Selbstverständnis

Anhang 1 zur Satzung Yoga Vidya e.V. - Fassung vom 8.8.2023

Wir, die Mitglieder des Yoga Vidya e.V., stehen in der heiligen Tradition von Swami Sivananda. Wir gründen uns auf der spirituell-religiösen Praxis von integralem Yoga auf Grundlage der monistischen Erlösungslehre des Advaitavedanta, kurz Yoga Vedanta genannt. Unsere Lehre gehört zu den modernen inklusivistischen und universalistischen Strömungen des Sanatana Dharma, des sogenannten Hinduismus. So vertritt Yoga Vidya keinen Alleinvertretungsanspruch.

 

Um Menschen zu dienen, lehrt der Yoga Vidya e.V. den integralen, spirituell-religiösen Yoga und Advaitavedanta, mit der Kernpraxis von Meditation und bezieht Ayurveda (traditionell-indische Medizin) ein. Zur weiteren Vertiefung von Yoga Vedanta in zeitgemäßer Umsetzung im westlichen Kontext werden Praktiken für Gesundheit, Heilung, spirituelle und persönliche Entwicklung, auch in Verbindung mit anderen Kulturen, Traditionen und moderner Wissenschaft gelehrt.

 

Gebet

Oh anbetungswürdiger Gott voll Barmherzigkeit und Liebe!

Gruß Dir in Demut gebeugt.

Sein ist Dein Wesen, Wissen und Seligkeit.

Allgegenwärtig bist Du, allmächtig, allwissend.

Im Innern aller Wesen wohnst Du.

Gib uns ein verstehendes Herz,

die rechte Einsicht, ausgeglichenes Gemüt,

Vertrauen, Hingebung und Weisheit.

Lege in uns geistige Kraft,

Versuchungen zu widerstehen, Denken und Wollen zu beherrschen.

Befreie uns von Selbstsucht, Gier, Zorn und Hass.

Erfülle unser Herz mit göttlichen Tugenden.

Lass uns Dich erschauen in all den Namen und Gestalten.

Lass uns Dir dienen in all den Namen und Gestalten.

Lass uns allezeit Deiner gedenken.

Lass uns stets Deine Herrlichkeit singen.

Lass Deinen Namen stets auf unseren Lippen sein.

Lass uns in Dir bleiben allezeit.

 

(Allumfassendes Gebet, verfasst von Swami Sivananda,
wird täglich bei Yoga Vidya im Satsang (Gottesdienst) gesprochen)

 

Nach unserem Selbstverständnis sind wir eine Religionsgemeinschaft. Wir stehen auf der Basis des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Der Yoga Vidya e.V. ist bei seiner Interpretation der hinduistischen Wurzeln einem humanistisch-spirituellen Welt- und Menschenbild verpflichtet, das ausdrücklich von Respekt zu allen Menschen unabhängig ihrer religiösen, kulturellen, ethnischen Herkunft und sexuellen Orientierung geprägt ist.

 

Yoga Vidya - der Name

Yoga Vidya enthält in seinem Namen die beiden Grundelemente des Yoga Vedanta. Durch Yoga als spirituelle Praxis können die Mitglieder das höchste Yoga („Einheit“) erfahren. Durch das Studium von Vidya („Wissen, Wissenschaft“) können die Mitglieder zu Vedanta („Ende des Wissens“) gelangen. Vidya meint neben dem höchsten Wissen auch das niedere Wissen. Das ist Ausdruck des Bildungsauftrags von Yoga Vidya, den Menschen zu dienen, um vom niederen Wissen zum höchsten Wissen zu gelangen. Yoga Vidya als Religionsgemeinschaft ist der Erfahrung der göttlichen Gegenwart hin zur Gottverwirklichung der Mitglieder und Suchenden und der Verbreitung von Yoga und Vidya gewidmet.

 

Organisationsstruktur

Formelle Struktur

Wir sind ein gemeinnütziger Verein. Wir sehen uns in der Pflege des Yoga in der Tradition des Vedanta, wie überliefert von Swami Sivananda, um Gewissheit über den Sinn der menschlichen Existenz in der Welt zu finden. In unserer Organisation gibt es in den Ashrams (Orte der intensiven spirituellen Praxis und Lehre) die Yoga Vidya Sevaka Gemeinschaft, die als geistliche Genossenschaft (Klostergemeinschaft) das spirituelle Zentrum von Yoga Vidya bildet. Die Sevakas können nach ihrer 3-5-jährigen Ausbildung und mehrjähriger Zugehörigkeit lebenslang im Ashram bleiben und werden bis zum physischen Ableben versorgt. Die Sevaka Gemeinschaften bestehen aus “Sevaka Mitgliedern” des Yoga Vidya e.V. im Sinne von §6c der Satzung des Vereins. Ihr Zusammenleben sowie die genauen Ausprägungen der Daseinsfürsorge sind geregelt durch die Yoga Vidya Smriti, zusammengefasst in der Sevaka Ordnung.

Die Mitglieder des Vereins (die keine Sevakas sind) sind gehalten, mehrmals im Jahr für ein paar Tage oder Wochen in die Ashrams zu kommen. Dabei praktizieren sie die spirituell-religiösen Praktiken, feiern gemeinsam täglich 2 Mal Gottesdienste, Satsang, und Gottesverehrung, Puja/Homa, erhalten spirituell-religiöse Unterweisung, Grundlage für ihre eigene religiös-spirituelle Praxis. Wir betreiben eigene Zentren in angemieteten Räumen, in denen mindestens 1 Mal pro Woche, z.T. auch täglich, Gottesdienst, Satsang, zelebriert wird, spirituelle Unterweisung in Form von Kursen, Workshops, Ausbildungen gegeben wird. Wir haben ein reichhaltiges Online Angebot:  Online Satsangs (Gottesdienste), 2 Mal am Tag übertragen, die Übertragung der Feiertage online, die spirituelle Unterweisung durch Online Vorträge, Übungsanleitungen, mehrwöchige und mehrmonatige Kurse in Verbindung mit persönlicher Online Beratung.

Als Geistliche fungieren Purohitas (Priester/innen), Acharyas (spirituelle Lehrer/innen), Sannyasis (zölibatäre spirituelle Lehrer/innen), Swamis genannt, und Dikshakas (Einweihende), deren Ausbildung und Funktionen klar geregelt sind.

 

Informelle Struktur

Neben unseren formellen Mitgliedern gehören auch andere zur Yoga Vidya Gemeinschaft mit unterschiedlicher Intensität der Zugehörigkeit:

  • Durch Mantra Diksha (Mantraweihe) und Nama Diksha (Einweihung in einen spirituellen Namen) werden die Aspirant/innen rituell in der Yoga Vidya Tradition Swami Sivanandas eingeweiht, legen ein Versprechen ab, ihr Leben nach den Lehren auszurichten.
  • Ausgebildete Yogalehrer/innen, Meditationsanleiter/innen, Absolvent/innen der Yoga Vidya Indische Rituale Ausbildungen, die meist Einweihungen (Mantra Diksha, Nama Diksha) erhalten haben, geben die Lehren an vielen Hundert Orten durch Satsangs, Rituale, Unterweisung, Yogastunden, Kurse etc. weiter. Einige haben selbst die Ausbildung zum Dikshaka absolviert und geben selbst Dikshas.
  • Häufig in die Ashrams und Zentren wiederkehrende Praktizierende: Viele sind Aspirant/innen der Yoga Vidya Tradition auch ohne formelle Mitgliedschaft oder rituelle Einweihung. Auch diese leben die Yoga Vidya Lehren sehr konsequent und richten ihr Leben nach den Glaubensüberzeugungen der Gemeinschaft aus.
  • Daneben gibt es lose mit Yoga Vidya Verbundene, die gelegentlich teilnehmen an den Satsangs, Kursen und Seminaren der Ashrams, Zentren und der von Yoga Vidya ausgebildeten Einzelpersonen oder an Online Seminaren/Kursen/Satsangs.

 

Gemeinde-/religiöses Leben

Zum Gemeindeleben, das für alle Yoga Vidya Mitglieder verbindlich ist, gehört

  • Zelebrieren von Satsangs, Pujas und/oder Homas – für Sevakas mehrmals pro Woche, für andere Gemeindemitglieder normalerweise wöchentlich
  • Individuelle und gemeinschaftliche, spirituell-religiöse Praxis täglich (Standard ist 1 Stunde)
  • Jährliche Teilnahmen an spirituell-religiöser Unterweisung
  • Ausrichten an einem sattvigen (reinen) Leben (ethische Grundsätze, Verzicht auf Fleisch/Fisch/Alkohol/Tabak/Drogen)
  • Dienst an der Gemeinschaft
  • Zelebrieren der wichtigen Feiertage unserer Tradition

Zum Gemeindeleben gehören auch Lebensabschnittsrituale, Samskaras (entspricht den Kasualien).

 

Die Traditionslinie unserer großen Meister, Guru-parampara

Der Sadguru (Weisheitslehrer), der selbstverwirklichte Meister und der spirituelle Hauptlehrer unseres Glaubens Swami Sivananda (1887-1963), eine der angesehensten Persönlichkeiten des modernen Hinduismus, gründete in seinem Ashram (Ort der spirituellen Praxis und Lehre) in Rishikesh, Indien, die Yoga-Vedanta-Forest Academy. Hier wird das klassische spirituelle Wissen des reinen Vedanta, als Wissenschaft der Selbsterkenntnis und -verwirklichung mit Yoga als integrales Übungssystem verbunden. Als Sannyasi, Mönch, gehörte Swami Sivananda dem Sarasvati-Orden an, ein Zweig des Dashanami- Ordens, in der Tradition von Adishankaracharya, dem großen Vedanta-Lehrmeister und Reformator aus Indien um 800 n.Chr.

 

Hingabe gilt den Lehrern unserer Tradition, die uns die Weisheit über die höchste göttliche Wirklichkeit, Brahman, lehren und uns die rechten Mittel zeigen, diese Weisheit zu erlangen. Bei allen wichtigen Einweihungsritualen, Diksha, bei Yoga Vidya wird die Guru-parampara rezitiert mit Adishankaracharya und Swami Sivananda und wir rufen damit ihren Segen an. Wir erleben Swami Sivananda bis heute als die treibende Kraft hinter dem Wirken des Yoga Vidya e.V. Seine Worte sind es, die unsere Lehr-Räume füllen, sein Segen ist die Kraftquelle hinter der eigenständigen Entwicklung unseres Vereins und jedem einzelnen Mitglied.

 

Eigenständigkeit

Yoga Vidya ist eine eigenständige spirituelle Gemeinschaft (Religionsgemeinschaft). Wir sind eigenständig in unserem Lehren, organisatorisch eigenständig, haben eigene Entscheidungsstrukturen, eigene Ausbildungen für die Geistlichen sowie zum Ausführen aller rituellen Handlungen. Auch wenn wir uns in Unterweisung, spirituellen Praktiken, Gottesdiensten und Ritualen an der Divine Life Society (Hauptsitz Sivananda Ashram Rishikesh/ Indien) orientieren, in Kontakt und Austausch stehen mit anderen Würdenträgern/innen, spirituellen Lehrern/innen sowie Priestern/innen anderer spiritueller Gemeinschaften der Sivananda Tradition, des Hinduismus und anderer Religionsgemeinschaften, ist Yoga Vidya in allen Aspekten selbständig und eigenständig.

 

Spirituelle Leitung (Geistliche/Klerus)

Bei Yoga Vidya gibt es verschiedene Arten von spirituellen Leitern/innen (Geistliche), darunter Sannyasis (zölibatäre spirituelle Lehrer/innen), Swamis genannt, die ihr Leben dem Göttlichen widmen und auf persönliche Beziehungen und Familie verzichten; Purohitas, die zu Priestern/innen geweiht sind und Rituale durchführen; Acharya, die spirituelle Lehrer/innen sind; und Dikshaka, die Einweihungszeremonien durchführen dürfen. Manche langjährigen Mitglieder der Ashram-Gemeinschaft vereinen mehrere dieser Qualifikationen/Ämter. 

Yoga Vidya hat ein umfangreiches Ausbildungssystem zur Schulung in allem was diese Ämter betrifft. Nach Ausbildungszeit und Überprüfung der Eignung erhalten die Aspiranten/innen das Heilige Einweihungsritual für das betreffende Amt.

 

Wesentliche Neuerungen zur Tradition

Hier sind die wichtigsten, wesentlichen Neuerungen kurz genannt. Yoga Vidya basiert auf einem demokratischen Grundsystem, wie etwa Abstimmungen, Wahlen, Mitbestimmung im Sevadienst uvm. Wir ermöglichen spirituelles Wachstum im Ashram (Ort der spirituellen Praxis und Lehre) in allen Formen von Enthaltsamkeit bis umfängliches Familienleben, sofern Partnerschaften von Liebe, gegenseitigem Respekt, Gleichberechtigung, gegenseitigem Einverständnis geprägt sind und als Basis der spirituellen Entwicklung betrachtet werden. Auch Wechsel von Partnerschaft und Wiederheirat, so sie langfristig ausgerichtet sind, liegen im Rahmen unserer Prinzipien. Yoga Vidya anerkennt in vollem Umfang die Lebenspartnerschaften und Ehen von Gleichgeschlechtigen und ist offen gegenüber allen sexuellen Orientierungen der LGBTQ+ Community. Wir achten auf Gleichberechtigung und Gleichstellung von Mann und Frau in allen Bereichen, auch bei Rezitation und Ritualen.

 

Yoga Vedanta bei Yoga Vidya

Advaitavedanta

Yoga-Vedanta basiert auf denErkenntnissen und Erlösung bringenden Offenbarungen der Upanishads des monistischen Advaitavedanta. Adishankaracharya hat die Lehre in 3 Sätze zusammengefasst:

brahma satyaṃ - jagan mithyā - jīvo brahmaiva nāparaḥ

„Das höchste Selbst, Brahman, ist wirklich, das Universum, jagat, ist scheinbar wirklich, die individuelle Seele, jiva, ist nichts anderes als das höchste Selbst, Brahman.“

 

Die folgenden Prinzipien der Yoga-Vedanta-Philosophie bilden die Grundlage für das spirituell-religiöse Leben bei Yoga Vidya:

 

Brahman (das Absolute, Gott). Es gibt nur eine höhere Wirklichkeit, die identisch ist mit Atman, dem Selbst in allem. Brahman ist ohne einen Anfang, ohne ein Ende. Als höchstes Brahman, Para Brahman,  ist es der transzendente, eigenschaftslose Aspekt des Brahman, Nirguna Brahman. Als niederes Brahman, Apara Brahman, ist es der immanente, allem innewohnende Aspekt des Brahman, Saguna Brahman, der sich in der Schöpfung ausdrückt. Er wird auch Ishvara genannt, Herr der Welt (persönlicher Gott). Er wird zur heiligen Trinität aus Brahma (Schöpfer), Vishnu (Erhalter) und Shiva (Zerstörer).

Das Ziel ist, es zu erkennen und zu verwirklichen.

Maya (Illusion, Verblendung). Die relative Welt, wie wir sie wahrnehmen, ist eine Illusion aufgrund ihrer ständigen Veränderung, unserer gefilterten Wahrnehmung und unseres irrigen Glaubens an die Trennung von Brahman.

Duhkha (Leiden). Unser Unvermögen, die letztendliche Realität zu erkennen, führt zu existenziellem Leiden, da wir in einer vergänglichen Welt nach dauerhaftem Glück suchen. Aus Duhkha können wir aber herauskommen: 

Moksha (Befreiung, Selbstverwirklichung, Erleuchtung). Es ist möglich, Brahman zu verwirklichen und in diesem Leben befreit zu werden. Wie kommen wir dorthin?

Abhyasa (Übung). Wir können Schritte zur Befreiung durch Praxis machen, die Yoga, Meditation, ethische Lebensführung und das Studium der spirituellen Schriften umfasst.

Karma (das Leben als Schule). Wir lernen und wachsen spirituell aus allen Erfahrungen des Lebens. Wir glauben an den zyklischen Kreislauf des Lebens. Bis zur Erfüllung all seiner Aufgaben, bis zur Verwirklichung des Höchsten Selbst, inkarniert sich der Mensch wieder und wieder. Er erfährt dabei auch die Früchte und Konsequenzen seines eigenen Handelns als Lernaufgabe.

Kripa (Gnade). Angemessene Anstrengung öffnet die Kanäle für die göttliche Gnade, die zur Gotteserfahrung führt.

 

Charakteristisch für Yoga Vidya ist also der Glaube an/das Wissen über Brahman als höchste transzendente und immanente Wirklichkeit, der Glaube an Reinkarnation und das Gesetz des Karma als Weltdeutung und Sinngebung für das ganze Leben und Handeln, sowie der Glaube an die Unsterblichkeit der Seele.

 

 

Integraler Yoga

Yoga heißt Einheit, Verbindung und ist eine klassische Heilslehre und Übungsdisziplin im Sinne der Vereinigung mit der höchsten göttlichen Wirklichkeit. Wenngleich Yoga in der westlichen Wahrnehmung häufig auf ein reines Sport- oder Entspannungsfeld reduziert, wird bei Yoga Vidya der traditionelle spirituell-religiöse Yoga gelebt und gelehrt. Swami Sivananda hat als integrales System verschiedene Yogawege gelehrt, die gleichberechtigt nebeneinanderstehen und eine Synthese bilden. Sie fördern den spirituellen Fortschritt des Individuums auf allen Ebenen des Seins und bereiten gemeinsam auf das Verstehen und die Verwirklichung der höchsten Wahrheit vor. Im Folgenden sind die 6 Yogawege aufgeführt, die davon bei Yoga Vidya im Vordergrund stehen:

Jnanayoga (Yoga des Wissens). Hier setzt der Suchende seinen klaren, zum Verstehen der Lehre geeigneten Geist der Vedanta-Lehre aus. Idealerweise wird die Lehre von einem qualifizierten Lehrer erläutert. Der Sucher übt die 4 grundlegenden spirituellen Praktiken des Jnanayoga: hören, shravana, nachdenken, manana, meditieren, nididhyasana und verwirklichen, anubhava.

Rajayoga (Yoga der Geistesbeherrschung) umfasst die Techniken des mentalen Trainings und der Meditation, dhyana. Rajayoga erklärt, wie der menschliche Geist funktioniert und wie wir ihn beherrschen können. Durch Beherrschung des Geistes erreicht der Übende Erlösung/Befreiung, Kaivalya.

Bhaktiyoga(Yoga der Hingabe) hat zum Ziel über liebevolle Gottesverehrung, durch Gebet, Mantra-Singen, Rituale, Erzählen von Mythen und Heiligengeschichten mit Gott zu verschmelzen.

Karmayoga (Yoga der Tat) lehrt, das Schicksal als Chance zu begreifen. Es ist der Yoga des uneigennützigen Dienens und des verhaftungslosen Handelns, um die Fesseln der Individualität zu überwinden. Durch uneigennütziges Dienen und Nächstenliebe wird die Einheit mit allen Wesen erfahren, um schließlich in jedem das Göttliche zu sehen.

Kundaliniyoga (Yoga der Energie) lehrt Energiepraktiken, um die göttliche Urkraft im Menschen, Kundalini, zu erwecken, diese in höhere Energiezentren, chakra zu führen. Wird die Kundalini in das oberste, das sahasrarachakra geführt, ist die bedingungslose Einheit mit dem Göttlichen erfahrbar.

Hathayoga (Yoga der spirituellen Erfahrung durch Körperübungen) lehrt die Lebensenergie, prana, zu aktivieren und zu harmonisieren. Darüber wird der Geist ruhig. Dann entsteht die Fähigkeit zur Meditation, Unterscheidung und Loslösen. Hathayoga hilft auch die Kuṇḍalini zu erwecken.

 

Der Körper ist das Instrument der Seele und damit das Boot um den Ozean von Samsara (Kreislauf/Rad von Geburt und Tod) zu überqueren. Daher gilt es, den Körper und den Geist (die Psyche) gesund zu halten, den Tempel der Seele (den Körper) zu pflegen. Um Gott zu erfahren, muss der Geist rein und klarwerden.

 

Yoga Vedanta ist verbindend, nicht trennend.

Yoga ist ein Weg zu Gott. Vedanta ist ein Weg zu Gott.

Yoga Vedanta ist der schnelle und sichere Weg zu Gott.

 

Yogische Lebensführung

Unsere 4 Grundpraktiken zur mystischen Erfahrung und Verwirklichung des höchsten Göttlichen sind Sadhana (spirituelle Praxis mit Yoga, Meditation, Gebet), Satsang (Gottesdienst), Sattva (innere und äußere Reinheit) und Seva (selbstloses Dienen an Gott und den Menschen). Wir gehen und lehren dabei gemäß unserer Tradition, den individuellen Weg, Marga, angepasst an Fähigkeiten, Erfahrungen, Erkenntnissen, Lebensphasen und spirituellen Entwicklungsstand. Ein jeder kann die Lehre prüfen, anwenden und verwirklichen, denn sie ist Wahrheit, ist universell und zeitlos.       

 

Heilige Schriften

Das Wissen über die göttliche Wirklichkeit und wie wir sie verwirklichen, finden wir in den 3 Säulen des Advaitavedanta nach Adishankaracharya: Upanishads, Bhagavadgita, Brahmasutras, weiterhin in den Werken für Yoga: Yogasutra von Patanjali und Hathapradipika von Svatmarama. Wichtig sind auch Werke von Adishankaracharya wie Viveka-cudamaṇi und von Swami Sivananda (z.B. Sadhana, Inspiration und Weisheit). Das Schriftenstudium, Svadhyaya, ist Teil der spirituellen Praxis.

 

Religiöse Rituale

Zur Aufnahme in die Traditionslinie wird in Mantras eingeweiht, Mantra Diksha, und ein spiritueller Name verliehen, Nama Diksha. Mit religiösen Ritualen/Kasualien, Samskara, werden bei uns Lebensabschnitte wie Geburt, Jatakarman, Hochzeit, Vivaha, und Tod, Shraddha, mit spiritueller Kraft aufgeladen und gesegnet. Täglich finden religiöse Rituale in Form von Puja (Gottesverehrung), Homa (vedischem Feuerritual), Arati (Lichtzeremonie) und Satsang (Gottesdienst) statt und besonders zur Feier der wichtigsten hinduistischen Feste. Zur Durchführung der Rituale werden Geistliche ausgebildet. 

 

Die wichtigsten hinduistischen Feiertage bei uns sind:

Shivaratri (Shiva-Fest), Hanuman Jayanti (Geburtstag des Gottes Hanuman), Guru Purṇima (Fest des Guru), Krishṇa Janmashtami (Erscheinungstag von Krishna), Sivanandas Geburtstag, Navaratri (neuntägiges Fest der Göttlichen Mutter), Vijaya Dashami (Fest der Durga) im September/Oktober, Divali (Lichterfest).

 

Verbreitung der Lehre

Im Rahmen unseres Bildungsauftrags praktizieren wir selbstloses Dienen, Karmayoga, als einen wichtigen Aspekt im Yoga Vedanta Bekenntnis. Um Menschen zu dienen wird bei Yoga Vidya spirituelle-religiöser Yoga, Vedanta, Meditation und Ayurveda etc. auch für Gesundheit, Heilung, Persönlichkeitsentwicklung etc. gelehrt. Unsere traditionellen Lehrthemen sind:

  • Spirituelle Praxis einschließlich religiöser Rituale
  • Techniken für die Gottverwirklichung im Alltag
  • Techniken für Gesundheit (u.a. Ayurveda, westliche Schulmedizin, Naturheilkunde und Ernährungskunde, andere Medizinsysteme)
  • Techniken für Heilung (Therapie) unter Beachtung der jeweils gültigen Gesetze
  • Mittel zu Persönlichkeitsentwicklung und zur Steigerung der Fähigkeiten

 

Als ergänzende Lehrthemen werden die Techniken, Weisheitslehren, Philosophiesysteme und Praktiken aus Indien mit solchen aus anderen Kulturen und moderner Wissenschaft in Fortschreibung der Lehre zeitgemäß verbunden. Durch die Ein- und Verbindungen zu verschiedensten Themen kann Yoga Vidya einen wertvollen Beitrag zur Völkerverständigung und zum Dialog der Kulturen leisten. Im Zeitalter der Spezialisierung und Separierung will Yoga Vidya zur Verbindung und Integration beitragen und Menschen durch Yoga Vedanta Wege aufzeigen zu einem gesunden, erfüllten und sinnvollen Leben sowie tiefgreifendem Glück durch Gottverwirklichung.

 

Alle Kurse, Seminare, Aus- und Weiterbildungen in den Zentren und Ashrams (Orte der spirituellen Praxis und Lehre) von Yoga Vidya stehen in Verbindung mit der spirituellen-religiösen Praxis des Yoga und mit der Lehre des Yoga. Die Seminarteilnehmer nehmen dabei gleichfalls am Ashram-Programm teil, insbesondere zweimal täglich am Satsang (Gottesdienst) und erfahren auf diese Weise die ganzheitliche Wirkungsweise von Yoga und Vedanta. Sie folgen bei ihrem Aufenthalt auch den Ashram-Regeln (vegetarische Ernährung, kein Alkohol, Schweigezeiten, etc.).

 

Wie im Fall der indischen Vorbilder kann die Übung des Yoga auch mit beruflicher Ausbildung, Weiterbildung und Fortbildung, Erlernen von Sanskrit und anderen beruflichen Fähigkeiten verbunden werden.

 

Verhältnis zu anderen Religionen, Synkretismus

Yoga Vidya vertritt einen einschließenden Ansatz und folgt dabei der Divine Life Society sowie vielen Strömungen des Hinduismus. Dazu gehört die Anerkennung, dass Gott sich auf verschiedene Weisen manifestiert, dass die unterschiedlichen Religionen und spirituellen Richtungen zu Moksha, zur Erlösung führen können, dass sie letztlich alle eins sind, und dass die Praktiken verschiedener Religionen auch miteinander kombiniert werden können. Yoga Vidya sieht diesen synkretistischen Ansatz auch als wichtig und hilfreich für das friedvolle Zusammenleben der Menschen aller Religionen, Weltanschauungen und Kulturen an. Es wird akzeptiert, dass Mitglieder von Yoga Vidya auch anderen Religionsgemeinschaften angehören können, sofern sie den zentralen Aussagen in diesem Dokument zustimmen, die spirituell-religiösen Praktiken, die Ethik und den Lebensstil unserer Tradition befolgen.

 

Ethische Grundlagen

Wir achten in der Gemeinschaft und im Umgang mit anderen Wesen die ethischen Werte, auf die Swami Sivanandas Lehre fußt. Maßgeblich sind hierbei die 5 Yama und 5 Niyama, das Ethik-Konzept aus dem Yogasutra.

 

Ahimsa (Nichtverletzen, Gewaltlosigkeit), Liebe, Mitgefühl, Wohlwollen, Freundlichkeit, Fröhlichkeit, Toleranz, Zufriedenheit, Bescheidenheit, Großzügigkeit, Gelassenheit, Gleichmut, Geduld, Optimismus und Mut sind göttliche Tugenden und unsere Werte. 

 

Yoga Vidya positioniert sich klar gegen Ahimsa-Verstöße aller Art (physische, psychische und soziale) und hat umfassende Maßnahmen entwickelt, um den Gefahren von Manipulation, Machtmissbrauch und sexuellen Übergriffen vorzubeugen. Dazu gehören präventive Sicherungsmechanismen und Prozeduren zur Verhinderung von sexueller Übergriffigkeit, Ausnutzen von Machtpositionen und dass der spirituelle Status als Entschuldigung für sexuelle Übergriffe genutzt wird. Neben einer klaren, offenen Kommunikation, verbindlichen Ethik-Richtlinien, die alle Unterrichtenden unterschreiben müssen, gehören dazu auch gewählte Vertrauenspersonen sowie der Shanti-Rat (Friedens-Rat) und ein/e externe/r Ahimsa-Beauftragte/r, der/die auf Gewaltprävention und Deeskalation spezialisiert ist.

 

Weiteres

à Nähere Ausführungen zum Selbstverständnis in der Schrift „Yoga Vidya – Glaube, Grundordnung, spirituelle Praxis“.

à Zu einzelnen Abschnitten des Selbstverständnisses finden sich detailliertere Erörterungen in den weiteren Anhängen dieser Satzung.

 

Om namaḥ śivāya gurave ' sac-cid-ānanda-mūrtaye /
niṣ-prapañcāya śāntāya ' śrī śivānandāya te namaḥ //

Ehrerbietung an Swami Sivananda, dem göttlichen Lehrer, Verkörperung der Höchsten Göttlichen Glückseligkeit. Möge er uns helfen, alles Weltliche zu transzendieren.

(Gebet aus der Gurugītā, rezitiert vor Yogastunden und Vorträgen)

 

asato mā sad gamaya'

tamaso mā jyotir gamaya /

mṛtyor māmṛtaṅ gamaya //

Führe mich vom Unwirklichen zum Wirklichen, von der Dunkelheit zum Licht, vom Tod zur Unsterblichkeit

(Bṛhadāraṇyaka Upaniṣad)

Glück kommt, wenn das Individuum mit Gott verschmilzt.
(Letzte Worte von Swami Sivananda in seinem letzten Werk „Elixir Divine“)