Yoga – Therapie, die sanfte Selbsthilfe

08.09.2009
Die erste Frage, die einem in dem Sinn kommt, wenn man von Yoga -Therapie hört ist schlicht: Was ist das eigentlich und was ist der Unterschied zum „normalen“ Yoga? Soviel sei gesagt, der Übergang ist fließend.
Yoga ist immer ein Stück auch Therapie, weil es die Menschen gesünder macht, aber Yoga -Therapie ist mehr.
Es gibt Yoga als permanente „Vitaminspritze“ für den Alltag, Yoga für Ausgeglichenheit und Entspannung für das harte Berufsleben, als harmonisches Gemeinschaftsprogramm für die ganze Familie. Es gibt Yoga für die Fitness, die Beweglichkeit, Standfestigkeit und die Dynamik. Es gibt Yoga für die Gesundheit, das Übungsprogramm für die körperlich, geistig und seelische Achtsamkeit. Und es gibt Yoga für den Bewusstwerdungsprozess, zur höheren Entwicklung und Erkenntnis. Und Yoga hat etwas, was es einzigartig macht: Es hält Körper und Geist flexibel und anpassungsfähig und die Seele im Einklang.
Dr. Daya Mullins vom gemeinnützigen Verein „Weg der Mitte“ bringt es auf einen Begriff: „Yoga ist eine Methodik zur Wiederherstellung der wahren Wesensidentität, die sich sehr gut mit verschiedenen Lehren/Ansätzen und Inhalten verbinden kann.“ Denn Yoga ist ein außerordentlich  vielschichtiges und variables System und zeigt sich damit kompatibel zu den unterschiedlichsten Wissenschaftsbereichen. Im Fall von Yoga Therapie ist das der Bereich der Medizin und Heilung.

Die Herkunft – ein ganzheitlicher Ansatz
In der traditionellen indischen Medizin sind die Yogapraktiken seit Jahrtausenden ein integraler Bestandteil. Heute ist die Yoga – Therapie eine neue wissenschaftliche Disziplin, entstanden durch die Verbindung von traditionellem Yoga und moderner Medizin. Der Grundstein wurde durch Swami Kuvalayananda in den 20erJahren gelegt, der Gründer des ersten Yoga Forschungs – und Therapiezentrums in der Nähe von Bombay. Er und seine Kollegen hatten die Idee, mit den Methoden der modernen medizinischen Wissenschaften, die therapeutischen Anwendungen von Yoga zu untersuchen. In den kommenden Jahrzehnten breitete sich Yogatherapie, oftmals angegliedert an Spitäler, in ganz Indien aus.
Ausgangspunkt ist ein ganzheitlicher Ansatz, der dem Yoga zugrunde liegt und das ist die Integration von Körper, Geist und Seele oder Atmung (nach Mullins). Die Yoga-Therapie fragt also nicht nur nach dem Krankheitsbild, sondern widmet sich der kranken Person insgesamt und entwickelt ein individuelles Programm auf das jeweilige Krankheitsprofil.
Mahashakti, die Yoga Therapie Expertin im Haus Yoga Vidya beschreibt es so: „Yoga Therapie ist die Anwendung klassischer Yoga Praktiken auf spezifische Beschwerdebilder und deren Ursachen und Hintergründe“.
Wurden im Westen von Psychologen und Ärzten aus dem Yoga abgeleitete Entspannungstechniken zur Behandlung von Angstzuständen oder Stress angewendet, beginnt die Medizin nach und nach den Wert der Yoga-Therapie als eigenständige Disziplin für die Behandlung eines weit grösseren Spektrums von Krankheiten zu entdecken.


Eine erfolgversprechende Anwendung für chronische Beschwerden

Die Yogatherapie erweist sich als äußerst kompatibel zur westlichen Diagnosepraxis und leistet noch einiges darüber hinaus, was man „intuitives Wissen“ nennen könnte: In dem der Therapeut Unregelmäßigkeiten im Atemmuster erkennt und körperliche und seelische Spannungen aufspürt. Oder auch die Energieverteilungen im Körper analysiert und auf mentale Haltungen und Zustände achtet. Das zentrale Thema dabei ist die Aktivierung der Selbstheilungskräfte des Patienten. Um dies zu erreichen arbeitet das therapeutische Yoga auf drei Ebenen mit den Grundprinzipien `Reinigen, Harmonisieren, Stärken´. Aus yogischer Sicht ist der Körper-Seele-Geist-Komplex ein System, in dem ständig Energien ein – und ausfließen. Je besser die Energien fließen können, umso gesünder der Mensch. Treten Blockaden auf entstehen Ungleichgewichte, die Lebenskraft staut sich und beginnt, ähnlich wie Wasser, das zu lange steht, abgestanden und schal zu werden. Durch Reinigungstechniken können verstopfte Kanäle freigemacht werden, an Stellen wo sich Energie staut, helfen Harmonisierungsübungen. Ist der Köper anfällig für Störungen und Einflüsse von außen und insgesamt geschwächt kommen Stärkungsübungen zum Einsatz.
Vor allem bei chronischen Erkrankungen wie Asthma, Diabetes, Angstzuständen hat die Yoga Therapie erstaunliche Erfolge aufzuweisen. Dr. Robin Monro ist selbst nach der Behandlung von einem indischen Yoga Therapeuten von seinem Asthma geheilt worden und hat daraufhin die „Yoga Biomedical Trust“ in London gegründet, die sich auf die Fahnen geschrieben hat, die Yoga Therapie im Westen zu fördern.
Aber wie ist es zu erklären, das ausgerechnet chronische Erkrankungen, wie auch Rückenschmerzen oder Migräne in der Yoga Therapie so erfolgreich behandelt werden.
Mahashakti von Yoga Vidya erklärt es an einem Fallbeispiel, das wohl viele betrifft: Jemand hat einen Bandscheibenvorfall wegen zu schwacher Rückenmuskulatur. Er bekommt vom Therapeuten einen individuellen Plan erstellt zur Stärkung der Muskeln. Der Ausübende lernt sich bewusster wahr zu nehmen. Er schafft in seinem Geist andere Voraussetzungen, das er sich selber nicht mehr so stark überlastet und seine Grenzen wahrnimmt. Sich zu übernehmen ist ein typisches Merkmal von Rückenleidenden, so Mahashakti. Mit Yoga gewinnt er ein neues Körpergefühl, die Gelassenheit und Achtsamkeit wird gefördert – mit der Zeit wird der Patient flexibler und kann genesen. Mahashakti beschreibt den Zusammenhang von Psyche und Körper in diesem Fall: „Die Stärkung der Rückenmuskulatur war für den Patienten deshalb so weit weg, weil er sich durch jahrelange Grenzüberschreitung selbst verletzt hat und somit selbst geschwächt. Er musste die Achtsamkeit für sich selber erst wieder erlernen, eine positive Psyche aufbauen, um sein Rückenleiden zu beheben.“ Die Zusammenhänge von Krankheit, Beschwerde und Psyche gehen einander her, sind fließend und dort greift die Yoga Therapie an.

Yoga Therapeut – ein neues Berufsbild

In Indien ist es üblich, dass Ärzte mit den Yoga Therapiezentren zusammenarbeiten. Sie diagnostizieren, begleiten die Behandlung und verschreiben Yogaübungen. In anderen Zentren Indiens haben die Yoga Therapeuten mehr Verantwortung. Sie behandeln die Patienten und senden sie nur zum Arzt, wenn dies nötig erscheint. Dahin ist wohl noch ein langer Weg im Westen, aber die ersten Pfade werden bereitet. Für viele Yogalehrer, Physiotherapeuten, Krankenschwestern und Ärtze gibt es die Möglichkeit sich zum Yoga Therapeuten ausbilden zu lassen und sich in einem neuen erfolgversprechenden Berufszweig zu etablieren. Das wichtigste in der Yoga Therapie ist die Fähigkeit der Yoga Therapeuten, ihr Metier genau zu kennen und Yoga genau so anzuwenden, wie es die Situation erfordert. Dies ist gleichsam die besondere Herausforderung der Yoga Therapie, die Kultivierung der Aufmerksamkeit, die immer die Ganzheitlichkeit des Menschen im Blickpunkt hat und das sinnliche und intuitive Instrumentarium des Therapeuten darstellt.
Yoga Vidya gibt zum ersten Mal für das Jahr 2008 einen eigenen Seminarkatalog heraus. Die Aus – und Weiterbildung von Yoga Therapeuten wird ein Schwergewicht in den Yoga – Vidya Häusern und es wird in naher Zukunft sein, wenn das erste Yoga Therapiezentrum in Deutschland entsteht.

Red.: Sven Weishaupt