Goraksha Shataka - Version 2

 

Vers 75: Bindu und Rajas

 

Durch das Inbewegungsetzen der (Schlangen-)Kraft in Verbindung mit dem Atem wird das Menstrualblut angetrieben und vereinigt sich mit dem männlichen Samen. Dann wird der Körper (des Yogi) göttlich.


    वायुना शक्तिचारेण प्रेरितं तु महारजः |
    बिन्दुनैति सहैकत्वं भवेद्दिव्यं वपुस्तदा || ७५ ||


    vāyunā śakti-cāreṇa preritaṃ tu mahā-rajaḥ |
    bindunaiti sahaikatvaṃ bhaved divyaṃ vapus tadā || 75 ||

    vayuna shakti-charena preritam tu maha-rajah |
    bindunaiti sahaikatvam bhaved divyam vapus tada || 75 ||


Wort-für-Wort-Übersetzung

    vāyunā : in Verbindung mit dem Atem ("Wind", Vayu)
    śakti-cāreṇa : durch das Inbewegungsetzen (Chara) der (Schlangen-)Kraft (Shakti, d.h. Kundalini)
    preritam : angetrieben (Prerita)
    tu : aber, wiederum (Tu)
    mahā-rajaḥ : das Menstrualblut ("große Monatsregel", Maharajas)
    bindunā : dem männlichen Samen ("Tropfen", Bindu)
    eti : gelangt ("geht", i)
    saha : mit (Saha)
    ekatvam : zur Einheit (Ekatva)
    bhavet : wird (bhū)
    divyam : himmlich, göttlich (Divya)
    vapuḥ : der Körper (Vapus)
    tadā : dann (Tada)

Anmerkungen: Dieser Vers wird mit einigen Lesarten in der Yogachudamani Upanishad (Vers 63) überliefert (diese liest śakti-cāleṇa statt śakti-cāreṇa). Hier wird auf die Praxis von Shakti Chalana verwiesen, bei der die Kundalini erweckt und entlang der Sushumna nach oben bewegt wird (vgl. Hatha Yoga Pradipika 3.104 ff. und Gheranda Samhita 3.52 ff.).

Der vorliegende Vers erscheint mit einigen Varianten auch im Anandakanda (1.20.100), einem medizinisch-alchemistischen Werk aus dem 13. Jahrhundert, wo er im Kontext von Khechari Mudra steht (vgl. auch die Anm. zu Vers 70):

    marutā śakti-cāreṇa rajaś cordhvaṃ praṇīyate |
    aikyaṃ tad bindunā yāti tadā divyaṃ vapur bhavet || 20.100 ||

"Durch das Inbewegungsetzen der (Schlangen-)Kraft in Verbindung mit dem Atem (Marut) wird das Menstrualblut (Rajas) aufwärts gelenkt und vereinigt sich mit dem männlichen Samen (Bindu). Dann wird der Körper (des Yogi) göttlich." (ĀK 1.20.100)