Ayurveda Traditionell

Das ewige Wissen um Einheit

Ayurveda zählt bekanntlich als eine Natur- und Gesundheitswissenschaft, die bisher vor allem in Südasien praktiziert wurde und sich dort seit Jahrtausenden bewährt hat. Wörtlich übersetzt heißt Ayurveda „Wissen vom Leben“. „Ayur“ bezeichnet das Leben. In der Sanskritsprache wird „Ayur“ auch mit einer möglichst erfüllten und langen Lebensspanne in Verbindung gebracht. „Veda“ ist das Wissen oder die Wissenschaft. Allerdings geht es hier nicht um ein dogmatischen System, in dem durch Forschung, Versuch und Irrtum letztlich Erkenntnisse entstanden. Vielmehr beschreibt das Wort „Veda“ ein Wissen von ewiger Gültigkeit, das im völligen Gleichklang mit den Naturgesetzen steht. „Veda“ bezeichnet keine Buchreihe oder Literaturgattung. Genauso wenig ist „Veda“ auf ein bestimmtes Land bezogen oder auf eine bestimmte Weltepoche. „Veda“ sind ewige Wahrheiten. Charaka, ein Begründer des Ayurveda, definierte „Ayur“ (das Leben) als die Vereinigung von Körper, Geist und Seele. Jene Vereinigung oder „Einswerdung“ stellt gleichzeitig das höchste Ziel des Ayurveda dar.

Dieser Ansatz macht Ayurveda nicht zu einem reinen esoterischen System, auch wenn in der Tat spirituelle Aspekte eine wichtige Rolle spielen. Vorrangig möchte uns der Ayurveda das Leben in seiner gesamten Vielfalt als ein wunderbares und doch vertrautes Phänomen näher bringen - um in Gesundheit und Lebensfreude unseren persönlichen Zielen nachgehen zu können. Ayurveda beschreibt dabei die vielfältigen Faktoren des Daseins und dessen Zusammenhänge mit der Absicht, dass wir diese nicht nur verstandesmäßig aufnehmen sondern vor allem intuitiv begreifen können. Die ayurvedische Lehre möchte uns alle Aspekte des Lebens näher bringen – und Leben existiert bereits lange vor der Geburt und selbst über den Tod hinaus.

Laut Ayurveda ist der Mensch ein Abbild des Universums. Nach der Theorie „Mikrokosmos ist gleich Makrokosmos“ hat der Mensch alles je Existierende in sich, einschließlich einem verborgenem unsterblichen Kern. So sind die Impulse des Lebens tief im Menschen seit jeher die gleichen. Das Wissen und Begreifen der feinen Zusammenhänge zwischen Mensch, Natur und Kosmos kann als wahres Ayurveda bezeichnet werden.

Man spricht von den sogenannten „Rishis“ (Weisen), wenn es um die Begründer oder vielmehr um die Entdecker des Ayurveda geht. Es handelt sich hierbei um Meister der Meditation, die durch intensive Beobachtung der Natur gewisse Prinzipien erkannten. Die Wahrnehmungsfähigkeiten dieser Menschen waren derart außergewöhnlich sensibel, dass sie die tiefen Wurzeln des Lebens erfassen konnten und daraus Grundsätze definierten, die für alle Zeit Gültigkeit besitzen.

Das „Wissen vom Leben“ vollstreckt sich über die Kenntnis der Elemente mit ihren groben und subtilen Eigenschaften und dessen Zusammenwirken, über die Kenntnis, wie die inneren Organe mit dem Naturelementen zusammenwirken, genauso wie Sinneswahrnehmungen und selbst Emotionen mit den Elementen interferieren. Dieser brillante Wissensschatz befähigt uns Menschen durch sehr naturbezogene Heil- und Lebenspraktiken einen Seinszustand zu erreichen, der den meisten von uns bisher verborgen blieb – ein Zustand völligen Wohlseins und Gesundseins. Durch das Praktizieren und Erfahren von Ayurveda gewinnen wir einen Zugang zu unserem tiefen Kern – zur Quelle des Lebens. Eine für nie möglich gehaltene Klarheit, Vitalität und Lebensfreude erwacht in uns. Wahres Ayurveda ist eine subtile Erfahrung des Lebens in seiner gesamten Fülle, die Erfahrung der unendlich großen Symbiose der Elemente, die Erfahrung der Einheit von Körper, Geist und Seele.

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„Ayurveda for Life“

Das Wissen, welches uns zu diesem neuartigen oder vielmehr ursprünglichen Daseinszustand verhilft, wurde durch die „Rishis“ (Weisen) von Generation zu Generation weitergegeben und später auch schriftlich festgehalten. So ist das „Wissen vom Leben“ heute für jeden zugänglich. Neben der Elementarlehre und geistigen Gesetzen umfasst es Empfehlungen für den allgemeinen Lebensstil, spezielle Reinigungs- und Stärkungstechniken und sehr wirkungsvolle Heilmethoden. Eine große Rolle spielt die Einstimmung auf verschiedenste Rhythmen wie die des Tages, des Jahres und bestimmter Lebensabschnitte. Schlaf und Essgewohnheiten spielen eine große Rolle. Alleine das Wissen um die günstigen und ungünstigen Nahrungsmittelkombinationen ist, im wahrsten Sinne, eine Wissenschaft für sich. Laut Ayurveda ist die Stärkung des Agnis, des Verdauungsfeuers, eine wichtige Vorraussetzung für Gesundheit. Können wir die Nahrung, sei sie noch so rein und gesund, nicht gut verdauen, entstehen Giftstoffe im Körper. Die optimale Gestaltung des Berufslebens und Empfehlungen für Partnerschaft und Sexualität gehen ebenfalls mit Ayurveda einher, um das emotionale Gleichgewicht zu stärken.

An großer Beliebtheit erfreut sich die jetzige Gesellschaft an dem Wissen der Manualtherapie, sprich warme Öl-Massagen, Stirngüsse und andere exotische Anwendungen mit Pulvern, Pasten und Seidenhandschuhen. Diese äußeren Anwendungen sind höchst angenehm und wirken sehr besänftigend auf das gesamte Nervensystem. Sie halten den Körper geschmeidig und flexibel, entschlacken und nähren das Körpergewebe. Wahre Ayurveda-Massage berührt letztlich nicht nur den Körper sondert auch die Seele des Menschen. Durch gezielte und sehr bewusst ausgeführte Massagetechniken erfährt der Behandelte tiefste Entspannung und Geborgenheit. Innere medizinische Kräutertherapie und spezielle Ausleitungsverfahren zählen ebenso zum „Wissen vom Leben“. 

Ganzheit der Vielfalt

Jede Krankheit lässt sich laut Ayurveda auf ein bestimmtes Elemente- Ungleichgewicht und anschließend entstandene Giftstoffe zurückführen. Individuell abgestimmte ayurvedische Kräuter zielen auf eine innere Reinigung und Stärkung der Immunkräfte ab. Gleichzeitig haben sie eine Wirkung auf die Symptomatik und das gestörte Element. Eigene Praxis in bestimmten Meditationstechniken und Körperübungen unterstützen den nötigen Reinigungsprozess. Ebenso sind Bewusstseinstraining und Geistesheilung von entscheidender Bedeutung auf dem Weg der ganzheitlichen Heilung.

Nur aus dieser Gesamtheit heraus entsteht ein wirkungsvolles Therapiekonzept, welches keine Ursachen für Krankheit hinterlässt und dauerhafte Gesundheit verankert. Ein derart großes Spektrum an Möglichkeiten Körper und Geist zu harmonisieren ist ganz sicher einzigartig.

Das Entscheidende und Besondere am Ayurveda ist jedoch, dass jede Art der Praktik oder Anwendung individuell auf die jeweilige Konstitution des Menschen angepasst wird. Laut Ayurveda hat jeder Mensch eine eigene Konstitution – eine bestimmte Zusammensetzung der Elemente, aufgrund derer er so und so gebaut ist, solche oder jene Haare trägt, diese oder jene Verdauungskraft besitzt und zu diesen und jenen Macken tendiert. Ziel im Ayurveda ist es, ein Gleichgewicht der Elemente zu erreichen, da ein Übermaß an einer spezifischen Energie nie zu einer Synthese führen kann. Da die Elemente auf verschiedenste Weise gegensätzlich wirken (warm-kalt, feucht-trocken, fest-weich, leicht-schwer) bewirkt ein Übermaß eines Elements immer eine Störung anderer Elemente, was leicht zu Krankheit führt.

Die allumfassende Trinität

Um die Lehre der Elemente zu vereinfachen und einen gemeinsamen Bezug zum Körper herzustellen, fasst Ayurveda die Elemente zu drei großen Prinzipien (Doshas) zusammen. Erde und Wasser bilden zusammen das sogenannte „Kapha“, Wasser und hauptsächlich Feuer bilden das „Pitta“, Luft und Äther das „Vata“. Die Dosha- Lehre ist somit Grundlage des Ayurveda, da von den Doshas alles ausgeht, was man sich über das Leben vorstellen kann, beginnend von unbeweglicher, grobstofflicher Materie über alle möglichen Stoffwechsel Vorgänge und Wechselbeziehungen bis hin zur Kausalität und feineren Bewusstseinsebenen. Letztlich verfügt jedes Dosha über sehr feine Eigenschaften, die sich in den verschiedenen Geisteszuständen widerspiegeln. Wir können entweder sehr geerdet und gelassen sein und so ein positives liebevolles „Kapha“ entwickeln. Oder wir sind voller Feuer (Pitta), fühlen uns energiegeladen, lebensfroh und enthusiastisch. Oder wir sind sehr leichten, luftigen Gemüts, sprühen gerade so vor Kreativität und fühlen eine starke Weite in uns („Vata“). Es ist erwähnenswert, dass kein Dosha besser ist als ein anderes – jedes erfüllt essentielle Funktionen, körperlicher und geistiger Natur. Doch kann jedes Dosha positiv oder negativ gerichtet sein. Zu viel Erde kann uns langsam und „schwer“ machen. Ein gestörtes Feuer kann uns „anstecken“ oder „entzünden“. Zu viel Luft kann uns austrocknen oder bewirken, dass wir „voll durch den Wind“ sind. Erreichen wir im alltäglichen Geschehen eine Balance zwischen den inneren und äußeren Wirkkräften, wird Gesundheit unser Leben bestimmen. Krankheit tritt ein, wenn sich ein Teil in uns gegen den natürlich Fluss des Lebens richtet beziehungsweise sich gegen seine eigene Natur richtet. Das „Wissen vom Leben“ erhebt uns jedoch durch ein tiefes Verständnis von uns selbst und der gesamten Natur in eine Erfahrung wahrer Heilung.

Universelles Ayurveda und Yoga

Im Ayurveda vereinen sich auf sehr komplexe Weise physiologische, psychologische und spirituelle Aspekte zu einem wirkungsvollen Gesundheits- und Naturheilsystem. Zwar zählt der Ayurveda als das traditionelle und uralte Medizinsysteme Indiens, doch wie wir sehen, ist es vielmehr ein globales, ja sogar ein universelles System für Ganzheit und allumfassende Gesundheit. Es handelt sich um einen überaus wertvollen Schatz an Konzepten und Methoden, die das Menschliche Dasein dauerhaft glücklich machen können, eine wahrhaft göttliche Hinterlassenschaft an die Menschheit.

So ist es nicht verwunderlich, dass Ayurveda und Yoga zwei Schwesterdisziplinen miteinander bilden. Beide Systeme zählen als Weg zu Ganzheit, Vitalität und geistiger Stärke. Der Yoga-Pfad ist hierbei deutlich mehr auf die spirituelle Entwicklung ausgerichtet - mit dem Ziel der Erleuchtung, der Erkenntnis der Wahrheit und der ewigen Einheit des Selbst. Der Ayurveda bezieht - mehr als der Yoga - das Körperliche und Elementare mit ein und bildet somit eine wunderbare Ergänzung zum Yoga. Wenn der Körper fit und gesund ist, die Lebenssäfte fließen, dann ist die Meditation intensiver, freudevoller und das gesamte Leben mit all seinen spirituellen Lehraufgaben fällt uns leichter. Interessanterweise haben wissenschaftliche Untersuchen bewiesen, dass Patanjali, der Verfasser der „Yoga Sutras“ und Begründer des heutigen Yogas, ein und der selbe Mensch war wie Charaka, der die Urschrift des Ayurveda, die Charaka Samhita, niedergeschrieben hat. Dies weißt klar auf die enge Beziehung beider Systeme hin, die eigentlich untrennbar von einander sind.

Da letztlich Ganzheit das Ziel ist, bewahrt der Ayurveda trotz der Vielfalt an Therapiemethoden stets eine gewisse Einfachheit, vor allem aber die besagte Individualität und Naturbezogenheit. Die zum ganzheitlichen Heilungsprozess nötige geistige Offenheit hängt wieder - um von jedem selbst ab, genauso wie die Bereitschaft, sein eigenes Leben auf bisher ungeahnten Ebenen gewinnbringend zu gestalten. 

Ayurveda lebt und entfaltet sich im Menschen

Der Ayurveda zählt zu den upa-veda. Das heißt, die tiefen Grundsätze des Ayurveda besitzen ewige Gültigkeit, ein gewisser Teil des Wissens jedoch ist wandelbar. Die Elementarlehre, die Doshalehre sowie der Zusammenhang von Körper, Geist und Seele sind die natürliche Grundlage des Ayurveda. Auch die verschiedensten Diagnose- und Therapieverfahren sind von subtilerer Natur und auf keinen Fall veraltet oder hinfällig. Kennzeichnend für Ayurveda und somit ebenfalls beständig sind tiefgehende Rituale, die unser höheres Selbst direkt ansprechen und Heilung segnen und ebnen. Jedoch ist es einleuchtend, dass sich mit voranschreitender Zeit das Umfeld des Menschen verändert, genauso wie auch verschiedene Weltregionen die unterschiedlichsten Lebensbedingungen mit sich bringen. Es wäre ein unsinniger Gedanke, wenn wir heute beispielsweise in Deutschland dieselbe Kleidung tragen würden wie vor 5000 Jahren in Indien, die gleiche Nahrung zu uns nehmen würden oder die gleichen Sitten hätten. So ist all jenes veränderlich, was sich direkt auf die zeitlichen und lokalen Elemente bezieht. Im Einklang mit den Elementen zu leben heißt in Harmonie mit seiner direkten Umgebung und sich selbst zu sein.

Ayurveda - NaturheilkundeIndisches Ayurveda muss sich somit vom europäischen unterscheiden, da die elementaren Begebenheiten ganz klar unterschiedlich sind. Relevanz bekommt dieser Zusammenhang vor allem bei der Auswahl der Nahrungsmittel, Gewürze, Heilkräuter und Öle, da diese direkt aus den Elementen ihrer Umgebung bestehen. Unser Körper verdaut nur das, was er kennt und aus seiner elementaren Umgebung gewohnt ist. Europäische ayurvedische Ernährung ist alles andere als hauptsächlich gekochte, intensiv gewürzte Linsen und Reisgerichte. Unterschiedliche klimatische, ökologische und hygienische Verhältnisse erlauben und verlangen nach einer anderen Ess- und Kochkultur. Übrigens verdauen wir Menschen auch Sinneseindrücke jeder Art und ebenso kulturelle Eindrücke. Ein Grund, warum Ayurveda noch nicht so stark im Westen etabliert ist, ist sicher auch die scheinbare Fremdartigkeit oder „Unverdaubarkeit“ – der vermeidliche indisch-hinduistische Touch. Es bedarf also immer einer ehrlichen und munteren Offenheit, um den Ayurveda die frischen Impulse zu geben, wie sie in die jetzige Zeit sowie in die jeweilige Region passen - für den Menschen also zugänglich und zuträglich sind.

So wie die Rishis damals durch eine unermessliche Klarheit des Geistes und Bewusstwerdung das heilige Wissen des Lebens empfangen haben, auf eine derartige Weise entfaltet sich der wahre Ayurveda stetig weiter. Ayurveda lebt, er lebt im Hier und Jetzt, er lebt im Menschen, in den Tiefen seines Herzens und kommt durch seine reine Intuition zum Vorschein, bei gleichzeitiger und größtmöglicher Entfaltung seiner intellektuellen Fähigkeiten. Wahres Ayurveda ist ein tiefes, subtiles Verständnis davon, wie die Natur letztendlich eine undenkbar große Einheit bildet. Der Ayurveda gibt uns Einblicke in das Wunder des Lebens und schenkt uns eine Inspiration, Teil der Intelligenz zu sein, die hinter allem wirkt. Ayurveda ist Religion der Gesundheit, kosmische Medizin, ein Weg zu Glück, Vollkommenheit und wahrer Verjüngung.

Julia Lang
Leiterin der Ayurveda Oase im Haus Yoga Vidya Bad Meinberg
julia.lang(at)yoga-vidya.de

Umfassendes Wissen über Ayurveda kannst du dir auch in einer unserer Ayurevda Ausbildungen aneignen.