Goraksha Shataka

 

Vers 89: Upadhi und Tattva

 

Somit wurden diese beiden, das begrenzende Attribut und ebenso das Selbst, gelehrt. Das begrenzende Attribut wird Varna ("Farbe") genannt, und das Selbst wird als Tattva ("Sosein") bezeichnet.


    उपाधिश्च तथा तत्त्वं द्वयमेवमुदाहृतम् |
    उपाधिः प्रोच्यते वर्णस्तत्त्वमात्माभिधीयते || ८९ ||


    upādhiś ca tathā tattvaṃ dvayam evam udāhṛtam |
    upādhiḥ procyate varṇas tattvam ātmābhidhīyate || 89 ||

    upadhish cha tatha tattvam dvayam evam udahritam |
    upadhih prochyate varnas tattvam atmabhidhiyate || 89 ||


Wort-für-Wort-Übersetzung

    upādhiḥ : das begrenzende Attribut (Upadhi)
    ca : und (Cha)
    tathā : ebenso (Tatha)
    tattvam : das Selbst ("Sosein", Tattva)
    dvayam : diese beiden ("Zweiheit", Dvaya)
    evam : so, in dieser Weise (Evam)
    udāhṛtam : werden gelehrt ("genannt", Udahrita)
    upādhiḥ : das begrenzende Attribut
    procyate : wird genannt (pra + vac)
    varṇaḥ : Varna ("Farbe")
    tattvam : (als) Tattva ("Sosein, Wirklichkeit")
    ātmā : das Selbst (Atman)
    abhidhīyate : wird bezeichnet (abhi + dhā)

Anmerkung: Für das Selbst (Atman) wird hier das Synonym Tattva und für das begrenzende Attribut (Upadhi) das Synonym Varna gebraucht, wodurch die Bedeutung dieser beiden aus der Philosophie des Advaita Vedanta stammenden Begriffe noch deutlicher wird: Das Selbst ist die eigentliche, allem zugrunde liegende "Wirklichkeit", das "Sosein" (tattva) aller Dinge. Alles andere sind sogenannte begrenzende Attribute (Upadhi), die die unmittelbare Wahrnehmung dieser Realität trüben bzw. "einfärben", weshalb sie hier als "Farbe" (varṇa) bezeichnet werden. Vgl. auch die Definition von Saguna und Nirguna Dhyana in Vers 77.