dann folgt ein Vergleich Brahmans in Bezug auf den Atman innerhalb des Körpers – so schnell wie man mit dem Geist an Brahman denkt und so schnell der Geist will.

Anmerkungen und Kommentar von Swami Sivananda

Das nächste ist jetzt eine Illustration des Brahman als das Selbst im Körper.

Atha – als nächstes, jetzt, nach dem der Adhidaiva ( die ursprüngliche Gottheit, die sich in allem manifestiert) -Aspekt beschrieben wurde – Adhyatman – wörtl. Wissen um das Selbst; die Lehre durch die Illustration Brahmans durch das (relative) Selbst; Gacchati – geht zu, nimmt in einem Objekt wahr; Abhikshnam – sehr, beständig, wieder und wieder

Brahman, Brahman aus dem Inneren des Körper-Geist-Systems, während Blitz und Augenzwinkern als Beispiel aus dem Bereich der äußeren Welt genommen wurden. Im vorherigen Vers wurde Brahman verglichen mit einem Blitzstrahl, der aufleuchtet und wieder verschwindet. In diesem Vers heißt es, Brahman erscheint und verschwindet so schnell wie die Wahrnehmungen des Geistes kommen und gehen. Träge Menschen mit nicht ausgeprägtem Intellekt können Brahman nicht verstehen. Diese Vergleiche sollen ihnen als Hilfe dienen, damit sie Es verstehen können.

Als diese verschlüsselten Lehren erstmals von den Sehern und Weisen weiter gegeben wurden, wurden sie gleichzeitig mündlich erklärt. Heutzutage ist es schwierig, sie mit Gewissheit zu interpretieren.

6. Vers:

Taddha tadvanam nāma tadvanamityupāsitavyam sa ya etadevam vedā’bhi hainam sarvāni bhūtāni samvāñcchanti

Brahman muss wahrlich von allen verehrt werden und wird daher Tadvana genannt. Es soll als Tadvana verehrt werden. Wer Brahman auf diese Weise kennt, wird von allen Lebewesen geliebt.

Anmerkungen und Kommentar von Swami Sivananda

Tat – „das“; Brahman; Ha – wohlbekannt, wahrlich

Tadvanam – das was würdig ist, verehrt zu werden, d.h., worüber man meditiert als der eine Atman aller Lebewesen; „Wunsch nach ihm“, abgeleitet von „Van“=“wünschen“.

Dann wird gesagt, was das Ergebnis ist, wenn man über Brahman als Tadvanam meditiert: Alle Wesen lieben denjenigen, der Brahman auf diese Weise erkennt. Er liebt ebenfalls alle Wesen. Sie beten zu ihm wie zu Brahman selbst.

7. Vers:

Upanishadam bho brūhītyuktā ta upanishadbrāhmīm vāva ta upanishadamabrūmeti ..

Der Schüler sagt: „Oh Lehrer, lehre mich die Upanishade.“ Der Lehrer antwortet: „Ich habe dich die Upanishade gelehrt. Ich habe dich ganz sicher die Upanishade, über Brahman, gelehrt.“

Anmerkungen und Kommentar von Swami Sivananda

Der Schüler will wissen, ob ihm die ganze Upanishad mitgeteilt wurde. Eigentlich meint er: Braucht die bereits erklärte Upanishade noch etwas anderes als Ergänzung, um das gewünschte Ziel zu erreichen, oder braucht sie nichts Zusätzliches mehr? Falls ja, bitte lehre mich, was noch nötig ist. Falls nicht, erkläre ausdrücklich wie Pippalada (Name eines Sehers des Atharvaveda.): „Es gibt nichts darüber hinaus.“

Die Antwort des Lehrers bedeutet, dass es darüber hinaus nichts mehr gibt. Die Techniken, die in den nächsten Versen erklärt werden, sind nur Mittel zu diesem Ziel. Sie sind in der Upanishade schon enthalten.

Diese Frage und Antwort zielen nur darauf ab, das sicher zu stellen. Es soll heißen: „Was erklärt wurde, ist die gesamte Upanishade. Es braucht nichts darüber hinaus zur endgültigen Erlösung.“

Upanishade bedeutet Wissen um Brahman, oder Geheimlehre. Die Schüler sitzen hingebungsvoll um den Lehrer zur Unterweisung. Upa – nahe; ni – hingegeben; shad – sitzen. Upanishad bedeutet auch das Buch, welches von Brahman handelt.

8. Vers:

Tasyai tapo damah karmeti pratishthā vedāh sarvāngāni satyamāyatanam ..

Askese,, Selbstbeschränkung und Karma, die Veden mit all ihren Teilen sind Seine Grundlage und Wahrhaftigkeit ist Seine Wohnstätte.

Anmerkungen und Kommentar von Swami Sivananda

Askese (spirituelle Praxis), Selbstbeschränkung und Karma (Opferhandlungen) sind Hilfsmittel um das Wissen um Brahman zu erwerben.

Tapas – Beherrschunge des Körpers, der Sinne und des Geistes; Dama – Selbstbeschränkung, -zügelung, frei von Leidenschaften sein; KarmaAgnihotra (Feuerzeremonie) und andere Rituale.

Das Wissen um Brahman steigt in Menschen auf, die ihren Geist und ihr Gemüt durch spirituelle Praxis, Sinnesbeherrschung und Rituale in diesem oder vorangegangenen Leben geläutert haben. Wer die Unreinheiten des Geistes nicht entfernt hat, glaubt nicht an Brahman oder missversteht Es, wenn Es erklärt wird, wie im Fall von Indra und Virochana. Die Shruti (Schrift) sagt: „Wenn diese Geheimnisse gelehrt werden, werden sie jener großen Seele erleuchtend zuteil, deren Hingabe an Gott groß ist und deren Hingabe an den Lehrer ebenso groß ist wie die an Gott“ Die Smriti (Erläuterungstext, Gesetzestext) sagt: „Wissen dämmert in Menschen indem sie schlechte Handlungen aufgeben.“

Das Wort Iti weist darauf hin, dass die Erwähnung von Tapas etc. nur beispielhaft steht, denn es gibt weitere Hilfsmittel als die erwähnten, wie z.B. frei sein von Stolz, Egoismus, Eifersucht, Hass, usw., um Brahman zu erlangen.

„Askese usw. ist seine Stütze, die Veden sind seine Glieder, die Wahrheit ist seine Wohnstätte“, ist eine weitere Aussage.

Pratishtha – Füße, die Basis, Grundlage; Füße, auf denen Brahma-vidya, das Wissen um Brahman, steht. Dieses Wissen hat nur in jenen eine feste Grundlage, die Tapas usw. besitzen.

Wo Askese, Sinnesbeherrschung usw. vorhanden sind, ist das Wissen fest begründet, so wie ein Mensch fest und sicher auf seinen Beinen steht.

Da die Vedas Licht auf das Wissen um Karma (rituelle Handlungen) werfen, da die zusätzlichen Schriften (Vedangas, Anhänge der Veden) die Veden beschützen, werden sie die Füße des Wissens von Brahman genannt. Das Studium der Veden hilft, Wissen um Brahman zu erlangen. Das Verständnis und die Anwendung der Veden erfolgt durch die Vedangas, die sechs Anhänge (Glieder) der Veden.

Ayatanam – Wohnstätte; Satyam – Wahrheit, das Wahre was allezeit unverändert bleibt, also Brahman.

Wahrheit ist Freiheit von Täuschung und Betrug in Wort, Gedanke und Tat. Wissen um Brahman kommt nur in einem Menschen auf, der frei von Betrug in Gedanke, Wort und Tat ist und der gutartig ist. Es kann nicht aufsteigen in Menschen, die andere hintergehen und die bösartig sind. Die Schrift sagt auch: „Wissen um Brahman kommt nicht in einem Menschen der hinterlistig ist und der lügt.“ Daher heißt es auch, dass Wahrhaftigkeit die Wohnstätte von Wissen ist.

Wahrheit ist in Askese, Selbstbeherrschung usw. schon eingeschlossen als dem „Bein, auf dem Wissen steht“. Warum wird es nochmals extra erwähnt als Ruhestätte des Wissens? - Um zu zeigen, dass Wahrhaftigkeit anderen Hilfsmitteln überlegen ist auf dem Weg zum Wissen; denn die Smriti sagt: „Wenn man 1000 Ashvamedha-Opfer (ein ganz besonders aufwändiges Opferritual) und Wahrhaftigkeit gegeneinander aufwiegt, wiegt eine ausgesprochene Wahrheit mehr als die 1000 Opferzeremonien.“

9. Vers:

Yo vā etāmevam vedāpahatya pāpmānamanante svarge loke jyeye pratitishthati pratitishthati

Wer also weiß, nachdem er sich von allen Sünden frei gemacht hat, ruht fest im unendlichen, wonnevollen höchsten Brahman. Er ist in Ihm begründet.

Etam – dies, das Wissen Brahmans wie im Vers „Keneshitam“ etc. erklärt. Obwohl bereits im Vers 5, Teil 2, erklärt wurde, dass man durch das Wissen um Brahman Unsterblichkeit erlangt, wird hier zum Schluss die Frucht aus der Kenntnis Brahmans nochmals erwähnt.

Papmanam – Sünde, Übles, der Same des Samsara (Kreislauf der Wiedergeburten), dessen Natur Unwissenheit, Wunsch und Karma ist; Anante – endlos, grenzenlos, das, was selbst am Ende der Kalpas, der Zeitalter, nicht zerstört wird, das sogar jenseits von Zeit, Raum und Ursache ist; Svarga Loka – in Brahman, der reine Wonne ist, und nicht im (relativen) Himmel, wegen des Beiworts „grenzenlos“.

Es könnte argumentiert werden, dass das Wort „grenzenlos“ hier im übertragenen Sinn verwendet werde. Daher fügt die Shruti „Jyeye“ – das Größte bzw. Höchste von allen, hinzu. Das soll ausdrücken, dass er fest begründet ist im unkonditionierten Brahman und nicht wieder dem Samsara, der weltlichen Existenz, anheimfällt.

Pratitishthati – bleibt für immer, kehrt nicht zu ihrer Welt des Todes zurück

Iti chaturthah khandah

Hier endet der 4. Teil.

Om āpyāyantu mamāngāni vākprānaahchakahuh shrotramatho balamindriyāni cha sarvāni
sarvam brahmaupanishadam
māham brahma nirākuryam mā mā brahma nirākarodanirākaranamastvanirākaranam me'stu
tadātmani nirate ya upanishatsu dharmāste mayi santu te mayi santu .
Om shāntih shāntih shāntih .