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Yoga Artikel | Artikel von Swami Krishnananda  | Bücher von Swami Krishnanda  | Das Yoga-System

       

 

Das Yoga-System

von Swami Krishnananda

 

Das Yoga System

Swami Krishnananda

Swami Krishnananda

Herausgegeben von:

THE DIVINE LIFE SOCIETY-

Zweigstelle Hannover -Germany Zweite deutsche Ausgabe:

2002 Neu übersetzung für das InternetVortragsreihe von Swami Krishnananda Neu übersetzt und ergänzt von:Shri Divya Jyoti Der vorliegende Text steht kostenlos zum einmaligen Download zur Verfügung Hans-J. Schröer c/o THE DIVINE LIFE SOCIETY- Zweigstelle Hannover -Kopenhagener Str. 40D-30457 Hannover© THE DIVINE LIFE Trust SOCIETYP.O. Shivanandanagar 249192 Dist. Tehri-Garhwal, U.P.Himalayas, INDIA

Swami Krishnananda

Swami Sivananda schreibt an seine Schüler:

8. Mai 1945

Liebe Yogafreunde,

Meditation ist der einzige Weg, um Unsterblichkeit und ewige Glückseligkeit zu erreichen. Meditation zerstört alle Ursachen der Sorgen, Not und Pein.

Regelmäßiges Meditieren beruhigt den Geist und öffnet die Wege des intuitiven Denkens. Ohne die Meditation könnt ihr nicht das Wissen des Unvergänglichen erreichen. Meditiert darum regelmäßig und erreicht Selbstverwirklichung.

gez. Swami Sivananda

Swami Krishnananda

Ahimsa

Nicht-verletzen ist ein Zeichen der höchsten Tugend für aufrichtige Güte. Jede andere ethische Regel ist nur Beiwerk für diesen größten König der Moral und eine ethische Grundbedingung. Niemand darf sich in das Leben anderer einmischen. Nur der Schöpfer hat die Freiheit zu zerstören. Die Menschen können nicht einmal ein einzelnes Haar an ihrem Körper erschaffen. Welche Macht darf er dann auf Andere ausüben? Wenn Selbstsucht dämonische Züge annimmt, schneidet sie in die Wurzeln des Gesetzes, nämlich, dass andere Individuen in der gleichen Weise existieren, wie wir selbst. Füge anderen Menschen kein Leid zu, das du selbst nicht erfahren möchtest. Es gibt nur den einen Weg, d.h. Aufrichtigkeit, auf dem uns das Universums gewähren lässt. Die(se) Wahrheit ist nicht so leicht zu verdauen, doch die Welt ist nicht nur für den Menschen allein erschaffen worden. Es existieren weit mehr Dinge, die das menschliche Auge nicht erfassen kann.

                                                                  gez. Swami Krishnananda

Die Weisheit eines Yogi

Sei in der Yogaübung, bei der Meditation aufrichtig zu dir selbst, um in kleinen Schritten voranzukommen und schließlich einen Funken des Absoluten Seins zu erfahren.

Vorwort des Herausgebers

Der vorliegende Text beinhaltet die Lehrreden von Swami Krishnananda, die vor vielen Jahren über wesentliche Inhalte des Yogasystems, wie es von Patanjali begründet wurde. Diese Lehrreden waren an jene Schüler gerichtet, die besondere Erklärung zu diesem Thema gewünscht hatten. Swami Krishnananda hat sich bei seinen Ausführungen genau nach den Wünschen seiner Schüler gerichtet.

Dem Abschnitt über Pratyahara sollte besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden, und die Yogaschüler tun gut daran, ihn immer und immer wieder zu studieren.

20. Februar 1981                                        The Divine Life Society

Anmerkung des Übersetzers

Auf vielfachem Wunsch wurde dieses Buch, was vor vielen Jahren bereits ins Deutsche übersetzt wurde, neu übertragen und bearbeitet. Einige Kapital werden durch neuere Ausführungen von Swami Krishnananda und anderen zuergänzt. Allein das Erarbeiten dieser neuen deutschen Fassung wurde für den Übersetzer zu einer Sadhana. Möge der vorliegende Text allen Suchenden auf dem Wege hin zum großen Ziel, dem Absoluten Sein, behilflich sein.

8. März 2002                                              Divya Jyoti


Inhaltsverzeichnis:

Psychologische Voraussetzungen für das Yogasystem

Zu Beginn ist es notwendig, bestimmte falsche Vorstellungen in Bezug auf Yoga zu klären; dies gilt insbesondere für den Westen. Yoga hat weder etwas mit Magie noch mit körperlichen oder mentalen Meisterleistungen zu tun. Yoga basiert auf Philosophie und Tiefenpsychologie. Es handelt sich um einen Ausbildungsprozess, bei dem der menschliche Geist immer natürlicher wird und gleichzeitig von unnatürlichen Lebensbedingungen entwöhnt wird. Yoga hat einen besonderen Bezug zur Psychologie, und, wie bei einem Studium des „Selbst“, geht es über die allgemeine und abnormale Psychologie hinaus und führt zu übernormalen Ebenen des Lebens. Im Yoga studieren wir uns selbst, wohingegen wir in den Schulen und Universitäten darauf hingewiesen werden, uns mit den Objekten zu befassen. Nicht das Studium der Dinge, sondern ein Studium der wirklichen Struktur des Schülers wird durch das Yoga-System gefordert, denn das Bekannte ist nicht vom Wissenden trennbar. Wie lernen wir Dinge überhaupt kennen? Durch einen mysteriösen Prozess lernen wir die Welt kennen, und das Leben ist eine Aktivität in diesem Wis­sen. Ein Studium des Geistes ist ein Studium seiner Beziehungen zu den Dingen. Die Anweisung „Erkenne dich selbst“ deutet darauf hin, dass, wenn wir uns selbst kennen, auch alle Dinge kennen, die mit uns verbunden sind, d.h., wir kennen das Universum. In diesem Studium schreiten wir, ohne Hast und ohne die Gefühle anzuregen, vom Niederen zum Höheren immer weiter fort.Die Welt ist das Erste, was wir bewusst erfahren. In unserem Geist finden Prozesse statt, durch die wir die existierende Welt kennen lernen. Wir haben bestimmte Gefühle, Wahrnehmungen und Erkenntnisse, die unter die Kategorie der direkten Wahrnehmung oder das unmittelbare Erkennen (Prat­yaksha) fallen, wobei die Welt zur Aufnahme von Beziehungen erkannt, bewertet und beurteilt wird. Diese Beziehungen bestimmen unser gesellschaftliches Leben.Eine Anregung der Sinne wird durch Schwingungen verursacht, die von den äußeren Objekten ausgehen. Dieses geschieht in zweifacher Weise: 1. Durch die tatsächliche Gegenwart der Objekte und 2. durch die Lichtstrahlen, Klänge usw., die von den Objekten ausgehen und die Netzhaut der Augen bzw. das Trommelfell der Ohren oder andere Sinnesorgane berühren. Wir haben fünf Sinne zur Wissensaufnahme, durch die wir alle Informationen bzgl. der Welt empfangen. Wenn diese Sinne nicht arbeiten würden, hätten wir überhaupt keine Kenntnis von der Welt. Darum leben wir in einer Sinnenwelt. Wenn die Sinne durch Schwingungen von außen angesprochen werden, werden wir aktiv. Die Aktivität der Sinne regt den Geist durch das Nervensystem an, das die Sinne über die Lebensenergie mit dem Geist verbindet. Wir können die Kanäle der Nerven mit elektrischen Drähten vergleichen, durch die die Lebensenergie (Prana) fließt. Prana ist eine innere Schwingung, die die Sinne mit dem Geist verbindet. Darum aktivieren die Gefühle den Geist und vermitteln das Gefühl, dass draußen etwas ist. Dieses kann als unbestimmte Wahrnehmung angesehen werden, wo der Geist eine ereignislose Wahrnehmung von einem Objekt hat. Wenn die Wahrnehmung klarer wird, wird sie eindeutig. Diese mentale Wahrnehmung wird als Erkenntnis bezeichnet.Jenseits des Geistes befindet sich der Intellekt. Er entscheidet, ob etwas gut oder schlecht, nötig oder unnötig oder von dieser oder jener Art ist. Er entscheidet über den Wert eines Objektes, ob dieses Urteil positiv oder negativ, moralisch, ästhetisch oder religiös ist. Man beurteilt die eigene Situation in Bezug auf das Objekt. Einige Psychologen halten daran fest, dass der Geist ein Instrument in den Händen des Intellekts ist. Manas ist dafür das Wort im Sanskrit, was sich auf Karana oder das Instrument bezieht, wohingegen Buddhi im Sanskrit der Begriff für Intellekt ist, der der Handelnde oder der Karta ist. Der Intellekt beurteilt, was durch den Geist erkannt wurde und entscheidet dann je nach Art der Handlung, die bezogen auf das Objekt und die Begleitumstände eingeleitet werden muss. Der Intellekt ist mit Ahamkara oder dem Ego verbunden. Aham bedeutet ‚ich‘, und kara ist das, was offenbart, enthüllt oder bestätigt. In uns ist etwas, das uns bestätigt: ‚Ich bin‘. Diese Bestätigung ist das Ego. Das Ego bedarf logischerweise keiner Beweise, denn wir beweisen nicht unsere eigene Existenz. Dieses ist eine innere Bestätigung, die keines Beweises bedarf, denn alle Logik geht von ihr aus. Das Ego ist vom individuellen Intellekt untrennbar, so wie Feuer von Hitze nicht trennbar ist. Der Intellekt und das Ego sind untrennbar, und der menschliche Intellekt ist das ausführende ‚Organ‘ des Egos. Die Arbeitsweise des Egos ist vielfältig, und dieses formt das Subjekt der Psychologie.Die psychologischen Instrumente arbeiten in Bezug auf die Objekte auf verschiedenerlei Weise. Das Ego, der Intellekt und der Geist sind zusammen für das Funktionieren von Anmaßung, Verständnis und die Gedanken über die Objekte verantwortlich. Es gibt noch ein viertes Element, Chitta genannt, das nicht direkt aus dem Sanskrit übersetzbar ist. Der Begriff ‚Unterbewusstsein‘ wird als sein Äquivalent angenommen. Das Unterbewusstsein ist die Basis für den bewussten Geist und beinhaltet das Gedächtnis. Doch in der Yogapsychologie beinhaltet Chitta auch den Teil, den man in der ‚Psychoanalyse‘ als das Unterbewusstsein ansieht. All diese Funktionen zusammengenommen machen die Psyche oder Antahkarana als das interne Instrument aus. Dieses interne ‚Organ‘ arbeitet auf verschiedene Art und Weise, und Yoga ist an ein sorgfältiges Studium interessiert, denn die Yogamethoden befassen sich letztendlich mit allen psychischen Funktionen. Wie funktioniert nun dieses innere Organ? Die Psyche erzeugt fünf Reaktionen in Bezug auf die äußere Welt, einige davon sind positiv andere wiederum negativ. Dieses sind die Themen der allgemeinen Psychologie.Antahkarana kann bezüglich des normalen Lebens in fünf Funktionen untergliedert werden. Diese Funktionen werden als Pramana, Vipar­yaya, Vikalpe, Nidra und Smriti bezeichnet. Pramana oder rechtes Wissen ist das Bewusstsein über die Dinge, wie sie sind. Dieses ist das Hauptthema für die Studien im Bereich der Logik. Die Wahrnehmung, die Schlussfolgerung und die verbale Aussage sind die drei Hauptbestandteile des rechten Wissens. Einige fügen den Vergleich, die Anmaßung und die Nichtverhaftung solchem Wissen hinzu. Woher wissen wir, dass sich vor uns ein Objekt befindet? Wir beziehen dieses Wissen direkt durch die Berührung der Sinne mit dem Objekt. Dieses ist Wahrnehmung. Und wenn wir aufgewühltes schmutziges Wasser im Fluss sehen, dann nehmen wir an, dass es in den Bergen geregnet hat. Dieses Wissen entstammt unserer Schlussfolgerung. Die Worte anderer, denen wir auch vertrauen, klingen für uns wie Wahrheiten, wenn wir beispielsweise der Aussage eines Freundes Glauben schenken, dass sich in der nächsten Stadt ein Elefant befindet, obwohl wir den Elefant nicht mit eigenen Augen gesehen haben. All diese Methoden zusammengenommen bilden den Begriff Pramana oder den direkten Beweis des abhängigen Wissens. Viparyaya bedeutet falsche Wahrnehmung oder fehlerhafte Einschätzung der Dinge, so, als würden wir im Zwielicht ein langes Seil als normale Schlange ansehen, oder als würden wir einen im Wasser untergetauchten geraden Stock als krumm ansehen, wobei der falsche Eindruck durch die Lichtbrechung an der Wasseroberfläche entsteht. Wenn wir etwas wahrnehmen, was nicht mit den Tatsachen übereinstimmt, ist das Gefühl dafür verantwortlich. Vikalpa bedeutet Zweifel. Wenn wir uns nicht sicher sind, ob etwas, was wir beispielsweise sehen, ein Mensch oder ein Pfahl ist, oder ob sich etwas bewegt oder nicht, dann ist die Wahrnehmung nicht klar, oder wenn wir gedanklich zweifeln, dann sagt man, man befände sich in VikalpaNidra bedeutet Schlaf, was man als eine negative Voraussetzung oder als ein Zurückziehen des Geistes von allen Aktivitäten betrachten kann. Der Schlaf ist dennoch eine psychologische Situation, denn, obwohl man unter dieser Bedingung nicht mit den Objekten der Welt positiv verbunden ist, so offenbaren sich doch latente Eindrücke und mögliche objektbezogene Gedanken. Nidra ist der Schlaf der Antahkarana.   Smriti bedeutet Gedächtnis, die Erinnerung an vergangene Ereignisse und die Erhaltung der Erfahrungen, die durchgemacht wurden. Alle Funktionen der internen Organe können dem einen oder anderen Prozess zugeordnet werden, und das Subjekt der allgemeinen Psychologie ist ein Zusammenwirken des menschlichen Denkens, Verstehens, Wollens oder Fühlens. Es bedeutet jedoch nicht, dass wir nur fünf Gedankenformen unterliegen, sondern die Vielzahl der Gedankenformen des Geistes können diesen fünf Gruppen zugeordnet werden. Das Yogasystem setzt bei seinen Studien diese inneren menschlichen Strukturen in Beziehung zum Universum.

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Das Ziel von objektbezogenen Analysen

So wie die Gedanken auf fünf interne Funktionen reduziert werden können, können alle Objekte auf die fünf Bhutas oder Elemente reduziert werden. Die fünf Hauptelemente sind als die Pancha-Maha-bhutas bekannt, nämlich, (1) Äther (Akasa), (2) Luft (Vayu), (3) Feuer (Agni), (4) Wasser (Apas) und (5) Erde (Prithivi). Die Elementstoffe werden von der Erde bis zum Äther (5 bis 1) immer feiner und umgekehrt in der Abfolge (1 bis 5) immer gröber. Das vorhergehende Element ist die Ursache für das Nachfolgende, sodass Äther als das Element bezeichnet werden kann, das alle nachfolgenden Elemente unsichtbar beinhaltet. Alle Elemente zusammengenommen machen den Inhalt des gesamten physischen Kosmos aus. Dieses sind die wirklichen Objekte der Sinne, und die sichtbaren Objektunterschiede ergeben sich aus den zuvor erwähnten Elementen.

Unsere Gefühle sind die fünf Objekttypen. Wir fühlen durch die Indriyas oder Sinnesorgane. Mit dem Gehörsinn kommen wir mit dem Äther in Berührung und hören den Klang, der ein Widerhall ist, der wiederum durch den Äther erzeugt wird. Die Berührung geschieht durch die Luft, was durch den Tastsinn gefühlt wird. Mit den Augen kommen wir mit dem Licht in Berührung, das zum Feuerelement gehört. Mit der Zunge schmecken wir Dinge, die dem Wasser zuzuordnen sind. Mit der Nase riechen wir Objekte, was der Erde zuzuschreiben ist.

Es existiert ein weites Universum, und wir nehmen es durch unsere Sinne wahr. Wir leben in einer Welt der fünffältigen Objekte. Die Sinne sind nicht in der Lage, mehr als diese Elemente zu erkennen. Die inneren Organe gehen, so wie sie durch die Sinne über die Objekte informiert und beeinflusst wurden, auf bestimmte Art und Weise in diesem Leben damit um. Während unsere psychologischen Reaktionen unser Leben ausmachen, so wird die Ordnung im Zusammenleben mit Anderen durch die Gesellschaft bestimmt. Yoga befasst sich in erster Linie mit dem persönlichen Leben in Bezug auf das Universum und nicht mit dem gesellschaftlichen Umfeld. Die eigene Persönlichkeit wird nur selten offenbar. Yoga ist im Wesentlichen ein Studium des Selbst durch das eigene Selbst, was anfangs sehr selbstbezogen, wie ein Prozess einer Selbsterforschung (Atma-Vi­chara) und wie Selbstverwirklichung (Atma-Sakshatkara) ausschaut. Doch dieses ist nicht die ganze Wahrheit. Diese Selbstbetrachtung ist ein bewusstes und schrittweises Integrieren der Wirklichkeit, und es umfasst alle Erfahrungen und das ganze Universum in seinem Sein.

Während die Psychologie des Yoga die Funktionsweisen der internen Organe und dessen Körper, die fünf großen Objekte (Mahabhutas), beleuchtet, geht die Yogaphilosophie über beide Stufen des Studiums hinaus. Die Yogaphilosophie hält daran fest, dass Körper nicht alles und selbst die fünf Elemente nicht alles sind. Wir können nicht das Innere des Körpers erkennen und wir können auch nicht sehen, was sich innerhalb des Universums der jeweiligen fünf Elemente befindet. Um diese größeren Geheimnisse zu erfahren, wären andere Sinne erforderlich. Yoga führt uns zu diesem Punkt. Wenn wir tief in den Körper hineingehen, treffen wir auf dessen Wurzeln; so geschieht es auch bei den äußeren Objekten. Wenn wir uns auf dieses Abenteuer einlassen, laufen wir langsam auf ein einziges Zentrum zu, so wie sich die beiden Seiten eines Triangels an einem Punkt treffen. Die so genannte weite Basis der Welt, auf der wir uns bewegen, schließt nicht die Wahrheit von uns selbst oder von den Objekten aus. Bei diesem Punkt der Annäherung von uns selbst und von den Dingen, brauchen wir nicht auf die Objekte zu schauen, denn bei dieser Erfahrung existieren weder Selbst‘ noch Dinge. Es existiert nur eine Wirklichkeit, wenn das universale Objekt und das universale Subjekt eine Einheit bilden. Wo das Wissen des ganzen Kosmos unmittelbar und nicht durch die Sinne, den Geist oder Intellekt offenbart wird, handelt es sich weder um die Erfahrung eines Subjektes noch eines Objektes, denn dort existieren keine Objekte, sondern es gibt nur ein Sein, nämlich das Bewusstsein. Darum ist Yoga spirituell, überkörperlich oder übermateriell, denn die Materie verliert sich, wenn man sie erreicht, und das Bewusstsein übernimmt die Herrschaft. Das höchste Objekt des Yoga ist dort, wo das Individuelle und das Universum nicht länger als zwei Einheiten nebeneinander existieren, sondern sich brüderlich umarmen. Der Sinn des Yogaweges der Analyse ist das Überwinden der Grenzen beider Seiten, nämlich der subjektiven wie der objektiven, und eine Vereinigung mit dem tiefsten Kosmos.

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Die spirituelle Wirklichkeit

Und was ist dieser tiefste Punkt? – Der physische Körper, der sich aus den fünf Elementen zusammensetzt, und der sich als Teil der physischen Welt außerhalb befindet, sollte wie die anderen Dinge der Welt betrachtet werden. Dieser materielle Körper, der aus diesen fünf Elementen besteht, ist ein Träger (Fahrzeug) für bestimmte Kräfte, die von innen her wirken. Unsere Handlungen sind Ausdruck der Bewegung dieser Kräfte. Innerhalb des Körpers steckt eine Energie, die sich von den Elementen unterscheidet. Diese Energie wird Prana oder Lebensenergie genannt. Prana hat viele Gesichter, die für das Funktionieren des Körpers verantwortlich sind. Die Organe der Handlung, nämlich die Sprache (Vak), die Hände (Pani), die Füße (Pada), die Genitalien (Upastha) und der Anus (Payu) werden durch die Kraft der Prana bewegt. Doch Prana ist eine blinde Energie, die richtig gelenkt werden muss. Wir wissen, dass wir nicht nur eine Sache z.Zt. erledigen, sondern mit Methode und Intelligenz vorgehen. Hinter der Prana befindet sich ein steuerndes Prinzip. Bevor wir handeln, denken wir. Der Geist befindet sich darum innerhalb von Prana. Doch die Gedanken wiederum werden durch etwas Anderes gelenkt. Wir denken systematisch und folgen bei jeder Form der Kontemplation und Handlung einem logischen Weg. Diese logische Vorgehensweise bei allen unseren Lebensfunktionen wird durch den Intellekt bestimmt, der das höchste Gut des Menschen ist, und der vom Ego des Menschen untrennbar ist.All diese Funktionen des psychologischen Apparates sind jedoch auf den Wachzustand beschränkt. Der Mensch scheint von diesem Zustand in andere Zustände zu wechseln, als da sind: Traum- und Schlafzustand. Obwohl wir eine Form des Bewusstseins im Traum kennen, so sind wir im Tiefschlaf allen Bewusstseins beraubt. Wir wissen jedoch, dass wir auch im Schlaf existieren. Dieses bedeutet, dass wir auch ohne jegliche Aktivität, selbst ohne zu denken, existieren können. Die Situation des Tiefschlafs ist ein Paradox für die Psychologie und ein Rätsel für die Yogaanalyse. Es ist befremdend, dass wir uns im Tiefschlaf nicht selbst bewusst sind, und wir wissen doch, dass wir existieren. Der Tiefschlaf ist eine reine und einfache Erfahrung für das Bewusstsein allein, ungeachtet dessen, dass wir uns auf Grund einer sonderbaren Schwie­rigkeit, in die wir scheinbar eingebunden sind, dieser Situation nicht bewusst sind. Im Tiefschlaf existiert ein Bewusstsein, das sich nicht mit Objekten befasst, und doch bleiben wir befähigt, Äußeres wahrzunehmen. Gleichzeitig herrscht sogar, obwohl es eine Wahrnehmungsfähigkeit für Objekte gibt, ein Unbewusstsein über die eigene Existenz vor. Die Schlussfolgerung daraus ist, dass der tiefste Punkt im Individuum das Bewusstsein ist, das als Atman, Purusha usw. bezeichnet wird. Dies ist das wirkliche Selbst. Was ist nun der tiefste Punkt des Kosmos? Wir haben gelernt, dass es fünf Elemente gibt. Doch dieses ist nicht das ganze Bild der Schöpfung. Es existieren Tatsachen innerhalb des körperlichen Universums, genauso wie sie im individuellen Körper zu finden sind. Genauso wie Prana, Geist, Intellekt, Ego und letztendlich Bewusstsein in der körperlichen Struktur vorhanden sind, so gibt es auch außerordentliche Wahrheiten im physischen Universum. Innerhalb der fünf Grobelemente existieren fünf Kräfte, die diese Elemente offenbaren. Diese Krä­f­te sind die universalen Ursachen aller körperlichen Dinge, die als Tanmatras bezeichnet werden, und die das Wesen der Objekte zum Ausdruck bringen. Hinter dem Äther, der Luft, dem Feuer, dem Wasser und der Erde stecken derartige Kräfte. Sabda oder der Klang ist die Kraft für den Äther. Doch dieser Klang unterscheidet sich von dem was wir hören. Er ist das feine Prinzip hinter dem gesamten Äther, auf Grund dessen, die Ohren erst in die Lage versetzt werden zu hören. Dieser Klang wird Tanmatra genannt. In ähnlicher Weise gibt es Tanmatras für die Luft, das Feuer, das Wasser und die Erde, die für die Berührung als Sparsa, für die Form als Rupa, für das Schmecken als Rasa und für den Geruch als Gandha bezeichnet werden. Diese Kräfte sind feine Energien, die ständig in den Elementen enthalten sind, die wiederum das physische Universum ausmachen.Die moderne Wissenschaft scheint die Gegenwart dieser Wesenhaftigkeit im Hintergrund der Körper zu bestätigen. In früherer Zeit war man der Ansicht, dass die Welt nur aus Molekülen oder chemischen Substanzen bestünde. Weitere Untersuchungen offenbarten, dass die Moleküle nicht das letzte Wort sind, und dass die Welt eigentlich aus Atomen besteht. Weiterführende Untersuchungen haben darüber hinaus bewiesen, dass selbst die Atome aus bestimmten Substanzen gebildet werden, die einerseits den Charakter einer wellenförmigen Energie haben und andererseits energiegeladene Teilchen sind. Sie fließen wellenförmig und springen wie Teilchen. Ein großer Physiker zog es darum vor, sie als „Wellenteilchen“ zu bezeichnen. Sie wurden als Elektronen, Protonen, Neutronen usw., entsprechend ihrer Struktur und Funktion, bezeichnet. Ihre Wesenhaftigkeit ist die physische Stärke. Im Universum existiert nichts weiter als diese physische Stärke. Es gibt überall nur eine andauernde Energie. Die Tanmatras des Yogasystems sind jedoch viel feiner als die entdeckten „Energien“ der Wissenschaft, genauso wie Prana feiner als Elektrizität ist. So wie sich hinter Prana der Geist befindet, so steckt hinter den Tanmatras der kosmische Geist. Jenseits des kosmischen Geistes ist das kosmische Ego und der kosmische Intellekt, der Letztere hat einen besonderen Namen, nämlich Mahat. Jenseits von Mahat befindet sich etwas, was man Prakriti nennt, in dem das ganze Universum, wie ein Baum in einem Saatkorn oder wie die Auswirkung seiner Ursache, existiert. Über der Prakriti befindet sich das absolute Bewusstsein, Brahman, Paramatman usw. genannt. Ob wir nun hier oder dort, in uns selbst oder in den Kosmos eintauchen, wir finden überall dasselbe, nämlich Bewusstsein. Und die Stufen der Offenbarungen im Individuum entsprechen jenen im Universum. Der Zweck des Yoga liegt darin, eine Einheit zwischen dem Individuum und den kosmischen Strukturen herzustellen und die absolute Wahrheit zu verwirklichen. Yoga breitet vor uns das Ziel der Einheit aus, worin das Unendlich und die Ewigkeit zusammenzukommen scheinen. Das Ziel des Yoga liegt darin, das Individuum auf die kosmische Ebene zu heben, und die falschen Differenzierungen zwischen dem Individuum und dem Kosmos auszulöschen. Der Kosmos schließt die Dinge und uns selbst mit ein. Das Individuum ist ein Teil des Kosmos. Warum bemühen wir uns, beides getrennt voneinander zu betrachten? Dieses ist ein Fehler, den Yoga folgerichtig korrigiert. Den Kosmos als ein äußeres Objekt zu betrachten, würde der wahren Bedeutung des Kosmos widersprechen. Uns selbst als Subjekte und den Kosmos als Objekt zu sehen, hieße das Verständnis über den Kosmos ins Lächerliche zu ziehen und sich in Seine Harmonie und Arbeit einzumischen. Yoga korrigiert diesen Fehler und dadurch wird das Sterbliche zum Unsterblichen. Da das Individuum ein Teil des Kosmos ist, sollte das Ziel nicht schwer zu erreichen sein. Das Individuum ist nicht vom Kosmos getrennt, doch das Individuum ist verwirrt, was durch die künstliche Isolation von uns selbst in Bezug auf den Rest des Universums hervorgerufen wird. Diese Verwirrung wird Ajnana oder Avidya genannt, d.h. eine Abwesenheit oder Ablehnung des wahren Wissens. Hier betreten wir das Gebiet der Tiefenpsychologie.Yoga-Vidya Homepage - Inhalt - vorheriges Kapital - nächstes Kapitel

Tiefenpsychologie

Avidya ist ein Zustand, wo man die Wirklichkeit vergisst und sich der Unwissenheit seiner Existenz nicht bewusst ist. Wir haben irgendwie die wahre Natur von uns selbst vergessen, d.h. die Universalität unseres wahren Seins. Dieses ist der Hauptgrund für unsere Unwissenheit. Doch hat dies weitaus ernsthaftere Konsequenzen. Denn es ist auch ein Fehler des Nichtewigen (Anitya) gegenüber dem Ewigen (Nitya), des Unreinen (Asuchi) gegenüber dem Reinen (Suchi), des Schmerzes (Duhkha) gegenüber dem Vergnügen (Sukha) und dem Nichtselbst (Anatman) gegenüber dem Selbst (Atman). Es ist offensichtlich, dass die Welt mit seinen Inhalten vergänglich ist, und doch wird sie wie ein wahres Ganzes umarmt. Selbst die so genannte Festigkeit oder Substanz der Dinge wird heutzutage durch die Entdeckungen der modernen Wissenschaft in Frage gestellt. Die Relativitätstheorie hat der stabilen Materie oder den Körpern ein Ende gesetzt, und selbst die scheinbar stabilen physischen Gesetze oder Regeln bedürfen der Überarbeitung. Doch die Welt wird als Wirklichkeit geliebt. Dieses ist Bestandteil von Avidya. Auf diese Weise werden die unreinen Körper als reine Substanzen geliebt, obwohl sie stinken, wenn sie ihrer Lebendigkeit beraubt oder im täglichen Leben unbeachtet sind. Der Juckreiz der Nerven wird als ein Anreiz zum Vergnügen gesehen, und diesem Verlangen nachzukommen, dass man sich als Befriedigung vorstellt, scheint das Ziel aller Sinnenkontakte im Leben zu sein, welcher Art sie auch immer sein mögen. Durch jedes Nachgeben steigern sich die Wünsche (Purinama), - nach jeder Wunscherfüllung entstehen ungewollte Ängste (Tapa), - aus jeder Sinnesbefriedung nehmen wir unerwünschte psychische Eindrücke (Samslara-duhkha) mit, - die normale Aktivität der relativen Dinge (Sattva, Rajas und Tamas genannt), die sich wie ein Rad drehen, das nie zur Ruhe kommt (Guna-vritti-nirodha), wird blockiert, was darauf hindeutet, dass weltliches Vergnügen für den Unwissenden Schmerzen bereitet. Selbst die Objekte werden wie Eigentum geliebt, obwohl sie nicht unser Eigentum sind. All dies macht den Charakter von Avidya oder Ajnana aus, auf Grund dessen die Wirklichkeit in eine vollkommen verzerrte Form gebracht wird, in der ein Universum von Raum, Zeit und Objekten erscheint.Ein anderes Ergebnis, das unmittelbar Avidya folgt, ist (Asmita) der Sinn des Seins. Dieser Sinn ist ein Bewusstsein über die eigene Individualität, die eigene Persönlichkeit und des Egos (Ahamkara) oder der Selbstbehauptung. Das Vergessen der Universalität endet in einer Behauptung der eigenen Individualität. Die falsche Vorstellung, dass das Individuum organisch von dem Universum getrennt ist, erzeugt als Konsequenz einen Drang nach Selbstbehauptung (Asmita), ein Gefühl von Mögen und Nichtmögen (Ruga-Dvesha) und ein Verlangen, den eigenen Körper unter allen Umständen zu schützen und zu leben (Abhinivesa), wobei all diese Verhaltensweisen eine schrittweise logische Abfolge von Avidya darstellen. Das universale Sein ist uns unbekannt. Wir kennen nur das Besondere und das Individuelle. Wir lieben oder hassen Objekte. Wir hängen am Leben und fürchten den Tod. Der erste Fehler liegt in dem Glauben: „Ich bin nicht das Universale“. Der zweite Fehler liegt in der Bestätigung: „Ich bin etwas Besonderes.“ Der dritte Fehler liegt darin, bestimmte Dinge zu lieben und andere zu hassen. Das vierte Problem liegt darin, durch Selbstschutz, nach einem unsterblichen Individuum und nach Fortpflanzung zu streben. Der Irrtum, das Universale zu vergessen, hat zur Selbstbehauptung geführt, die Liebe und Hass oder Mögen und Nichtmögen hervorgerufen hat, was wiederum das Wunschdenken und die Todesangst erzeugt. Dieses ist unser gegenwärtiger Zustand. Wir müssen jetzt von diesem vernebelten Denken erwachen und zum universalen Denken zurückkehren. Die Einheit vom Individuellen und vom Universalen ist Yoga. Yoga-Vidya Homepage - Inhalt - vorheriges Kapital - nächstes Kapitel

Moralische Selbstbeschränkungen (Yamas)

Wenn Pramana, Viparyaya, Vikalpa, Nidra und Smriti in der Psychologie als die schmerzfreien Funktionen von Antahkarana bezeichnet werden, so handelt es sich bei Avidya, Asmita, Raga, Dvesha und Abhinivesa um die schmerzhaften, denn diese verursachen bei allen Individuen den Seelenschmerz und bilden den Inhalt der unnormalen Psychologie.Die schmerzhaften Funktionen verursachen nicht nur bei uns selbst, sondern auch bei anderen Menschen Seelenschmerz, denn wir haben die Neigung, unsere Schmerzen auf andere zu übertragen. Eine persönliche Angelegenheit wird zu einem gesellschaftlichen Problem, und der persönliche Egoismus führt zu Recht­haberei in der Gesellschaft. Die eigenen Zu- und Abneigungen können andere Menschen in der Gesellschaft beeinflussen. Die Yogapsychologie bezieht diesen Umstand in ihre Betrachtung mit ein. Bevor wir irgendeine Methode zur Befreiung des Geistes von seinen schmerzhaften Funktionen näher betrachten, muss er zunächst von der Gesellschaft befreit und von seiner Orientierung nach außen zurückgebracht werden. Der Geist muss, wie ein Dieb, der zuerst eingesperrt wird, und dann ordentlich behandelt wird, von seiner Verfilzung mit der äußeren Welt weggebracht und dann sorgfältig analysiert werden. Das gesellschaftliche Leiden hat seine Ursache in der gegenseitigen psychologischen Beeinflussung von Individuen, die durch den Umgang miteinander ausgelöst wird. Gesellschaftliche Spannungen werden durch das Aufeinandertreffen individueller psychologischer Verwicklungen erzeugt. Dieses ist der Grund für das Leiden der Menschen in der Welt. Niemand ist darauf vorbereitet, sein Ego zu opfern, doch jeder möchte, dass der Andere sein Ego opfert. Yoga hat ein Rezept gegen das Leiden der Menschen im Allgemeinen und für diese psychische Krankheit der Menschheit. Es bittet uns, den Geist zur Quelle seiner Aktivitäten zurückzubringen, und wenn alle Menschen dies täten, würde dies, wie eine Medizin, gegen die gesellschaftliche Krankheit wirken. Auf diese Weise befasst sich Yoga in erster Linie mit dem Individuum. Es bietet eine Lösung für alle gesellschaftlichen Spannungen und Fragen. Yoga allein kann Frieden in der Welt stiften, denn es taucht tief in den Menschen ein. Yoga hat darum nicht nur eine Bedeutung für die persönliche Befreiung, sondern auch für die gesellschaftliche Solidarität.Der Geist wird zu seinen Anfängen zurückgeführt. Unglücklicherweise wissen wir solange nicht, wo sich der Geist befindet, wie er noch untätig ist, wie ein Dieb, den man erst bei seinen Aktivitäten wahrnimmt. Die äußeren Probleme sind die Offenbarungen der inneren fünffachen Komplexität. Die Unwissenheit ist die erste Ursache dieser Komplexität. Doch handelt es sich um einen negativen Grund. Die Menschen hören nicht auf, diesen Umstand hinzunehmen. Er möchte seine Unwissenheit zur Schau stellen, und hier liegt die Wurzel allen Übels. Der Egoismus (die Selbstbehauptung) ist die Erste zur Schaustellung. Wenn der Mensch jemanden seinem Ego unterwerfen will, der sich ihm widersetzt, stoßen die Interessen aneinander, und dies bringt Unglück über die Familien, die Gesellschaft und in der Welt. Yoga analysiert die Situation. Avidya, die sich selbst als Ahamkara (Egoismus) behauptet, und die mit anderen zusammenstößt, ruft Himsa oder ein Verletzen hervor. Da Himsa ein Übel ist, das der Gesellschaft verschiedene Kümmernisse bereitet, so wird Ahimsa oder das Nichtverletzen zur Tugend. Ahimsa ist ähnlich der christlichen Ethik, die uns lehrt, dem Übel standzuhalten. Wenn sich nur ein Ego zurückziehen würde, dann würden sich die Reibereien in der Gesellschaft entsprechend vermindern. Himsa ist aus Asmita, Raga und Dvesha hervorgegangen, und doch ist Ahimsa eine moralische Grundregel. Ahimsa oder die Praxis des Nichtverletzens ist nicht nur eine Regel des Umgangs, sondern bezieht sich auch auf das Denken und Fühlen. Man sollte nicht einmal daran denken, jemanden irgendwelchen Schaden zufügen zu wollen. Sich auf Übles zu konzentrieren, ist genauso schlimm, wie eine üble Handlung zu begehen. Die Kontemplation ist nicht nur eine Vorbereitung für das Handeln, sondern die Saat für die späteren Aktionen. ‚Möge immer Freundschaft anstatt Feindschaft vorherrschen, Liebe an Stelle von Hass‘, dieses ist das Motto im Yoga. Durch Liebe ziehen wir Dinge an, und durch Hass stoßen wir sie ab. Die Liebe zieht die Liebe an, und der Hass zieht Hass an. Diese große Regel der Yogaethik dehnt sich vom Nichtverletzen bis hin zur positiven selbst­losen Liebe gegenüber Allem aus, mit unparteiischer Sicht und Liebe, ohne zu klammern (Raga) oder zu hassen (Dvesha). Ahimsa wurde als die Königin aller Tugenden angesehen, und jede andere moralische Grund­regel wird an dieser absoluten Charakternorm und Führung gemessen.Das Ego versucht seine Zu- und Abneigungen auf verschiedene Art und Weise zu entwickeln. Die eine Methode ist die Flucht in die Falschheit, um Widerständen zu entgehen. Die Unterstellung von Falschheit in der Gesellschaft wird als Laster angesehen. Satya oder Aufrichtigkeit ist die Tugend, die dem entgegen steht. Aufrichtigkeit mindert bis zu einem gewissen Grad den Egoismus. Unehrlich zu sein, ist eine Behauptung des Egos, um zum eigenen Vorteil in der Welt voranzukommen, obwohl dies zu Lasten anderer Menschen gehen kann. Aufrichtigkeit bildet den direkten Gegenpol. Yoga legt ganz besonderen Wert auf Ehrlichkeit im Leben. Manchmal kommen wir durch bestimmte Umstände in schwierige Situationen. Manchmal kann Aufrichtigkeit zu einem Dilemma führen, und man wird dazu verleitet, unehrlich zu sein. Die Schriften haben zu dieser Frage viele Antworten. Aufrichtigkeit, die verletzt, ist genauso wie Unwahrheit. Bevor wir tugendhaft handeln, müssen wir die Konsequenzen in unsere Betrachtungen und Handlungen mit einbeziehen. Doch sind wir dann der Unwahrheit ausgeliefert? In der Mahabharata finden wir dazu ein ungewöhnliches Beispiel. Arjuna und Karna standen sich in einer Schlacht von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Krishna erwähnte gegenüber Arjuna, dass Yudhishthira an diesem Tag über seinen Zweikampf und dessen Ausmaß mit Karna sehr bekümmert wäre, denn er musste schwer verletzt in seine Unterkunft zurückkehren. Krishna und Arjuna gingen zu Yudhishthira und begrüßten ihn. Yudhishthira war sichtlich erfreut Arjuna zu sehen, denn er glaubte, er käme, um ihm zu sagen, dass er (Arjuna) Karna in der Schlacht getötet hätte. Er brachte seine Freude über die gute Tat zum Ausdruck, doch als Arjuna ihm offenbarte, dass Karna noch nicht getötet worden sei, und dass sie nur gekommen seien, um ihn zu sehen, erzählte Yudhishthira Arjuna kurz, dass Arjuna seinen Gandiva-Bogen besser hätte jemand anderen geben sollen. Daraufhin zog Arjuna sein Schwert. Krishna hielt ihn zurück und fragte ihn, was denn los sei. Arjuna offenbarte ihm ein Gelübde, wonach jemand, der seinen Bogen beleidigen würde, getötet werden müsse. Krishna war über die Unbedarftheit von Arjuna erstaunt und sagte ihm, dass beleidigende Wor­te gegenüber Älteren, wie ein Todesstoß wären, und Arjuna täte gut daran, Yudhishthira nicht noch mehr für seine respektlosen Bedingungen zu missbrauchen, denn damit würde er sich eine ruchlose Sünde aufladen. Dementsprechend beschimpfte (beleidigte) Arjuna Yu­dhish­thira mit harschen Worten. Daraufhin zog Arjuna nun wieder sein Schwert, und Krishna fragte ihn nach dem Grund. Arjuna sagte, er würde sich selbst töten, denn er hätte noch ein anderes Gelübde, wonach er, bei einer Beleidigung gegenüber älteren Menschen, sich selbst töten müsse. Krishna lächelte über das Verhalten Arjunas und meinte, sich selbst zu loben, bedeutet genauso viel, wie sich selbst umzubringen, und darum solle er lieber nach einem Ausweg suchen, als sich für einen Selbstmord zu entscheiden. Daraufhin lobte sich Arjuna mit großspurigen Worten selbst. Man kann sich sehr gut die Konsequenzen für Yudhish­thira vorstellen, der durch das Versprechen Arjunas ans Messer geliefert wurde. Moral ist keine starre mathematische Formel. Es gibt keinen Standard, den man auf bestimmte Situationen anwenden kann. Selbst wirkliche Experten auf diesem Gebiet, wie Bhishma, hatten keine passenden Antwort auf das Dilemma, das von Draupadi dargelegt wurde. Was wäre gewonnen, wenn man entsprechend Satya an dem Gelübde fest gehalten hätte, indem man auf Grund einer Vereinbarung, den eigenen Bruder getötet hätte oder umgekehrt, oder entsprechend Ahimsa, Selbstmord begangen worden hätte? Die Schriften halten daran fest, dass Wahrhaftigkeit, nicht ein Verletzen zur Folge haben darf. Manu sagt in seiner Smriti, dass man die Wahrheit sprechen muss, aber sanft, und man sollte Wahrheiten weder mit dem ‚Holzhammer‘ überbringen, noch sollte man Unwahres, wenn auch sanft, von sich geben. Die wirkliche Regel besteht jedoch darin, dass Wahrheit, die die Gefühle anderer verletzt, als Unwahrheit angesehen werden muss, obwohl sie oberflächlich betrachtet, wahr ist. Unsere Handlungen und Gedanken sollten eine Beziehung mit dem absoluten Ziel des Lebens haben. Nur dann werden sie zur Wahrheit. Zwischen dem Sinn und dem Ende sollte Harmonie herrschen. ‚Existiert irgendeine direkte oder indirekte Verbindung mit dem Ziel des Universums?‘ Wenn die Antwort positiv beschieden wird, dann kann dies als ein Schritt betrachtet werden, der mit der Wahrheit konform ist. Brahmacharya oder Enthaltsamkeit ist genauso schwer zu verstehen wie Satya oder Ahimsa. In allen Fällen der moralischen Beurteilung sind ein gesunder Menschenverstand und eine verständnisvolle Sichtweise erforderlich. Viele Yogaschüler glauben, Brahmacharya bedeute Ehelosigkeit. Obwohl dies als eine der Definitionen angesehen werden kann, so bedeutet dies nicht viel, denn Yogamoral hat in seiner reinsten Form eine tiefere Bedeutung. Yoga betrachtet Brahmacharya aus allen Blickwinkeln, und nicht nur aus Richtung der Soziologie. Sie verlangt eine Reinigung aller Sinne. Übermäßiges Schlafen und Essen sind Verstöße im Brahmacharya. Brahmacharya wird nicht nur durch das Eheleben gebrochen, sondern durch ein Übermaß (Luxus) in allen Dingen, - auch bei Unverheirateten, die gefräßig sind, zu viel reden und, über allem, über Sinnesobjekte brüten. Während einerseits Energien konserviert werden, so können sie andererseits unkontrolliert abfließen. Übermäßiges Schlafen ist ein Trick des Geistes, wenn wir uns weigern, ihn zufrieden zu stellen. Gefräßigkeit und zu viel Gerede sind ein Ergebnis der Übermacht untrainierter Energien. Die Kontemplation von Sinnesobjekten kann sich fortsetzen, auch wenn man weit von den Objekten entfernt ist. Brahmacharya bedeutet die Kräfte für die Meditation zu konservieren. Die Frage lautet: „Fühlst du dich durch das Konservieren von Energien stark?“ Brahmacharya wird über die inneren Kräfte geprüft. Die Tugend ist nicht dazu geeignet, um nach außen zu treten, sondern um Kräfte für einen höheren Zweck zu konservieren. Unnütze Aktivitäten der Sinne vergeuden Energien. Die Chhandogya Upanishad sagt, dass in der Reinheit der Aufnahme der Dinge, die Reinheit des Seins liegt. Im Sehen, Hören, Schmecken, Riechen und Berühren sollten wir uns nur mit reinen Dingen beschäftigen. Jede einzelne unkontrollierte Sinneswahrnehmung vernichtet in der Folge die Kontrolle über die anderen Sinne. Wie die Mahabharata es ausdrückt, werden wir zu dem, womit wir uns abgeben, wen wir über längere Zeit dienen und wen wir durch permanentes Denken nacheifern. Brahmacharya bedeutet darum: „Handeln in völliger Selbstkontrolle“. Der Brahmachari ist immer hellwach. Und niemand sollte von sich glauben, er sei immer rein und sicher.Brahmacharya ist in psychologischer Hinsicht wie ein Gelübde der Abstinenz gegenüber allem Nachgeben von Sinnesgewohnheiten und ein striktes Fixieren auf persönliche Reinheit. Dieses erzeugt eine Vereinigung mit den Körperschwingungen, dem Nervensystem und dem Geist. Der Brahmachari erreicht, worauf er schaut, was selbst für ihn, wie ein Wunder erscheint. Brah­ma­charya wird häufig als die Perle der Prinzipien angesehen, die in sich alle anderen Tugenden oder moralischen Werte vereint. Bei seiner Befolgung muss man jedoch Sorgfalt walten lassen, da beim Brahmacharya nicht nur Sinnesgewohnheiten und mentale Träumereien gemieden werden, sondern auch von den nachfolgenden Komplexen ebenso wie von Zufriedenheiten befreit wird, denen man sich in konsequenter Weise, frustriert auf Grund von unerfüllten Wünschen, zugewendet hat.Das Yogasystem kennt zwei weitere Grundregeln, d.h. Asteya oder Nicht-stehlen und Aparigraha oder die Freiheit von Begierden. Diese beiden sozialen Einschränkungen, die dem Menschen neben den Werten der Yogapraxis auferlegt werden, werden zu Gesundungsfaktoren gegenüber den sozialen und politischen Umfeldern im Leben. Die Natur nimmt alle äußeren Zwänge übel, und dieses erklärt das Unglück der Menschheit trotz seiner legalen Gesetzesbücher und Gerichtsbarkeiten. Niemand kann zu dem veranlasst  werden, was er nicht will. Gesetze müssen aus dem eigenen Herzen geboren werden, bevor sie zu Recht oder Regierung führen. In der Yogamoral, wie bei Asteya und Aparigraha, wirken beide gleichzeitig in Richtung auf spirituellen Fortschritt und gegen menschliche Gier und Selbstsucht. Der Yogaschüler wird aufgefordert, einfach zu sein. Einfaches Leben und hohes Denken sind sein Motto. Er sammelt nicht viele Dinge um sich herum an. Dieses ist Aparigraha oder Begierdelosigkeit. Im fortgeschrittenen Stadium wird ein Vollzeit-Sadhaka nicht einmal etwas für den nächsten Tag vorhalten. Es muss nicht erwähnt werden, dass man nicht nach dem Besitz anderer trachten sollte. Man muss dies einfach verstehen, und dieses ist Asteya oder Nichtstehlen. Überflüssiges sollte nicht nur vermieden werden, sondern man sollte auch nicht den Dienst anderer in Anspruch nehmen. Manche, die an mehr fest halten, als notwendig ist, sind Diebe. Dieses sind fundamentale Tugenden in der Yogaethik. Die Lebensführung, die nicht mit dem Universalen konform ist, kann letzten Endes nicht gut sein.Yoga ist in dem absolut Erreichbarem und über seinen Nutzen hinaus eine Suche nach der Wahrheit. Entsprechend müssen die Vorbereitungen für dieses Abenteuer sein. Wir müssen im Angesicht der Wahrheit ehrlich zu uns selbst und nicht nur in den Augen unserer Freunde sein. Diese Öffnung gegenüber dem Absoluten und die Bedeutung, die hinter den Yama-Regeln des Yoga stehen, sind wie ein Kursus zur Selbstdisziplin, die man sich auferlegt, um die moralische Natur der Wahrheit zu erreichen und damit, den Anforderungen der Wahrheit gerecht zu werden. Die Yogamoral hat mehr Tiefgang als die gesellschaftliche Moral oder als die religiöse Moral der meisten Menschen. Unsere Natur muss mit der Wahrheit konform werden. Da die Wahrheit universal ist, sollten Charakterschwächen, die nicht zu dem Wesen der Wahrheit passen, schrittweise verworfen werden. Jegliche Führung, die nicht mit dem Universalen harmoniert, kann nicht wirklich moralisch sein, so wie der Sinn des Yoga es erfordert. Kämpft das Universale mit Anderen? Nein. Das Nichtkämpfen und das Vermeiden von Konflikten oder Ahimsa ist darum eine Tugend. Kennt das Universale irgendwelche Leidenschaften? Wird es den Besitz von irgendjemanden wegnehmen wollen? Verheimlicht es irgendwelche Tatsachen? Die Antwort ist Nein. Darum sind Sinnlichkeit, Diebstahl und Falschheit unmoralisch. Wenn wir uns an den universalen Standard halten, werden wir feststellen, was wahre Moral bedeutet. Halte dich mit deiner Führung an das Universale, und wenn sie in diesem Sinne geeignet erscheint, ist sie moralisch einwandfrei. Das, was das Universale ablehnen würde, steht der Wahrheit entgegen. Ahimsa, Satya, Brahmacharya, Asteya und Aparigraha sind die Yamas zur Befreiung von Unbarmherzigkeit, Falschheit, Sinnlichkeit, Begehrlichkeit und Gier in jeder Art. Sinnenlust und Gier sind die größten Hindernisse in der Yogapraxis. Diese Neigungen machen zornig, wenn sie dem Bemühen entgegenwirken. Darum können diese fünf Grundregeln insgesamt als die moralische Lehre des Yoga betrachtet werden.Die Selbstkontrolle erfordert große Kraftanstrengungen. Wenn man auf die Kontrolle der Sinne beharrt, können sie bestimmte Taktiken entwickeln und sich dem Zugriff entziehen. Man kann fasten, Mauna beobachten und sich in die Einsamkeit flüchten. Doch die Sinne bleiben ungestüm. Jeder hastige Schritt zieht eine Reaktion nach sich. Diesem Aspekt nicht zu verstehen oder gar zu missachten, wäre fatal. Reaktionen können sich auf Grund von langer Abstinenz von normalen Vergnügen einstellen. Dies gilt insbesondere für das Hungern und die Sinnenlust. Es ist nicht ratsam bzgl. der Sinne zu extremen Maßnahmen zu greifen, denn sie können nicht bis in alle Feinheiten unterjocht werden. Nach Jahren eines in Einsamkeit geführten Lebens befanden sich die Menschen auf Grund ihres taktlosen Verhaltens in der Praxis immer noch in demselben Zustand wie zu Anfang. Das heißt nicht, dass man über die Unterdrückung der eigenen Wünsche ständig nachdenken muss, sondern dies geschieht ohne eigenes Wissen. Sorgfalt ist bei der Verfolgung des ‚goldenen bzw. des Mittelweges‘ zu jeder Zeit angebracht. Wie uns die Bhagavadgita warnt: Yoga ist weder für jemanden, der zu viel isst, noch für denjenigen, der gar nichts isst; Yoga ist weder für jemanden, der zu viel schläft, noch für denjenigen, der überhaupt nicht schläft, weder für jemanden, der immer aktiv ist, noch für denjenigen, der überhaupt nicht arbeitet. Die Sinne sollten schrittweise unter Kontrolle gebracht werden, wie beim Zähmen wilder Tiere. Gewähre ihnen ein wenig ihrer Notwendigkeiten, doch nicht zu viel. Am nächsten Tag schränke die Notwendigkeiten noch ein wenig mehr ein. Eines Tages beschränke sie völlig, und dann behandle sie wiederum gut. Letztendlich bändige sie vollkommen und nimm sie zur Meditation auf die Wirklichkeit ins Geschirr. Die Sinne revoltieren und springen nach vielen Jahren der Stille zum Ausgangspunkt zurück. Manchmal verfallen sie in einen Zustand der Stagnation. Man kommt in eine neutrale Situation ohne jeden Fortschritt. Es kann sogar einen Rückfall geben, wie auf einem schlüpfrigen Untergrund. Eine dritte Form vermittelt dem Schüler den Eindruck, dass er in eine bestimmte Richtung aktiv ist, aber auf Grund eines Missverständnisses etwas völlig Anderes macht. Die Sinne führen den Schüler hinters Licht, er wird abgelenkt, und er merkt es erst, wenn es zu spät ist. Eine vierte Taktik liegt im Frontalangriff. Buddha kannte all diese Erfahrungen aus seiner Meditation. Versuchungen, Oppositionen, Stagnationen und Ablenkungen sind die vier Hauptgefahren, mit denen ein Schüler konfrontiert wird. Die Upanishaden nannten es Apramatta, Wachsamkeit, um diesen Zustand der besonderen Aufmerksamkeit zu bezeichnen. Der Yogaschüler beobachtet jeden Schritt, wie ein Seiltänzer. Die eigenen Gedanken bedürfen einer außergewöhnliche Balance. Keine Handlung ohne sorgfältiges Abwägen. Bevor man einen Schritt macht, wird zunächst die Richtung der Bewegung sichergestellt. Die Yamas sind die moralischen Disziplinen (Selbstbeschränkungen). Wenn die moralische Natur des Schülers nicht mit dessen Bemühungen Schritt halten, kann es für ihn im Yoga keinen Fortschritt geben, weil die Moral ein Zeichen der eigenen Natur ist. Wenn wir uns weiterhin konträr zu dem verhalten, wonach wir suchen, werden wir nichts erreichen. Moralisch zu sein bedeutet, eine Verbindung zwischen der eigenen Natur und der absoluten Natur herzustellen, nach der wir im Leben suchen. Yoga ist unser Interview mit dem Absoluten Sein, und hier korrespondiert unsere Natur mit ihrer höchsten Sphäre. Die Moral hat nichts mit geistiger Beschränktheit oder Unfähigkeit zu tun, sondern sie bedeutet Wachsamkeit und vielseitige Annäherung. Es ist keine schleppende Bewegung, sondern ein aktiver Aufstieg. Eine moralische Natur lässt auf ein feines Gedächtnis und auf einen Auftrieb des Spirits schließen.

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Disziplinen (Niyamas)

Neben den Yamas gibt es für jeden Schüler andere persönliche Regeln oder Gelöbnisse, die als Niyamas bekannt sind. Wir sollten uns, wenn irgendmöglich, nicht zugestehen, körperlich oder psychisch krank zu werden, denn Krankheiten sind Hindernisse im Yoga. Saucha oder Reinheit in der inneren oder äußeren Führung ist Niyama. Die folgende Lehre, die durch drei Affen verdeutlicht wird, zeigt es, wobei einer die Augen, ein anderer die Ohren und der dritte Affe den Mund verschließt, d.h. nichts Übles sehen, hören oder sprechen. Man sollte nicht einmal üble Nachrichten übermitteln, denn auf diese Weise wird man zum Überbringer des Übels. Man sollte sich nicht zu Üblem äußern, indem man darüber spricht, darüber nachdenkt oder es anschaut. All dies ist innere Reinheit. Doch äußere Reinheit ist nicht weniger wichtig. Es gibt Leute die glauben, dass Yogis sich nicht reinigen. Es ist auch falsch zu glauben, dass man in fortgeschrittenen Yogastufen weder Kleidung tragen noch regelmäßig baden sollte. Die Situation ist völlig anders, wenn man unter der Bedingung der Meditation, wo man über sein Körperbewusstsein hinausgeht, dem Bad keine Aufmerksamkeit schenkt. Dies ist eine Folge spiritueller Ausdehnung. Als Yogaanfänger nicht zu baden oder nackt herumzulaufen, hieße, den Karren vor das Pferd zu spannen. Die Gesundheit ist ebenso wichtig, wie die Macht der Konzentration, denn eine schwache Gesundheit ist eine Behinderung der mentalen Konzentration. Saucha deutet auch das Vermeiden von Kontakten zu jenen Objekten, die mangelnde Reinheit kommunizieren oder eine ungesunde Ausstrahlung haben. Man sollte unerwünschte Gesellschaft meiden; gute Gesellschaft wahren oder jegliche Gesellschaft meiden.

Ein Yogaschüler ist immer zufrieden und kennt weder Kümmernisse noch Ärger. Yoga schreibt Santosha oder Zufriedenheit unter allen Umständen vor. Viele unserer Krankheiten haben ihre Ursache in einer Unzufriedenheit. Zufriedenheit ist das Ergebnis aus der Akzeptanz der Weisheit Gottes. Wenn Gott weise ist, dann gibt es keinen Grund zur Beunruhigung, denn in Seiner Weisheit bewahrt ER uns in den besten Umständen. In unseren Leben fanden und finden noch viele Veränderungen statt. Wir müssen darauf vorbereitet sein. Die Allwissenheit Gottes lässt kein Bedauern zu. Der Mensch sollte mit dem zufrieden sein, was er hat, obwohl er nicht damit zufrieden ist, was er hat. Ein Gefühl von Ehrlichkeit setzt voraus, dass Zufriedenheit und ein intelligentes Bemühen zusammenwirken.

Ein zufriedenes Leben mit einem Minimum an guter Gesundheit ist Tapas oder Entsagung. Entsagung ist jene Disziplin, bei der man sich innerlich mit den geringsten Möglichkeiten im Leben zufrieden gestellt fühlt. Der ‚goldene Mittelweg‘ bei allem ist Tapas. Im sprachlichen Sinne bedeutet Tapas etwas, was Hitze erzeugt und durch Handlung reinigend wirkt. Es lenkt die Energien oder die Kräfte im Yogi. Die Praxis von Brahmacharya und Yamas regt übernatürliche Kräfte an. Die Yamas bilden intensive Tapas. In weitesten Sinne ist ein moderates Leben Tapas. Die Kontrolle der Sinne ist Tapas. Freundliches Sprechen und das  Nichtverletzen durch die Sprache sind Tapas. Wenig zu essen ist Tapas. Wenig zu schlafen ist Tapas. Wenn man animalisches Verhalten unterbindet, ist dies Tapas. Menschlich zu sein, ist Tapas. Gütig zu sein und Gutes zu tun, ist Tapas. Tapas ist mental, verbal oder körperlich zu betrachten. Ein ruhiger Geist und die Kontrolle der Emotionen ist Tapas. Sanfte aber wahrheitsgemäße Sprach ist verbales Tapas. Selbstloses Dienen ist körperliches Tapas.

Svadhyaya oder das Studium heiliger Schriften ist die vierte Niyama-Regel. Svadhyaya ist grundsätzlich ein diszipliniertes Studium von solchen Schriften, die sich mit dem Weg zur Befreiung der Seele befassen. Diese Niyama-Regel hilft den Schülern eine psychische Verbindung zu ihren Meistern aufrecht zu halten, die diese heiligen Schriften verfasst haben. Wenn jemand beispielsweise die Bhagavadgita liest, dann sammelt er nicht nur höheres Wissen an, sondern er stellt einen inneren Kontakt zu Bhagavan Sri Krishna und Maharshi Vyasa her. Svadhyaya ist das kontinuierliche Studium von Yogaschriften. Dieses Studium ist wie ein negativer Satsanga, wenn das positive Beisammensein mit einem Heiligen nicht möglich ist. Svadhyaya unterstützt das Meditieren, denn der Schüler denkt auf diese Weise in den Begriffen der Schriftgedanken oder an den Autor des Textes. Das Japa (Wiederholen) eines Mantras ist ebenfalls Svadhyaya zuzuordnen. Das Japa und das Studium sind beide der heiligen und göttlichen Vereinigung zuzuordnen. Unter Svadhyaya versteht man jedoch, das wiederholte Studium ausgewählter Bücher über das höhere Leben, und nicht das wahllose Lesen in einer Bibliothek.

Die Letzte der Niyama-Regeln ist Ishvara-pranidhana oder die Hingabe zu Gott. Was auch immer der Kommandeur befiehlt, die Armee folgt. Kein einzelner Soldat der Armee fängt selbst an, Befehle zu geben. Die Sucher der Wahrheit nehmen Ishvara als den absoluten Befehlshaber (Gott). Und wenn sie sich einmal dafür entschieden haben, „dein Wille geschehe“, wird ihr Leben zu einem Muster der Rechtschaffenheit. Die Hingabe zu Gott lässt auf eine göttliche Fügung schließen und die Eigeninitiative des Suchers dahingehend aufgeben, nur an sich selbst zu glauben, wobei er sich den gegebenen Umständen fügt, ohne in Geschehnisse einzugreifen. Im fortgeschrittenen Stadium fügen sich die Schüler in allem und wünschen auch keine Veränderung der Situationen. Sie unternehmen nichts, um die eigene Persönlichkeit in den Vordergrund zu stellen, sondern nehmen alles, wie es kommt. Sie wollen die Bedingungen nicht ändern, sondern alles tolerieren. Sie lassen die Dinge geschehen und wollen nichts verändern. Für sie ist alles Gott. Dieses ist das Wesen der Hingabe im Yoga. Die Yogadisziplin erfordert, dass ein Schüler letztendlich ein Minimum der Yama- und Niyama-Regeln erfüllt. Viele Schüler unterliegen dem Irrtum, diese fundamentalen Yogaregeln zu vernachlässigen, und gehen direkt zu den Asanas und / oder zur Meditation über. Viele Schüler glauben, dass sie die Yama- und Niyama-Regeln verinnerlicht haben, obwohl sie nicht eine Einzige dieser Regeln beherrschen.

Die Meditation ist die siebte Yogastufe. Sie ist wie das Anzünden eines Streichholzes. Wenn das Streichholz trocken ist und richtig angezündet wird, muss eine Flamme sichtbar sein. Doch das Herstellen eines Streichholzes ist ein lange Prozess. Es dauert seine Zeit, obwohl das Anzünden nur die Sache eines Augenblicks ist. Dass die Meditationsbemühungen nicht immer zum gewünschten Erfolg führen, liegt daran, dass man sich nicht immer genügend Zeit für die Vorbereitungen lässt. Die Meditation ist ein Fließen und kein Springen, Ziehen oder Schubsen des Bewusstseins. Ein ruhiger Fluss fließt mühelos in seinem Bett dahin. Genauso fließt die Meditation, wenn die vorhergehenden Stufen sorgfältig ausgeführt wurden. Wenn ein Gebäude fertig gestellt worden ist, sieht man den Grundstein des Gebäudes auch nicht mehr. Die unsichtbaren Kräfte aus den Yamas und Niyamas sind die Grundlage für das Yoga, und niemand sollte glauben, dass er die Regeln wirklich beherrscht. Vorsicht ist im Yoga die Mutter der Porzellankiste.

Die Yamas und Niyamas stehen am Anfang und sie dauern bis zum Ende des Yoga. Genauso wie die Grundschule als Grundlage für den weiteren Bildungsweg wichtig ist, so sind die Yamas und Niyamas das Fundament des Yoga. Der Schüler betritt erst das Feld der Meditation, nachdem er durch die Yamas und Niyamas zu Kräften gekommen ist, die notwendige Kraft und den Mut bekommen hat, um allen Hindernissen zu begegnen. Die Meditation ist nicht schwer zu erreichen, wenn zuvor die notwendigen Vorbereitungen getroffen wurden. Die Yama-Niyama-Prozesse beinhalten die Instruktionen der Yogapsychologie, die uns genügend Hinweise mit auf den Weg geben und zu wachsamen Pilgern für die spirituelle Reise werden lassen. Damit steigen wir eigenhändig auf die erste Stufe im praktischen Yoga, nämlich den Asanas.

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Asana oder Haltung

Die Asanas bilden die dritte Sprosse auf der Leiter des praktischen Yoga. Während die Yamas und Niyamas die Grundlagen zum Yoga bilden, so kann man die Asanas als die Schwelle zum Yoga betrachten. Asana bedeutet wörtlich ‚Sitz‘. Hier ist weder ein Kissen noch eine Sitzunterlage gemeint, sondern hier versteht man darunter die Körperhaltung, die man als Beginn der Praxis ansieht. Sie wird als ‚Sitz‘ bezeichnet, denn es handelt sich um Sitzhaltungen und nicht um Standhaltungen. Obwohl es viele Asanas, wie zum Beispiel ‚Sirsha‘ (Kopfstand) usw. gibt, so existieren nur wenige Haltungen, die sich als Meditationshilfe eignen. Sitzhaltungen sind Asanas, weil Standhaltungen dazu führen, dass man während der Meditation umfällt, und dass man bei Haltungen im Liegen zum Einschlafen neigt. Sitzhaltungen sind darum am Besten dazu geeignet, um sich auf den Geist zu konzentrieren. Dass es noch viele andere Asanas, wie z.B. Sirsha, Sarvanga (Schulterstand) usw. gibt, muss uns nicht davon abhalten, eine Asana zur Meditation auszuwählen. Hatha Yoga beschreibt viele Haltungen zu verschiedensten Zwecken. Die Asanas des Hatha Yoga werden mit bestimmten anderen Praktiken verbunden, die, ergänzend zu Pranayama, als Bandhas, Mudras und Kriyas bekannt sind. Während Asanas Haltungen sind, sind Bandhas Verschließungen von Gliedmaßen, in der Absicht, Prana (Lebensenergie) in bestimmte Kanäle zu lenken und in bestimmten Körperregionen zu konzentrieren. Mudra ist ein Symbol. Dies bedeutet auch Versiegeln (Abschließen) von Gliedmaßen, wobei Prana in eine bestimmte Richtung (z.B. zum Kopf) befördert wird. Es gibt zwei Mudra-Arten, die Prana in eine bestimmte Richtung (zu Gott) aufsteigen lassen, und durch die bestimmte Körperhaltungen oder Gestiken symbolisiert werden, wobei äußere Handlungen mit spirituellen Vorstellungen verbunden werden, wie z.B. beim Falten der Hände zum christlichen Gebet. Kriya ist ein Reinigungsprozess, sodass der Körper für Asanas und Anderes vorbereitet wird. Kriya soll den Körper gesund machen und so weit wie möglich von Trägheit befreien. Im Folgenden die wichtigsten Kriyas im Hatha Yoga: Neti oder die Reinigung der Nasengänge, Bastrika zur Darmreinigung, Dhauti zur Magenreinigung, Nauli zum Durchwalken des Unterleibes, Trataka ist zum Fixieren des Blickes, um die Augen für die Konzentration zu trainieren und Kapalabhati wirkt auf das Gehirn und den Schädel ernüchternd. Der physische Körper ist durch Dumpfheit, Trägheit usw. charakterisiert, was zur Schläfrigkeit führt, bei der es keine Chance zur Meditation gibt. Die Bhandas befreien den Körper von Tamas, machen ihn flexibel, leicht regulierbar und gesund. Dieses sind die allgemeinen Wirkungen durch Asanas, Bandhas und Mudras. All dies sind vorbereitende Übungen, und Hatha Yoga ist eine Vorbereitung auf Raja Yoga. Während man im Hatha Yoga viele Übungen kennt, existieren nur wenige im Raja Yoga, und letztendlich kommen wir zu einer einzigen Asana, die übrig bleibt. Diese Asana wird Dhyana-Asana oder Meditationshaltung genannt.

Wie hilft die Asana in der Meditation? Man muss sich bei dieser Verbindung die Beziehung zwischen dem Individuum und dem Universalen vergegenwärtigen. Es existiert ein organisches Band zwischen dem Individuum und seiner Umgebung, und der Sinn des Yoga liegt darin, diese innewohnende Harmonie ins Bewusstsein zu holen. Dieser Gedanke muss im fortgeschrittenen Stadium einbezogen werden. Wer auch immer man ist, was auch immer man besitzt, sollte zum Universalen in Bezug gesetzt werden. Dieses ist letztendlich Yoga. Wenn die eigene Persönlichkeit mit dem universalen Sein in Beziehung gesetzt wird, so handelt es sich um Yoga. Das Individuum beginnt mit dem Körper, doch es gibt noch viele andere Dinge, die sich im physikalischen Kosmos befinden. Da gibt es Prana, die Sinne, den Geist, den Intellekt usw., die im Körper eingeschlossen sind. All diese inneren Dinge müssen schrittweise mit dem Universalen in Verbindung gebracht werden. Wenn der Körper rebelliert, kann der Geist nicht mit dem Universalen in Einklang gebracht werden. Yoga erfordert eine Vereinigung der ganzen Persönlichkeit mit dem Universalen. Die Asana bildet dabei die Eingangsstufe, wobei die körperliche Struktur mit dem Kosmos vereint wird. Wenn das Individuum in den Begriffen des Egos denkt, was Selbstbehauptung mit einem selbstsüchtigen Verhalten hinsichtlich der Dinge in der Welt bedeutet, entsteht innerlich ein Missklang. Je selbstloser jemand ist, desto mehr lebt er in Übereinstimmung mit der Wirklichkeit, und je selbstsüchtiger jemand ist, desto unharmonischer verläuft sein Leben. Yoga ist ein systematischer Prozess, um auf allen Ebenen mit der Natur eine andauernde Freundschaft herzustellen, d.h. Freundschaft im Körperlichen, in der Lebendigkeit, im Gefühl, im Intellekt und auf der spirituellen Ebene. Alles ist Liebe und Freundschaft. Es gibt keine Gegnerschaften. Dieses ist Yoga. Das Yogasystem ist eine genaue Wissenschaft, die in einem langsamen Prozess der Entfaltung jeden Aspekt des Lebens berücksichtigt. Die körperliche Persönlichkeit ist die niedrigste Offenbarung. 

Eine Asana sollte leicht und fest sein. Sie sollte statisch einwandfrei sein und kein Unbehagen verursachen. Sie sollte durch ihre Festigkeit, Spannung usw. dem Schüler körperlich nicht bewusst werden. Es sollte eine normale Haltung sein, in der er längere Zeit sitzen kann. Im Yoga werden bestimmte Minimalanforderungen bzgl. Asanas beschrieben, obgleich es viele detaillierte Anweisungen gibt, ist damit nur gemeint, dass sie fest und komfortabel sein sollten. Innerhalb der Grenzen der Regeln hat man in der Asana-Ausführung viele Freiheiten. Wo liegen die Grenzen? Die Extremitäten des Körpers sollten geschlossen sein, und Kopf, Nacken und Wirbelsäule sollten aufrecht sein. Bei diesen Extremitäten handelt es sich um die Finger und Zehen. Wenn man sie sichtbar lässt, kann die in der Meditation erzeugte Elektrizität / Energie in den Raum unerwünscht abfließen. Man sollte sich auch nicht auf einen blanken Fußboden setzen, denn die Erde leitet die Energie ab. Ein schlechter Energieleiter sollte als Unterlage auf den Boden gelegt werden. In früheren Tagen hat man Grasmatten verwendet, bekannt als Kusha Asana (Asana-Kissen), über die ein Tierfell bzw. ein Kleidungsstück gebreitet wurde, beide aus einem nicht-leitenden Material. In der Gita steht geschrieben, dass der Sitz weder zu hoch noch zu niedrig sein sollte. Es kann passieren, dass der Schüler herunterfällt, wenn der Sitz zu hoch ist, und wenn der Sitz zu niedrig ist, kann es in Indien passieren, dass sich Insekten oder kleine Reptilien in den Sitz verirren. Die Wirbelsäule sollte aufrecht sein. Sie sollte im rechten Winkel zum Fußboden gehalten werden. Man sollte sich weder irgendwo anlehnen noch vorwärts beugen. Wenn die Wirbelsäule aufrecht gehalten wird, entspannen sich die Nervenbahnen und kein Körperteil beeinflusst irgendeinen anderen Teil. Der Prana-Strom kann sanft durch die Nerven fließen. Wenn der Körper verdreht wird, hat Prana mühe, durch die Gliedmaßen zu fließen. Wenn das ganze System sich in einem Zustand von Entspannung befindet, kann sich die Energie im Körper frei bewegen.

Abgesehen davon, dass die Wirbelsäule aufrecht ist und die Extremitäten verschlossen sind, so können die Beine auf drei oder vier verschiedene Arten verschränkt werden. Es gibt Padma-Asana, Siddha-Asana, Svastika-Asana und Sukha-Asana. Zur Meditation kann eine dieser vier Formen ausgewählt werden. Der Sinn einer festen Haltung liegt darin, dass der Geist auf diese Weise in der Lage ist, langsam seinen Körper zu vergessen. Der Körper möchte irgendwie die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Doch in der Meditation kann der Geist dem Körper keine dauerhafte Aufmerksamkeit schenken. Der Schüler verliert schritt­weise ein Gefühl für seine Gliedmaßen. Er vergisst, dass er sitzt, dass er einen Körper hat, und dass er Glieder besitzt. Das erste Zeichen für eine erfolgreiche Asana-Praxis ist ein Gefühl von Leichtigkeit. Der Körper fühlt sich so leicht an, dass er sich scheinbar vom Boden erheben könnte. Dieses Gefühl steigt auf, wenn die Haltung fest ist. Dieses ist der Test. Zu Anfang hat man ein Gefühl, als würden Ameisen über den Körper krabbeln. Das zeigt, dass der Schüler bereit ist, über das Körperbewusstsein hinauszugehen. Gepaart mit diesem Gefühl, empfindet er eine Art von Zufriedenheit, Glück und Freude, die der Leichtigkeit aus der Körperhaltung entspringt. Wenn man auf diese Weise zwei oder drei Stunden lang sitzt, verliert man jegliches Gefühl für den Körper, auch wenn er von jemandem berührt wird. Die Lebensenergie (Prana) ist so voller Harmonie, dass sie keine Neigungen mehr im Körper erzeugt. Nur eine Disharmonie weckt ein Verlangen nach anderen Dingen. Wenn die höchste Harmonie erreicht ist, gibt es keine nach außen gerichteten Gefühle mehr. Mit verschlossenen Extremitäten; mit übereinander gelegten oder gefalteten Händen; mit einer aufrechten Wirbelsäule; Kopf, Nacken und Wirbelsäule in einer Linie und in einem rechten Winkel zum Boden ist die Asana perfekt.

Die Asana sollte mühelos sein. Im Körper oder im Geist sollte jedwede Anstrengung vermieden werden. Absolute Leichtigkeit oder Entspannung sind ein Zeichen für eine perfekte Asana. Der Schüler sollte in der Asana ein ganz natürliches Empfinden an den Tag legen, bei dem er sich nicht einmal der Atmung bewusst ist. Wenn irgendein Schmerz, eine ruckartige Bewegung oder ein Kneifen verspürt wird, wird die Asana nicht richtig ausgeführt. Patanjali gibt eine Beschreibung, wie man eine Beständigkeit der Haltung beschleunigen kann, nämlich, indem man die ‚Aufmerksamkeit auf das Unendliche‘ richtet. Eine Beständigkeit findet man nirgendwo in der Welt. Man findet überall nur Schwingungen und Dinge, die im Fluss sind. Festigkeit ist unbekannt, da alles in der Welt in Bewegung ist. Es gibt nur eines, das fest ist, nämlich das Unendliche. Alles Endliche ist in Bewegung und verändert sich. Wenn sich der Schüler auf das Unendliche konzentrieren kann, saugt er davon bestimmte Qualitäten auf, zuerst aber eine Festigkeit. Hier richtet sich die Konzentration nicht auf etwas Bestimmtes, sondern auf Alles auf einmal. Obwohl sich niemand das Unendliche vorstellen kann, wie es ist, so kann man einen Gedanken in dem Sinne fassen, der alles einschließt, was einem in den Kopf kommt. Dieses ist die psychologische Unendlichkeit. Diese im Kopf des Schülers konstruierte Unendlichkeit hilft ihm, sich in seiner Asana zu festigen und seine Emotionen zu stabilisieren. Auf diese Weise hilft die Kontemplation auf das Unendliche die Asana zu perfektionieren.

 Wenn der Körper unter Kontrolle ist, holen die so genannten ‚Oppositionspaare‘ zum Gegenschlag aus, d.h. Hitze und Kälte, Hunger und Durst, Kummer und Freude usw. Alles, was Spannungen erzeugt, wird als ‚Oppositionspaare‘ bezeichnet. Diese ‚Oppositionspaare‘ können durch perfekte Asanas überwunden werden. Wenn Prana rastlos wird, werden diese Paare aktiv. Die Rastlosigkeit von Prana verursacht Hunger und Durst. Wenn Prana zur Ruhe kommt, vermindert sich auch das Gefühl für diese ‚Oppositionspaare‘. Prana wird nicht nur durch Pranayama, sondern auch durch Asanas beruhigt. Wenn der Körper ausgeglichen wird, neigt auch Prana zur Harmonie, so wie der Geist zur Ruhe kommt, wenn die Gefühle harmonisiert werden. Ein unruhiges Gefühlsleben erzeugt unharmonische Gedanken. Was die Sinne für den Geist sind, ist der Körper für Prana. Ebenso wie harmonisierte Gefühle harmonische Gedanken hervorrufen, bringt auch ein harmonisierter Körper ein harmonisches Prana hervor. Es existiert immer eine Verbindung zwischen dem Äußeren und dem Inneren.

Wir werden dazu aufgefordert, unser Gesicht in der Meditation in Richtung Osten oder Norden zu wenden, weil aus diesen Richtungen auf Grund des Sonnenaufganges einerseits und der Ausstrahlung des Nordpols andererseits bestimmte Magnetfelder ausgehen. Der ausgewählte Platz sollte frei von störenden Geräuschen sein, frei von Stechmücken und Moskitos und auch frei von Vogelgezwitscher usw. Es sollten angenehme Temperaturen herrschen, d.h. es sollte auf Grund der Veränderungen im Körperbewusstsein nicht zu kalt oder zu heiß sein. Wenn der Schüler mit einem harmonischen Energiefluss in den Nervenbahnen in der Asana sitzt, hat er bereits das Tor zur Meditation betreten. Die Asana hat eine spirituelle Bedeutung. Man klopft dabei an das Tor der Unsterblichkeit. Während man sich bei Yama und Niyama in der Vorbereitung befindet, wird in der Asana das Tor zur Wirklichkeit erreicht, obwohl es noch nicht geöffnet wurde. Die Seele ist bereit, dem Herrn des Universums zu begegnen. Dieses ist der erste Schritt im wirklichen Yoga.

Es heißt, wenn man letztendlich drei Stunden lang in einer Haltung verharrt hat, wurde die Asana gemeistert. Der Körper beherbergt die Nerven, die Nervenbahnen sind die Kanäle der Lebensenergie, die Lebensenergie findet seinen Ausdruck im Geist, und der Geist praktiziert am Ende die Meditation. Es gibt eine Verkettung, sodass im Augenblick einer harmonischen Haltung der Geist eine Mitteilung darüber erhält. Auf diese Weise wird direkt der Stoffwechselprozess, und das Gefühl für Hunger und Durst beeinflusst. Der Drang nach Hunger und Durst sind ein Symptom für die Erregung durch die Lebensenergie. Wenn die Lebensenergie harmonisiert wird, sollte sich die Erregung verringern. Daher reduzieren sich beim Schüler letztendlich Hunger und Durst. Die Zellen des Körpers haben mehr Zeit zum Aufbau als sich durch Energieverbrauch zu verringern, und dies wird durch ein abgeklärtes Gefühlsleben beschleunigt. Selbst die Gefühle können durch Asanas unter Kontrolle gebracht werden, denn während der Übungen wird sanft ein- und ausgeatmet, und auf diese Weise werden die Zellaktivitäten verringert, die Nervenbahnen sind für den rhythmischen Energiefluss geöffnet, und der Rhythmus setzt sich überallhin fort. Yoga ist ein Rhythmus. Dafür bilden die Asanas den Anfang, wo der Schüler beginnt, sich auf den Kosmos einzustellen.

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Pranayama oder das Regulieren (Harmonisieren) der Lebensenergien

Zusammen mit der Asanapraxis, sollte auch ein Bemühen zur Regulierung von Prana einhergehen. Zwischen Körper und Prana existiert eine wechselseitige Beziehung. Prana ist jene Energie, die den gesamten physischen Körper durchdringt und als Bindeglied zwischen Körper und Geist wirkt. Prana ist subtiler als der Körper, jedoch grobstofflicher als der Geist. Prana ist in der Lage zu agieren, aber nicht fähig zu denken. Bei Prana handelt es sich nicht nur um den Atem. Der Atemprozess, d.h. die Ein- bzw. Ausatmung oder das Atemanhalten machen Prana allein nicht aus, sondern sie sind lediglich ein Indiz für das Wirken von Prana. Wir können Prana nicht sehen; sie ist kein physisches Objekt. Aber wir können auf Grund der Atemzüge auf ihre Existenz schließen. Die Ein- und Ausatmung geschieht auf Grund einer besonderen Handlung von Prana. Einige halten daran fest, dass es viele Pranas gibt, andere glauben nur an ein Prana. Prana (die Lebensenergie) ist wirklich nur eine einzelne Energieform, doch sie erscheint vielfältig, wenn sie vom Standpunkt ihrer verschiedenen Funktionen betrachtet wird. Wenn wir ausatmen, ist dies eine ihrer Funktionen. Wenn wir einatmen, wirkt Apana. Die Einatmung ist die Folge von Apana. Das Herz ist das Zentrum von Prana, der Anus ist das Zentrum von Apana.

Es gibt noch eine dritte Funktion, die als Samana bekannt ist, und die eine ausgleichende Kraft darstellt. Ihr Zentrum ist der Nabel. Sie verdaut durch das Feuer, das sie im Körper erzeugt, die Nahrung und sie gleicht auch die verbleibenden Körperfunktionen aus. Die vierte Kraft von Prana ist als Udana bekannt. Sie gibt die Sprache und trennt, zum Zeitpunkt des Todes, Prana vom Körper. Die fünfte Kraft ist als Vyana bekannt. Sie durchdringt den ganzen Körper und sorgt für den Blutkreislauf im gesamten System.

Diese fünffache Funktion ist die Hauptaufgabe von Prana. Sie hat auch noch viele andere Aufgaben, wie z.B. den Augenaufschlag, das Öffnen und Schließen der Augen, zu bewirken, verursacht ein Hunger- und Durstgefühl und ernährt den Körper. Wenn dies geschieht, treten fünf Zweitfunktionen in Aktion, d.h. Naga, Kurma, Krikara, Devodatta und Dhananjaya. Das Wesen von Prana liegt in der aktiven Handlung. Prana lässt das Herz schlagen, die Lungen arbeiten und die Verdauungssäfte produzieren. Deshalb arbeiten die Lungen bis zum Tod. Prana schläft niemals, so wie das Herz niemals aufhört zu schlagen. Prana wird als die Wächterin des Körpers betrachtet.

Prana wird Rajas oder der Ruhelosigkeit zugeordnet. Man kann sie nicht einmal mit großem Aufwand beruhigen. Der Körper, die Natur von Tamas, wird durch die Lebensenergie des Rajas in Bewegung gehalten. Prana veranlasst die Sinne zur Aktivität. Auf Grund ihrer rajasischen Natur lässt sie weder den Körper noch den Geist in Frieden. Solch eine Ablenkung ist sicherlich nicht erwünscht, und Yoga erfordert Stabilität und eine Ausrichtung auf Sattva. Darum muss mit Prana etwas geschehen; sonst wird sie zu einem Hindernis bei der inneren Ruhe. Das Yogasystem schließt eine Technik ein, bei der sie zur Unterstützung der Yogapraxis eingesetzt wird, und diese Technik heißt Pranayama. Wie im Falle der Asanas, findet man auch beim Pranayama vielerlei Methoden. Doch die Yogameditation macht nicht die Praxis vieler Pranayama-Techniken er­for­derlich. Genauso wie es nur eine Dhyana-Asana gibt, so genügt auch eine Pra­nayama-Übung, um die Nadis (Nervenbahnen) zu reinigen und um die Lebensenergien im Yoga zu regulieren. Die Lebensenergien müssen von allem Unrat gereinigt werden, d.h. von Formen des Rajas ebenso wie von allen Formen des Tamas.

Prana fließt durch verschiedene Kanäle des Körpers. Sie ist außerordentlich aktiv. Ihre angeregten Funktionen stören den Geist, sodass er sich auf nichts konzentrieren kann. Rajas und Prana regen auch die Sinne und indirekt die Wünsche an. Jeder Versuch, ihre Aktivitäten zu bremsen, hieße, man würde den Körper töten. Wenn man die Aktivitäten vermindern möchte, muss man sorgfältig vorgehen, indem man sich langsam vorantastet und nicht mit der Tür ins Haus fällt. Wenn wir über eine lange Distanz laufen, Treppen steigen oder ärgerlich werden, verliert Prana ihre Harmonie und bleibt in einem erregten Zustand. Sie verspannt sich und macht den Menschen ruhelos. Darum sollte der Yogaschüler physische Aktivitäten meiden, bei denen er sich verausgabt. Die Sitzhaltung sollte stabil und frei von Emotionen sein, und die Pranayama-Praxis sollte langsam vonstatten gehen. Der Atem sollte sanft sein, sodass kein Laut zu hören ist. Man sollte kein Pranayama üben, wenn man sich innerlich belastet fühlt, denn ein bewegter Geist führt zu unrhythmischer Atembewegung. Wenn man hungrig, müde oder innerlich aufgewühlt ist, sollte man kein Pranayama üben. Wenn man ruhig ist, kann man mit Pranayama beginnen. Nehmt die Sitzhaltung Dhyanasana ein.

In den ersten Stufen des Pranayama sollte man nicht den Atem verhalten, sondern nur aus- und einatmen. Prana muss sich erst einmal mit den neuen Bedingungen abfinden lernen, und doch sollte jeder Versuch des Atemanhaltens vermieden werden. Schnelles Atmen sollte durch langsameres Atmen ersetzt und an Stelle der oberflächlichen Atmung sollte tief ein- und ausgeatmet werden. Ein verärgerter Geist verursacht einen unruhigen Atem. Ärger kann sehr leicht unsere Pranayama-Übungen stören. Man kann seine Büroarbeiten wie immer erledigen, und gleichzeitig einen kühlen Kopf bewahren. Doch ein anderer mag nichts tun und doch hypernervös, verärgert und in seine Sorgen versunken sein. Man sollte sorgfältig darauf achten, dass der Geist für die Praxis zugänglich ist.

 Während der Einatmung sollte der Brustkorb weit ausgedehnt werden. Wenn wir den Brustkorb bei der Einatmung ausdehnen, empfinden wir Freude.  Tägliches tiefes Einatmen fördert die Gesundheit ganz wesentlich. Es sollte zur Pflicht werden, sich täglich zwei Stunden an der frischen Luft aufzuhalten. Pranayama ist eine Methode, die nicht nur die Atmung, sondern auch die Sinne und den Geist harmonisiert. Setzt euch in einen gut temperierten Raum und atmet tief ein und langsam wieder aus. Diese Praxis sollte man einen Monat lang beibehalten. Danach kann mit dem eigentlichen Pranayama begonnen werden. Das technische Atmen wird im Yoga immer als Pranayama bezeichnet. Es geht dabei um zwei Stufen:

Atme langsam und tief aus. Verschließe das rechte Nasenloch mit dem Daumen der rechten Hand. Atme langsam durch das linke Nasenloch ein. Verschließe das linke Nasenloch mit dem Ringfinger, entferne den Daumen vom rechten Nasenloch und atme langsam durch das rechte Nasenloch wieder aus. Dann kehre den Prozess um und atme durch das rechte Nasenlos ein usw. Dieses ist die Zwischenstufe im Pranayama, ohne Atemverhalten und nur mit einer Wechselatmung. Diese Praxis sollte man einen Monat lang beibehalten. Im dritten Monat kann mit dem vollkommenen Pranayama begonnen werden: Atme durch das linke Nasenloch, wie zuvor beschrieben, in der Länge deines Ishta Mantra ein; und atme dann langsam wieder aus. Die Einatmung, das Atemanhalten und die Ausatmung sollte im Verhältnis von 1:4:2 erfolgen, d.h., die Einatmung dauert eine Sekunde, das Atemanhalten vier und die Ausatmung zwei Sekunden. Im Allgemeinen erfolgt das Zählen der Sekunden über ein Mantra, was grob ca. drei Sekunden dauert, ähnlich wie das dreimalige OM-Singen. Man atmet eine Mantra-Länge ein, hält den Atem über vier Mantra-Längen an und atmet in zwei Mantra-Längen wieder aus. Jegliche Hast, um die Zeiten auszudehnen, sollte vermieden werden. Ob man sich während des Atemanhaltens gut fühlt oder nicht, muss man individuell prüfen. Es darf kein Gefühl von Atemnot entstehen. Das was als Regel für die Asanas gilt, gilt auch für Pranayama. Sthira und Sukha, leicht und angenehm, ohne jegliche Anstrengung; dieses gilt gleichermaßen für Asanas und Pranayama in der Praxis. Dieses bedeutet ein langsames und schrittweises Fortschreiten im Prozess.

Die Dauer der Pranayama-Übung hängt vom körperlichen Befinden und den jeweiligen Lebensumständen ab. All die verschiedenen wichtigen Faktoren müssen in die Betrachtung mit einbezogen werden. Die normale Übungsweise im Pranayama ist die zuvor beschriebene, die als Sukhapuraka (leichte Praxis) bekannt ist. Die anderen Pranayama-Formen, wie Bhastrika, Sitali usw., haben nur unterstützende Funktionen, sind für die Yogameditation aber nicht von Bedeutung. Im Hatha Yoga werden bezüglich Pranayama viele Einzelheiten diskutiert. Eine davon ist beispielsweise der dreifache Verschluss (Bandhatraya), der vorzugsweise aus Muladharabandha, Uddiyanabandha und Jalandharabandha besteht. Doch hat dies nichts direkt mit dem Ziel des Yoga zu tun. Pranayama ist nicht das Ziel des Yoga, sondern nur ein Mittel zum Zweck. Letztendlich geht es darum, den Geist zu bändigen, wobei Pranayama usw. der Vorbereitung dient. Wenn man einer großen Persönlichkeit begegnen will, muss man viele Hindernisse überwinden, und viele kleine Ebenen müssen mit Referenzen befriedigt werden. Ähnlich verhält es sich mit den Wächtern des Körpersystems, den Pranas, die man nicht übergehen darf. Man muss ihnen die Referenz erweisen. Wir müssen etwas mit dem Körper und den Pranas machen, indem wir ihrem Status und ihren Funktionen unsere Referenz erweisen. Wir haben unsere sozialen und auch unsere persönlichen Probleme. Das Soziale muss mit den Yamas angegangen werden, und das System muss durch die Niyamas beruhigt werden. Die Lebensenergie (Prana) ist eine rein körperliche Angelegenheit und deren Regulierung ist eine Vorbedingung für höhere Disziplinen. Eine höhere Stufe kann solange nicht angegangen werden, wie die vorgehende Stufe nicht gemeistert wurde. Es gibt keine Sprünge, sondern nur einen schrittweisen Fortschritt über jede einzelne Stufe, obwohl einige Stufen vergleichsweise unbedeutend sein mögen. Durch die zuvor beschriebene Art der Pranayama-Übung wird die Basis für einen Körper-, Geist- und Nervenrhythmus gelegt und ein Rhythmus für die Sinne vorbereitet. Prana läutet wirklich die Glocken, um alles in unserem System zu wecken. Die Kräfte erwachen, wenn Prana aktiviert wird.

In den verschiedenen Yogaschriften werden die Pranayama-Methoden mehr oder minder stark betont. Die Hatha-Yoga-Pradipika, die bedeutendste Hatha-Yoga-Beschreibung, legt mehr Wert auf Pranayama als auf die Asana-Praxis. Unsere körperliche Physis hängt weitgehend von den Lebensenergien ab. Gesunde Pranas sind eine Gewähr für einen gesunden Körper. Wir sollten nichts annehmen, was unser Nervensystem beeinträchtigen könnte. Die Yoga-Praxis verbietet alles Extreme. Die Lebensenergien (Pranas) müssen während des ganzen Jahres, unter allen Witterungsbedingungen und Gemütszuständen im Gleichgewicht gehalten werden. Die Texte mahnen den Yoga-Übenden ausdrücklich zu größter Vorsicht.

Es gibt Sannyasin, die Bücher über Pranayama gelesen haben, und glaubten, sie könnten es dabei bewenden lassen. Entgegen dem Rat älterer Mönchen, fuhren sie in ihrer Praxis fort und konzentrierten sich auf den Punkt zwischen den Augenbrauen, was man ohne geeigneten Lehrer am Anfang nicht machen sollte. Während einer dreitägigen Übung wurde dieser Sannyasin schließlich vermisst. Nach einer Suche nach ihm, fand man ihn in seinem von innen verschlossenen Zimmer. Kein Rufen konnte ihn erwecken. Die Tür musste aufgebrochen werden. Selbst das Rütteln seiner Schultern konnte ihn nicht ins Bewusstsein zurückbringen; möglicherweise waren seine Pranas in einem Zentrum im Inneren eingeschlossen und konnten sich nicht daraus befreien. Sein Guru kam, legte seine Hand auf seine Stirn und wiederholte drei Mal das ‚OM‘. Der Übende kam wieder zu Bewusstsein. Die Leute glaubten er hätte das Samadhi erreicht, doch zu aller Überraschung war er mit all seinen negativen Eigenschaften immer noch derselbe, und es gab keine Anzeichen dafür, dass er mit der Glückseligkeit des Samadhi in Berührung gekommen war. Nach seinem Tode zerfiel und schmolz sein Körper derartig schnell dahin, dass er nicht einmal mehr angehoben, sondern nur noch weggespült werden konnte. Der Schüler hatte keine spirituelle Erleuchtung erreicht, sondern geriet durch falsches Pranayama-Üben in einen Knoten und setzte letzten Endes seine Gesundheit aufs Spiel. Darum gibt es in allen Schriften immer wieder eingehende Warnungen. Die Pranas sollten nicht auf eine bestimmte Körperregion konzentriert werden. Man sollte sich ganz besonders zu Anfang nicht auf einen Punkt oberhalb des Nackens konzentrieren. Konzentrationen in den Kopf hinein lenken die Energien (Prana) zu diesem Punkt und das Blut wird in diesen Bereich gelenkt; und genau dann beginnen die Menschen über Kopfschmerzen, stechenden Schmerz und dergleichen zu klagen. Keine Meditationstechnik sollte halbherzig und ohne eine richtige Einführung in diese Technik begonnen werden. Man sollte auch nicht dem Irrglauben unterliegen, dass man andere Menschen heilen könnte, indem man Prana auf einen anderen Körper überträgt. Anfänger sollten sich in dieser Methode nicht versuchen. Man kann Gott um die Gesundheit oder das Wohlergehen anderer bitten; man sollte aber nicht seine Hand auflegen oder versuchen, Energien auf andere Menschen zu übertragen, sonst wird man selbst zum Verlierer. Was immer man durch Sadhana erworben hat, kann durch solche Praktiken wieder verloren gehen. Aus einem Enthusiasmus heraus kann man leicht die eigenen Tapas wieder vergeuden. Im fortgeschrittenen Stadium, wenn man voller Kraft ist, entsteht solche Gefahr nicht, denn man kann den Ozean nicht leeren, wenn man ein wenig Wasser verschüttet, - dies geschieht nur, wenn die Wasservorräte klein sein. Dies ist der Grund, warum viele Sucher den Menschen nicht gestatten, sich vor ihnen auf den Boden zu werfen und ihre Füße zu berühren. Diese Regel gilt nicht für fortgeschrittene Seelen, doch Sadhakas sollten unbedingt Vorsicht walten lassen. Die Erdanziehungskraft zieht das Prana herunter und sie neigt dazu, den Körper durch die Extremitäten zu verlassen. Man kann beobachten, dass Brahmacharins und manchmal auch Sannyasins Holzsandalen zum Schutz gegen einen Abfluss der Elektrizität tragen. Wenn man die Füße eines Schülers berührt, kann die aufgebaute Energie durch die Berührung auf eine andere Person übertragen werden. Prana kann durch eine Fehlleitung oder Überforderung abfließen. Lass Pranayama sich langsam entwickeln, und lass niemand überhastet voranschreiten.

Pranayama sollte nicht unmittelbar nach den Mahlzeiten praktiziert werden. Es wäre besser vor dem Essen mit leerem Magen zu üben. Während der Ein- bzw. Ausatmung sollte kein Atemgeräusch wahrnehmbar sein. Das Gesicht sollte beim Sitzen in Richtung Norden oder Osten gewandt sein. Es gibt bestimmte Anzeichen, die den Fortschritt im Pranayama verraten. Diese Zeichen sind allerdings nicht schon nach einer kurzen Übungsdauer erkennbar. Ein positives Körpergefühl, neue Energie, ungewöhnliche Stärke und geringere Ermüdungserscheinungen sind ein Indiz für den Fortschritt im Pranayama.

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Pratyahara oder das Zurückziehen der Sinne

Wir befinden uns immer noch an der Oberfläche des Yoga. Asana und Pranayama bilden die Oberfläche des richtigen Yoga. Die internen Zweige sind tiefer im Inneren zu suchen. Bei Pratyahara, dem Zurückziehen der Sinne, beginnt der innere Zirkel. So wie Asanas eine Hilfe für Pranayama sind, so ist Pranayama eine Hilfe für Pratyahara. Asana ist die feste körperliche Haltung; Pranayama ist das innere Regulieren bzw. Harmonisieren der Energien durch eine richtige Manipulation des Atems. Pratyahara ist das Zurückziehen der Sinneskräfte von ihren Objekten. Pratyahara bedeutet ‚Wegnehmen‘ oder ‚Zurückbringen‘. So wie ein Reiter die Bewegungen seines Pferd mit dem Zügel in seinen Händen kontrolliert, so kontrolliert der Yogi seine Sinne durch die Pratyahara-Praxis. Um ein Verstehen von der Bedeutung des Pratyaharas zu bekommen, müssen wir zu unserer ersten Lektion im Yoga zurückkehren. Warum müssen wir überhaupt unsere Sinne unter Kontrolle bringen? Yoga ist die Technik zur Verwirklichung des Universalen. Das Individuum muss mit dem Kosmos in Einklang gebracht werden, und dies ist das wesentliche Ziel im Yoga. Die Sinne sind bei diesem Bemühen ein Hindernis. Während das Individuum sich mit dem Universalen zu vereinen sucht, versuchen die Sinne durch eine Vervielfältigung der Interessen von diesem Vorhaben abzulenken. Die Hauptaktivität der Sinne liegt darin zu beweisen, dass es eine äußere Welt gibt, wohingegen die Yogaanalyse bestätigt, dass in Wahrheit nichts außerhalb des Universalen existiert. Wenn wir versuchen würden, wie das Universale zu denken, dann würden die Sinne versuchen, uns daran zu hindern, und würden uns ein Gefühl von Mannigfaltigkeit vermitteln und uns veranlassen, in einer Vielfältigkeit zu agieren. Aus diesem Grunde haben viele Menschen Probleme in der Meditation. Wenn wir versuchen zu meditieren, verhalten sich die Sinne nicht still. Die Sinne lenken vielmehr die Kräfte im Inneren ab und behindern eine Konzentration des Bewusstsein. Die Sinne ermöglichen eine Energieentladung über verschiedene Kanäle; die Hauptkanäle sind das Sehen, das Hören, das Riechen, das Tasten und das Schmecken. So lange wir uns nur um etwas Bestimmtes kümmern, können wir nicht in universaler Bahn denken. Niemand würde an die Existenz des Universalen denken, denn niemand hat es je gesehen. Die Sinne scheinen daran gebunden, einen Unterschied zwischen dem Seher und dem Gesehenen zu schaffen. In Wirklichkeit existiert dieser Unterschied jedoch nicht. Der scheinbare Unterschied wurde durch die Sinne hervorgerufen. Wir sind durch die Sinne in dieser irrigen Erkenntnis wie hypnotisiert. Obwohl wir allmächtig sind, geben sie uns das Gefühl ohnmächtig zu sein, und wir müssen die Schmerzen der Individualität durchlaufen. Ein Millionär kann im Traum die Schmerzen der Armut erleben. Nach einem üppigen Mahl kann man in der Traumwelt Hunger verspüren. Während wir auf unsere vier Wände eingeschränkt sind, erfahren wir im Traum einen ausgedehnten Raum. Während wir in unserem eigenen Zuhause sind, träumen wir, in ein fernes Land geflogen zu sein. Eine eigene psychologisch erschaffene Welt verursacht die unterschiedlichen Erfahrungen. Wenn der Geist die unterschiedlichen Reiche des Bewusstseins betritt, verändern sich der Ort, die Zeit und die Umstände. Die Sinne erzeugen im Traum die Illusion einer äußeren Welt, die ‚draußen‘ nicht existiert. Dies bedeutet, dass wir Dinge sehen können, obwohl sie nicht vorhanden sind. Es ist für uns nicht notwendig, dass es eine wirkliche Welt draußen zu sehen gibt. Der Traum lässt den Einzelnen als Viele erscheinen. Auf diese Weise kom­men hier zwei Wahrheiten ans Licht: das Eine kann Viele werden; und wir sehen eine Welt, die es nicht gibt.Dies genau geschieht selbst im Wachzustand mit uns, - dasselbe Gesetz, die selben Regeln der Wahrnehmung und dieselben erfahrenden Strukturen. Dass wir eine Welt sehen, heißt nicht, dass sie wirklich existiert, obwohl sie als Wirklichkeit wahrgenommen wird. Nur wenn wir aufwachen erkennen wir, was mit uns im Traum geschieht, doch wir merken es nicht, wenn wir träumen. Die Sinne spielen uns bei den Erfahrungen im Traum und im Wachzustand denselben Streich. Wenn die Sinne aus dem Traum zurückgezogen werden, erwachen wir; wenn die Sinne aus dem Wachzustand zurückgezogen werden, treten wir in die universale Wirklichkeit ein. Aus diesem Grund müssen wir im Yoga Pratyahara erreichen, was der Weg zur Verwirklichung der Universalität ist. Wenn wir die Sinne nicht zurückziehen, wären wir in einer Traumwelt. Wenn wir die Sinne zu ihren Wurzeln zurückbringen, zerplatzt das Luftschloss der Individualität und löst sich im Ozean des Absoluten auf. Wir werden nicht von der Natur der Welt einverleibt, genauso wenig, wie wir das sind, was wir im Traum glauben zu sein. Pratyahara ist wichtig, um den Menschen von dem langen Traum der welt­lichen Wahrnehmungen zu erwecken. Dieses sind feine Wahrheiten, über die man meditieren sollte, bei denen wir selbst durch das Hören dieser Dinge gereinigt werden. Selbst wenn man diese Wahrheiten hört, werden die Sünden getilgt. Dieses ist für die Praxis der Sinneskontrolle notwendig. Solange, wie die Sinne an ihren Objekten verhaftet sind, sind wir in einer Welt. Yoga erhebt sich über die weltlichen Wahrnehmungen hin zum universalen Bewusstsein.Es gibt viele Pratyahara-Methoden. Die Texte behandeln deren Bedeutungen wie große Geheimnisse. Niemand sollte, um zu meditieren, danach forschen, ohne dass er ein reines Herz hat. Man sollte diesen Pfad nicht betreten, solange die Vorbedingungen nicht erfüllt sind. Man sollte seinen Geist nur mit reinem Gewissen in die Meditation führen. Unerfüllte Wünsche sind eine große Gefahr. Den Yogapfad mit heimlichen Wünschen zu betreten, ist wie ein Spiel mit dem Feuer. Sei reinen Herzens, denn das Herz und nicht nur der Kopf muss meditieren. Die Gedanken können nichts erreichen, wenn das Herz irgendwo anders ist und die Gefühle auf ein anderes Ziel gerichtet sind. Pratyahara behandelt die Grenzbereiche des Yoga. Wer sich mit der Pratyahara-Praxis befasst, befindet sich im Grenzland des Unendlichen, und hier erfährt man übernatürliche Wahrnehmungen. Hier wird meistens der Wunsch nach einem Guru laut. Hier wiederum erfährt man das Zittern des Körpers, einen sprunghaften Geist, Müdigkeit und eine Überaktivität der Sinne. Wenn wir Pratyahara erreichen, werden die Sinne wacher. Ein größeres Hungergefühl, Leidenschaft, mehr Irritationen und Übersensibilität sind einige der frühen Folgen dieser Yogapraxis. Um diese Situation besser zu veranschaulichen, hier ein Beispiel: wenn wir unseren Körper mit einem Stock oder Eisenstange berühren, fühlen wir gar nichts. Doch unsere Augen können auf Grund der Feinheit der Struktur der Augäpfel selbst die Berührung eines seidenen Fadens nicht ertragen. Der Geist wird so feinfühlig, dass er für die leiseste Provokation, für die simpelste Auseinandersetzung empfänglich ist. In Pratyahara sind wir in einer Situation, wo wir im direkten Zugriff der Sinne sind, so wie die Polizei in eine direkte Konfrontation mit Verbrechern gerät, die sich in einem Hinterhalt verborgen hielten und jetzt ohne Rücksicht auf das eigene Leben mit der Po­lizei kämpfen. In der tödlichen Auseinandersetzung steigert sich die Kampfkraft blitzartig. Wenn eine Schlange im Todeskampf einen Menschen beißt, gibt es kein Gegengift mehr, denn ihr Gift wird in Rage höchst intensiv. Eine Flamme schießt empor, bevor sie austritt. Das Gleiche geschieht mit den Sinnen, wenn sie in Pratyahara gepackt werden. Sie werden überaktiv, überempfindlich und außerordentlich mächtig. Hier kann der unvorsichtige Schüler einen Reinfall erleben. Was kann man dagegen unternehmen, wenn die Sinne derart aktiv und wild werden? Zu diesem Zeitpunkt, in dieser inneren Aufruhr kann man in der unmittelbaren Umgebung die Gegenwart von Objekten nicht ertragen. Während man ein gesellschaftlich normales Leben führt, scheint nichts mehr besonders zu interessieren. Doch nun in der Pratyahara-Stufe wird man derart empfindlich, dass sich die Sinne jeden Augenblick geschlagen geben können. Es ist so, als würde man auf einer Rasierklinge, die kaum wahrnehmbar ist, marschieren. Eine kleine Unaufmerksamkeit kann böse Folgen nach sich ziehen. Subtil, für die Augen unsichtbar und schwer auszumachen ist der Yogapfad. Die zuvor praktizierten Yamas und Niyamas sind in diesem Zustand sehr hilfreich. Die Disziplin der Yamas und Niyamas, denen man sich hier unterwerfen muss, helfen uns gegen die Attacken der Sinne. Auf Grund der Aufrichtigkeit eines Schülers, wird Gott ihn aus der Situation heraushelfen. Dieses ist der Mahabharata-Krieg der Praxis, wo man gegen die Verbeugung der Sinne gegenüber den Objekten und Freuden ankämpft. Pratyahara sollte Hand in Hand mit Vichara oder einer sorgfältigen Untersuchung aller psychologischen Bedingungen in dem Prozess einhergehen. Die Sinne verkennen sehr leicht die Dinge. Samsara oder die Existenz der Welt ist nichts weiter als ein Gemisch von Fehlbewertungen. Die Sinne sind nicht in der Lage, die Wahrheit zu erkennen; und nicht nur das: sie sehen die Unwahrheit. Sie verwechseln, sagt Patanjali, das Endliche mit dem Unendlichen, das Unreine mit dem Reinen, den Schmerz mit dem Vergnügen und das Nicht-Selbst mit dem Selbst. Dieses sind die schwer wiegenden Fehler, auf die sich der Geist und die Sinne festgelegt haben. In dieser Welt gibt es nichts Dauerhaftes. Alles vergeht, eine Wahrheit, die allen gut bekannt ist. Jeder weiß, dass der nächste Augenblick ungewiss ist, und doch können wir beobachten, wie viel Vertauen die Menschen in die Zukunft setzen, und welche Vorbereitungen sie für ihr Leben in fünfzig Jahren treffen. In dieser Welt kann nichts auf Grund der Endlichkeit des ganzen Kosmos stabil sein, denn der Kosmos ist in dem Evolutionsprozess gefangen. Und doch nehmen die Menschen die Gegebenheiten als etwas Fortdauerndes hin. Die Sinne können nicht richtig erkennen, was vor ihnen stattfindet. Sie verhalten sich wie Menschen, die mit verbundenen Augen nicht sehen können, was vor ihnen ist. Buddha verkündetet die Doktrin, dass alles vergänglich sei, obwohl die Dinge permanent scheinen, d.h., dass man nicht die Wirklichkeit sehen kann. Es kommt niemals dasselbe Wasser den Fluss hinunter. Es gibt keine fortlaufende Existenz einer brennenden Flamme im Feuer. Es sind alles kleine Teilbewegungen. Jede Zelle des Körpers verändert sich ständig. Jedes Atom schwingt. Alles neigt zu etwas anderem. Alles ist überall Veränderungen unterworfen. Doch für die Sinne gibt es nirgendwo Veränderungen; und alle Dinge erscheinen den Sinnen als etwas Festes. Diesen Sinnen verhaftet zu sein bedeutet, dass der Mensch nicht darauf vorbereitet ist, seinen eigenen bevorstehenden Tod zu akzeptieren. So hoch steht die Weisheit der Sinne im Kurs.Die Sinne verwechseln auch die Wahrheit mit der Unwahrheit. Wir glauben, dass unser Körper schön und liebevoll ist, und dass andere Körper, die mit unserem Körper verbunden sind, ebenfalls liebevoll sind. Wir umarmen Dinge als wundervolle Formationen, ohne zu wissen, dass ihnen eine wesentliche Unreinheit anhaftet. Um die so genannte Schönheit und Reinheit des Körpers zu erhalten, unterziehen wir uns dem täglichen Bad, waschen und parfümieren uns usw. Und wenn wir diese Reinigungszeremonien nicht durchführen, würden wir erkennen, was der Körper wirklich ist. Wenn man sich einige Tage lang nicht um seinen Körper kümmert, würde seine wahre Natur offenbart. So verhält es sich mit allen Dingen in der Welt. Alle Dinge offenbaren ihre Naturen, wenn man ihnen keine Aufmerksamkeit schenkt. Wenn der Körper krank ist und verhungert, zeigt er seine wahre Form. Im Alter wird seine wahre Natur sichtbar. Das ist die Schönheit des Körpers, - entliehen, künstlich und trügerisch. Warum erkennen wir nicht dieselbe Schönheit im Körper, wenn er im Sterben liegt oder tot ist? Wohin geht dann unsere Zuneigung für den geliebten Körper? Der verwirrte Geist sieht Dinge, wo keine sind, und konstruiert Werte aus seiner Vorstellung heraus. Dem Hässlichen haftet etwas Schönes an, dass aus einer anderen Quelle stammt und dem Ganzen erst seine Schönheit verleiht, die wie ein Spiegelbild von einem entliehenen Licht durchschimmert, - es ist ein Licht und kein Spiegelbild, obwohl wir normalerweise behaupten, dass der Spiegel scheint. Wir missbrauchen etwas für etwas Anderes. Die Schönheit gehört nicht zum Körper. Sie gehört in Wahrheit zu etwas Anderem, das weder der Geist noch die Sinne visualisieren oder verstehen können. Auf diese Weise beschreiben die Yogaschriften, wie unrein der Körper ist. Woher ist der Körper gekommen? Geht zu seinem Ursprung, und ihr werdet erkennen, wie rein dieser Ort ist. Was geschieht mit ihm, wenn er nicht beachtet wird oder ernsthaft krank ist und wenn er seiner Pranas beraubt wird? Wo bleibt seine Schönheit, wenn die Pranas ihn verlassen haben? Warum sehen wir keine Schönheit in einem Körper? Was hat uns an dem lebendigen Körper gereizt? Den Berichten der Sinne kann man nicht trauen.Wir verwechseln auch das Vergnügen mit dem Schmerz. Wenn wir leiden, glauben wir, dass es uns Vergnügen bereitet. In der Psychologie ist das mit Masochismus vergleichbar, wo man sich über sein Leiden freut. Man ist derartig in seine Sorgen verstrickt, dass eine kummervolle Situation wie Befriedigung erscheint. Die Menschen haben nie gelernt, was wirkliche Glückseligkeit oder Freude ist. Er wurde in Kummer und Sorgen hineingeboren, lebt und stirbt darin. Diesen Kummer sieht er fälschlicherweise als normale Situation an. „Als Folge der Befriedigung eines Wunsches, wird die Angst, die mit dem Wunsch einhergeht, das Gefühl der Freude bei der Wunscherfüllung im ständigen Fluss der Veränderungen der Gunas der Prakriti zu verlieren, als schmerzhaft empfunden“, sagt Patanjali. Nur der unterscheidende Geist kann diesen Fehler, der in der Struktur der Welt enthalten ist, entdecken.Um die Freude bei einer Wunschbefriedigung zu wiederholen, werden konsequenterweise weitere Wünsche generiert. Ein Wunsch löst eine Feuersbrunst aus, wenn er durch immer neue Wünsche angefüttert wird. Der Wunsch dehnt sich aus. Das Wunschgefühl kann nicht durch deren Erfüllung besiegt werden: dieses ist eine große Wahrheit, die in den Yogatexten immer und immer wieder wiederholt wird. Die Folge der Befriedigung eines Wunsches ist nicht wirklich die Freude, obwohl man dies glaubt, sondern, es werden nur neue Wünsche erzeugt. Niemand kann sagen, wie lange sich das fortsetzt; denn dies kennt kein Ende. Niemand will sterben, denn das Sterben in dieser Welt bedeutet, dass man die Zentren der Freude verliert. Der Mensch ist schockiert, wenn er von seinem nahen Tod erfährt. Wünschen ist die Ursache für seine Todesängste. Die Konsequenzen aus einer Wunschbefriedigung sollte jedem zu denken geben. Wenn wir von einem Wunschobjekt besessen sind, dann sind wir im Kern nicht wirklich glücklich. Wir fühlen eine innere Unruhe. Wenn wir rundum zufrieden sind, schlafen wir trotzdem nicht besser. Reiche Menschen sind nicht glücklich. Ihre Verwandten könnten ihnen ihr Hab und Gut stehlen, Diebe könnten sie berauben und die Regierung könnte sie enteignen. Es heißt nicht, dass wir glücklicher sind, wenn wir das Objekt unserer Begierde letztendlich besitzen. Wir waren unglücklich als wir das Objekt noch nicht besaßen, und wir sind auch nicht glücklicher, wenn wir es besitzen. Es gibt einen anderen Grund der Unzufriedenheit. Befriedigungen erfüllter Wünsche erzeugen unbeabsichtigt feine psychische Eindrücke. Wenn wir vor einem Mikrofon sprechen oder singen und eine Platte (Tonträger) aufnehmen, erzeugen wir Rillen, und der Klang kann später wieder gegeben werden. Das Gleiche geschieht durch die Freuden der Objekterfahrungen in unserem unterbewussten Geist, die nach gewisser Zeit in unseren Kopf zurückkehren können, selbst wenn man nicht mehr an sie denkt oder gar nach vielen Geburten, wenn längst alle Ereignisse vergessen wurden, und wenn sie nicht mehr erwünscht sind. Die Eindrücke, die durch freudige Ereignisse entstanden sind, können uns in der Zukunft zur Qual werden.  Es gibt noch einen vierten Grund: die Drehung des Rades der Gunas der Prakriti. Prakriti ist ein Name, der für die Matrix aller Substanzen steht, als da sind: Sattva, Rajas und Tamas. Sattva steht für Transparenz, Reinheit und die Ausgewogenheit der Kräfte. Rajas bedeutet Ablenkung, Teilung und Aufsplittung der Dinge. Tamas bedeutet Trägheit, weder Licht noch Aktivität. Dies sind die drei Arten der Prakriti, und unsere Erfahrungen beruhen auf die Verbindung mit diesen Arten. Wir sind dumpf, wenn Tamas in uns vorherrscht, wir sind bekümmert, wenn Rajas in uns aktiv ist, und wir sind glücklich, wenn Sattva die Oberhand hat. Wir können nur glücklich sein, wenn Sattva aufsteigt. Wir können nicht immer glücklich sein, denn Sattva steigt nicht immer auf. Das Rad von Prakriti dreht sich beständig und kommt niemals zur Ruhe. Sattva steigt gelegentlich auf und geht wieder unter. Wenn es aufsteigt, fühlen wir uns glücklich, und wenn es sinkt, sind wir unglücklich. Bei einem sich drehenden Rad kann keine Speiche angehalten oder immer an derselben Position fixiert werden. Mit dem Glück verhält es sich in dieser Welt so: es ist nicht beständig, sondern kommt und geht. Die ganze physische und psychische Welt ist für den unterscheidenden Geist eine Quelle des Schmerzes. Selbst die kurzlebige Freude der Welt ist, wie man herausgefunden hat, nur ein Zeichen der Offenbarung biologischer Spannungen, ein Nervenkitzel und eine Täuschung des ungebildeten Geistes.Das Nicht-Selbst wird mit dem Selbst verwechselt, was ein sehr ernst zu nehmender Irrtum ist, zu dem wir uns täglich bekennen. Wenn wir irgendetwas lieben, übertragen wir das Selbst zum Nicht-Selbst und flößen dem Nicht-Selbst Charaktereigenschaften des Selbst ein. Das Selbst ist das, was erkennt, sieht und erfährt. Dies ist unser Bewusstsein. Dasjenige, was gesehen oder erfahren wird, und worauf wir uns als Objekt beziehen, ist das Nicht-Selbst. Das Nicht-Selbst hat kein Bewusstsein. Dass das Wesen, wie der Mensch, ein Bewusstsein hat, ist kein Argument gegen ihn als Objekt, denn das, was gesehen wird, ist die menschliche Form und nicht das Bewusstsein. Das Objektive in den Dingen ist das, was sie zu Objekten macht. Für die Objekte ist die Welt nicht bekannt; nur das ungebrochene Bewusstsein kennt die Welt. Nicht die Welt fühlt eine Welt, sondern nur das wissende subjektive Bewusstsein. Das Bewusstsein wird sich der Gegenwart eines Objektes durch eine mysteriöse Aktivität, die auf der psychologischen Ebenen stattfindet, bewusst. Wie wird es sich beispielsweise eines Berges bewusst? Dieses Phänomen ist nur sehr schwer zu verstehen, obwohl es uns täglich begegnet. Ein Berg, der sich vor dem Betrachter auftut, betritt nicht dessen Augen oder Geist. Der Berg ist weit entfernt, und doch scheint man sich seiner Existenz bewusst zu sein. Die Augen kommen nicht mit dem Objekt in Berührung; das Objekt betritt das Subjekt auch nicht körperlich. Wie kann das Bewusstsein dann Kenntnis von dem Objekt (Berg) erhalten? Man kann sagen, dass die vom Objekt permanent ausgesandten Lichtstrahlen auf die Netzhaut des (Subjektes) Betrachters treffen, wodurch das Subjekt Kenntnis von dem Objekt erhält. Doch weder das Objekt noch die Lichtstrahlen verfügen über ein Bewusstsein, und eine träge Masse kann keine bewusste Reaktion erzeugen. Wie wird ein Objekt dann erkannt? Das Geheimnis der Beziehung zwischen Subjekt und Objekt scheint unterhalb der äußeren Form versteckt zu sein. Die Sinne berichten uns von ihrer Kenntnis eines Objektes, das sie durch die Lichtstrahlen erfasst haben. Die Augen können nicht von allein sehen, und die Lichtstrahlen können auch nicht von sich aus das Objekt offenbaren. Die Lichtstrahlen können vorhanden sein, das Objekt mag dort sein, doch, wenn der Geist umher wandert, kann das Objekt nicht erkannt werden. Allein der instrumentale Faktor der Sinne scheint für die Wahrnehmung notwendig zu sein. Ist nun der Geist ein Subjekt oder ein Objekt? Oder ist er intelligent? Das Minimum, das man für die Wahrnehmung erwarten kann, ist Intelligenz. Angenommen, der Geist sei so intelligent wie ein Spiegel, von dem man behauptet, dass er von sich aus strahlen würde. Wenn man nicht behaupten kann, dass ein Spiegel von sich aus scheint, dann kann man auch nicht sagen, das ein Geist von sich aus intelligent ist. Ein Licht scheint, aber nicht der Spiegel selbst. Es ist ein höheres Bewusstsein, das selbst den Geist erleuchtet. Die Natur dieses Bewusstseins ist nicht einfach zu verstehen, denn ES versteht selbst. Wer könnte ES beschreiben, das hinter allen Erklärungen steht? ES ist das Wissen hinter allem Verständnis. Wer versteht das Verständnis? In uns ist eine mysteriöse Wirklichkeit, durch die wir alles erkennen, die jedoch niemand Anderen bekannt ist. Diese Intelligenz verfügt über den Geist, wie ein Lichtschein über den Spiegel. Der Geist (ES) reflektiert sich selbst in dem Objekt, so wie eine Wand durch einen im Spiegel reflektierten Lichtschein erhellt wird. Das Objekt wird durch die Aktivität des Geistes lokalisiert und die im Geist innewohnende Intelligenz nimmt es wahr. Die Intelligenz agiert nicht direkt, sondern sie wird durch den Geist als Medium ausgerichtet. Ein Lichtstrahl dringt durch die Linse des Geistes und konfrontiert das Objekt. Die Intelligenz erblickt das Objekt durch den Geist als Instrument. Wie kommt Intelligenz mit unbewusster Materie, die wir als Objekte erkennen, in Berührung? Wie kann das Bewusstsein von einem Objekt Kenntnis haben, wenn es zwischen beiden keine verwandtschaftlichen Beziehungen gibt? Und doch muss es solch eine Verwandtschaft geben, denn es kann sich nicht nur um eine materielle Beziehung handeln, wie fest die Philosophien über Materialismus daran auch fest halten mögen, denn Materie hat kein Verstehen. Sie hat weder Augen noch Intelligenz. Wer sieht dann die Materie? Da Materie blind ist, kann sie keine andere Materie sehen. Ohne Intelligenz ist alles bedeutungslos, und sie unterscheidet sich von Materie. Die Intelligenz erkennt die Existenz von Materie. Wie kommt sie nun mit Materie in Berührung, wenn die Letztere nicht mit ihr verwandt ist, denn die Materie kann nicht mit Bewusstsein in Verbindung gebracht werden. Wenn das Bewusstsein nicht in der Materie verborgen ist, kann es die Materie nicht wahrnehmen. Wenn Wahrnehmungen irgendeine akzeptable Bedeutung haben sollen, dann muss Materie letztendlich bewusst sein. Wenn Wahrnehmungen möglich sind, dann muss das Selbst sogar im Nicht-Selbst vorhanden und das Bewusstsein muss universal sein. Doch die Sinne können das Universale Bewusstsein nicht sehen. Sie können nur äußere lokalisierte Objekte erkennen. Sie projizieren fälschlicherweise ein Phantom von etwas Äußeren und erschaffen ein Objekt aus der universalen Wirklichkeit. Das Objekt wird künstlich mit dem Subjekt verbunden. Wenn die Sinne ein äußeres Objekt erfassen, das wie ein materielles Etwas erscheint, findet eine Übertragung der Werte zwischen dem Subjekt und dem Objekt statt. Das innere Selbst, das universales Bewusstsein ist, bestätigt seine Verwandtschaft mit dem Objekt, doch, wenn dies mit Hilfe des Geistes stattfindet, herrscht Liebe für das Objekt vor. All diese Liebe, die universalen Ursprungs ist, fühlt die gemeinsame Schöpfung. Diese universale Liebe wird verzerrt, wenn sie durch die Sinne zu den Objekten übertragen wird. Anstatt alle Dinge gleichermaßen zu lieben, lieben wir nur bestimmte Dinge und schließen Anderes aus. Hierin liegt der Fehler des Geistes, der Fehler in der Zuneigung, wenn die Übertragung durch die Sinne ohne Kenntnis von seinem universalen Hintergrund stattfindet. Während spirituelle Liebe universal ist, ist die Liebe der Sinne differenziert und erzeugt damit Hass und Angst. Individuelle Wünsche haben Bindungen in ihrem Schlepptau. Das Selbst wird in dem Sinne mit dem Nicht-Selbst und umgekehrt verwechselt, so wie das Universale vergessen und auf bestimmte Objekte projiziert wird, und die Sinne bestätigen diesen Unsinn auch noch, indem sie das Nicht-Ewige für das Ewige, das Unreine für das Reine und den Schmerz für die Freude annehmen. Dem Pratyahara wird durch diese Analyse geholfen, denn die Sinne ziehen sich durch dieses Verstehen von den Dingen, denen sie anhaften, zurück. Die Verwicklung der Sinne in ihre Objekte und ihre organische Verbindung mit den Objekten ist derart tief und kraftvoll, dass es nicht leicht ist, das Bewusstsein von der Materie zu befreien. Genauso wenig, wie man die Haut vom eigenen Körper lösen kann, genauso schwierig ist es, die Sinne den Dingen zu entwöhnen. Die organische Verbindung, die zwischen den Sinnen und den Objekten künstlich erschaffen wurde, sollte durch Vichara oder philosophische Untersuchungen durchtrennt werden. Dieses ist die Stufe in Vairagya oder Leidenschaftslosigkeit für Etwas, was nicht wirklich ist. In Pratyahara ist es nicht immer notwendig, dass die Sinne aktiv sein müssen. Häufig genug scheinen sie sich ruhig zu verhalten, und doch verursachen sie beim Schüler große Unruhe. Wenn sie im positiven Sinne aktiv sind, ist sich der Schüler ihrer bewusst, wenn sie sich jedoch zurückziehen, ist es schwierig, sie wahrzunehmen. Die Aktivitäten haben Stufen oder Formen der Offenbarung. Ein Mensch, der Böses im Schilde führt, mag sich ruhig verhalten, doch das bedeutet nicht, dass er inaktiv ist, denn er kann über irgendwelche Winkelzüge nachdenken, die er zu gegebener Zeit in Angriff nehmen wird. Im Augenblick mag sein Aktionsradius auf Grund einer wachsamen Polizei, und wenn er von verschiedenen anderen Seiten verfolgt wird, eingeschränkt sein. Wenn er überarbeitet und erschöpft ist, ist er kaum aktiv. Doch das muss nicht heißen, dass er von seinen subtilen Absichten ablässt oder frei von allen Aktivitäten bleibt. Manchmal kann es geschehen, dass er auf Grund einer Heirat, der Geburt eines Kindes oder der Krankheit seines Sohnes, seine Aktivitäten aufgibt. Diese Einstellung der Aktivitäten muss nicht unbedingt bedeuten, dass er alle Pläne aufgibt. Erst wenn alle Umstände zu Ende gekommen sind, wird er seine Absichten aufgeben.Genauso verhält es sich mit der Arbeitsweise der Wünsche. Sie mögen eingeschlafen sein, sich dünne gemacht haben, aufgehalten worden sein oder anderweitig beschäftigt sein. Wenn wir schlafen, schlafen auch die Wünsche; sie erwachen am nächsten Tag zu neuer Stärke. Sie werden ebenfalls müde und stellen ihre Aktivitäten eine Zeit lang ein. Sie mögen ruhen, wenn sie auf Grund gesellschaftlicher Gesetze frustriert sind, wenn ihnen der Sinn nach Erfüllung abhanden gekommen ist oder die Gegenwart von irgendetwas die Zufriedenheit behindert. Wenn sie frustriert sind, sind die Aktivitäten vorübergehend unterbrochen. Wenn man sich in einer Umgebung befindet, die nicht zur Wunscherfüllung einlädt, dann wird ihre Willenskraft unterdrückt, und dies geschieht auch durch den Schlaf. In der kosmischen Pralaya oder der letztendlichen Auflösung, wenn alle Individuen sich in ihren ursächlichen Zustand des Universums auflösen, verbleiben die Sinne mit ihren latenten Wünschen in Samenform. Die Wünsche sind nicht völlig blind, denn sie wissen, wie man die Umstände für das Wachstum und deren letztendliche Erfüllung erzeugen kann. Selbst Instinkte haben Intelligenz. Manchmal wird die Intelligenz durch Instinkte erdrückt. Intelligenz rechtfertigt häufig Instinkte und vertieft ihre Arbeit. Obwohl dies für die Wünsche im Menschen das Normalste in der Welt ist, so werden diese Wünsche bei Yogaschülern allmählich ausgedünnt. Sadhana dünnt sie aus, schwächt sie, obwohl sie nicht so ohne Weiteres zerstört werden können. Die Wünsche verlieren in Gegenwart eines spirituellen Gurus, in einem Tempel oder an einem Ort des Gebets ihre Kräfte, denn das ist nicht die Atmosphäre für ihren Auftritt. Dies ist für die Wünsche eine andere Situation, wo sie dünn (Tanu) und schwach bleiben.Bzgl. der Wünsche gibt es eine dritte Ebene, auf der sie in ihren Aktivitäten gelegentlich unterbrochen (Vichhinna) werden. Man liebt seinen eigenen Sohn, doch über einen Fehler oder über sein unschönes Verhalten, wird man ärgerlich. An dieser Stelle hört die Liebe nicht auf, sondern wird durch die aufgetretenen Umstände vorübergehend unterbrochen. Dies geschieht manchmal auch zwischen Eheleuten. Liebe wird durch Hass unterdrückt und umgekehrt, wie es sich ergibt. Für gewisse Zeit kann ein Objekt der Zuneigung wie ein Gegenstand des Hasses aussehen. Wir können beobachten, wie eine Affenmutter ihr Baby daran hindert zu essen, indem es dem Kind selbst vor dem Maul ein Stück Brot wegschnappt. Dies heißt nicht, dass die Mutter ihr Baby hasst. Wir können auch die ausgedehnte Anhänglichkeit der Affenmutter für ihr Baby beobachten. Liebe und Hass sind mysteriöse Bedingungen, und wir wissen solange nicht, wo wir stehen, bis wir durch gegensätzliche Kräfte zurückgedrängt werden. Manchmal ist man Himmel hoch jauchzend und manchmal zu Tode betrübt. Häufig empfindet man Niedergeschlagenheit und Melancholie. Kleine unerfreuliche Ereignisse werfen uns aus der Bahn, obwohl wir kurz zuvor noch glücklich waren. Andererseits sind wir, wie aus heiterem Himmel, auf Grund freudiger Nachrichten erregt. Dieses sind die Auslöser, die auf dem ruhigen See des Geistes durch die wechselnden Winde der Wünsche, Höhen und Tiefen hervorrufen können. Der Geist tanzt im Rhythmus der Sinne. Es gibt immer wieder Beispiele, wo Suchende über lange Zeit ihre Sinne im Griff zu haben schienen, und dann doch unerwünschten Aktivitäten nachgaben. Wenn es manchmal keinen Fortschritt zu geben scheint, hat man das Gefühl, dass alle Mühe vergeblich sei; doch dann plötzlich verspürt man große Freude. Dies widerfuhr auch Buddha. Er verlor alle Hoffnungen, selbst einen Tag vor seiner Erleuchtung. Er glaubte, sein Ende sei gekommen. Doch die Blase platzte am nächsten Tag und die Erleuchtung dämmerte. Suchende steigen, wie auf einem Bergpfad, immer wieder hinauf und hinunter. Der Yogaschüler sollte wachsam sein und sollte weder voreilige Entscheidungen treffen noch aus seiner tagtäglichen Stimmungslage voreilige Schlüsse ziehen. Heute kann alles wundervoll ausschauen; doch es kann auch ein Sturm der Gefühle nachfolgen, der die Hoffnungen und Erwartungen erschüttert. Dieses ist die Guerillataktik, der Lohn die wunscherfüllten Sinne, wenn man versucht, dieselben zu kontrollieren oder ihre Aktivitäten zu zügeln. Wenn wir die Sinne ständig beobachten, grollen sie und wollen sich unser bemächtigen. Niemand möchte in seiner Freiheit eingeengt werden.In welcher Situation sich die Wünsche auch immer befinden mögen, - schlafend, ausgedünnt oder unterbrochen, - sie sind immer noch vorhanden und nicht vergangen. Bei günstiger Gelegenheit können sie wieder erstarken. Wir können Wasser auf ein Feuer gießen, um es zu ersticken, doch wenn ein Funke zurückbleibt, obwohl das große Feuer verloschen ist, so kann dieser Funke einen riesigen Flächenbrand entfachen. Dieses geschieht häufig in Wäldern, wo ein kleiner Holzstoß vor sich hin schwelt. Der zurückgelassene Funke offenbart sich bei günstiger Gelegenheit. Obwohl die Wünsche ausgedünnt sind, sind sie nicht zerstört, und können bei günstiger Gelegenheit wieder mächtig werden.Wünsche, die unter sehr günstigen Umständen platziert werden, entwickeln ihre ganze Aktivität (Udara), und dann verursachen sie einen Flächenbrand, den niemand mehr löschen kann. Die kleine Unterscheidungsfähigkeit eines Schülers wird durch die Macht der Wünsche ausgelöscht. Buddha sagt: Die ganze Welt besteht aus Feuer. Erfahrungen sind das Feuer der Wünsche; die Augen sind das brennende Feuer; die Ohren und die anderen Sinne brennen mit den Wünschen. Die geistigen Fähigkeiten wurden in diesem Feuer gefangen. Gemäß Buddha ist die Welt leibhaftig eine brennende Kohlengrube. Die vier zuvor beschriebenen Situationen zeigen nur eine weitere Aufteilung der Wirkungsweise der Wünsche. Doch die Wünsche nehmen viele unterschiedliche Facetten an, seien sie verdeckt oder aktiv. Der Geist erschafft zu seiner Verteidigung eigene Mechanismen gegen den Angriff von Yoga. Er verdrückt sich aus dem Rampenlicht, wo er beobachtet werden kann und der Schüler kann sein Ziel verfehlen. Und er kann sich hinter jeder der vier zuvor erwähnten Techniken verstecken. Er kann all seine Aktivitäten in andere Kanäle umleiten. Dieses ist eines der Verteidigungssysteme des Geistes. Wenn ein Schüler im höheren Stadium des Geistes beobachtet, dass der niedere Geist an ein Objekt gebunden ist, dann wird er die Situation besonders im Auge behalten. Doch es bedarf einer scharfsinnigen List, um dieses Objekt zu überwinden und sich sicher etwas Anderem zuzuwenden, indem er sich ein Bild erschafft, wo die Bindung überwunden ist. Die Liebe wird von einem Punkt auf einen anderen übertragen. Der Schüler mag sich wie in einer Irrenanstalt vorkommen, wenn man bei dieser Übung nicht alle Sorgfalt walten lässt. Er mag glauben, dass ihm die Zuneigung entzogen wurde, denn er hat das Gefühl, dass alles so schwierig wie zuvor ist, nur dass er sich jetzt auf etwas Anderes konzentriert. Der Fluss hat eine andere Richtung eingeschlagen und überschwemmt jetzt ein anderes Dorf. Wenn ein Tiger verfolgt wird, weiß man nie, wen er sich als nächstes Opfer wählt. Der Geist kann von seiner normalen Technik abweichen und einen anderen Weg einschlagen. Wenn man beharrlich die Wünsche verfolgt, wo auch immer sie sich hinflüchten, kann dies deren Wanderung zu irgendwelchen äußeren Objekten aufhalten; doch sei bis zum Ende der Wünsche auch innerlich auf der Hut. Wenn alle Kanäle zerstört sind, kann man sich auch innerlich immer noch über ein Objekt erfreuen. Wenn alle Kanäle zerstört sind, kann man sich die Objekte vorstellen und auf diesem Wege eine psychologische Zufriedenheit anstreben. Wenn das Beste für den Geist nicht erreichbar ist, wählt er sich das Nächstbeste aus, und wenn nichts zur Verfügung steht, erfreut er sich seiner gedanklichen Objekte. Wenn die Wachsamkeit selbst diese Situation einbezieht, wird der Geist versuchen, sich selbst zu manipulieren, indem er seinen negativen Charakter auf andere Personen oder Objekte projiziert. Wenn ein kleinerer Affe von einem Größeren verfolgt wird, fängt der Kleinere an zu krakeelen und lenkt die Aufmerksamkeit auf andere Affen in der Nähe, und dann wird die ganze Gruppe diese dritte Partei angreifen wollen, sodass die ursprüngliche Rangelei darüber vergessen wird. Es gibt Menschen, die sich rechtschaffen fühlen, wenn sie auf die Fehler anderer hinweisen. Kleine Leute werden groß, wenn sie große Seelen mit „Schmutz“ bewerfen. Dieser Trick des Geistes ist wunderbar. Der wunschvolle Geist findet eine üble Lücke, den wachsamen Geist anzuekeln. Auf diese Weise findet er ein Ventil für seine Aktivitäten. Man mag hier sich der Fehler in seiner äußeren Umgebung bewusster zu werden, aber dabei vergessen, was in einem selbst vorgeht. Inzwischen tut der niedere Geist seine Arbeit. Träume, Fantasien, Luftschlösser sehen die äußeren Fehler und sind der Verteidigungsmechanismus, damit sich der Geist dem Zugriff der wachsamen Intelligenz entziehen kann. Welcher Mühen man sich auch immer unterzieht, um den Geist zu unterwerfen, diese Mühen werden niemals für die Impulsivität der Sinne ausreichen. Die Bhagavadgita warnt uns, dass die Kräfte der Sinne uns und unser Verstehen wie einen Wirbelwind davontragen können. Die Manusmriti sagt, dass die Sinne die Macht haben, selbst den Geist eines Weisen vom rechten Weg abzubringen. Die Devimahatmya sagt, dass Maya (Illusion) selbst durch ihre Kraft, Wissende beeinflussen kann. In Pratyahara können die häufigen Rückschläge dem Schüler Furcht einflößen. Patanjali hat in seinen Sutras die Schwierigkeiten ausführlich beschrieben. Neben den zuvor beschriebenen positiven Veränderungen, gibt es auf dem Weg auch Probleme. Krankheiten (Vyadhi) können sich auf Grund der veränderten Essweise einstellen; Übertreibungen können sich negativ auswirken, die durch die Praxis auf die Pranas ausgeübt werden. Krankheiten sind im Yoga ein großes Hindernis. Die Krankheiten können eine physische oder psychische Ursache haben und durch eine Unachtsamkeit gegenüber der eigene Natur oder als Reaktion auf die eigene Praxis verursacht worden sein. Auf diese Weise kann der Schüler nach der Praxis einiger Jahre der ganzen Sache überdrüssig werden und zu dem Schluss kommen, dass alles nutzlos gewesen wäre. Er verfällt in eine Niedergeschlagenheit (Styana). Er fühlt sich völlig allein gelassen und niemand kann ihm helfen. Dieser Gedanke wird derart übermächtig, dass er darüber das vor ihm liegende Ideal vergisst. Er kann sich schwach fühlen, wiederkehrende Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit stören sein Gemüt. Im Körper können sich Schmerzen entwickeln und er kann unter Appetitlosigkeit leiden. Die Verdauung verliert ihre Kraft. Dieses sind vorübergehende Reaktionen des Prana und des Geistes, die beide kontrolliert werden. Diese Phasen gehen vorüber; man muss deshalb nicht besorgt sein. Auf Grund der bewussten Konzentration des Geistes (keine spirituelle, sondern eine besondere Wachsamkeit) können dem Schüler gelegentlich lästige Gefühle widerfahren. Diese äußerlichen Symptome können den Schüler eine beträchtliche Zeit lang ärgern. Pratyahara ist irgendwie ein Gerangel zwischen der inneren und der äußeren Natur. Dieses sollte die Hintergründe aufklären. Der innere Krieg ist ebenso kompliziert wie der äußere, wobei es genauso viele Richtungsänderungen, wie im richtigen Krieg gibt. Die inneren Schlachten sind schwieriger als die äußeren zu gewinnen, denn auf dem Schlachtfeld draußen stehen viele Menschen und Hilfsmittel zur Verfügung, wohingegen im Inneren diese Unterstützungen nicht vorhanden sind. Die innere Schlacht geht ohne Pause ständig weiter. Nur im Schlaf, in der Ohnmacht oder im Tod scheint es einen Waffenstillstand zu geben. Es kann sich auch ein Zustand der Mattigkeit einstellen, wobei man nicht einmal in der Lage ist, in einer Asana zu sitzen. Der Schüler ist zu müde, um zu meditieren. Eine Dumpfheit stellt sich ein, verlangsamt alles, und er beginnt, alles auf die leichte Schulter zu nehmen, behandelt alles lustlos. Dies geschieht nach einigen Jahren der Mühe. Styana ist die Schwerfälligkeit von Körper und Geist. Ein Anflug von Zweifel (Samsaya) kann auf Grund des fühlbaren Fortschritts in der Sadhana den Geist befallen. Der Schüler weiß nicht, wie weit es noch bis zum Ziel ist. Der Schüler trottet voran, doch er kennt die Entfernung zum Ziel nicht. Es gibt keine Karte, um die Entfernung auszumachen. Die Unfähigkeit, die noch verbleibende Entfernung zu bestimmen, erzeugt Unsicherheit. Zweifel können auch auf Grund des Studiums zu vieler unterschiedlicher Schriften entstehen, wobei sich die Aussagen widersprechen mögen. Es ist mit Schwierigkeiten verbunden, ein guter Richter über die verschiedenen bzw. gegensätzlichen Schriften zu werden. Die Unwissenheit über die eigene Situation bringt Zweifel und führt zum Ortswechsel, zum Wechsel des Gurus, des Mantras, die Form der Meditation usw. Diese Veränderungen werden in der Hoffnung vorgenommen, dass daraus positive Resultate zu erzielen sind. Doch unter den veränderten Bedingungen findet man heraus, wo man stand, und nimmt weitere Veränderung vor. Der wirkliche Fehler ist nur schwer zu erkennen. Solch ein zweifelhafter Charakter ist ein Hindernis im Yoga. Die Reaktionen, die der Geist und die Sinne produzieren, können unterschiedlichste Formen annehmen, und der instabile Geist, durch den man weder an einen Ort noch an einer Sache klebt, ist nur ein Beispiel dafür. Das Verhaftetsein beinhaltet eine hohe konzentrierte Aufmerksamkeit, und doch liegt die Schwierigkeit in der Praxis. Der Geist wird überdrüssig, wenn er immer wieder dieselben Menschen, denselben Ort oder dieselben Dinge vor sich hat. Es entsteht der Wunsch nach Veränderungen, um die Monotonie zu überwinden. Daraus entwickelt sich der Zweifel, wodurch der Schüler einen Verlust an der Wildheit des Lebens erleidet. Der Geist, der durch Unachtsamkeit (Pramada) unstet und verwirrt ist, ist ein weiteres Hindernis. Zweifel entstehen auf Grund von Gedankenlosigkeit. Der Schüler erlaubt seinem Gegner während des Schlafes einzutreten, und wenn er aufwacht, hat sein Gegner bereits Besitz von ihm ergriffen. Der Wunsch nach Wachsamkeit hat ihn befallen. Warum sollten wir etwas ändern, wenn wir einmal von dieser Praxis und der Kompetenz des Guru überzeugt sind? Wie konnte es dazu kommen? Es geschah deshalb, weil wir zuvor keine eigene Überzeugung hatten. Ein Vertrauen, das erschüttert werden kann, kann man nicht als Überzeugung bezeichnen; es ist lediglich eine vorübergehende Akzeptanz ohne richtiges Urteil. Ohne die richtige Einschätzung ist kein richtiges Vorgehen im Leben möglich. Es wäre dumm voranzuschreiten, ohne alle Eventualitäten, mit ihren Vor- und Nachteilen, zu betrachten. Es ist nicht gut, mit einer Gefühlslage mit Yoga zu beginnen, denn Yoga ist keine Gefühlslage. Yoga ist eine zuverlässige Praxis, in der das ganze Sein einbezogen ist. Der Schüler sollte in seinen Sichtweisen und in seinem inneren Kern fest verankert sein. Er sollte sich selbst nicht zu einer dummen Person erniedrigen, die durch eine hohle Logik verändert werden kann. Das Verstehen des Schülers muss kraftvoll genug sein, um der Argumentation der Sinne zu widerstehen und diese zu überwinden. Wenn er einmal dem Geplärre der Sinne zu viel Aufmerksamkeit schenkt, wird er in der Wirklichkeit mehr den äußeren Umständen als der inneren Schönheit des Yoga trauen. Der Heilige Sanatkumara sagt zu Dhritarashtra: Pramada oder Unachtsamkeit ist wahrlich der Tod. Unachtsamkeit ist der Tod; Wachsamkeit ist das Leben. Dieses ist für spirituelle Sucher die größere Wahrheit. Ein weiteres Hindernis ist die Lethargie (Alasya). Es wird nicht mehr meditiert, sondern nur mit hängendem Kopf und ohne jeden Hang zur Aktivität herumgeirrt. Dieses ist Mohana-Astra oder die trügerische Waffe gegen den suchenden Geist, in dessen Kampf gegen das Wünschen. Lethargie paralysiert die Aktivitäten des Geistes so weit, dass er nicht einmal mehr in der Lage ist zu denken. Die Denkfähigkeit verschwindet, Tamas schleicht sich ein und man wird träge. Die Yogavasistha sagt: ‚Auch wenn Müßiggang nicht die größte Katastrophe wäre, wer wäre dennoch nicht gern erfolgreich beim Erringen von Werten oder Wissen?‘ Noch einmal, die Lethargie sollte nicht bloß als Untätigkeit von Körper und Geist verstanden werden. Sie ist vielmehr eine destruktive Aktivität, die sich nach einiger Zeit der Übung einstellen kann. Man kann es mit den schwarzen Wolken unmittelbar vor einem Gewitter vergleichen. Ebenso wie Appetitlosigkeit ein Anzeichen für eine bevorstehende Krankheit ist, so ist Lethargie ein Zeichen dafür, das etwas Ungünstiges eintreten wird. Still, untätig und wortlos zu sein, ist für den Yogaschüler gefährlich. Niemand weiß, wann die Bombe platzen wird. Trägheit ist ein Nährboden für die üblen Streiche der Sinne und ihresgleichen. Zuerst werden die Schüler durch Lethargie paralysiert und dann wird ihnen durch sinnliche Erregungen (Avirati) ein Schlag versetzt. Es ist leichter einen Menschen zu töten, wenn er nicht bei Bewusstsein ist. Der Schüler wird durch Tamas in einen Schlaf versetzt, und dann gibt es eine heftige Aktion der Sinne. Der Zyklon hat sich aus einer von Staub vernebelten Straße erhoben. Der Geist übt in jeder Hinsicht Nachsichtigkeit, und dies nennt man im Yoga einen tiefen Fall. Wenn man in diese Gemütsverfassung kommt und dies als ein ‚erreichtes Ziel‘ im Yoga missversteht, dann steht es schlimm. Diesen Fehler der Zerstörung für einen Erfolg zu missdeuten, ist ein weiteres Hindernis, - diese Illusion des Fortschritts, während man eigentlich gefallen ist, wird als Bhrantidarsana bezeichnet. Die Sinne lassen den Schüler nach ihrer Pfeife tanzen. Die Schüler werden durch die Sinne hypnotisiert. Selbst wenn man durch einen Zufall aus diesem Zustand erwacht und das Bewusstsein wiedererlangt, so ist es nicht leicht, den einst verlorenen Boden wieder zu gewinnen. Den Boden unter den Füßen zu verlieren (Alabdhabhumikatva) ist ein weiteres Hindernis im Yoga. Es ist auf Grund der erzeugten Samskaras (Eindrücke), bedingt durch die Heimsuchung der Sinne in ihrem Zustand der Genugtuung, nicht leicht, die früher gepflegte Praxis wieder aufzunehmen. Die Unfähigkeit, den Konzentrationspunkt (Anavasthitatva) zu finden, selbst wenn die Basis mit Schwierigkeiten wieder hergestellt wurde, ist wiederum ein ernsthaftes Hindernis.Die neun zuvor genannten Probleme stehen in Verbindung mit den psychologischen Schwierigkeiten und stellen die Haupthindernisse im Yoga dar. Sie verursachen ein Hin und Her im Kopf und eine Abkehr von dem eingeschlagenen Weg. An dieser Stelle muss der Schüler Vorsicht walten lassen. Doch es gibt noch viele kleinere Hindernisse, von denen fünf erwähnenswert sind. Eines davon sind Schmerzen (Duhkha) im Allgemeinen, die von dem Suchenden Besitz ergreifen. Ein anderes Problemfeld ist die innerlich nagende Frage: „Wo bin ich, was tue ich?“ Alles ist dunkel und es gibt keinen Silberstreifen am Horizont. Dieses Gefühl kann zu Depressionen (Daurmanasya) führen und man wird melancholisch. Man verliert allen Mut, sieht keine Zukunft mehr, nichts Gutes und keinen Sinn oder Wert mehr im Leben. Das Leben verliert seinen Sinn und man fühlt, als würde man einem Phantom nachjagen. Dieses ist die Folge nach so mühevoller Praxis im Yoga. An diesen Punkt kommt der Suchende nach einiger Zeit, eine Situation, die sehr gut im ersten Kapitel der Bhagavadgita beschrieben wird: ‚Alles ist hoffnungslos‘, scheint der Hilferuf Arjunas zu sein. Dieses ist auch der Schrei aller Arjunas, aller Menschen, Männer wie Frauen, in der Welt, die durch das Rad des Lebens rotieren. Während man versucht, Kräfte zu entwickeln, indem man allen Mut zusammen nimmt, stellt sich Nervosität (Angamejayatva) ein. Der Körper zittert und man kann nicht einmal meditieren. Der Schüler reagiert nervös, wenn jemand irgendetwas über ihn sagt usw. Es entwickelt sich gleichzeitig eine Toleranz gegenüber allen Dingen, die in der Welt geschehen. Man entwickelt eine derartige Feinfühligkeit, dass kleinste Ereignisse wie gewichtige Berge ausschauen. Prana fließt ungleichmäßig. Die Ein- und Ausatmung ist unregelmäßig und unrhythmisch (Svasaprasvasa) und damit wird das Nervensystem und indirekt den Geist gestört.

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Die friedliche Stille des Geistes und die Selbstkontrolle

Was sollen wir machen, um in die Mitte zwischen diesen gegensätzlichen Kräften zu gelangen? Es gibt viele Texte über die Methoden, doch die Erste, die in den Yogatexten erwähnt wird, beschreibt, was der Patient macht, wenn er krank wird. Er analysiert nicht seinen Körper, sondern geht zum Arzt. Für den Schüler ist es besser, zum Guru zu gehen, und zuerst seinen Rat als höchste Weisheit einzuholen. Ekatattva-Abhyasa ist ein berühmtes Rezept von Patanjali. Ekatattva bedeutet so viel wie ‚eine Wirklichkeit‘ oder ‚ein Ziel‘. Abhyasa ist die Praxis. Auf diese Weise ist seine Vorschrift - zum wiederholte Male - der Ausweg für ein Konzept, für eine Wahrheit. In der Praxis sollte sich der Schüler nur auf eine Sache zur Zeit konzentrieren. Ekatattva-Abhyasa kann im weitesten Sinne vieles heißen. Was ist das für eine Wirklichkeit? Die Lehrer haben viele Definitionen gegeben. Patanjali bietet keine Definition an. Lass nicht die Beschreibung der ‚einen Wirklichkeit‘ an erster Stelle stehen. Es ist besser, wenn der Guru zuerst kommt. Die Konzentration auf die Wirklichkeit kommt zu einem späteren Zeitpunkt, denn es ist wie bei der Einnahme der Medizin, - die Rezeptur muss zuerst beschrieben werden. Lass niemanden für sich selbst den Begriff ‚Wirklichkeit‘ definieren, denn diese Definition könnte falsch sein, und man könnte in eine extreme Schieflage der Gefühlswelt geraten. Mit Diskretion wäre man besser beraten, heißt es. Die ‚Praxis der einen Wirklichkeit‘ in seiner einfachsten Bedeutung und aus Sicht des nicht eingeweihten Novizen, könnte man als eine Art von Konzentration auf ein beliebiges Objekt oder einen Gedanken verstehen. Dieses ist das, was man im Yoga als Trataka bezeichnet. Trataka ist das Fixieren des Blickes auf einen inneren oder äußeren Punkt. Um den Geist zu beruhigen, sollten zusammen mit diesem Prozess Atemübungen durchgeführt werden. Patanjali bittet uns auszuatmen (Prachhardana) und in diesem ausgeatmeten Zustand (Vidharana) zu verweilen. Einige denken bei dieser Anweisung an eine Einatmung und dann in dem eingeatmeten Zustand zu verweilen. Eine tiefe Einatmung und ein Innehalten kann zwar zur sofortigen, aber nicht zur endgültigen Beruhigung führen. Die Einatmung ist kein Heilmittel, aber eine vorläufige erste Hilfe. Das notwendige Heilmittel wird zu einem späteren Zeitpunkt beschrieben. Atme aus und halte inne, und denke nur an eine Sache, heißt es in der Anweisung. Trataka kann auf etwas Innerliches oder Äußerliches gerichtet sein. Die Innenschau kann schwieriger als die Außenschau sein. Während das nach außen gerichtete Trataka die Augen als Unterstützung hat, muss sich die Innenschau ausschließlich mit dem Geist beschäftigen. Doch zuerst Stufe wird zur Außenschau geraten. Dabei kann sich der Schüler auf einen Punkt konzentrieren. Für viele Menschen ist diese Praxis sehr schwierig, denn sie sind nicht in der Lage, sich für längere Zeit auf einen Punkt zu konzentrieren, - sie können sich damit nicht anfreunden. Der psychologische Teil von Trataka hängt von dem Fokussieren auf einen Punkt ab, was durch die Gewohnheit ermöglicht werden kann. Diese Art der Konzentration kann durch ein Bild (z.B. eines Heiligen), auf das man sich konzentriert, interessanter gemacht werden. Krishna, Rama, Devi, Siva, Vishnu, Buddha, Christ oder irgendein anderes Ideal, das den Vorstellungen entspricht, erleichtert die Konzentration. Starre auf das Bild. Schaue auf das göttliche Gesicht und lass dich von der mächtigen Quelle inspirieren, bete es an. Diese Art der Konzentration auf ein äußeres Objekt kann über einen längeren Zeitraum praktiziert werden. Späterhin kann der Blick nach innen gerichtet werden. Diese Methode ist verlockender, als auf einen äußeren Punkt zu starren, obwohl das Letztere ebenfalls effektiv ist, wenn man diese Methode gewohnt ist. Einige Menschen wollen sich lieber auf so genannte Chakras (psychische Zentren) im Körper konzentrieren. Dieses kann man als eine Art inneres Trataka bezeichnen. Ein Chakra des Körpers, ein Bild einer Gottheit, ein Punkt usw. sind alles Objekte in den niederen Formen des Ekatattva-Abhyasa. Es gibt noch subtilere Methoden, die sicher in höhere Meditationsebenen führen.

Folgende Praktiken bringen einen vorübergehenden Frieden in den aufgewühlten Geist, - Ausatmung und Atem anhalten, und die Konzentration auf etwas richten, was für Andere verborgen ist. Doch Patanjali hat andere psychologische Übungen, um den Geist ruhig zu stellen. Während Ekatattva-Abhyasa einem persönlichen Versuch eines Schülers vorbehalten ist, wobei die Gesellschaft außen vor bleibt, so können doch Schwierigkeiten aus dem sozialen Umfeld auftreten. Welche Bemühungen ein Schüler mit seiner inneren Praxis auch unternimmt, so können doch äußere Ereignisse eintreten, die ein Einmischen und manchmal sogar Aggressionen hervorrufen. Man muss sich diesen störenden Quellen stellen und Methoden entwickeln, um mit diesen Störenfrieden umzugehen. Das Ziel muss so sein, dass möglichst keine Reaktionen von anderen Menschen verursacht werden. Wenn Reaktionen auftreten, entstehen auch Störungen. Patanjali ist der Meinung, dass diese Reaktionen auf der eigenen Schwäche und der mangelnden Selbsteinschätzung beruhen. Hier wird man an die Aussagen von Philosophen erinnert, bei deren Lehre der eigene mentale Friede bezüglich der Gesellschaft erschöpfend behandelt wird: ‚Gib mir den Willen zu ändern, was ich ändern kann; gib mir die Kraft zu ertragen, was ich ertragen kann; und gib mir die Weisheit beides voneinander zu unterscheiden.‘ Wenn man etwas ändert, fühlt man keine Furcht. Wenn man etwas nicht ändern kann, sollte man wiederum keine Furcht haben, denn es gibt keinen Grund beunruhigt darüber zu sein, was man nicht kann. Angst kommt nur auf, wenn man versucht, was man eigentlich nicht kann. An dieser Stellen fehlt die Weisheit über den Unterschied zwischen dem Möglichen und dem Unmöglichen. Es gibt gute und schlechte, glückliche und unglückliche Menschen. Wir müssen täglich mit ihnen umgehen, wenn wir mit ihnen in Berührung kommen. Wie sollten wir uns verhalten, wenn wir guten Menschen begegnen? Wir sollten nicht eifersüchtig sein, denn das bringt uns keinen Frieden (Mudita). Es gibt da eine Geschichte eines Philosophen aus früherer Zeit, der einen gut angezogene und mit hübschen Ornamenten ausgestatteten Menschen traf, und freudig ausrief: ‚Wie glücklich ich bin!‘ Woraufhin der Letztere fragte: ‚Warum bist du glücklich, wenn du den Besitz eines Anderen sieht?‘ – er antwortete: ‚Es macht nichts, ob ich oder du etwas besitzt. Ich bin glücklich, dass es so ist.‘ - Der beschränkte Geist möchte die Dinge für sich selbst. In der Existenz gibt es so etwas wie eine Zugehörigkeit nicht. Die Dinge sind. ‚Der Besitz‘ ist nicht Teil des universalen Gesetzes. Wenn wir einen guten Menschen sehen, sollten wir uns darüber freuen, dass Gutes in der Welt existiert, und nicht das Gute im anderen Menschen neiden.

Es gibt auch die Schlechten und die Bösen, die Anderen Schaden zufügen, und sich daran erfreuen. Obwohl die verschiedenen Gesetze unterschiedliche Reaktionen gegenüber diesen Menschen beschreiben, befasst sich Patanjali hauptsächlich mit dem Verhalten eines Yogaschülers bezüglich dieser üblen Subjekte. Er schlägt Gleichgültigkeit gegenüber diesen unerwünschten Elementen vor. Wir können die Existenz solcher Menschen ignorieren, und werden dadurch davon befreit, mit Üblem umzugehen. Sie berühren uns einfach nicht. Wir sollten uns so verhalten, dass es zu keiner Gegenreaktion kommt. Dazu müssen wir unser mentales Gleichgewicht bewahren. Es ist nicht immer notwendig, dass wir über derartige Menschen urteilen oder Bemerkungen über sie machen, auch wenn wir sie als Plage empfinden. Nichteinmischung wird viele unserer Probleme im Leben verhindern.

Den Glücklichen gegenüber, sollten wir uns freundlich zeigen (Maitri), und gegenüber den Kummervollen, sollten wir mitleidig (Karuna) sein. Dieses Verhalten dient dazu, um gegenüber äußeren Einflüssen durch bestimmte Menschen und Dinge mentale Störungen zu vermeiden, die auf ihre Art Beziehungen zu uns aufnehmen. Wo wir jedoch überhaupt keine Beziehungen haben, ergeben sich auch keine Schwierigkeiten.

Nach und nach ist es für (Abhyasa) die Praxis notwendig, Leidenschaftslosigkeit (Vairagya) zu entwickeln, wobei beide, wenn sie zur Vollkommenheit gebracht werden, den ganzen Yogaprozess ausmachen. Der Schüler sollte alles unterlassen, was die Sinne erregen könnte. Pratyahara ist nicht ohne ein losgelöstes Bewusstsein möglich. Leidenschaftslosigkeit ist keine durch den Willen ausgeübte Kraft, sondern ein Verstehen. In den Yogatexten spricht man von verschiedenen Stufen der Leidenschaftslosigkeit und es ist nicht möglich, gleich zur Spitze vorzustoßen. Diese erste Stufe wird Yatamana-Samjna oder das Bewusstsein der notwendigen Mühe genannt, um Leidenschaftslosigkeit zu erreichen. ‚Mir reicht es, und ich möchte frei sein‘, ist solch ein Bewusstsein, ein Versuch, das gewählte Ziel erfolgreich zu erreichen. Die zweite Stufe ist Vyatireka-Samjna, oder das Bewusstsein, bei den Bemühungen, Wichtiges vom Unwichtigen zu trennen. An dieser Stelle durchforstet der Schüler sein Leben, wobei das Notwendige und Nicht-Notwendige voneinander unterschieden wird, und die wahren Bemühungen festgelegt werden. Es muss klar erkannt werden, was wirklich Bindungen, Kum­mer und Ängste hervorruft, und was tunlichst vermieden werden sollte. Es ärgert uns nicht immer die ganze Welt, sondern nur bestimmte Dinge bedürfen unsere Aufmerksamkeit. Zu Anfang mag man glauben, dass die ganze Welt schlecht ist, doch langsam begreift man, dass nur wenige Dinge an der Misere schuld sind. Dann kommt die dritte Stufe, wo man wirklich mit höchsten Schwierigkeiten konfrontiert wird, und daran ist nur eine Ursache Schuld. Dieses ist Ekendriya-Samjna, oder das Bewusstsein als einziges Sinnesorgan, das den Kern der Schwierigkeiten auf dem Weg ausmacht. Ursprünglich glaubte der Schüler, dass die Zunge, die Augen usw. die Ursache für all seine Probleme sind. Alle Sinne wurden unter die Kontrolle genommen und beobachtet, so wie die Polizei bei einer Straftat eine Vielzahl vermeintlicher Täter in Haft nimmt, um den letztendlich richtigen Täter zu ermitteln. Wenn der Richtige nach der Untersuchung des Falles gefunden wurde, werden alle Anderen wieder freigelassen. Zuerst werden alle Sinne in Gewahrsam genommen; und dann wird erkannt, dass der Geist selbst die Ursache ist. Hier, in der dritten Stufe, wird der Schuldige unter die Lupe genommen. Die vierte Stufe ist Vasikara-Samjna oder die Meisterschaft des Bewusstseins durch die Abwesenheit des Wünschens, seien es versteckte oder offene Wünsche. Nichts Sichtbares in dieser Welt, und keine himmlische Freuden, die man nur hören kann, können jetzt noch den Yogaschüler tangieren. Es handelt sich allerdings nicht um eine körperliche Isolation, womit alle Objekte von der Einnahme (Trishna) ausgeschlossen werden. Der ‚Wille zur Freude (z.B. Freude am egoistischen Erfolg)‘ ist das Übel (in unserer heutigen Gesellschaft) und nicht die Objekte als solche, die durch ihre Urheber entstanden sind. Es ist unerheblich, wo man sich befindet; man kann vor der Welt nicht davonlaufen, denn sie ist überall. Die Wunschlosigkeit oder das Verlangen (Vaitrishnya) ist die höchste Kontrolle (Vasikara). Die Distanz von Objekten ist keine Leidenschaftslosigkeit, denn, wenn keine Objekte vorhanden sind, bleibt immer noch das Verlangen danach, sagt die Gita. Obwohl man im Traum nicht mit Objekten in Berührung ist, erfreut man sich trotzdem an ihnen. Freude und Vergnügen sind aufregend, selbst wenn die Objekte körperlich nicht vorhanden sind. Andererseits existiert kein Vergnügen, auch wenn die Objekte in körperlicher Reichweite sind, wenn der Geist von ihnen losgelöst ist. An Objekte zu denken, ist die erste Stufe des Wünschens. Durch den Gedanken bringt man sich näher an sie heran. Vollkommene Meisterschaft ist dann erreicht, wenn die Sinne nicht nach Objekten verlangen und der Geist nicht an Objekte denkt. Wenn diese Situation eintritt und funktioniert, was als die höchste Leidenschaftslosigkeit bezeichnet werden kann, dann ist der Zenit von Pratyahara erreicht.

Bezüglich der Selbstkontrolle können wir uns sehr gut auf das Beispiel aus der Kathopanishad beziehen, wobei die Sinne mit den Pferden und der Körper mit einem Wagen verglichen werden, der von den Pferden gezogen wird, die Sinnesobjekte bilden die Straße, auf dem sich das Gespann bewegt, der Intellekt ist der Wagenlenker, der Geist bildet den Zügel, mit dem die Pferde kontrolliert werden, und die Passagiere sind die Seele des Gefährts. Der Kutscher (Wagenlenker) lenkt die Pferde mit Hilfe der Zügel, die er in Händen hält. Der Körper ist der Wagen, der durch die Pferde ‚der Sinne‘ gezogen wird. Plato, der die Upanishad mit Sicherheit nicht kannte, benutzte einen ähnlichen Vergleich. Die Deutung dieses Symbols zeigt, wie wir uns selbst steuern müssen, um im Leben sicher bestehen zu können. Das ganze Leben eines Menschen muss ähnlich verlaufen, wie in Prat­yahara beschrieben. Der Wagenlenker muss ständig darauf achten, dass die Pferde nicht durchgehen und der Wagen nicht umkippen kann, und er darf deshalb die Zügel nicht schleifen lassen. Wachsamkeit ist Leben, und Leben ist Yoga. Ein gutes Leben ist ein ständiges Bemühen in der Kontrolle der Sinne und der Leidenschaften des dranghaften Selbst. Die störrischen Pferde laufen Amok, wenn sie nicht richtig gelenkt werden, und dann erreicht der Wagen nicht sein Ziel. Die Pferde wollen gern ihre eigenen Wege gehen. Sie neigen dazu, ständig ihre Richtung zu wechseln, und der Wagenlenker versucht sie deshalb zu zügeln. Genauso muss man die Sinne unter Kontrolle halten. Die Upanishad ermahnen uns, dass die Sinne nach außen gerichtet sind und niemals nach innen schauen können. Nur wenige Menschen sind in der Lage, ihre Sinne im Zaum zu halten, und Zeit zu finden, dass innere Licht zu bewahren. Die Sinne leben in einer Welt von Objekten, von Samsara oder irdischer Existenz, und darum ist Pratyahara notwendig, um das Sterbliche zum Unsterblichen zu erheben. Ein Gebet der Upanishad lautet: ‚Führe mich vom Unwirklichen zum Wirklichen, von der Dunkelheit zum Licht, von der Sterblichkeit zur Unsterblichkeit.‘ Dieses ist das Ziel der Selbstkontrolle, von Pratyahara im Yoga.

Abhyasa bedeutet Standhaftigkeit im eifrigen Üben, begleitet von unermüdlicher Geduld. Das Üben sollte nicht nur regelmäßig stattfinden, sondern mit tiefer Liebe (Satkara) verbunden sein. Es sollte über einen bestimmten Zeitraum (Dirghakala) und ohne Unterbrechungen (Nairantarya) erfolgen. Die fortgesetzte Übung sollte voller Hingabe sein, denn, wenn sie lediglich erzwungen wird, dann wird sie nicht zum Erfolg führen. Selbst ein Baby mag keinen Zwang; es bittet um Zuneigung. Der Geist muss verstehen lernen, wo sein Segen liegt. Solange dieses Verstehen nicht vorliegt, kann es keine Liebe geben, und ohne Liebe kommen keine Leistungen zu Stande. Niemand kann blindlings zu irgendetwas Vertrauen gewinnen und dazu gebracht werden, etwas gern zu mögen. Vairagya und Abhyasa sind beides Ergebnisse für ein umfangreiches Verstehen (Viveka), ein Unterscheidungsvermögen, was als Grundlage im Yoga gilt. Die notwendige Einschätzung ist nicht nur eine Einstellung, an der man festhält, sondern eine feste Überzeugung. Sich selbst auf ein bestimmtes Verhalten einzustellen und dabei nicht wankelmütig zu werden, ist Abhyasa. Es sollte Gleichförmigkeit auf Grund einer vorhandenen Harmonie in der Lebensführung vorherrschen. Die Menschen ändern ihre Meinungen, weil ihre Beurteilungen nicht korrekt sind. Das Leid im Leben hat seine Ursache teilweise in der Versklavung der eigenen Gefühle und den vorschnellen Urteilen über andere Menschen und Dinge. Spirituelle Praxis ist das beständige Bemühen des Bewusstseins. Das früher erwähnte Ekatattva-Abhyasa ist solch eine innere Überzeugung in eine Wirk­lichkeit, auf die eigene Konzentration für ein ausgewähltes Ideal oder für eine gegebene Methode. Es ist nicht leicht, Vairagya zu kultivieren oder in Abhyasa standfest zu sein. Harte Arbeit ist notwendig. Es ist nicht einfach, inmitten des weltlichen Tumults im Gleichgewicht zu bleiben. Der Pratyahara-Prozess offenbart, dass das Leben eine Schlacht, ein Bemühen um die Existenz ist.

Der Geist wird durch das Konservieren von Energie stabil, die er durch das Bemühen in der Selbstkontrolle gewinnt. Wenn die Kräfte der Sinne mit dem Geist in Einklang gebracht werden, sodass sie für sich allein keine eigene Existenz neben dem Geist mehr sind, der ihre Quelle ist, dann herrscht Pratyahara vor. Jetzt kehren die verschwenderischen ‚Söhne‘ heim. Nach einem Leben voller Ausschweifungen kehren die Sinne an einen Platz der Ruhe zurück. Der Geist hat seine Flatterhaftigkeit aufgegeben und ist zu einer ruhigen hell leuchtenden Flamme geworden. Er ist voll konzentriert und weicht nicht mehr von der Zielrichtung ab.

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Dharana oder die Konzentration

Nun kommt Yoga zu seinem wesentlichen Kern, und jetzt beginnt die letzte Schlacht des Yogi, die sein Schicksal entscheidet. Dieses ist die Stufe des Dharana oder die Konzentration des ganzen eigenen psychischen Seins (Chitta). Der immer währende Fluss des Dharana wird als Dhyana oder Meditation bezeichnet. Wenn Dharana der Tropfen ist, dann ist Dhyana der Fluss. Viele Konzentrationen bilden eine Meditation. Qualitativ unterscheiden sie sich nicht, doch funktionell gibt es einen Unterschied. In seinem Buch „Konzentration und Meditation“ ist Swami Sivananda sehr ausführlich darauf eingegangen.

Verschiedene Schulen haben unterschiedliche Methoden der Konzentration. Die Buddhisten haben ihre eigenen Methode, die Jains kennen wiederum andere. Das orthodoxe System in Indien hat ebenfalls eigene verschiedene Methoden. Die Art der Konzentration wird in gewisser Weise durch den Meditierenden und durch dessen Samskaras oder dessen psychischen Eindrücken bestimmt. Das ausgewählte Ziel wird zusätzlich durch das Innere des jeweiligen Schülers gesteuert. Wenn der Schüler in Dharana eintritt, weiß er etwas über seine persönliche Struktur. Er wird zum Beobachter seiner Selbst und zum Objekt seiner Studien.

Die Dharana-Praxis wurde bereits in Verbindung mit Pratyahara erklärt. Der Grund für das Bemühen um die geistige Konzentration ist derselbe, wie in der Pratyahara-Praxis. Sie ist von psychologischer Notwendigkeit mit einem tiefen philosophischen Hintergrund. Solange das ‚Warum‘ der Konzentration nicht ausreichend beantwortet wurde, wird man keine Zufriedenheit erlangen und man kann sie auch nicht vollen Herzens praktizieren. Viele Schüler wünschen die Konzentrationspraxis. Wenn man sie nach dem ‚Warum‘ fragt, haben sie keine richtige Antwort parat. Es sollte erst Klarheit herrschen, denn dieses ist die Quelle der Überzeugung, und ohne innere Überzeugung fehlt das Ideal. Die Konzentration ist das Kanalisieren der Chitta oder der psychischen Struktur innerhalb des universalen Seins. Dieses Ziel kann über viele Stufen in kleinen Schritten vom Endlichen zum Unendlichen erreicht werden.

Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass Kummer und Sorgen Hindernisse in der Yogapraxis sind. Auf Grund dieser Tatsache hat Patanjali diesen gegensteuernden Kräften viel Bedeutung beigemessen. Unglücklicherweise ist unser Leben immer von Sorgen begleitet, und wenn wir nach jemanden suchen würden, der frei von Sorgen ist, würden wir wahrscheinlich niemanden finden. Yoga kann nicht zum Erfolg führen, wenn wir uns bei dem, was immer wir auch tun, wie von Hunden gehetzt fühlen. Bevor irgendwelche Versuche in Pratyahara, Dharana oder Dhyana  gemacht werden, ist es notwendig, sich diesen quälenden Kräften der Welt zu entziehen. Und ein Schüler muss aus seiner Situation heraus in der Lage sein zu erkennen, was es heißt, den Geist im Gleichgewicht zu halten; denn diese Balance ist Yoga. Nur wenn wir auf Grund irgendwelcher Umstände aus dem Gleichgewicht geraten, treten Kummer und Sorgen auf. Und doch sind die ersten Stufen im Yoga nicht Pratyahara oder Dharana, sondern ein psychologisches Entwirren oder eine Inventur, wie es in der Geschäftswelt heißt, und ein bilanzieren der inneren Welt. Man muss herausfinden, wo man steht. Wie könnte man sich konzentrieren oder meditieren, wenn Schmerzen an den Lebenskräften zehren? Viele Probleme kommen durch wirtschaftliche Situationen, soziale oder familiäre, gesundheitliche oder psychische Umstände an die Oberfläche. Diese Aspekte müssen in die Betrachtung mit einbezogen werden. Wird ein Schüler, der über jemanden sehr verärgert ist, in der Lage sein, sich hinzusetzen und zu konzentrieren? Nein, denn sein Geist muss sich bereits mit etwas Anderem auseinander setzen, und ist darum nicht bereit sich zu konzentrieren. Er hat bereits etwas zu tun, denn er ist damit beschäftigt, sich mit der gegenwärtigen Situation zu versöhnen. Yoga ist ein positiver Zustand, der sich von allen Gefühlsempfindungen des Tages unterscheidet. Auf dem Yogaweg ist nichts Negatives vorhanden, weder im Geist noch in den Vorstellungen. Bedenken bzgl. Yoga entstehen auf Grund des Wunsches, seine Bedeutung richtig zu verstehen. Alle Qualen müssen ins rechte Licht gesetzt werden. Wie soll dies mit den persönlichen Problemen geschehen? Diese Probleme bedürfen einer individuell Betrachtung, denn die Antwort ist von Mensch zu Mensch verschieden. Genauso, wie ein Arzt seine Patienten individuell und nicht kollektiv behandeln kann. Jede Frage muss individuell beantwortet werden, es sei denn, alle Fragen haben einen ähnlichen Charakter.

Es muss nicht betont werden, dass ein Guru erforderlich ist, und dass man in der Lage sein sollte, die Sinne und insbesondere den Drang nach sexueller Betätigung zu kontrollieren. Der Schüler darf nicht nach weltlichen Dingen drängen und gleichzeitig nach Glückseligkeit im Yoga streben. Wenn man sich auf den Yogapfad begibt, deutet dies darauf hin, dass man in den Augen der Sinnenwelt Verluste erleidet. Der Schüler sollte entscheiden, was er will. Möchte er Bequemlichkeit, Lob und Ruhm ernten oder möchte er sich ehrlich auf den Weg der Selbstbeschränkung und der Konzentration des Geistes begeben? Ein Versuch im Yoga kann mit Hunger, Hitze, Kälte und dem richtigen Platz im Leben zu einem früheren Zeitpunkt probiert werden. Für einen Schüler ist nichts Anderes notwendig, als die Wünsche zu minimieren. Wenn man sich Yoga zuwendet, dann muss man ehrlich damit umgehen. Bei Yoga oder bei irgendwelchen Experimenten um Wunder hört der Spaß auf. Das ganze Sein und nicht nur ein Teil des Schülers geht zum Yoga. Darum ist eine Selbstanalyse von größter Bedeutung, und nur der Schüler selbst kann letztendlich die Antworten geben, denn diese Fragen und Antworten sind derart persönlich, dass sie sich auf das eigene Denken beziehen, und nur er selbst kann dies beantworten. Viele unser Probleme kommen nicht von unserem äußeren Umfeld, sondern von unseren eigenen Gedanken. Wir haben bestimmte Erwartungen. Doch nichts geschieht. Was machen wir dann? Können wir die Welt verändern? Wenn wir versuchen, die äußeren Bedingungen zu ändern, werden wir häufig genug enttäuscht, denn die Welt ist nicht nur außerhalb von uns selbst. Wir müssen uns entweder selbst in die Welt einbringen oder umgekehrt. Viele haben es mit der ersten Alternative versucht und sind kläglich gescheitert, um dann dorthin zurückzukehren, woher sie gekommen waren. Wir müssen zuerst lernen zu leben; sonst werden wir zu Verlierern und niemand wird auf unser Gejammer hören. Dieses ist der Weg der Selbstanalyse, wobei der Schüler seine gegenwärtige Situation verstehen lernt. Die Analyse der körperlichen und sozialen Beziehungen sollte auch auf die moralischen und spirituellen Fragen übertragen werden, denn nur dann kann Konzentration und Meditation des Geistes stattfinden. Es sollte ein Gleichgewicht der Kräfte nicht auf der sozialen und wirtschaftlichen Ebene vorherrschen, sondern auch im Geist und in der Seele. Man sollte mit der Schöpfung Gottes zufrieden sein. An dieser Stelle sollte der Schüler aufrichtig erfreut sein, und allein diese Freude ist eine Form der Konzentration. Da die Konzentration des Geistes viel mit der inneren Zufriedenheit zu tun hat, kann keine Konzentration stattfinden, wenn man sich unglücklich fühlt. Jemand der unglücklich ist, kann kein Yogaschüler sein. Wir wenden uns nicht Yoga zu, weil uns die Menschen in der Welt nicht mögen, sondern weil uns Yoga etwas Substanzielles und Positives gibt.

Psychologische Zufriedenheit, hervorgerufen durch Selbstanalyse, ist eine große Hilfe für die Konzentration. Manchmal wird man durch zu viele Gedanken in der Konzentration gestört, wobei diese Gedanken nichts mit dem Yogaziel zu tun haben. Doch Patanjali sagt, dass man lernen muss, auch mit diesen gegensätzlichen Gedanken und Gefühlen (Pratipaksha-Bhavana) fertig zu werden. Es dient dazu, auch die gegensätzlichen Kräfte zu akzeptieren. Wenn ein bestimmtes Sinnesorgan Schwierigkeiten macht, sollte sich der Schüler ganz speziell mit den übrigen Organen beschäftigen, um die Energien zu verlagern, wobei das erkrankte Organ entlastet wird. Wenn man sich durch sexuelle Gedanken belästigt fühlt, sollte man an Hanuman oder Bhishma denken. Lass den Geist sich damit beschäftigen, wie Hanuman seine Kräfte sammelt, seinen Charakter und seine Schönheit herausputzt, oder lass den Geist an die Tapferkeit des Helden Bhishma denken und meditiere darüber. Das Verlangen wird auf Grund von höheren Gedanken, mit denen sich der Geist auseinander setzt, langsam verschwinden. Wenn jemand krankhaft ärgerlich ist, sollte er an Buddha denken. Was für eine ruhende Persönlichkeit, welch noble Haltung, Freundlichkeit, Sympathie, Nüchternheit, die durch äußere Ereignisse unangreifbar ist, ein wahrhaft versöhnliches Verständnis und welch eine Zuneigung hat Buddha. Dann verschwindet der Ärger von allein. Wenn Ärger den Geist überflutet, kommen solch noblen Gedanken nicht in den Sinn. Doch die tägliche Praxis wird im Geist Samskaras (Engramme) erzeugen, die mit der Zeit diese negativen Gedanken verhindern werden; und selbst wenn diese negativen Gedanken aufkommen sollten, werden sie nicht machtvoll genug sein, um den inneren Frieden zu stören. Dieses ist die Methode des ‚Auswechseln‘ mit Hilfe der Psychoanalyse.

Die drei Methoden, mit denen sich der Geist normalerweise beschäftigt, sind Verdrängung, Ersetzung und Läuterung (innere Erhebung/Vergeistigung). Die Läuterung ist der richtige Weg, doch kann man ihn offensichtlich nicht immer beschreiten. Die Menschen verdrängen ihre Wünsche auf Grund gesellschaftlicher Tabus ins Unterbewusstsein, doch später verursachen sie Komplikationen. Verdrängen ist kein Allheilmittel. Wenn man die eigenen Wünsche nicht erfüllen kann, schluckt man sie hinunter, was auf längere Zeit zu Komplikationen führen kann, die in verschiedenste Krankheiten münden. Die Stimmungen der Menschen sind nichts weiter als gelegentliche Ausbrüche unterdrückter Gefühle und Verhaltensweisen. Das Unterdrücken wird von Patanjali nicht empfohlen, obwohl er Ersetzung als einen Mittelweg zur Läuterung durch Yoga vorschlägt.

Der Konzentrationspunkt kann außerhalb, innerhalb oder im Universalen sein. Der Schüler kann dabei an etwas Äußeres, Inneres oder an keines von beiden, sondern an etwas Unsichtbares denken. Jeder dieser Gedanken kann zum Zweck der Konzentration gewählt werden. Zu Anfang kann man sich auf etwas Äußeres konzentrieren. Die Konzentration auf etwas Inneres ist die Mittelstufe und der Gedanke an das Universale wird als die letzte Stufe angesehen. Man beginnt mit dem Äußeren, geht zum Inneren und erreicht das Universale. Wir sehen die äußere Welt und denken immer daran, weil wir sie als real ansehen. Dieser Gedanke kann nicht einfach ignoriert werden, denn die Wirklichkeit kann nicht ignoriert werden. Wenn der Geist die Wirklichkeit in der Welt wahrnimmt, kann sie nicht im Stich gelassen werden, denn die Wirklichkeit unterscheidet sich nicht von uns selbst. Wenn sich der Geist anderweitig beschäftigt, was er als real ansieht, so glauben wir in unserem Geist künstlich eine Konzentration zu erzeugen. So werden wir natürlich scheitern. Darum muss der Schüler, bevor er mit der Konzentration beginnt, durch die Praxis der Yamas und Niyamas ein richtiges Verständnis für die Welt und die Gesellschaft bekommen. Wenn der Schüler mit sich und der Welt nicht im Reinen ist, kann er kein Yoga in ihr praktizieren. Patanjali empfiehlt die Yama und Niyamas, um Frieden mit sich und der Welt zu erreichen. Asanas und Pranayama sind dazu da, um Frieden und Harmonie mit den Muskeln, dem Nervensystem und der Lebensenergie zu schaffen. Pratyahara bringt Frieden mit dem Geist. Yoga ist eine Wissenschaft des Friedens. Unsere äußere Welt haben wir durch die Yamas in Ordnung gebracht, und wir haben ein Verständnis für uns selbst durch die Niyamas und durch Vichara oder Selbstanalyse bekommen. Wir haben auch eine gewisse Kontrolle über die Muskeln durch Asanas, über die Nerven und Prana durch Pranayama erreicht. Wir haben durch Pratyahara in uns Kompromisse erzielt, indem wir uns direkt auf unsere Problemfelder konzentriert haben.

Worauf sollte man sich konzentrieren? Zu Anfang sollte sich der Konzentrationspunkt außerhalb befinden, sodass die Konzentration leichter fällt, denn der Geist neigt dazu, nach draußen zu wandern. Doch dies heißt nicht, dass man dem unendlich nachgeben muss. Man sollte dem Geist natürlich eine gewisse Freiheit gewähren, doch sollte dies in einem begrenzten Rahmen geschehen. Die geistigen Aktivitäten sollten schrittweise eingeschränkt werden. Der Geist bewegt sich in einem immer weiter eingeschränkten Rahmen. Der Rahmen der geistigen Aktivitäten wird in dem Sinne immer enger, wie der Grad der Konzentration zunimmt. Am Anfang, kann sich der Schüler auf jeden x-beliebigen Punkt konzentrieren. Es wird ein großer Spielraum zugestanden, so wie bei einem Kind oder Wildtier in der Trainingsphase. Satsanga und Svadhyaya sind zum Beispiel Methoden, die man zur Einschränkung der geistigen Aktivitäten anwenden kann. Anstatt irgendwelcher Freizeitaktivitäten nachzugehen, geht man zum Satsanga oder besucht heilige Plätze oder einen Schrein. Anstatt wahllos alle Sorten der Literatur in sich reinzuziehen, liest man philosophische und erhebende Schriften. All dies trägt dazu bei, um den Geist in seinen Aktivitäten weiter einzuschränken. Anstatt mit irgendwelchen Leuten zu klönen, werden die Gespräche auf das Notwendige beschränkt. Die lange Leitung wird gekappt. Der Radius wird eingeschränkt. Diese Praxis ist der Anfang eines wahren religiösen Lebens. Wenn man ein eher religiöses als ein weltliches Leben lebt, möchte man im Yoga den Spielraum des Geistes bald noch weiter einschränken. Und es kommt der Zeitpunkt, wo man sich lieber an einem Platz zu einem spirituellen Leben niederlassen möchte als noch länger heilige Plätze zu besuchen, und damit hat man seinen Geist weiter eingeschränkt. Wenn man sich an einem bestimmten Platz niedergelassen hat, erarbeitet man sich ein tägliches Programm, wo es keinen Programmpunkt ohne Yoga gibt. Manchmal hat man noch Punkte dabei, die jedoch nur indirekt mit Yoga zu tun haben, doch werden auch diese schrittweise integriert, sodass nichts ohne Yoga übrig bleibt. Das ganze Tagesprogramm ist auf Yoga ausgerichtet und bestimmt fortan das Leben. Das, was sich der Schüler als tägliches Programm auserwählt hat, sollte aneinander gereiht an vielen Tagen sein ganzes Leben ausfüllen. Das tägliche Programm sollte darum mit seinem Lebensprogramm übereinstimmen. Der Schüler sollte sich nicht mehr mit etwas beschäftigen wollen, was außerhalb der Spiritualität liegt. In seinem täglichen Programm sollten bestimmte Dinge wie das Studium von Schriften eine Rolle spielen, die man so lange nicht außer Acht lassen darf, bis der Geist von ihnen durchdrungen ist und es keinen Bedarf mehr dafür gibt. Das Studium der heiligen Schriften (Svadhyaya) ist notwendig, weil man sich damit für höhere Gedanken öffnet und den Charakter verfeinert. Parallel dazu sollte Zuflucht in Japa (Wiederholung) von Mantra (mystische Formel) gesucht werden. Japa ist direkt mit Dhyana verbunden. Svadhyaya, Japa und Dhyana sind direkt miteinander verbunden. Sie sind wichtig und bilden einen vollkommenen Yogakursus. Japa ist eine intensivere Sadhana als Svadhyaya und Dhyana ist intensiver als Japa.

Dharana, Dhyana und Samadhi werden als der innere und wahre Yoga betrachtet, wohingegen alles Andere zusätzliche Extras sind. Yama, Niyama, Asana, Pranayama und Pratyahara bilden den äußeren Yoga (Bahiranga), während Dharana, Dhyana und Samadhi den inneren Yoga umfassen (Antaranga). Der innere Yoga ist die reine Aktivität des Geistes (Antahkarana), unabhängig von den Sinnen. Während die Sinne im Pratyahara eine Rolle spielen, so sind sie im Dharana nicht mehr länger wirksam. Wir sind beinahe an dem innersten Punkt der Persönlichkeit angekommen, wobei die äußeren Aktivitäten und die Beziehungen aufgegeben wurden. Der Geist ist mächtig geworden, denn er verschwendet keine Energien mehr durch die Aktivitäten der Sinne. Die meisten Leute beklagen die Schwäche des Geistes und des Willens, weil sehr viel Energie durch die Kanäle der Sinne versickern. Die Sinne neigen zur Verschwendung der zentralen Energie im menschlichen System, und solange diese Energieverschwendung nicht unterbunden wird, wird auch der Wille schwach bleiben, und darum wird so viel Wert auf die Kontrolle der Sinne gelegt. Der Geist, der in sich selbst Energie konserviert, wird mächtiger als es zunächst seinen Anschein hat. Er ist jetzt für die letzten Yogastufen bereit, - Konzentration und Meditation. Er hat kennt keine Probleme mehr, denn er hat all seine äußeren bedrohlichen Verbindungen durch das Zurückziehen nach innen durchtrennt. Jetzt beginnt die Konzentration.

Trotz aller Bemühungen des Schülers, kommt die Konzentration nicht plötzlich. Der Geist hat die Angewohnheit, sich in einer Vielfalt zu bewegen. Um ihn von dieser Vielfalt weg auf einen Punkt zu bringen, bedarf es großer Anstrengungen. Der Geist akzeptiert dies nicht. Zu Anfang reagiert er widerwillig und späterhin ergeben sich Schwierigkeiten bei der Konzentration überhaupt. Doch wenn die Praxis von richtiger Selbstanalyse und einem richtigen Verstehen begleitet wird, wird der Geist in der Lage sein, einerseits den Hintergrund zu erkennen und andererseits erkennen, was von ihm erwartet wird. Der Geist ist nur schwer in der Lage, unlogische Konstrukte anzunehmen. Bevor man sich ein Programm ausarbeitet, sollte man daran denken, dass der Geist nur methodische und logische Gedankengänge leicht erfassen kann. Er mag nur Systematik, Symmetrie, Harmonie, Schönheit, Ordnung usw. Er mag kein Durcheinander, denn er wurde in einem Ordnungssystem erschaffen. Ohne jeglichen Hintergrund, mag man auch keine spontane Handlungen. Die Funktionsweise des Geistes unterliegt einer Logik. Man sollte sich nicht auf Dinge stürzen und voreilige Schlüsse ziehen. Viele leiden darunter, denn sie sind nicht in der Lage, alle Sichtweise in ihre Beurteilungen einzubeziehen. Nicht alle Menschen beurteilen alle Seiten einer Medaille, und dieses führt zu einem Unwohlsein des Geistes. Ein Programm, das man ständig anpassen muss, ist kein wohl durchdachtes Programm. Lass keine Notwendigkeit zur Änderung für eine Entscheidung aufkom­men. Lass es gut durchdacht sein, auch wenn die Ausarbeitung viele Tage in Anspruch nimmt. Lass auch eine Schönheit im Denken sein, denn in der äußeren Welt existiert auch Schönheit. Je logischer man sich verhält, desto glücklicher wird man. Es ist jedoch notwendig, den Boden mit einer sorgfältigen Analyse der Situation der eigenen Persönlichkeit vorzubereiten. ‚Ich möchte Gott‘, sollte nicht die plötzliche Antwort des Schülers sein, wenn er über sein Ziel befragt wird. Man kann solange nicht nach Gott verlangen, wie man keine Vorstellungen davon hat, was Gott bedeutet. Viele Menschen haben die Vorstellung, dass man sich bei dem Wunsch nach Gott darauf vorbereitet, einer großen und mächtigen Person zu begegnen. Einige wollen nach Gott suchen, um zu einer großen Autorität zu werden, um über Andere Einfluss zu gewinnen und um ihr Wissen zur Schau zu stellen. Wenn Gott Vollkommenheit ist, so ist es überraschend, dass ER eine Persönlichkeit wie ein Mensch sein sollte.

Logisches Denken ist eine Möglichkeit, um die Konzentrationsfähigkeit zu erhöhen. Eine Bestätigung für die Gedankenlogik ist das positive Empfinden als Ergebnis, wenn die Gedanken mit dieser Methode geordnet werden. Man fühlt sich auf Grund der Vollkommenheit durch das logische System im Geist wohl. Logik ist eine Form psychologischer Vollkommenheit, und jede Vollkommenheit bedeutet Freude.

Nachdem man das Lebensprogramm und das tägliche Programm richtig ausgearbeitet hat, muss man die tägliche Sadhana betrachten: ‚Welche Sadhana sollte ich ausüben?‘ Darüber sollte der Yogaschüler ernsthaft nachsinnen. Wenn man einer Yoga-Lecture gelauscht hat, so heißt das nicht, dass man seinen Weg klar vor Augen hat. Selbst wenn man vielen Unterweisungen zugehört hat, kann es sein, dass man immer noch grundlegende Schwierigkeiten hat, die richtige Auswahl bei der Methode, mit den damit verbundenen Inhalten zu treffen. Wenn man mit der praktischen Anwendung konfrontiert wird, können sich unvorhergesehene Probleme einstellen. Dieses sind individuelle Schwierigkeiten, die nicht bei einer öffentlichen Lecture besprochen werden können. Zunächst ist es notwendig, das eigene Temperament richtig einzuschätzen, und darauf aufbauend, den individuellen Fall zu betrachten. Insoweit, wie jeder Geist in sich besondere Neigungen und ein spezielles Temperament hat, müssen bestimmte Details, auf den individuellen Geist zugeschnitten, bedacht werden. Obwohl es richtig ist, dass die Konzentration der Sinn aller Sadhana ist, so unterscheidet sich die Art der Vorbereitungen für die Konzentration je nach Yogasystem. Konzentration ist eine unpersönliche Handlung des Geistes, weil bei diesem inneren Abenteuer der Geist versucht, seine Persönlichkeit schrittweise abzuschütteln, indem er sich selbst durch die Anforderungen, die das Universum bestimmt, entgegenkommt. Das Individuum, als untrennbarer Teil des Kosmos, kann in keiner Weise und zu keiner Zeit die Loyalität zum kosmischen Organismus leugnen, und für die Konzentration, in der Sprache des Yoga, gilt der gleiche Grundsatz in Bezug auf den Geist, d.h., sie muss als Teil des Geistes mit einer Beziehung zu einer höherstehenden Herrschaft akzeptiert werden, nämlich dem Reich Gottes oder dem Universum.

Patanjali hat in seinen Sutras über Yoga verschiedene Möglichkeiten der Konzentration auf äußere, innere und universale Punkte empfohlen. Eine länger anhaltende und intensivierte Form der Konzentration wird als Meditation bezeichnet.

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Dhyana oder Meditation

Die Spitze des Yoga liegt in der Auflösung des Geistes in das Meditationsobjekt. Die ganze Technik beinhaltet das Einstimmen des subjektiven Bewusstseins als Ganzes auf die Struktur des Konzentrationsobjektes. Normalerweise ist das Objekt vom Bewusstsein getrennt, sodass es materiell unabhängig ist. Es ist auch nicht in der Lage, sich mit dem Bewusstsein zu verbinden. Nach dem Samkhya-System scheint es nicht so, dass in der Wahrnehmung eines Objektes das Bewusstsein völlig unabhängig ist und durch das Objekt, von dem es sich aus irgendwelchen Gründen angezogen fühlt, wobei die Gründe im Objekt selbst liegen, unbeeinflusst bleibt. Gemäß dem Samkhya-System unterscheidet sich das Objekt von dem subjektiven Bewusstsein völlig, das Objekt ist eine Form der Prakriti, und das Bewusstsein ist eine Offenbarung der Purusha, wenn auch in der Handlung des Erkennens oder Wahrnehmens individuell. Die Purusha ist gemäß Samkhya von Natur aus unendlich, und doch hat sie eine Rolle der Wahrnehmung, die bezogen auf das Objekt lokal und endlich ist, wobei das Wissen der Purusha ursprünglich unendlich ist. Diese Verwicklung der unendlichen Purusha in einer endlichen Beziehung zu einer Form der Prakriti bindet die Purusha. Die Möglichkeit zur Befreiung der Purusha liegt in der Rückkehr zu ihrem Originalzustand, der Unendlichkeit, in dem sie sich gewissermaßen von ihren Beziehungen zu den Objekten, den Prakritis, löst. Das Yogasystem von Patanjali ist letztendlich das hohe Lied auf die Notwendigkeit, alle Beziehungen auf Seiten des Bewusstseins hinsichtlich der Verwicklungen in Äußerliches oder in Objekte zu durchtrennen, angefangen von den gesellschaftlichen Beziehungen und den Verwicklungen in den körperlichen Organismus; es geht weiter mit der psychischen Struktur des Antahkarana oder den inneren Organen, der Kausalität der Unwissenheit, und es hört bei dem Antrieb auf, in irgendetwas Endliches eintreten zu wollen. Yama, Niyama, Asana, Pranayama, Pratyahara, Dharana, Dhyana und Samadhi sind die Stufen eines schrittweisen Zurückziehens des Bewusstseins von äußeren Kontakten und gleichzeitig ein immer weiteres Ausdehnen des eigenen Selbst, was in der Unendlichkeit gipfelt, die das Wesen darstellt. Während das Loslösen des Bewusstsein von der Gesellschaft, dem Körper, dem Geist und dem Intellekt durch die Praxis von Yama, Niyama, Asana, Pranayama, Pratyahara, Dharana und Dhyana erreicht wird, was aus Sicht des Suchenden in gewisser Weise verständlich ist, so ist das höhere aufeinander Abstimmen, was als Samadhi bekannt ist, und wo es nur spärliche Informationen in den Sutras gibt, weitaus schwerer zu verstehen, und dies mag für den menschlichen Geist unmöglich erscheinen, denn der Geist ist, ohne jedes Bewusstsein über andere Werte, gesellschaftlich verstrickt und tief in ein Körperbewusstsein versunken.

 Während Konzentration als die Verkettung des Geistes hin zu einem Punkt der Aufmerksamkeit definiert wird, - gleichgültig, ob dieser Punkt äußerlich, innerlich oder universal ist, - so wird die Meditation als ein kontinuierlicher Fluss beschrieben, der sich von dem meditierenden Subjekt auf das Objekt der Meditation zubewegt. Es sind vier Faktoren in Dharana oder der Meditation enthalten, d.h. erstens der Ausschluss von belanglosen Gedanken, die nichts mit dem Objekt der Konzentration zu tun haben, zweitens der Gedanke der eignen Subjektivität, drittens der Konzentrationsprozess, und viertens das Objekt, auf den sich die Konzentration richtet. Doch in Dhyana oder Meditation existieren nur drei Prozesse, wobei die Frage vom Ausschluss belangloser Gedanken sich nicht ergibt, wenn sich der Gedanke in der Meditation so weit selbst vertieft, dass ihn nichts mehr außerhalb des Meditationsobjektes beeinflussen kann.

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Samadhi oder Überbewusstsein

Obwohl die höheren Ebenen der Meditation untrennbar von den als Samapattis oder Samadhis in der Sprache von Patanjali sind, so kann zwischen beiden in dem Sinne unterschieden werden, dass einerseits Dhyana oder Meditation aus dem erwähnten dreifachen Prozess gebildet wird und andererseits in Samadhi der ganze Prozess sich mit dem Objekt vereint, was in gewisser Weise mit dem Fluss verglichen werden kann, der in den Ozean eintritt, wobei sich in seiner Existenz der Fluss auflöst und zum Ozean wird. Hier erzählt Patanjali von einer interessanten Angelegenheit, d.h., dass unter dieser Bedingung der Wahrnehmende, das Objekt und das Medium oder der Prozess der Wahrnehmung parallel und gleichrangig verlaufen, so als würden drei Seen oder die Inhalte dreier Wasserbehälter zu einem Gewässer, in dem alle drei Qualitäten gleichermaßen vorhanden sind. Die Drei wurden zu Einem, und niemand weiß, wer Subjekt, Objekt oder Prozess ist.

Die Meditation führt zu einem Ziel, das als Samapattis bekannt ist. Bei dem ausgewählten Objekt kann es sich um etwas Bestimmtes oder Unbestimmtes, etwas Begriffliches oder Unbegreifbares handeln, da das letzte Ziel in einer Auflösung des Bewusstseins in das kosmische Selbst, das aus den fünf großen Elementen oder Mahabhutas besteht, d.h. Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther.

Patanjali spricht bei diesen Zuständen von den Vitarka-, Vichara-, Ananda- und Asmita-Zuständen, die wiederum in die bekannten Ebenen Savitarka, Nirvitarka, Savichara, Nirvichara, Sananda und Sasmita unterteilt sind. Diese Samapattis sind abgestufte Ebenen des meditierenden Bewusstseins mit den kosmologischen Kategorien, wie sie in der Samkhya-Philosophie erwähnt werden. Die untersten Formen der Offenbarung der Prakriti sind die fünf erwähnten Elemente, die in ihrer grobstofflichen Form in jede kleinere Form der Welt eintreten und die vielen mit den Sinnen wahrnehmbaren Objekte bilden.

Patanjali hat ein besonderes Rezept, um auf ein Objekt in seiner reinen Form zu kontemplieren, wobei dieses Objekt frei von seinen Verstrickungen, wie bei der Sinneswahrnehmung, ist. Wenn wir von einem Objekt sprechen, denken wir an ein bestimmtes Muster einer Idee oder eine beschriebene Charakteristik, die mit einem Ding einhergeht, das nicht bekannt ist, ausgenommen als umschriebene Idee oder als die Form, wie wir sie wahrnehmen. Hier werden wir an eine Formulierung des deutschen Philosophen Emanuel Kant erinnert, der die Möglichkeit ausgeschlossen hatte, dass ein Ding-in-sich-selbst, neben Raum und Zeit, erkannt werden kann, was er als die Kategorien des Verstehens, wie Quantität, Qualität, Beziehung und Modalität, bezeichnete. Dieses ist vielleicht der Grund, warum wir uns des Kerns nicht gewahr werden, wobei wir sogar eine Philosophie der Wirklichkeit entwickeln, denn alles Wissen ist phänomenal und von Raum, Zeit und den Kategorien begrenzt. Kant beharrte darauf, dass diese Vorstellung von Gott, der Freiheit und der Unsterblichkeit, lediglich als regelnde Prinzipien wirken, die im Verstand arbeiten, aber seit Urzeiten nicht zu Objekten des Verstandes geworden sind und werden, da seine Funktionen durch das Phänomen an sich begrenzt sind. Dieser Punkt wird durch indische Philosophen unterstrichen, was sich kritische Philosophen nicht verstellen können, d.h., dass es nicht nur möglich, sondern notwendig ist, dass das Ding-in-sich-selbst nicht nur durch den direkten Kontakt, sondern durch die Verbindung (Einheit) mit ihm, bereits bekannt sein muss, was wirklich Yoga ist. Patanjali bezeichnete die phänomenalen Kategorien als Sabda und Jnana, und das Ding-in-sich-selbst ist Artha. Das Ziel des Yoga ist, das Bewusstsein mit dem Ding-in-sich-selbst zu vereinen, d.h. mit Artha. Obwohl es unter normalen Umständen auf Grund der Einmischung von Raum und Zeit und den logischen Kategorien des Geistes nicht möglich ist, mit den Objekten Kontakt aufzunehmen, gibt es doch einen für die logische Philosophie unbekannten Weg, bei dem das Subjekt und das Objekt Eins werden, nämlich, durch Yoga als vollkommene Erfahrung.

In der Savitarka Samapatti wird auf das hinter dem Objekt oder Artha stehende Sabda und Jnana, seinen Namen und seine Idee, kontempliert. Doch dieses ist eine andere Art von Bewusstsein, das sich von der normalen Wahrnehmung der Dinge unterscheidet, denn, in einem Samapatti findet eine Auflösung des Bewusstseins in dem kontemplierten Objekt statt, und dessen Form ist nicht mehr länger als ein äußeres Objekt, das durch die Aktivität der Sinne, selbst in diesem Zustand der dreifachen Verstrickung, wahrnehmbar ist. In einer höheren Stufe, die als Nirvitarka Samapatti bekannt ist, ist die physische Form des Objektes, unabhängig von Sabda und Jnana, das Objekt der Auflösung. An dieser Stelle kann das ganze physikalische Universum der fünf Elemente oder jedes andere Objekt zur Meditation ausgewählt werden. In der kosmologischen Aufzählung der Kategorien der Samkhya, befinden sich die höher als die fünf physischen Elemente entwickelten Tanmatras oder feineren Potenziale dieser Elemente, die als Sabda, Sparsa, Rupa, Rasa und Gandha bekannt sind, und was so viel wie Klang, Berührung, Form, Geschmack und Geruch bedeutet, als Objekte der Erfahrung. Wenn diese Tanmatras zum Objekt der Meditation werden, oder mehr noch zu einem Aufgehen darin führen, wie man es sich unter den Bedingungen von Raum und Zeit vorgestellt hat, so wird dieses Ziel als Savichara Samapatti bezeichnet. Wenn die selben Tanmatras zu Objekten des Aufgehens (Auflösens) werden, unabhängig von Raum und Zeit und darüber hinaus gehen, wird diese Erfahrung als Nirvichara Samapatti bezeichnet. Wenn diese Stufe durch einen Yogi erreicht wird, dann erreicht er die vollkommene Meisterschaft über die Elemente und die Mächte der Natur; und diese Vollkommenheit verursacht immense Freude, die nicht durch die Berührung mit irgendwelchen Dingen erreicht werden kann, sondern durch das Erreichen der Freiheit durch die Vereinigung mit dem kosmischen Ahamkara und Mahat, die die Allwissenheit und Allgegenwart des ganzen Universums ist. Diese Freude bedeutet das Erreichen von Sananda Samapatti, wenn die Erfahrung ihren Höhepunkt erreicht, und das ganze Universum als der Eigene Körper und nicht mehr länger als ein Objekt der Wahrnehmung erkannt wird, wenn es kein Universum mehr gibt, sondern ein reines kosmisches Erfahrungs-Ganzes, in dem das kosmische Subjekt mit dem kosmischen Objekt eine Einheit bildet. Dann herrscht eine Verwirklichung des Absoluten ‚Ich‘ vor. Diese universale Selbsterfahrung ist als Sasmita Samapatti bekannt.

All die zuvor erwähnten sechs Stufen von Samapatti sind unter dem Begriff Sabija Samadhi oder als die Vereinigung mit dem Überrest eines Saatkorns des Selbstbewusstseins bekannt, obgleich es von universaler Natur ist. Wenn man selbst dieses Selbstbewusstsein übersteigt und nur das Absolute in der Erfahrung vorherrscht, dann nennt man es Nirbija Samadhi oder das saatlose Ziel der Absoluten Unabhängigkeit. Das höchste erfahrbare Ziel ist Kaivalya Moksha oder die Absolute Freiheit in der Absoluten Wirklichkeit.

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