Yoga und der Umgang mit Trennung und Schmerz

16.09.2011
Drei Übungen aus der Yogatherapie - um Körper, Geist und Seele wieder bereit für neues Glück werden zu lassen.

Die Fragen die Astrologen oder spirituellen Lebensberatern wohl am häufigsten gestellt werden, sind: „Wird er diesmal bei mir bleiben?“ und „Wie finde ich endlich den richtigen Partner?“. Zumindest bestätigte mir das ein befreundeter Experte für vedische Astrologie. Und die meisten von uns kennen Beziehungsstress aus eigener Erfahrung. Eine Belastung die oft so groß wird, dass eine Partnerschaft daran zerbricht. Was eigentlich schade ist. Denn viele Trennungen hätten bei näherer Betrachtung vermieden werden können, wenn wenigstens einer der Partner gelernt hätte, gut für sich selbst zu sorgen.

Da wir im Berufs- und Alltagsstress oft schon meinen, genug Ärger am Hals zu haben, erwarten wir oft, in Beziehungen Entlastung und Balsam für die Seele zu bekommen. Das kann kurzfristig funktionieren, wenn beide Partner noch in der Phase des „Verliebt seins“ sind. Spätestens wenn es zu den ersten Machtkämpfen und der meist anschließenden Phase der „Wüstenzone“ – wo beide keine Energie mehr für die Beziehung zu haben scheinen – kommt, hört der Spaß auf. Nur wenige Partnerschaften erreichen heute den Status einer echten Gemeinschaft zwischen zwei Individuen, die weder total unabhängig noch abhängig voneinander sind, sondern im Zustand eines gemeinsamen Seins in der Welt.

Das Wort „Yoga“ entstammt der Wortsilbe „Verbindung“. Bei der Übersetzung macht es Spaß, genau hinzuschauen: Denn wörtlich wird die Silbe „Yug“ oft mit „Joch“ übersetzt. Das ist sicherlich nicht das, was wir von einer Partnerschaft erwarten. Und doch ist es oft das, was einer der beteiligten Partner meist unbewusst tut. Sich über Gebühr unterordnen, um den anderen zu gefallen; oder den vermeintlich Geliebten zu verfolgen und zu umarmen, bis ihm oder ihr keine Luft mehr zum Atmen bleibt. Wenn der Partner dann geht, scheint auf einmal der Boden unter den eigenen Füßen zu fehlen. Grund genug vor dem Eingehen einer neuen Beziehung erst für eigene Stabilität zu sorgen – und dann mit der neugewonnenen Attraktivität einen Menschen begegnen zu können, der ebenfalls gesund im Leben steht.

Wer gerade mitten in einer Trennung steht, für den hören sich die bekannten Weisheiten des spirituellen Weges meist wenig hilfreich an. Wenn man von hilfreichen Freunden oder Lehrern Sätze gesagt bekommt, wie: „Man muss eben erst mal allein sein können; sich all-ein fühlen lernen…“, etc, ist der eigene Schmerz meist größer als die Bereitschaft, die sehr reale Identifikation damit aufzugeben.

Ein Weg aus der Krise können Körper- und Energieübungen aus der Yogapraxis sein. Wenn wir uns mit Hilfe der bewussten Atmung von seelisch-schmerzhaftem Ballast befreien, schaffen wir ein Feld in dem unser Geist zur Ruhe kommen kann, und wir wieder mit unserem Höheren Selbst in Kontakt kommen (welches tatsächlich niemals wirklich Liebeskummer hatte). Aus dem Zustand der Ausgeglichenheit geht es dann weiter mit Übungen um Körper und Seele zu stärken. Je freudvoller wir so wieder den Menschen um uns herum begegnen, desto größer werden die Wunder die wir dann durch die Augen der Liebe in den anderen erkennen können.



Die folgenden drei Übungen funktionieren nach dem Prinzip des „Reinigen“ – „Aufladen“ – „Stärken“ der Yogatherapie, und können auch unabhängig voneinander eingesetzt werden, wenn akute Traurigkeit kommt, oder die Kraft für einen positiven Blick nach vorne nicht mehr vorhanden zu sein scheint. Denn die Kraft unseres Selbst ist immer da. Und wenn wir diese Kraft finden, steigt unsere eigene Attraktivität und Ausstrahlung wieder auf eine ganz neue Ebene. Je mehr wir unser Leben wieder genießen, desto anziehender werden wir für unsere Umgebung.


Die Kraft der Erde aufnehmen

Die Vorwärtsbeuge im Sitzen

Die Haltung
Aus dem Langsitz die Hände auf die Oberschenkel geben, und die Hände die Schienbeine entlang nach vorne geben. Flexible Menschen können mit den Händen die Füße fassen, für die energetischen Wirkungen der Stellung ist das aber nicht nötig. Wichtig ist, dass der untere Rücken gerade bleibt. Gegebenenfalls kann man dafür sogar die Knie leicht anwinkeln.

Die Konzentration
Einatmen durch den Beckenboden. Dabei kann man auch sanft die Beckenbodenmuskulatur anspannen. Den Atem entlang des Schambeins und der Lendenwirbelsäule bis zum Herzen hochfließen lassen, und durch das Herz ausatmen. Alles „alte“ aus dem Herzen nach vorne heraus fließen lassen, so dass es gereinigt wieder zur Erde zurückkehrt.

Die Wirkung
Ein Energiekreislauf in der sitzenden Vorwärtsbeuge reinigt die gesamten unteren Energiezentren, bis hoch zum Herzen. Die heilende Energie der Erde durchströmt unsere Wurzeln, und hilft so, tiefgreifende Ängste und Unsicherheiten zu lösen, die wir gegenüber den anderen Geschlecht in unserer Kindheit und Vergangenheit gelernt haben. Auf der nächsten Ebene reinigt die Energie den gesamten Urogenitaltrakt. Alles war wir hier im Laufe unserer alten Begegnungen und Beziehungen an Spannungen und Verletzungen erfahren und tief als Erinnerung im Zellsystem gespeichert haben, können wir so in Bewegung und aus unserem Energiekörper heraus bringen. Den Kopf freizumachen beginnt tatsächlich schon auf tieferen Stufen unseres Seins. Alte Programmierungen werden gelöscht. Im Bauchraum kann unser angegriffenes Selbstwertgefühl auf diese Weise endlich wieder „zu sich“ finden. Wir werden bereit für neue, positive Begegnungen. Die Akzeptanz all dessen was geschehen ist als Teil unserer Vergangenheit schafft im Herzen Raum für die Transformation dieser Kräfte. Wir atmen aus, lassen diesen alten Teil los, und werden bereit für neue Erfahrungen.


Den Geist zur Ruhe kommen lassen

Meditation

Die Haltung
Finden Sie eine Stellung, in der Sie bequem aber stabil sitzen können. Das kann auf einem Stuhl sein, im Fersensitz oder klassisch; mit gekreuzten Beinen. Auch hier gilt: Darauf achten dass der Rücken möglichst gerade bleiben kann (eventuell hilft ein Kissen unter dem Gesäß). Das gewährleistet den Energiefluss zwischen allen Energiezentren, vom Becken bis zum Scheitel.

Die Konzentration

Atmen Sie einige Male tief mit dem Bauch aus und ein. Dann lassen Sie den Atem einfach ganz natürlich weiter fließen, und beobachten Sie z.B. die sanften Bewegungen der Bauchdecke mit der Atmung. Sie können die Konzentration auch mit der Wiederholung eines Mantras (z.B. „Om Namah Shivaya“ oder „Ich lasse ganz los“) kombinieren.

Die Wirkung
Der zweite und bekannteste Satz aus Patanjalis Yoga-Sutras lautet „yogas chitta vritti nirodhah“: Yoga ist das zur-Ruhe-kommen der Wellen im Geist. Wenn Sie jetzt denken; „Das gelingt mir nicht, weil ich ständig und immer wieder an … denken muss“, dann ist das einfache Sitzen mit geradem Rücken eine der passendsten Übungen. Nehmen Sie sich nur fünf Minuten Zeit, nichts zu tun. Wenn die Eieruhr klingelt, werden Sie etwas mehr Ruhe als vorher bemerken, selbst wenn es im Geist noch viel Plapperei gegeben hat. Probieren Sie es mit zehn Minuten, mit einer Viertelstunde. In wenigen Tagen werden Sie diese Zeit mit sich selbst nicht mehr missen wollen. Und der Papagei, der einem die alten Leidensgeschichten erzählt hat, wird stiller werden. Denn durch die Sitzhaltung werden alle Energiezentren unseres Systems miteinander verbunden. Über die Schädeldecke verbinden wir uns mit unserem Höheren Selbst (eventuell visualisieren Sie eine goldene Kugel über ihnen, durch die goldenes Licht vom Scheitel zu ihrem Herzraum fließt). Lassen Sie diese Energie durch das Augenbrauenzentrum und die Kehle hindurch zum Herzen fließen. Dort verbindet sich diese Himmelsenergie mit der Kraft der Erde, die durch den Beckenboden nach oben strömt. Wir verbinden die beiden gegensätzlichen Pole in unserem Innern – und fühlen uns trotz eventueller Unruhe in unserer Umgebung innerlich ausgeglichener.


Mit neuer Kraft den Weg weiter gehen

Der Krieger/Die Kriegerin

Die Haltung
Die Arme strecken und die Beine weit auseinander geben, so dass die Fußgelenke unter die Handgelenke kommen. Den linken Fuß 90 Grad nach links, den rechten Fuß etwa 15-30 Grad nach links drehen. Das linke Knie beugen, dabei die Aussenkante des rechten Fußes auf dem Boden lassen. Den Kopf nach links drehen und über die linke Hand nach vorne schauen. Etwa eine Minute halten, dann Seite wechseln.

Die Konzentration
Tief einatmen und die Kraft der Erde durch die Füße aufnehmen. Den Atem entlang des ganzen Rückens nach oben zum Scheitel schicken. Die Vorderseite des Körpers entlang ausatmen. Die Belastung ist optimal dosiert, wenn ein inneres Lächeln sich auch noch auf dem Gesicht manifestieren kann. Der Blick wird zu einer Vision.

Die Wirkung
Wenn wir bewusst wahrnehmen, dass wir immer – egal in welcher Situation wir sind – festen Boden unter uns spüren können, dann wächst in uns auch die Kraft mit schwierigen Situationen umgehen zu können. Fest gegründet können wir das erreichen was wir in unserem Leben erfahren wollen. Und wir haben auch die Flexibilität wenn es sein muss einmal die Richtung zu wechseln und die Dinge aus einer anderen Perspektive zu sehen. Mit etwas Übung können wir die Stellung schließlich auch länger halten. Wir werden von Tag zu Tag wieder standfester. In unserem ganzem Leben.
Ralf Sturm, Yogalehrer (BYV), leitet Seminare zu den Themen „Yoga für Männer“ und „Yoga und der Umgang mit Trennung und Schmerz“. Im Herbst gibt er Workshops in vielen deutschen Yoga Vidya Stadtzentren (www.yoga-vidya.de). Im Rahmen der Yogatherapie werden in Bad Meinberg auch Einzelsitzungen zu diesem Thema angeboten: Kontakt: ralf.sturm@yoga-vidya.de