Ayurveda- Dinacharya (Tagesroutine)

von Bastian Wittig

Der Meistertag

Ayurveda, das Wissen vom Leben, bietet uns Menschen ein unglaublich weites Spektrum, Körper und Geist gesund zu halten. Mit dem Ziel das größtmögliche Potenzial an Lebensqualität auf allen Ebenen des Seins auszuschöpfen, zeigt uns der Ayurveda neue und ungeahnte Dimensionen. Was keine Naturwissenschaft bisher hervorbringen konnte lehrt Ayurveda bereits seit Tausenden von Jahren: Leben im völligen Einklang mit der inneren und äußeren Natur.

Eine sehr wichtige Rolle spielt dabei die Anpassung unseres alltäglichen Lebens an die in der Natur vorherrschenden Rhythmen. Ayurveda geht davon aus, dass zu den unterschiedlichen Tageszeiten unterschiedliche Grundenergien herrschen, die physiologisch und psychologisch Einfluss nehmen. Zeiten der Leichtigkeit und Offenheit wechseln mit Phasen der Schwere und Fülle sowie mit Perioden der Hitzigkeit und Energiegeladenheit. Im Laufe des Tages vorkommende unbewusste Stimmungswechsel, unterschiedliche Verdauungsaktivitäten und –symptome oder zeitbezogene Fähigkeits- oder Unfähigkeitsgefühle gegenüber bestimmten Tätigkeiten interpretiert Ayurveda mit dem Wirken der verschiedenen Doshas (Grundenergien/ Elementkombinationen). Dinacharya ist die ayurvedische Tagesroutine (Dina – der Tag, Acharya – Meister), welche uns befähigt, den Zyklus der Doshas optimal für uns zu nutzen, um mit Vitalität und inspirierender Lebensfreude unseren Weg zu gehen.

Der Tageszyklus der Doshas

 

Vata: kalt, trocken, beweglich, leicht, klar, rau

Pitta: heiß, leicht, ölig, mobil, flüssig, sauer, scharf

Kapha: kalt, feucht, schwer, statisch, weich, schleimig, süß

Jedes Dosha herrscht zweimal täglich vor, und jeder Mensch, gleich welcher Konstitution, wird durch die jeweiligen Elementeigenschaften beeinflusst.

Die morgendliche Reinigung

Das Beste für deinen Tag: vor 5:30 Uhr aufstehen!
Vielleicht hast du schon einmal festgestellt, dass du dich umso träger fühlst, je später du morgens aus dem Bett kommst, und das Aufstehen an sich ist eine reine Mühsal, besonders wenn es sich bis 8.00 Uhr oder später hinzieht. Das liegt daran, dass ab 6.00 Uhr die Kapha-Zeit beginnt - die Zeit, in der das Erdelement sich in der Natur ausbreitet. Das Aufstehen fällt wesentlich schwerer. Viel leichter ist es frühzeitig aufzustehen - zur Vata-Zeit, am besten zwischen 4.00 und 5.30 Uhr.

  • Nach einem warmen Glas Wasser und dem Toilettengang folgt dann die morgendliche Reinigungsroutine mit Ölziehen, Zungenschaben, Nasenspülung und Zähneputzen.
  • Zum „Ölziehen“ eignet sich ein ¾ Esslöffel Sesamöl, welches man 5 bis 10 Minuten mit wiederholtem „Ziehen“ (Öl im Mund bewegen) im Mund behält und anschließend in den Restmüll gibt (nicht in den Abfluss). Das Öl nährt Zahnfleisch und Nerven, schützt vor Karies und zieht Giftstoffe aus dem gesamten Mundraum.
  • Zum Zungenschaben eignet sich ebenfalls ein Esslöffel - es muss kein extra gekaufter Zungenschaber sein. Nach dem Ölziehen den Löffel nach unten gerichtet so weit wie möglich am hinteren Zungenende ansetzen und in Richtung Zungenspitze mehrmals ausschaben. Die Zunge wird so von altem Belag befreit, die Geschmackswahrnehmung verbessert sich und selbst die Verdauung wird angeregt.
  • Neti, die Nasenspülung, erfolgt mit einem Nasenkännchen, welches mit einer Salzlösung (am besten eignet sich hierfür Stein- oder Himalayasalz) gefüllt ist. Konzentration: ca. 1%ig, d.h. auf 100 ml Wasser 1 g Salz. Das lauwarme Salzwasser durchspült die Nasenschleimhaut, löst überschüssigen Schleim und verbessert die Sinneswahrnehmung.
  • Zähneputzen bildet den Abschluss der morgendlichen Mundhygiene, die geübt nicht länger als 12 Minuten dauert.
  • In der klassischen Ayurveda-Literatur wird auch die tägliche morgendliche Selbstmassage als wertvolle Unterstützung für Jugendlichkeit und Gesundheit sehr hoch gehalten. In indischen Ayurveda-Familien wird diese seit Generationen praktiziert, um das Körpergewebe zu nähren und es von Giftstoffen zu befreien. Als Basisöl eignet sich warmes Sesamöl für Vata-Konstitutionen und Kokosöl für Pittas. Menschen mit überwiegendem Kapha sollten auf Garshan-Handschuhe (spezielle ayurvedische Massagehandschuhe) zurückgreifen. Statt der Handschuhe kann man auch raue Socken verwenden, die man über die Hände stülpt. 10 Minuten lang wird der gesamte Körper von Kopf bis Fuß massiert und über Arme und Beine ausgestrichen. Wenn man die Selbstmassage gut beherrscht, wird sie jeden Morgen zu einer Wohltat. Während der Massage kann man gleichzeitig das Ölziehen machen. Einige Ayurveda-Quellen empfehlen sogar, anschließend im eingeölten Zustand Yoga zu üben. Der Körper ist dann um einiges flexibler, und das Öl zieht noch weiter ein. Im Nachhinein gründlich abreiben und normal duschen, ohne Seife. Die gesamte Ölprozedur ist sicher anfangs eine etwas aufwändige Angelegenheit. Mit ein bisschen Übung wird die ayurvedische Morgenroutine jedoch zu einer Bereichung für jeden Tag.

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Meditation, Psychohygiene und Berufung

Neben der körperlichen Reinigung nehmen die morgendlichen geistigen Übungen einen wichtigen Stellenwert im Ayurveda ein. Zwischen 4.00 und 6.00 Uhr herrschen optimale Bedingungen zur Meditation. Die Atmosphäre ist aufgrund von Vata von einer subtilen Leichtigkeit erfüllt, mit der die geistige Öffnung sehr viel leichter fällt als am späten Morgen wie z.B. nach 8.00 Uhr. Die Zeit vor Sonnenaufgang ist somit die wertvollste Zeit des Tages, in der wir durch individuelle Meditationspraxis zu höheren Bewusstseinsebenen gelangen können und somit den gesamten Tag auf wundervolle Weise segnen. Mit unserem regelmäßigen morgendlichen Bewusstwerdungsprozess können wir uns innerlich auf die Aufgaben, die uns der Tag gibt, einstimmen. Laut Ayurveda und Yoga hat jeder Mensch auch eine größere Lebensaufgabe, nach der wir unseren Alltag ausrichten sollten. Diese Lebensaufgabe hängt immer zusammen mit dem Dienst am Wohlergehen der Menschheit und aller Wesen. Damit einher geht spirituelles Wachstum und die Erkenntnis des unsterblichen Selbst in allem, was das höchste Ziel im Leben darstellt. Wir können uns also jeden Morgen besinnen und uns zum Kanal für die göttliche Führung machen. Dies ist ein wahrhaftiges Gebet. Das tägliche Leben wird auf diese Weise für uns arbeiten, uns mit der nötigen Gesundheit umsorgen und unser Leben mit Glück erfüllen.

Tätigkeiten clever planen

Zu Kapha-Zeit am Vormittag bis 10.00 Uhr gelingen Tätigkeiten am besten, die viel Geduld bedürfen. Der Geist ist eher ruhig als offen. Gespräche fallen in der Regel konstruktiv aus mit einer gesunden Portion Gleichmut. Zur Pitta-Zeit zwischen 10.00 und 14.00 Uhr ist man gut beraten, wenn man mal jemand richtig seine Meinung sagen möchte. Gerade als Pitta-Typ sollte man jedoch zu der Zeit auf sein Temperament achtgeben. Das Feuer könnte andere verletzen. Organisatorisches sowie Planarbeiten fallen zur Pitta-Zeit besonders leicht. Achte darauf, dass du Dir nicht zuviel auflädst, sonst droht dir des Feuers Schärfe und Anspannung. Von 14.00 bis 18.00 Uhr ist der Geist eher kreativ. Gute Ideen lässt man sich am leichtesten in dieser Vata-dominierten Phase einfallen. Trinke zu dieser Zeit genug, damit das Vata dich nicht austrocknet. Wenn du merkst du machst dir zu viel Sorgen, mache einen ruhigen Spaziergang im Grünen. Tägliche Bewegung an der frischen Luft ist für jede Konstitution sehr ratsam.

Optimale Gestaltung der Mahlzeiten

Das Frühstück ist die erste Mahlzeit am Tag und sollte Körper und Geist nähren ohne zu schwer im Magen zu liegen. Die beste Frühstückszeit ist laut Ayurveda zwischen 7.00 und 9.00 Uhr. Getreide und Süßes stellen eine optimale Frühstückskombination dar. Ein warmer Getreidebrei mit gegartem Obst für Vata, für Pitta bissfestes, leicht getoastetes Brot, gesüßt mit Agavendicksaft, Ahornsirup oder Marmelade (nur aus Fruchtsüße). Menschen mit physisch überwiegendem Kapha sollten entweder gar kein Frühstück essen oder leichte Reiswaffeln mit Honig zu sich nehmen. Chutney, in Fett und Gewürzen gegartes Obst, ist alternativ besonders für Vata und Kapha geeignet, rohes süßes Obst für Pitta. Ungünstige Nahrungsmittelkombinationen sollen gemieden werden. Dazu zählt Getreide zusammen mit rohem Obst. Dagegen passt Getreide immer mit Süße (außer Rohobst) und Gemüse. Eiweißhaltiges passt nur mit Gemüse, Frischsalat oder Saurem.

Zwischen 10.00 und 14.00 Uhr ist das Pitta am stärksten in der Atmosphäre vertreten. Das Feuerelement lässt unseren Stoffwechsel nun für die Hauptmahlzeit anheizen. Eiweißhaltiges wie Hülsenfrüchte oder Samen können nun sehr gut verdaut werden - optimal zusammen mit einer Portion Rohsalat (je mehr Vata-Temperament man hat, umso weniger roh) und frisch gegartem Gemüse entsprechend seiner eigenen Konstitution gewürzt. Für den Hunger zwischendurch eignet sich Chutney für Vata und Kapha oder frisches Obst für ein hitziges Pitta. Das Abendessen kann wiederum etwas Getreidiges zusammen mit Gemüse sein. Rohkost ist abends laut Ayurvceda nicht mehr angesagt, da dieses über Nacht im Bauch nachgären könnte. Scharfes, Salziges sowie Saures ist ebenfalls zu meiden, da sie den Schlaf unruhig machen und nächtlichen Heißhunger provozieren können. Stattdessen darf das Abendbrot eine kleine sattwige Süßigkeit enthalten. Es sollte spätestens um 19.00 Uhr abgeschlossen sein.

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Guten Abend und gute Nacht!

Die Nacht wird durch ein mildes Abendessen günstig vorbereitet. Es empfiehlt sich, mindestens zwei Stunden vor Zubettgehen nichts mehr zu essen. Somit kann die Nahrung noch gut verdaut werden, und wir haben genug Energie für einen erholsamen Schlaf. Je später wir ins Bett gehen, umso ungünstiger beeinflusst Pitta unseren Schlaf. Ab 22.00 Uhr können sich durch das ansteigende Feuer noch einmal Hunger melden oder sonstige Gelüste oder Anspannungen. Spätestens ab 22.30 Uhr sollten sich Körper und Geist im tieferen Ruhezustand befinden, damit sich das Verdauungsfeuer ins Körpergewebe zurückziehen kann und dort für die essentielle Zellregenerierung und -reinigung sorgt. Zu spätes Aufbleiben und nächtliche Essorgien stören diesen Vorgang und führen längerfristig zur Verschlackung und Energielosigkeit. Rechtzeitiges Zubettgehen erleichtert das Einschlafen, optimiert die Regenerierung, und das Aufwachen erweist sich als Erfahrung des sich „vollständig Erholtfühlens“. Ein beruhigender Kräutertee, ein besänftigendes Bad oder eine Fußmassage mit Sesamöl sind ayurvedische Rezepte für einen guten Schlaf. Entspannungsmusik und beruhigende Düfte wie Sandelholz, Jasmin oder Lavendel bewirken ebenfalls eine gute Erdung. Eine kleine abendliche Meditation rundet den Tag noch einmal ganzheitlich ab.

Der letzte geistige Akt ist das innere Weckerstellen. Vorsichtshalber kann man sich natürlich noch einen physischen Wecker stellen, der sollte jedoch angenehm klingen und nicht schrill klingeln. Unter Beachtung des Gesamten wacht man aber ohnehin von selbst frühzeitig auf - erholt und inspiriert für den neuen Tag.