Hatha-Yoga – ein Weg aus der Sucht

15.04.2010
Alkohol oder Internet, Zigaretten oder Zucker – die Liste der Alltagssüchte ist lang. Man muss kein Drogenkonsument sein, um erlebt zu haben wie man sich auf der Suche nach bestimmten Erlebniszuständen in Arbeit oder Beziehungen flüchtet. Die Sehnsucht nach Substanzen oder Beschäftigungen von denen wir uns wenigstens kurzfristige Erleichterung oder Ablenkung erhoffen, wird bei vielen von Tag zu Tag größer. Und damit unsere Isolation. Manchmal bemerken wir kaum, wie fremdbestimmt dadurch unsere Lebendigkeit wird.
Hatha-Yoga kann ein Weg zu neuer Freiheit sein. Wenn man lernt statt den mechanischen Anweisungen des Geistes wieder seinen eigenen Körper zu fühlen, dann spürt man auch was einem wirklich gut tut. Körperbewusstsein ist ein Weg zu Befreiung von Abhängigkeiten vieler Art.

Süchtiges Verhalten zielt immer auf eine qualitative Veränderung des momentanen Erlebniszustands ab. Das Hier und Jetzt wird gar nicht erlebt, oder zumindest nicht akzeptiert. Gerade wenn man sich einredet, richtig „leben“ oder „fühlen“ zu wollen; sich endlich mal etwas gönnen zu wollen, ging oft emotionale Abgestumpftheit voraus. Diese kann aber nie langfristig durch Ablenkung erlöst werden; wir müssen uns den tiefen Wünschen und Bedürfnissen unserer Seele stellen. Dann beginnt wirkliche Freiheit.

Die Wortsilben „Ha“ und „Tha“ des Sanskrit bedeuten „Sonne“ und „Mond“. Gemeint ist das Gleichgewicht von Aktivität und Loslassen. Hatha-Yoga befreit unmittelbar Körper und Geist. In speziellen Therapiestunden für Menschen mit Suchttendenzen werden zunächst körperlich fordernde Übungen – nach den Bewegungsmöglichkeiten der Teilnehmer – vorgestellt. Kräftigende und anregende Übungen, wie der dynamisch ausgeübte Sonnengruß, helfen physische Verspannungen abzubauen und emotionale Blockaden zu lösen. Wenn die Energien im Körper wieder freier fließen, kann auch das Denken von selbst in neue Bahnen kommen. Der Kreislauf von Bedürfnisbefriedigung und Unzufriedenheit wird unterbrochen. Denn mit dem Fühlen des eigenen Körpers entsteht Akzeptanz des gegenwärtigen Augenblicks. Eine Hatha-Yogastunde in der Yogatherapie bei Sucht kehrt deshalb immer wieder auf die Betonung des Fühlens und des Spürens zurück. Den Atemfluss wahrnehmen, die Temperatur der ein- und ausströmenden Atemluft, die körperlichen Empfindungen und ihre Veränderung in den jeweiligen Haltungen; all das lässt die Teilnehmer erleben, wie viel Vitalität bereits im jeweiligen Augenblick vorhanden ist.

Zunehmendes Körperbewusstsein führt zum Wissen um die wirklichen Bedürfnisse des Körpers. Wenn man wieder lernt zu fühlen wie das innere Kraftwerk arbeitet, wird es langfristig selbstverständlich, für die gute Erhaltung des „eigenen Tempels“ zu sorgen. Hatha-Yoga stärkt über die Ansprache des Körpers auch den geistigen Willen und die Kraft, für diesen gut zu sorgen. Und schließlich versetzt uns das Bewusstsein unserer eigenen Fähigkeiten und Stärken wieder in die Lage, in guten Kontakt mit unserer Umwelt zu gehen. Statt der Introvertiertheit des Suchtverhaltens erleben wir, wie die gesunde Beziehung zu uns selbst auch unsere Freundschaften und unser ganzes Alltagsleben erfüllter macht.