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Yoga Artikel | Stressmanagement Diplomarbeit Elke Kraus  |

       

Stressmanagement

- 5. Ausgewählte Entspannungsverfahren -

 

 

Entspannungsverfahren sind Methoden, die historisch gesehen weit zurückreichen, in schriftlichen Aufzeichnungen bis ins zweite Jahrtausend vor Christus. Hinweise sind beispielsweise bei den frühgeschichtlichen Sumerern im Gilgamesch-Epos, in den indischen Veden und bei den alten Ägyptern zu finden. Im antiken Griechenland bediente sich der Äskulapkult (um 400 v.Chr.) des Heilschlafes und des Traumheilens. Ferner verwenden viele Naturvölker in Afrika, Indien, Australien und Borneo ähnliche Praktiken. Ihnen ist allen gemeinsam, dass sie entweder der Heilung von Krankheiten (meist durch Priester, Schamanen oder Medizinmänner), oder religiösen bzw. mystischen Zwecken (Geisterbeschwörung, Seelenwanderung, Methode zur Selbstfindung bzw. Erleuchtung) dienen (vgl. Kossak 20002, S. 159).
Wie einleitend schon erwähnt, stelle ich in der vorliegenden Arbeit drei ausgewählte Entspannungsverfahren als Bewältigungsmaßnahme von Stress vor: die Progressive Muskelentspannung, das Autogene Training und den Yoga. Ich habe speziell diese drei Methoden ausgewählt, da ich selber die Erfahrung gemacht habe, dass mittels dieser Verfahren ein umfassendes Stressmanagement gelingt. Da ich mich als Person begreife, und in zunehmendem Maße erfahre und erkenne, dass Körper, Geist und Seele eine Einheit bilden, sind alle drei Verfahren geeignet, mich im Ganzen zu entspannen, gleichwohl sie schwerpunkthaft unterschiedliche Zugänge wählen. Grundsätzlich ruft jedes Entspannungsverfahren körperliche Veränderungen hervor. „Sie können einmal primäres Ziel einer Entspannungsmethode sein oder sich sekundär als spontane Begleiterscheinungen einstellen“ (Vaitl; Petermann 20002, S. 29). Die Methoden unterscheiden sich also im Grad der Gewichtung, die sie der körperlichen oder geistigen Entspannung beimessen. „So zielen beispielsweise das Autogene Training oder die Progressive Muskelentspannung direkt auf spezifische körperliche Veränderungen ab, z.B. auf muskuläre Entspannung oder Erweiterung der Blutgefäße. [...] Im Unterschied dazu sind die Meditationsverfahren primär an mentalen Veränderungen interessiert, obgleich auch sie nicht ohne körperbezogene Vorübungen auskommen (bestimmte Körperpositionen und Atemübungen [...]) und körperliche Veränderungen hervorrufen“ (S. 29; Auslassungen: E. K.). Die drei ausgewählten Entspannungsverfahren, repräsentieren diese unterschiedlichen Akzentuierungen:
• Progressive Muskelentspannung: Körperliche Entspannung spezifischer Muskelgruppen, • Autogenes Training: Allgemeine geistig-körperliche Entspannung durch „autosuggestive“ Körpererfahrung,
• Yoga: Allgemeine geistig-körperliche Entspannung durch Bewegung, Körpererfahrung und Kontemplation


5.1 Die Progressive Muskelentspannung

5.1.1 Geschichtliche Aspekte

In der Geschichte der Progressiven Muskelentspannung lassen sich grundsätzlich zwei Phasen feststellen. Die erste Phase beginnt 1934 mit der Pionierleistung von Edmund Jacobson (1885-1976), eine physiologische Methode zur Bewältigung von Angst und Spannung zu entwickeln. Die zweite Phase leitet Joseph Wolpe (1915-1997) ein, indem er Jacobsons Methode ändert und sie in ein systematisches Behandlungsprogramm einbaut.
Der Physiologe Edmund Jacobson beginnt sein Werk mit der leitenden Idee, dass es „vielleicht kein allgemeineres Heilmittel als Ruhe“ (Hamm 20002, S. 305) gibt. Er geht davon aus, dass ein solcher Zustand der Ruhe bzw. der Entspannung in einer Reduktion des neuromuskulären Tonus am zuverlässigsten feststellbar ist, und dass umgekehrt durch die Reduktion der muskulären Verspannung auch die Aktivität im zentralen Nervensystem herabgesetzt werden kann (Reziprozitätsprämisse). Dieses Wechselspiel zwischen zentralnervösen, mentalen Prozessen und peripheren, muskulären Veränderungen beginnt er 1920 in einer Reihe von Untersuchungen empirisch nachzuweisen (vgl. Hamm 20002, S. 305). Jacobson untersucht die Schreckreaktion bei plötzlich auftretenden lauten Geräuschen, wobei er feststellt, dass Personen, die gelernt haben, ihre Muskeln zu entspannen, nicht aufschrecken. Der Grad der Muskelspannung beeinflusst also die Ausprägung des Reflexes. Außerdem stellt er fest, dass innere Bilder, vor allem, wenn sie mit Bewegung assoziiert sind, zu einer leichten, jedoch messbaren Muskelaktivität führen (vgl. Payne 1998, S. 55). So kann er beispielsweise zeigen, dass die Vorstellung bestimmter Armbewegungen mit einer Zunahme der EMG -Aktivität der Bizepsmuskulatur einhergeht. Auch bei visuellen Vorstellungen (z.B. hakenschlagender Hase) können entsprechende Augenbewegungen registriert werden (vgl. Hamm 20002, S. 305). Der Einfluss der Vorstellungskraft auf die Muskulatur bzw. auf verschiedene Körperfunktionen ist in einer Reihe späterer Untersuchungen empirisch nachgewiesen worden. Bezüglich des Umkehrschlusses, dass die Reduktion der Muskelspannung zu einer verringerten Aktivität des Nervensystems führt, sind die empirischen Befunde jedoch umstritten (vgl. ebd., S. 305f.).
Die muskuläre Entspannung erkannt als direkter physiologischer Gegensatz zur Spannung, ist nach Jacobson im Sinne der Reziprozitätsprämisse die logische Behandlung für angespannte und ängstliche Menschen. Durch systematische Spannung und Entspannung verschiedener Muskelgruppen, sowie durch den Lernvorgang, sich auf begleitende Gefühle der Spannung und Entspannung zu konzentrieren und diese zu unterscheiden, ist es möglich fast alle Muskelkontraktionen zu beseitigen und das Gefühl tiefer Entspannung zu erleben (vgl. Bernstein; Borkovec 19782, S. 20). Jacobson prägt für „diese Art tiefgreifender Entspannung [...] den Begriff ‚progressive’ (also fortschreitende) Entspannung“ (Jacobson 19994, S. 135; Auslassung und Hervorhebung: E. K.). Die Konzentration auf diese Empfindungen zu lenken, bezeichnet Jacobson als „erlernte Wahrnehmung“ (Payne 1998, S. 55). Er geht also davon aus, dass seine Methode trainierbar ist und dass sich jedermann die Progressive Muskelentspannung aneignen kann. Jacobson lehnt (im Gegensatz zu anderen Entspannungsverfahren) die Anwendung von Suggestivformeln bei der Progressiven Muskelentspannung ab.
Nach einer 1934 erschienenen Laienveröffentlichung mit dem Titel: „You must relax“ stellt Jacobson seine standardisierte Methode, sein Vorgehen, seine Ergebnisse und die Beschreibung seiner Theorie 1938 in der wissenschaftlichen Veröffentlichung „Progressive Relaxation“ (Jacobson 19994, S. 12) an der Universität von Chicago vor.


Die zweite Phase der Entwicklung der Progressiven Muskelentspannung beginnt 1948 mit Joseph Wolpes Arbeiten über die Gegenkonditionierung von Furchtreaktionen. Wolpe greift Jacobsons Technik auf und verwendet sie in modifizierter Form. In Wolpes Untersuchungen an Katzen zeigt sich, dass eine konditionierte Furchtreaktion durch das Hervorrufen einer damit unvereinbaren Reaktion während schrittweiser Darbietung des gefürchteten Reizes abgebaut werden kann. Die unvereinbare Reaktion hemmt die Furchtreaktion so lange, wie sie intensiver als letztere ist. Auf seiner Suche nach einer beim Menschen leicht einzuführenden, unvereinbaren Reaktion stößt Wolpe auf die Techniken, wie sie in Jacobsons Progressiver Muskelentspannung enthalten sind. Entspannung als physiologischer Gegensatz zu Spannung scheint ihm die ideale Reaktion für sein Programm der Gegenkonditionierung zu sein. Wegen des Zeitaufwandes, der für Jacobsons Entspannungstrainings notwendig ist, ergeben sich folgende Entwicklungen: die Einführung von stufenweiser Darbietung zuerst wirklicher, später vorgestellter gefürchteter Reize und die Abänderung des Entspannungstrainings. Außerdem bestimmt der Therapeut das gesamte Vorgehen während der Trainingssitzungen durch mündliche Anweisungen (Suggestionen und Hypnoseverfahren), um die Wahrnehmung der Körpergefühle zu erleichtern. Wolpes Arbeit ist demnach in zweifacher Hinsicht bedeutsam: zum einen ist durch die Entwicklung eines wirksameren Entspannungstrainings der Zeitanteil, den das Training im Rahmen einer Therapie benötigt, verringert, zum anderen verlagert sich der Schwerpunkt der Behandlung von der eigentlichen Angstreaktion auf die spezifischen Bedingungen, unter denen diese überhaupt auftritt. Er entwickelt also ein strukturiertes, situationsspezifisches Lernprogramm, in dem die Entspannung nur ein Gesichtspunkt ist (vgl. Bernstein; Borkovec 19782, S. 20f.). Dieses Behandlungsprogramm, die systematische Desensibilisierung, eine in der Verhaltenstherapie wichtig gewordene Technik, ist beispielsweise in Wolpes Buch „Praxis der Verhaltenstherapie“ (1972) beschrieben. Der Grundsatz der Unvereinbarkeit mancher emotionaler Reaktionen, wie Angst und Entspannung, wird also hierbei angewendet. Da Angst ein Hauptgrund für „fehlangepasste Vermeidungshandlungen“ (Zimbardo 19955, S. 666) ist, und eine ängstliche Person demzufolge Stress nicht erfolgreich bewältigen kann, scheint es von Bedeutung zu sein, Angst durch Entspannung vorzubeugen, um das eigene Stressmanagement zu verbessern.


Seit den 1960ern wird die Progressive Muskelentspannung im deutschsprachigen Raum rezipiert, insbesondere im Zusammenhang mit der Verbreitung der Verhaltenstherapie in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, der sie in einer vereinfachten Form als einleitende Entspannungstechnik dient (Schott; Wolf-Braun 20002, S. 154).
Im geschichtlichen Verlauf zeichnen sich seit Wolpes Änderungen an Jacobsons Vorgehen zwei Tendenzen in der Progressiven Muskelentspannung ab. Erstens kommt es zu einer Spezifierung wirksamerer Trainingsbedingungen, was zu einer „Flut von Varianten im Vorgehen“ (Bernstein; Borkovec 19782, S. 22) führt, deren Wirksamkeit nicht systematisch untersucht wird. Zweitens werden die Meßmethoden für die physiologischen Wirkungen der Entspannung verfeinert, was in gewissem Umfang zu gesichertem empirischem Wissen über die Wirksamkeit der Progressiven Muskelentspannung führt.
Gegenwärtig übernehmen Gesundheitskassen (ebenso wie beim Yoga und dem Autogenen Training) einmal im Jahr pro Mitglied die Kosten für einen Kurs zum Erlernen der Progressiven Muskelentspannung und die „AOK-Die Gesundheitskasse“ bietet für Mitglieder sogar eigene Kurse an. Dies fällt in den Bereich der Prävention gemäß §20 Abs. 1 und 2 SGB V vom 21. Juni 2000 der Gesetzlichen Krankenkassenversicherung im Rahmen der Gesundheitsförderung (vgl. Bartsch et al. 2000, S. 66). Der Blick in das Programmheft der Volkshochschule in Augburg (Frühjahr 2003) zeigt gemessen am Angebot an Yoga- und Autogenen Trainings-Kursen (s.5.2.1; s.5.2.2) mit drei Kursen für Progressive Muskelentspannung eine vergleichsweise geringe Nachfrage an dieser Entspannungsmethode. Die Progressive Muskelentspannung, die vorwiegend im therapeutischen Bereich eingesetzt wird, scheint sich also noch nicht in der Allgemeinbevölkerung etabliert zu haben. Dieses Entspannungsverfahren ist jedoch nicht nur als therapeutisches Mittel anwendbar, sondern es kann auch für eine relativ gesunde Person als „Strategie zu Bewältigung von Angst- und Stresssituationen“ (Hamm 20002, S. 311) von großem Nutzen sein.


5.1.2 Methodische Vorgehensweise

Nach Jacobson ist das zentrale Ziel seiner Entspannungsmethode „die willentliche, kontinuierliche Reduktion der Spannung (Kontraktion) einzelner Muskelgruppen des Bewegungsapparates“ (Hamm 20002, S. 306). Hamm (20002) legt die Betonung auf das Wort „willentlich“, da Jacobson wie bereits angesprochen „explizit auf suggestive Elemente bei seinen Übungen“ verzichtet (ebd.). Eine Person soll vielmehr lernen, sich für den eigenen Körper zu sensibilisieren: sie „soll [...] bewusst wahrnehmen lernen, welche ihrer Muskeln verspannt, also kontrahiert sind, um dann zu wissen, wo sie sich entspannen soll. In dieser sogenannten ‚Kultivierung der Muskelsinne’ sieht Jacobson das Hauptziel seines Trainings“ (ebd.; Auslassung: E. K.).
Das Verfahren baut auf dem Prinzip der Anspannung (für die Dauer von 1 bis 2 min.) und anschließender Entspannung (für die Dauer von 3 bis 4 min.) der jeweiligen Muskelgruppe auf. In den Anspannungsphasen kommt es nicht darauf an, möglichst stark zu kontrahieren, sondern im Gegenteil möglichst subtile Anspannungen einzelner Muskelgruppen wahrnehmen zu lernen. Die Person soll sich auf die entsprechenden Empfindungen in den An- und Entspannungsphasen konzentrieren. Dadurch lernt sie immer schwächere Kontraktionen zu unterscheiden und selbst minimale Verspannungen abzubauen. „Die Beseitigung der Restspannung ist ein wesentliches Merkmal der hier vorgestellten Methode“ (Jacobson 19994, S. 136). Es werden alle Muskelgruppen des Bewegungsapparates von der Kopfregion bis zu den Zehen sukzessive (schrittweise) angespannt und anschließend entspannt. In folgender Reihenfolge gibt Jacobson zu sieben Übungsbereichen mehrere Einzeltrainingseinheiten an:

• Armübungen (für Oberarm-, Unterarm und Fingermuskulatur);
• Beinübungen (für Hüftbeuger, Gesäß-, Oberschenkel-, Unterschenkel-, Waden- und Zehenmuskulatur);
• Übungen im Rumpfbereich (für Bauch-, Rücken-, Zwischenrippenmuskulatur, Zwerchfell, Brust- und Schultermuskulatur);
• Nackenübungen (für Nackenmuskulatur);
• Übungen der Augenregion (für Stirn-, Gesichts-, Augenmuskulatur);
• Visualisationsübungen (Wahrnehmung selbst schwacher Kontraktionen der Augenmuskulatur);
• Übungen der Sprachwerkzeuge (für Kau-, Mundboden-, Gesichts und Zungenmuskulatur) (vgl. Hamm, 20002, S. 307f.).

Die einzelnen Übungen können sowohl im Sitzen als auch im Liegen durchgeführt werden. Alle sieben Bereiche zu erläutern, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Zur Veranschaulichung der Methode stelle ich deshalb drei Teilübungen exemplarisch vor:

• Armübung: Die Person befindet sich in einer liegenden Position und hat die Augen geschlossen. Sie hebt den Unterarm im rechten Winkel zur Unterlage an und ballt die Faust (1-2 min.). Währenddessen soll sie auf das Gefühl der Spannung im ganzen Arm achten. Dann lässt sie den Arm fallen und konzentriert sich auf die Lockerung des Armes (3-4 min.). Nach einer Ruhepause wird die Übung wiederholt (vgl. Jacobson 19994, S. 121).
• Nackenübung: Bei dieser Übung soll eine Person in sitzender Position den Kopf zuerst nach hinten und dann nach vorn (gegen einen externen Widerstand) drücken. Schließlich soll der Kopf noch nach links und nach rechts gebeugt werden. Zwischen diesen vier Anspannungsphasen erfolgen Entspannungsphasen (vgl. Hamm 20002, S. 308).
• Visualisationsübung: Zur Wahrnehmung selbst schwacher Kontraktionen der Augenmuskulatur stellt sich eine Person (in sitzender oder liegender Position, mit geschlossenen Augen) zunächst z.B. einen vorbeifahrenden Zug für die Dauer von etwa einer Minute vor. Das löst horizontale Augenbewegungen aus. Nach einer Pause blickt sie imaginär zum Beispiel auf die Spitze eines Baumes. Dadurch werden vertikale Augenbewegungen ausgelöst. Schließlich sollen komplexe Augenbewegungen etwa durch die Vorstellung eines flüchtenden, hakenschlagenden Hasen ausgelöst werden. Nach einer Ruhepause wird die Übung (mit geöffneten Augen) wiederholt (vgl. Hamm 20002, S. 308).

Nach der ursprünglichen Version der Progressiven Muskelanspannung ist eine tägliche Übungszeit von einer Stunde und über 50 Trainingssitzungen (pro Sitzung etwa 3 Muskelgruppen) vorgesehen. Das heißt, es vergehen drei bis sechs Monate bis eine Person dieses Entspannungsverfahren vollkommen beherrscht. Ist das der Fall, kann sich die sogenannte „differentielle Entspannung“ (ebd., S. 309) anschließen. Sie beinhaltet die Umsetzung der Progressiven Muskelentspannung im Alltag (z.B. beim Lesen und Schreiben am Arbeitsplatz oder beim Autofahren). Dabei sollen die notwendigen Bewegungen ökonomisch durchgeführt und alle nicht benötigten Muskelgruppen maximal entspannt gehalten werden. Jacobson schlägt zum Erlernen der differentiellen Entspannung einen schrittweisen Wechsel der Entspannungsinduktion, z.B. vom Liegen zum Sitzen zu einfachen sitzenden Tätigkeiten, vor (vgl. Jacobson 19994, S. 168ff.).


5.1.3 Nutzen und Risiken

Empirische Forschungsarbeiten konzentrieren sich auf den Nachweis physiologischer Veränderungen durch die Progressive Muskelentspannung. Jacobson hat gezeigt, dass nach seinem Entspannungstraining die Pulsfrequenz und der Blutdruck sinken. Anfang 1960 wird in einer Reihe von Untersuchungen eine Senkung der Leitfähigkeit der Haut und der Atemfrequenz, eine stärkere Abnahme der subjektiv empfundenen Spannung sowie eine abgeschwächte Reaktion dieser Parameter auf Angststimuli festgestellt (vgl. Bernstein; Borkovec 19782, S. 22). Ebenso wird bei den untersuchten Personen eine Abnahme der subjektiven, durch bestimmte Stimuli ausgelösten Angstreaktion bzw. des emotionalen Stresses festgestellt. Im Verlauf dieser Studien erweist sich die Progressive Muskelentspannung im Vergleich zu von den Versuchspersonen selbst gestalteten Bemühungen, sich zu entspannen, als effektiver, einen subjektiv empfundenen Entspannungszustand mit herabgesetzter Muskelspannung und Absenkung von Blutdruck, Puls und Atemfrequenz herbeizuführen. Überdies werden positive Wirkungen bei Migräne, Asthma bronchiale und bei essentieller Hypertonie nachgewiesen. Untersuchungen über eine verbesserte Lern- und Merkfähigkeitsleistung, eine Reduktion des Angstpotentials, sowie über die Therapie von Schlafstörungen durch die Anwendung der Progressiven Muskelentspannung, zeigen zudem weitere Einsatzmöglichkeiten des Verfahrens auf (vgl. Olschewski 19963, S. 27f.). Demgegenüber stehen jedoch auch einige Arbeiten, die keine signifikanten Unterschiede zwischen den Praktizierenden und der Kontrollgruppe finden. Das liegt zum einen daran, dass die Anzahl der Trainingssitzungen der Praktizierenden bei den negativen Befunden deutlich niedriger ist als bei den positiven. Studien zeigen größere Effekte bei Langzeit-Trainierten als bei Unerfahrenen. „Nur in Progressiver Muskelentspannung ausreichend geübte Personen sind in der Lage, auch über die Trainingssitzungen hinaus stabile physiologische Veränderungen durch Entspannungsinstruktionen zu induzieren“ (Hamm 20002, S. 316). Zum anderen wird die Bedeutung der Anwesenheit eines Übungsleiters unterstrichen: „Studien, welche direkt Tonband mit vom Therapeuten präsentierten Instruktionen verglichen haben, fanden konsistent stärkere und stabilere Effekte bei persönlichen Instruktionen“ (ebd.). Dies wird auf die individuell angepasste Erfolgsrückmeldung durch den Therapeuten zurückgeführt (vgl. Hamm 20002, S. 315ff.).
Im Gegensatz zur Reduktion einzelner physiologischer Erregungsindikatoren, kann eine generelle Reduktion der Aktivität des autonomen Nervensystems bisher nicht nachgewiesen werden. Positivere Ergebnisse diesbezüglich werden bei Experimenten in Belastungssituationen erzielt. So zeigt sich, dass in Progressiver Muskelentspannung trainierte Personen signifikant geringere elektrodermale Spontanfluktuationen (Hautleitwertniveau) auf einen emotional belastenden Film aufweisen, als bei untrainierten Kontrollpersonen. Des Weiteren teilen geübte Personen während der Darbietung lauter Töne (100 db) weniger Angstsymptome mit, als ungeübte Personen. Auch die subjektiv erlebte Schmerzintensität ist in Tests mit Kaltwasser oder elektrischer Reizung bei geübten Personen geringer. Der Nutzen der Progressiven Muskelentspannung tritt also während einer Stressinduktion deutlicher zu Tage, als unter Ruhebedingungen. Dies wirkt sich nicht nur erkennbar auf physiologische Indikatoren aus, sondern auch positiv auf die Gefühlslage und psychische Stabilität der praktizierenden Person (vgl. ebd., S. 317f.).


Bei der Angstbehandlung, historisch gesehen eine Hauptdomäne der Progressiven Muskelentspannung, sind die Untersuchungsergebnisse widersprüchlich, so dass sie hier lediglich als begleitende Maßnahme eingesetzt werden sollte (vgl. Hamm 20022, S. 318ff).
Ein Problem bei der Progressiven Muskelentspannung betrifft die bereits angesprochene Vielfalt der angewandten Methoden, bei denen teilweise nur der gemeinsame Name daran erinnert, dass es sich um ein und dasselbe Entspannungsverfahren handelt. Bis heute fehlt es an standardisierten Schlüsselvariablen wie z.B. Einfluss suggestiver Entspannungsformeln, Stärke der Kontraktion, Wichtigkeit von Anspannungs- und Entspannungszyklen, Art, Anzahl und Abfolge der zu trainierenden Muskelgruppen. Dadurch kommt es zu unterschiedlichen empirischen Ergebnissen hinsichtlich der Wirkung der Progressiven Muskelentspannung. Ein weiteres Problem ist die relativ lange Lernphase verbunden mit einem hohen Zeitaufwand, speziell bei der Originalversion von Jacobson. Dies kann bei einer Person zu Verdruss und vorzeitiger Aufgabe führen, bevor die Methode Wirkung zeigt (vgl. ebd., S. 314).
In der mir vorliegenden Literatur habe ich keinen Hinweis auf mögliche Risiken für die körperliche und psychische Gesundheit einer Person durch die Progressive Muskelentspannung gefunden.
Gestützt durch empirische Befunde gehe ich davon aus, dass sich bei richtiger Anwendung und mit genügend Übung bei der praktizierenden Person eine erhöhte Körpersensibilität und eine verbesserte Fähigkeit zur Entspannung einzelner Muskelgruppen einstellt. Auch eine bessere psychische Resistenz gegenüber stressverursachenden Situationen ist zu erwarten. Daraus lässt sich schließen, dass Personen, die dieses Entspannungsverfahren anwenden, bewusster mit ihrem Körper bzw. ihrer Gesundheit umgehen können. Dabei habe ich keine empirische Studie gefunden, die sich nicht an der kurativen Medizin orientiert. In diesem Zusammenhang interessiert mich beispielsweise, ob die Anwendung der Progressiven Muskelentspannung das psychische und physische Wohlbefinden einer Person verändert und wie sich das ausdrückt. Ferner finde ich die Frage spannend, ob und wie Entspannung die Lebensweise einer Person (z.B. das Gesundheitsverhalten betreffend) beeinflusst. Schließlich ist in diesem Zusammenhang besonders interessant, ob durch Entspannung das Gefühl der Kohärenz (s.2.4.4) beeinflusst werden kann.

5.2 Das Autogene Training

5.2.1 Geschichtliche Aspekte

Das Autogene Training wird 1930 von dem Berliner Psychiater und Neurologen Johannes Heinrich Schultz (1884-1970) begründet. Dabei wird er durch Oskar Vogts Arbeiten über Hypnose und Selbsthypnose inspiriert (vgl. Schultz 198217, S. 1). Der Berliner Neuropathologe Oskar Vogt (1870-1959) vertritt um 1900 die Ansicht, dass Hypnose und Schlaf auf die gleiche Weise durch ein reflektorisch arbeitendes Schlafzentrum gesteuert seien. Um Schlafphänomene besser untersuchen zu können, hypnotisiert er seine Probanden und befragt sie anschließend über ihre Empfindungen. Fast alle geben Schwere- und Wärmeerlebnisse an, woraufhin diese für Vogt als zuverlässiger Indikator für eine gelungene Hypnose-Einleitung gelten. Ihm fällt auf, dass viele der von ihm untersuchten Personen nach einer Reihe von Hypnose-Sitzungen in der Lage sind, sich selbst in einen hypnotischen Zustand zu versetzen, Ruhe und Entspannung zu erleben, sowie Schwere und Wärme in den Gliedmaßen zu spüren. Nach einer solchen „autohypnotischen Ruhe“ fühlen sie sich erfrischt, berichten über nachlassende Erschöpfung und weniger körperliche Beschwerden, wie zum Beispiel Kopfschmerzen (vgl. Vaitl 20002, S. 206). Die Autohypnose wird von Vogt als „prophylaktische Ruhepause“ (Schultz 198217, S. 2) bezeichnet.

Angeregt durch diese Beobachtungen beginnt Schultz das therapeutische Potential der Autohypnose zu erforschen. Er sucht vor allem eine Alternative zur damals gängigen Hypnotherapie, die er wegen der Passivität einer Person durch die Hypnose und deren Abhängigkeit vom Hypnotiseur ablehnt. Vogts Erkenntnis, dass „es bei gebildeten und kritischen Versuchspersonen angängig sei, die Umschaltung in den hypnotischen Ausnahmezustand der Selbstentscheidung [...] zu überstellen“ (Schultz 198217, S. 1; Auslassung: E. K.) nimmt Schultz zum Anlass, seinen Patienten die Instruktionen des Hypnotiseurs beizubringen. Die regelmäßig auftretenden Erscheinungen (wie Schwere und Wärme) hält er für eine selbsterzeugte, das heißt „autogene“, psychovegetative „Umschaltung“ (Schultz 198217, S. 1) in einen Ruhezustand. Dazu bedarf es keines Hypnotiseurs mehr und den Patienten wird eine gewisse Selbstregulation körperlicher Vorgänge eröffnet (vgl. Vaitl 20002, S. 207). Noch interessanter ist für Schultz der Umstand, dass sich ihre psychische Gesundheit durch diese Übungen zu verbessern scheint. Schultz entwickelt also eine auf diesen selbstgenerierten Zustand basierende Behandlung mit dem Ziel, diesen entspannten Zustand durch das Aufsagen vorgegebener Formeln durch die Patienten zu erlangen. Die Formeln erzeugen durch Imagination und Autosuggestion einen Wechsel weg vom gestressten hin zum entspannten Zustand (vgl. Payne 1998, S. 249f.).


In einem nächsten Schritt versucht Schultz, andere körperliche Funktionen „autogen“ zu beeinflussen. Zu den beiden ersten Grundübungen der „Schwere“ und „Wärme“ kommen noch die „Atemübung“, die „Herzübung“, die „Sonnengeflechtübung“ und die „Stirnkühleübung“ hinzu. Diese sechs, physiologisch orientierten Übungen bilden fortan den Kern des Verfahrens, dem Schultz den Namen „Autogenes Training“ gibt. Der Begriff „Training“ bringt zum Ausdruck, dass es sich um ein zu übendes Verfahren handelt, welches zwar von einem Fachmann vermittelt wird, aber nur dann zu den gewünschten physiologischen Effekten führt, wenn eine Person diese Übungen über einen mehr oder weniger langen Zeitraum hin selbst durchführt. Da der Begriff „Training“ zu Einstellungen führen kann, die der körperlichen Entspannung widersprechen, spricht Schultz auch im Untertitel seines Standardwerks „Das Autogene Training“ (erstmals 1932 publiziert) von einer „konzentrativen Selbstentspannung“. Damit ist im Gegensatz zur aktiven Konzentration (der willentlich gesteuerten Hinwendung der Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Objekt) eine spezielle Form der Konzentration gemeint: die passive Konzentration. Vaitl (20002, S. 207) umschreibt sie mit Begriffen wie „gleichschwebende Aufmerksamkeit“ oder „diffus-passive Wahrnehmung körperlicher Vorgänge“. Schultz sieht die passive Konzentration als eine notwendige Bedingung dafür, dass sich die angestrebten physiologischen Effekte einstellen.
Im Laufe der Jahre werden die Verfahrensvorschriften für die sechs Standard- oder Unterstufenübungen noch weiter verfeinert und um die sogenannten Oberstufenübungen (meditative Übungen) erweitert (vgl. Vaitl 20002, S. 207).
Ab dem Jahre 1928 kommt es zu einer Expansion des Autogenen Trainings, ausgelöst durch den Zusammenschluss von psychotherapeutisch orientierten Ärzten zur allgemeinen ärztlichen Gesellschaft für Psychotherapie. Diese fordert den Einsatz des Autogenen Trainings als kostensparende Kurzzeittherapie (vgl. Schott; Wolf-Braun 20002, S. 151).
Im Nationalsozialismus wird die Bedeutung einer „Neuen deutschen Seelenheilkunde“ großgeschrieben und Schultz stellt das Autogene Training in den Kontext einer „ärztlichen Seelenführung“, die es auf Disziplinierung, Abhärtung und Leistungssteigerung absieht. In den Kriegsjahren kommt es als suggestives Verfahren verstärkt zur Anwendung (vgl. Schott; Wolf-Braun 20002, S. 151f.).


Nach dem zweiten Weltkrieg wird im Zusammenhang mit den Fortschritten der psychosomatischen Medizin das Autogene Training weiter ausgebaut (vgl. Schott; Wolf-Braun 20002, S. 153). Bis heute entstehen eine Vielzahl von Varianten des Autogenen Trainings, sei es durch verkürzte Anwendungsmöglichkeiten, die Veränderung der Reihenfolge der Formeln oder das Hinzunehmen weiterer Formeln (vgl. Haring 1979; Hoffmann 200014; Langen 1968).
Das Autogene Training hat nicht nur in der Medizin, Psychiatrie und Psychotherapie breite Anerkennung gefunden, sondern scheint auch in weiten Kreisen der Bevölkerung als Selbsthilfe- und Selbstheilungstechnik bekannt zu sein. Dazu haben Vorträge und Kurse an Volkshochschulen und seine Anerkennung als psychotherapeutisches Verfahren durch die Krankenkassen (damit wird es als ärztliche Leistung honoriert) beigetragen. Die Volkshochschule der Stadt Augsburg bietet beispielsweise im Frühjahr 2003 insgesamt 8 Kurse zum Erlernen des Autogenen Trainings an.


5.2.2 Methodische Vorgehensweise

Schultz definiert das Autogene Training als „[e]in vom Selbst (autos) sich entwickelndes (gen = werden) und das Selbst gestaltendes systematisches Üben“ (Schultz 198217, S. 1; Anpassung: E. K.). Es ist eine Form der Selbstkontrolle sowie eine Methode zur Selbsthilfe, die bei einer Person einen körperlich und psychisch entspannten Zustand hervorruft. Um das Verfahren erfolgreich praktizieren zu können, müssen folgende Rahmenbedingungen beachtet werden: die Vorbereitungsphase, die Übungshaltung und das sogenannte Zurücknehmen (vgl. Vaitl 20002, S. 208f).

• Die Vorbereitungsphase umfasst zum einen psychologische Maßnahmen. Zuerst wird der autogene Charakter der Übungen betont. Damit können falsche Vorstellungen, Ängste, Befürchtungen und übertriebene Hoffnungen abgebaut werden, die sich daraus ergeben, dass das Autogene Training irrtümlich für eine Form der Hypnose gehalten wird. Im nächsten Schritt wird auf die prinzipielle Erlernbarkeit des Verfahrens hingewiesen. Bei konsequentem Training stellt sich bei jeder Person ein Erfolg ein. Besonders motivierend ist erstens der Hinweis, „daß die angestrebten körperlichen Veränderungen nichts Außergewöhnliches oder gar Absonderliches darstellen, sondern lediglich Funktionsreserven, die in jedem Menschen biologisch angelegt sind, freisetzen bzw. reaktivieren“ (Vaitl 20002, S. 209). Ein zweites motivierendes Moment stellt der Hinweis dar, dass bei der Entwicklung neuer vegetativer Fertigkeiten ebenso beharrlich geübt werden muss, wie beim Erlernen neuer motorischer Fertigkeiten. Schließlich sollen in der Anlernphase möglichst wenig Erklärungen über die Wirkungsweise und Hintergründe der einzelnen Übungen gegeben werden. Die übende Person sollte anfangs selbst Erfahrungen machen. Diese werden dann später detailliert besprochen.
Die Vorbereitungsphase umfasst zum anderen verfahrenstechnische Maßnahmen. Äußere und innere Störeinflüsse müssen möglichst gering gehalten werden. „Da es sich bei den physiologische Reaktionen, die eingeübt werden sehr wahrscheinlich um eine konditionierte Entspannungsreaktion handelt, müssen die Hinweisreize aus der Umgebung konstant gehalten werden, um einen Konditionierungsprozess überhaupt erst in Gang zu bringen“ (ebd., S. 209). Das heißt, es sollen konstante Übungsbedingungen und eine bequeme Übungshaltung in einem ruhigen Raum, bei gedämpfter Beleuchtung und ohne störende Geräusche (z.B. Telefonklingeln) geschaffen werden (vgl. ebd., S. 209f.).


• Bezüglich der Übungshaltung wird vielfach diskutiert, ob eine liegende oder eine sitzende Position besser geeignet ist. Ursprünglich wurde das Autogene Training im Sitzen in der sogenannten „Droschkenkutscherhaltung“ (Schultz 198217, S. 18) durchgeführt. In dieser Haltung benötigt eine Person, trotz fehlender Rückenstütze, keine Muskelkraft, um sitzen zu bleiben. Wichtig hierbei ist, dass beide Füße etwas voneinander entfernt fest auf dem Boden stehen, wobei der Winkel der Knie mehr als 90 Grad beträgt und die Arme locker herunterhängen oder auf den Oberschenkeln liegen, ohne aber den Oberkörper zu stützen (vgl. ebd., S. 17f.). Der Vorteil der Sitzhaltung ist, dass die Person die Konzentration leichter bewahrt, (also nicht so schnell einschläft) und diese Haltung fast überall (sogar in der Straßenbahn) einnehmen kann. Beliebter ist es mittlerweile, die Übungen auf dem Rücken liegend durchzuführen. Dies hat den Vorteil, dass sich gerade in der Anlernphase die gewünschten Effekte schneller als in einer Sitzhaltung einstellen. Hinzu kommt, dass „das Gefühl, des Abschaltens und Ausruhens eher mit dem Liegen als mit dem Sitzen verknüpft“ (Vaitl 20002, S. 210) ist. Dies ist ganz im Sinne von Schultz, der hinsichtlich der Übungshaltung folgendes empfiehlt: „Ist Gelegenheit, in liegender Stellung zu üben, so wählt man am besten die [...] Horizontalrückenlagerung“ (Schultz 198217, S. 19; Auslassung: E. K.). Schultz vergleicht die „Liegeübungshaltung“ (ebd., S. 352) mit savasana (Dead Pose), eine Körperhaltung, die im Yoga zur Entspannung eingenommen wird (ebd.). Die Übungshaltung im Liegen, ist in Abb.4. dargestellt und in ihrer Ausführung beschrieben.

Stress  


Ausgangshaltung ist die Rückenlage. Die Fersen liegen etwa einen halben Meter weit auseinander, die Fußspitzen fallen entspannt nach außen. Die Arme ruhen in etwa einem viertel Meter Abstand vom Körper, die Handflächen zeigen nach oben. Die Augen sind geschlossen.

Abb.4.: Dead Pose (Totenstellung) – savasana (sava=Leiche)

einem energisch gedachten Kommando - der sogenannten Zurücknahme wie zum Beispiel „Arme fest! Atmung tief! Augen auf!“ (Kraft 19892, S. 67) beendet, selbst wenn keine Entspannungsreaktion beobachtet wird. Sie sollte immer in der selben Weise erfolgen: „Anspannen der Arm- und Beinmuskulatur (=Zurückführen des neuromuskulären Tonus auf ein Normalniveau)“, „zwei bis drei tiefe Aus- und Einatemzüge“ und „Öffnen der Augen“. Geschieht diese Rückführung auf ein normales Aktivierungsniveau nicht, können Missempfindungen wie Benommenheit, Abgeschlagenheit, Kopfdruck oder Übelkeit die Folge sein (vgl. Vaitl 20002, S. 212).

Als Mindestalter für eine Kursteilnahme wird etwa 6 bis 8 Jahre angegeben. Eine Altersbeschränkung nach oben existiert nicht. Ferner gibt es keine Anforderungen hinsichtlich intellektueller Fähigkeiten. Beispielsweise wurde das Autogene Training mit epileptischen Kindern zwischen 7 und 15 Jahren durchgeführt, wobei „[a]lle unter schweren Anfällen oder epileptischen Verhaltensstörungen [litten]. Wie zu erwarten war, schlug das Verfahren bei den älteren Kindern schneller und besser an, die stärker Intelligenzgestörten lernten langsamer, verwirklichten aber schließlich die Übungen auch, manchmal durch Nachahmung. Der Durchschnitts-IQ war 62 und entsprach demjenigen eines normalen achtjährigen Kindes“ (Kraft 19892, S. 23; Anpassungen: E. K.).

Bezüglich der methodischen Vorgehensweise lassen sich wie bereits angesprochen grundsätzlich zwei Übungskomplexe unterscheiden: der bekannteste und verbreiteste Übungskomplex sind die Standard-Übungen (sogenannte Unterstufenübungen) und die meditativen Übungen (sogenannte Oberstufen-Übungen). Nach Vaitl (20002) basieren sie auf drei Hauptprinzipien: die „Reduktion und Dämpfung extero- und interozeptiver Stimulation, die „mentale Wiederholung psychophysiologisch adaptiver Selbstinstruktionen“ und die „kognitive Aktivität in Form von passiver Konzentration’“ (S. 208). Da das Autogene Training sowohl theoretisch als auch praktisch sehr umfangreich ist, gehe ich im folgenden auf Teilaspekte der Standard-Übungen ein. Diese sind jeweils „nach einem sehr einfachen Schema“ (ebd., S. 213) aufgebaut. Die praktizierende Person spricht sich im Geist bestimmte Formeln vor, die sich direkt auf den zu erwartenden physiologischen Effekt beziehen. So zielt beispielsweise die erste Standardübung (die Schwereübung) auf die neuromuskuläre Entspannung ab, und die entsprechende Formel lautet dann: „Der rechte Arm ist schwer“. Aussagestruktur und Inhalt der Formeln sollen weder Negationen enthalten, noch aktive Anstrengungen der Person betonen. Unterstützende Formeln wie „Ich bin ganz ruhig“ können zusätzlich zu Beginn der Standard-Übungen oder zwischen den einzelnen Übungen angewendet werden. Falls die Person mit den Gedanken abschweift, soll sie wieder zur jeweiligen Formel zurückkommen. Für die schnellere Zielrealisierung ist die Phantasiefähigkeit hilfreich: so kann sich die übende Person bei der Wärmeübung beispielsweise vorstellen, dass sie an einem warmen Sandstrand liegt. Die Übungen sollen zwei bis drei mal täglich (und nicht öfter) ausgeführt werden, wobei anfangs ein bis drei Minuten Übungszeit ausreichen. Wenn alle Übungen beherrscht werden, wird die Übungszeit etwa 20 Minuten pro Übung betragen (vgl. Lindemann 19795; Kraft 19892; Vaitl 20002). Insgesamt benötigt eine Person bei systematischem Üben 6 bis 12 Wochen, bis sie alle Standard-Übungen beherrscht. Dabei gelingen das Umschalten (von der Vorstellung zur Empfindung) und die Generalisierung (Übertragung der Entspannung auf Körperteile, die nicht explizit durch eine Formel angesprochen werden) in der Regel immer schneller und leichter.

5.2.3 Nutzen und Risiken

Die Indikationen im klinischen Bereich, in der Psychotherapie und in der Rehabilitation sind sehr breit gefächert. Empirisch nachgewiesene Erfolge durch das Autogene Training gibt es z.B. bei Störungen der Atemtätigkeit und funktionellen Störungen des Herz-Kreislaufsystems, bei Bluthochdruck, bei Durchblutungsstörungen, zur Schmerzreduktion, bei der Geburtshilfe, und bei Schlafstörungen (ausführlicher dazu vgl. Vaitl 20002; Petermann; Vaitl 1994). Auch für Rehabilitationsmaßnahmen nach Verletzungen, bei Epileptikern, bei behinderten und chronisch kranken Personen zeigt sich das Verfahren als hilfreich.
Bei „gesunden“ Personen sind die allgemeinen Wirkungen des Autogenen Trainings „Erholung, Entspannung, Erhöhung der Konzentration sowie eine Resonanzdämpfung überschießender Affekte“ (Kraft 19892, S. 26). Um eventuellen Befürchtungen vorzubeugen sei gesagt: Autogenes Training macht nicht gleichgültig oder gar abgestumpft, sondern gelassen. Es verhindert von vornherein emotionale Dauerspannung, die wiederum funktionelle Störungen und psychosomatische Erkrankungen verursachen kann. Neben längerfristigen positiven Veränderungen habitueller Persönlichkeitsmerkmale (wie z.B. psychotische, neurotische und depressive Tendenzen), beeinflusst das Autogene Training auch das aktuelle Wohlbefinden. In einer Untersuchung an einer Gruppe von Studenten wurde festgestellt: „[d]as Autogene Training hatte einen unmittelbaren Einfluß auf die Befindlichkeit. Nach den Übungen berichteten die Studenten von einem gesteigerten Gefühl von Ruhe, Muße und Ausgeglichenheit, empfanden die nachlassende Anspannung als wohltuend und erlebten eine angenehme Müdigkeit. Auch waren sie am Ende des Trainings mit ihrem Körper zufriedener, hielten sich für genussfreudiger, hatten ein angenehmes Körpergefühl und eine gehobene Stimmung. Gleichermaßen verbesserten sich ihre vegetativen Beschwerden. In der Kontrollgruppe dagegen fanden sich kaum vergleichbare positive Veränderungen des körperlichen Wohlbefindens, dagegen nahmen hier sowohl die psychischen als auch die vegetativen Beschwerden zu, was sicherlich aufgrund der Messungen vor und nach dem Semester bei der Kontrollgruppe einen durch den Studiumsverlauf bedingten Effekt wiederspiegelt“ (Vaitl 20002, S. 243; Anpassung: E. K.).Als Beispiel für den weitreichenden Einfluss des Autogenen Trainings im Alltag, wähle ich folgenden Auszug aus dem Protokoll eines Kursteilnehmers nach Lindemann (19795).
84. Tag: Morgens: Natürlich, es klappte. Der ganze Körper ist Ruhe, Schwere und Wärme. Im Büro bin ich mit Sicherheit ruhiger und ausgeglichener als früher, zu Hause aber leider noch nicht immer. Die Nachmittagsübung erfolgreich in einer Besprechungspause durchgeführt. [...]
99. Tag: Insgesamt fühle ich mich mit dem AT [Autogenen Training] viel besser als ohne Training. Schon wenn ich mir das Wort Ruhe’ vorstelle, bin ich ruhig. Immer wieder merke ich den Erfolg im Dienst, bei ungewöhnlichen Situationen und im Gespräch mit aggressiven Klienten. Aber im Zusammenleben mit meiner Frau erkenne ich, wie schwer es ist in allen Situationen die Ruhe zu bewahren. In den nächsten Kurs schicke ich meine Frau, ich werde auf das Kind aufpassen. Wir hätten tatsächlich beide zusammen hingehen sollen, wie der Doktor es empfohlen hatte. Wenn ich heute nach erst drei Monaten des Übens abwägen soll, wie sich das AT auf mich ausgewirkt hat, so würde ich sagen, der Vorsatz Ich bin vollkommen ruhig und gelassen’ hat sich wortwörtlich verwirklicht; das Zusammenleben mit meiner Frau ist dadurch besser geworden, und das Schlafen ist eine Pracht geworden. – Ich habe die feste Absicht, regelmäßig weiter zu üben (S. 61f.; Auslassung und Einfügung: E. K.).

Während des Autogenen Trainings können formelunabhängige Begleiterscheinungen auftreten. Diese werden auch als „paradoxe Phänomene“ oder „Entladungen“ (Vaitl 20002, S. 235) bezeichnet. Vaitl (20002) unterscheidet motorische (z.B. Muskelzuckungen, Husten, verstärktes Schwitzen), sensorische (z.B. Gefühle des Drehens, Schwebens, Fallens), affektbetonte, psychische (z.B. Liebesbedürfnis, Angstgefühl, Einsamkeitsgefühl) und mentale (z.B. unkontrolliert einströmende Gedanken, Konzentrationsschwierigkeiten, falscher Formelablauf) Begleiterscheinungen (vgl. S. 236f.). Treten die paradoxen Phänomene nur vorübergehend und vereinzelt auf, stellen sie keine Kontraindikation hinsichtlich der Fortführung des Autogenen Trainings dar. Grundsätzlich gibt es nur wenige Kontraindikationen, die die Einleitung und Fortführung des Autogenen Trainings als riskant erscheinen lassen, wie z.B. akute und chronische Psychosen organischer Art (z.B. nach einem Schädelhirntrauma) und endogener Art (z.B. Schizophrenie) (vgl. ebd., S. 250f.). Trotzdem birgt es Gefahren vor allem bei unsachgemäßer Anwendung in sich. Es kommt vor, dass eine Person versucht, es zur Leistungssteigerung (als eine Art Doping-Mittel) über ihre eigentlichen körperlichen und geistigen Grenzen hinaus, zu benutzen. Dies stellt zwar keine akute Gefahr dar, wird aber nicht funktionieren, da das Autogene Training den körperlichen Bedürfnissen zu ihrem Recht verhelfen wird, d.h. bei übermäßiger Belastung und anschließendem Training wird die betreffende Person wahrscheinlich einschlafen (vgl. Kraft 19892). Bedenklich ist es, wenn eine Person bewusst versucht Nebenwirkungen herbeizuführen (z.B. Herztätigkeit oder Atemfrequenz herunterzusetzen). Das Verfahren sollte auch nicht angewendet werden, um der Realität zu entfliehen. Sollten anstehende Probleme nicht selbst bewältigt werden können, ist ein Gespräch mit einer entsprechend ausgebildeten Fachkraft angezeigt. Der Dozent sollte genügend theoretisches Wissen über und eigene Erfahrung mit dem Autogenen Training haben. Dies gilt vor allem für die angesprochenen Begleiterscheinungen, die von folgenden physiologischen Phänomenen wie starkem Herzrasen, Zittern, Schweißausbrüchen, Ohnmachtsanfällen sowie allen Arten von unerklärbaren Schmerzzuständen, die dauerhaft auftreten, zu unterscheiden sind. Dann ist es angezeigt das Autogene Training abzubrechen (vgl. Vaitl 20002, S. 250). Lernende mit Herzfehlern sollten sehr vorsichtig mit der Herzübung umgehen, oder sie ganz weglassen. Und bei Praktizierenden mit Wirbelsäulen- oder Halswirbelschäden ist die Übung im Liegen vorzuziehen. Allgemein können besonders in der Droschkenkutscherhaltung (aber auch im Liegen z.B. bei einer zu großen Nackenstütze) zeitweilige Muskelverspannungen vor allem im Halswirbelbereich auftreten.

5.3 Der Yoga

5.3.1 Geschichtliche Aspekte

Yoga gehört wohl zu den ältesten Praktiken, die auch heute noch als Entspannungsverfahren angewendet werden, gleichwohl seine Bedeutung weit über die reine Entspannung hinausgeht. Die verschiedenen Yoga-Praktiken waren und sind wesentlicher Bestandteil der hinduistischen Religion mit dem höchsten Ziel, den Zustand des samadhi , die endgültige Befreiung (moksa), zu erlangen (vgl. Berufsverband Deutscher Yogalehrer 20003, S. 12).
Das Wort Yoga ist ein Nomen der indischen Sanskrit-Sprache, abgeleitet von der Verbalwurzel yuj. Diese Wurzel verweist auf einen sehr alten indogermanischen Stamm, der sich noch heute in vielen indogermanischen Sprachen findet (z.B. lat. iugum, frz. joug, span. yugo, engl. yoke, dt. Joch). Die ursprüngliche Bedeutung der Wurzel yuj liegt im Anschirren der (Zug-) Tiere, im Einspannen unter das Joch. Aus der Urbedeutung des Anjochens ergeben sich zwei Bedeutungen: erstens die Vereinigung (wie man verschiedene Zugtiere unter einem Joch vereinigt) und zweitens die Beherrschung (wie man die Zugtiere durch das Joch beherrscht). Dabei können beide Begriffe sowohl die Methodik als auch das Ziel diverser Yoga-Wege bezeichnen (vgl. Fuchs 1990, S. 11).
Der Begriff Yoga ist einer der vielschichtigsten Begriffe der indischen Kultur. Grundsätzlich lassen sich drei Bedeutungsfelder unterscheiden:

• Yoga als Ober- oder Unterbegriff für eine Reihe praktischer Übungs- und Heilstechniken. In dieses Feld passen die meisten der heute bekannten Yogaformen, wie beispielsweise der Hatha-Yoga;
• Yoga als Name für eines von sechs klassischen Systemen der indischen Philosophie. Es beinhaltet in erster Linie die Yoga-Sutren des Patanjali;
• Yoga als allgemeiner Ausdruck für Fertigkeit, Fähigkeit, Technik, Vereinigung. In diesem Zusammenhang tritt Yoga oft als terminus technikus einer bestimmten Fachsprache auf, wie zum Beispiel in der Mathematik als Bezeichnung für die Summe einer Addition (vgl. Berufsverband Deutscher Yogalehrer 20003, S. 3).

Eingang in die vorliegende Arbeit finden die ersten beiden Bereiche: der Hatha-Yoga (als Beispiel für ein praktisches Übungs- und Heilsverfahren im Rahmen der methodischen Vorgehensweise) und die Yoga-Sutren des Patanjali (in einem Exkurs zu philosophischen Aspekten des Yoga). Zunächst erörtere ich jedoch die historische Entwicklung des Yoga und dessen Rezeption in Deutschland. Bögle (1996) führt den Yoga grundsätzlich auf zwei Traditionen zurück: zum einen auf die der indischen Urbevölkerung und zum anderen auf die der arisch-brahmanischen Eroberer (vgl. S. 20). Die Wurzeln des Yoga finden sich bereits in der frühen Hochkultur im Industal (belegt durch Siegelsteine mit Figuren in Yogasitzhaltung) um 7000-2000 vor Christus. In den Stammeskulturen der JägerInnen und SammlerInnen führen intensive Beobachtungen der Tierwelt zu einer Nachahmung von Körperhaltungen, Schamanen praktizieren unter anderem pranayama (Atemtechniken). Mit der Einwanderung der Arier um 1500-800 vor Christus nach Indien kommt es zu Überlagerungen durch die brahmanische Kultur sowie zu einer gegenseitigen Beeinflussung: das brahmanische und später hinduistische religiöse Verständnis von Yoga, vorrangig am Kontakt zum höheren, wahren Selbst interessiert, vermischt sich mit der Samkhya-Philosophie, die vorrangig daran interessiert ist, Leid durch die „Befreiung der Seele von den Banden der Materie und des Denkens“ (Schultz 198217, S. 351) zu vermeiden (vgl. Bögle 1996, S.11ff.). Im Laufe der Geschichte entsteht eine enorme Vielschichtigkeit, Heterogenität und Variabilität in den Inhalten: unterschiedliche philosophische sowie weltanschauliche Standpunkte finden Eingang in den Yoga. Dabei gibt es eine deutliche Systematik und Ordnung in der Praxis des Yoga: Schritte, Stufen und das Ziel des Yoga-Weges sind bei allen Richtungen gleich (vgl. Berufsverband Deutscher Yogalehrer 20003, S. 13f.). Spezielle Darstellungen eigentlicher Yogaverfahren in der indischen Literatur liegen beispielsweise in der Yoga-Sutra des Patanjali vor. Weitere Darstellungen von Yogaverfahren finden sich in der Hatha-Yoga-Pradipika (1500 n.Chr.) sowie in der Gheranda-Samhita (1600 n.Chr.) (vgl. Schultz 198217, S. 350).


Die Geschichte der Yoga-Rezeption in Deutschland, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts greifbar wird, beginnt bereits früher mit der neuzeitlichen Erschließung des indischen Yoga. Ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts finden sich in den Aufzeichnungen der Missionare und Kaufleute vermehrt Hinweise auf Fakirismus, worunter auch die indischen Yogis subsumiert werden. Deren westliche Darstellung ist sowohl undifferenziert als auch überwiegend negativ, ihnen wird z.B. eine „unverschämte Dreistigkeit“ (zitiert nach Fuchs 1992, S. 28) nachgesagt. Das Alltagsbewusstsein in Deutschland wird davon zum Teil bis in die Moderne geprägt, selbst in einem Fachbuch über das autogene Training warnt Mensen noch 1997 seine Leserschaft vor einem „psychischen Nährschaden“ und einer „Selbstvergiftung durch unassimilierbare kulturelle Fremdkörper“ durch Yogaübungen (Mensen (1997, S. 198). Seit Mitte des 18.Jh. bemüht sich die Wissenschaft um dieses Thema durch philologische Arbeiten, die Übersetzung grundlegender indischer Texte, Studien über Yoga und die Errichtung eines Lehrstuhls für Indologie in Bonn (1818). Im 19.Jh. findet mit der Aufnahme des Yoga in die theosophische Philosophie und die Anthroposophie das erste Mal eine organisierte und systematische Rezeption statt. Bedingt durch zahlreiche Schriften über den Yoga, werden zwei grundsätzliche Neuerungen eingeführt: die Weitergabe von Yoga ohne persönlichen Lehrer (Guru) und die Verbreitung des Yoga in und für die Öffentlichkeit. Die Anerkennung der Methoden des Yoga gegen Ende der zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts durch die westliche Wissenschaft, führt zu einer immer größer werdenden Popularität der praktischen Ausübung des Yoga (vgl. Fuchs 1992, S. 28ff.). Schultz, der Begründer des Autogenen Trainings bezieht sich in mehreren Publikationen sowie in seinem Grundlagenwerk „Das autogene Training“ direkt auf den indischen Yoga und beschäftigt sich explizit mit dessen Verhältnis zum Autogenen Training (vgl. Schultz 198217, S. 350ff.)


Ein weiterer wichtiger Beitrag für die Aufnahme und die Umsetzung des Yoga in Deutschland ist die Gründung der ersten Yoga-Schule von Boris Sacharow im Jahre 1939 in Berlin. Nach dem zweiten Weltkrieg gibt er Yoga-Kurse und wird bekannt durch seine zahlreichen Publikationen, insbesondere durch die Übersetzung und Interpretation des wichtigen Hatha-Yoga Textes der Gheranda-Samhita. Ab Mitte der 1950er Jahre werden diverse Yoga-Institutionen gegründet: neben weiteren Schulen erstmals private Einrichtungen sowie den Bund der Yoga-Freunde. Außerdem werden einige indische Yoga-Organisationen und -Vertreter aktiv, wie z.B. die Shivananda-Organisation, die das Shivananda-Yoga-Vedanta-Zentrum gründet. Mitte der 1960er Jahre werden der Berufsverband Deutscher Yogalehrer e.V. und die Deutsche Yoga-Gesellschaft gegründet. Ungefähr zehn Jahre später verabschieden sie Rahmenlinien für die YogalehrerInnen Ausbildung, die jedoch bis heute noch nicht staatlich anerkannt und damit ohne allgemeine Rechtsverbindlichkeit für die Berufsausübung ist. Ab 1988 beginnen mehrere Krankenkassen Zuschüsse zu Yoga-Kursen zu zahlen, falls eine erfolgreiche Abschlussprüfung der YogalehrerInnen bei den großen Yoga-Verbänden nachgewiesen wird. Die Weiterbildung der YogalehrerInnen wird zunehmend in die Hände professioneller Pädagogen gelegt, die neue Lehr- und Lerntechniken diskutieren und erproben, sich so z.B. im Gegensatz zu traditionellen Modellen an progressiven Methoden (z.B. TeilnehmerInnenbezogenheit, im Gegensatz zum hierarchischen Lehrer-Schüler Verhältnis des indischen Yoga) orientieren. In den 1990ern haben die Kurse der Volkshochschule den quantitativ stärksten Anteil am Yoga-Unterricht: 750 bundesdeutsche Volkshochschulen bieten 1989 rund 12 600 Yoga-Kurse an, wobei Frauen mit circa 80%, mehrheitlich im Alter von 30 bis 50 Jahren, den weitaus größten Teil der KursteilnehmerInnen stellen (vgl. Fuchs 1992, S. 37ff.). An der Volkshochschule Augsburg werden im Frühjahrs-Semester 2003 insgesamt 34 verschiedene Yoga-Kurse für unterschiedliche Zielgruppen (Anfänger, Fortgeschrittene, Frauen, Senioren, Menschen mit Rückenproblemen u.s.w.) angeboten. Selbst Fitnessstudios (z.B. „Fitness Company“) bieten mehrmals die Woche Yoga-Kurse an, wobei der indische Yoga in diesem Fall eine Veränderung erfährt, insofern, als dass der meditative Aspekt zugunsten des körperlichen Trainings vernachlässigt wird.
Exkurs: Philosophische Aspekte - die Yoga-Sutren des Patanjali

Einer der wichtigsten Grundlagentexte des Yoga sind die Yoga-Sutren des Weisen Patanjali. Sutra bedeutet so viel wie Merksatz oder Ausspruch (vgl. Patanjali 19824, S. 9). Patanjali fasst in den Yoga-Sutren das zu seiner Zeit vorhandene Wissen über den Yoga zusammen und gibt ihm eine Struktur. Die Yoga-Sutren enthalten eine methodische Darlegung über die Natur des Geistes (der unruhig und zerstreut ist), eine Analyse der normalen menschlichen Situation (die von Unklarheit und Leid gekennzeichnet ist) sowie eine Erklärung des achtfachen-Yogaweges (vgl. Patanjali 19824).
An dieser Stelle gehe ich auf die Yoga-Sutren ausführlich ein, da sie für den gesamten Yoga bis zum heutigen Tag von Bedeutung sind: sie sind nach Trökes (2000) „zeitlos gültig“ (S. 21). Ich bin mit Trökes (2000) einer Meinung, dass Patanjali „mit psychologischem Blick [diagnostiziert] [...], was den Geist des Menschen unklar macht, was sein inneres Wachstum und seine Selbsterkenntnis behindert, und [...] einen für jeden Menschen nachvollziehbaren Übungsweg auf[weist], diesen Schwierigkeiten zu begegnen“ (S. 17; Anpassungen: E. K.).

Patanjali (19824) stellt gleich zu Beginn der Yoga-Sutren fest, dass die Disziplin des Yoga „jener innere Zustand [ist], in dem die seelisch-geistigen Vorgänge zur Ruhe kommen“ (S. 21; Anpassung: E. K.). Der „Sehende“ kann mittels Yoga in seiner „Wesensidentität“ ruhen, ohne sich „durch die Identifizierung mit den seelisch geistigen Vorgängen“ aus der Ruhe bringen zu lassen (ebd.). Der Geist einer Person ist demnach ständig beschäftigt: nicht nur mit dem, „was gerade anliegt“, sondern auch mit der Verarbeitung von Sinneseindrücken. Dazu beschäftigen ihn sowohl Vergangenes als auch Zukünftiges (vgl. Trökes 2000, S. 21). Dass der Geist permanent beschäftigt ist, soll an folgendem verdeutlicht Beispiel werden.

Bsp.5.: Die permanente Beschäftigung des Geistes
Eine Person steht an einem heißen Sommertag an einer verkehrsreichen Kreuzung: sie will die Strasse überqueren und wartet bis die Fußgängerampel auf Grün umschaltet. Neben ihr stehen mehrere Personen. Hinzu kommt noch ein Fahrradfahrer in schnellem Tempo, der mit quietschenden Bremsen neben der besagten Person anhält. Viele verschiedene Reize (Stressoren), wie Hitze oder Lärm, strömen auf sie ein. Außerdem erschrickt sie für einen Moment, als der Fahrradfahrer unerwartet neben ihr auftaucht. Sie erinnert sich daraufhin an ein lang zurückliegendes Erlebnis: sie hatte vor einigen Monaten (in einer ähnlichen Situation) eine Person mit dem Fahrrad angefahren, weil die Bremsen versagten. Dabei fällt ihr ein, dass sie ihr Fahrrad demnächst mal wieder überholen muss. Sie überlegt sich, wann sie diesen weiteren Termin einschieben kann. Dies geschieht alles gleichzeitig mit dem „was anliegt“, nämlich sich auf das Umschalten der Ampel zu konzentrieren. Wegen der Reizüberflutung verpasst sie die Grünphase und reagiert mit Emotionen, wie Ärger und Wut.

Es gibt mehrere Gründe, die eine Person daran hindern, ruhiger, klarer und zufriedener zu werden. Nach Patanjali sind es fünf Hindernisse, die kleshas (Schmerz, Kummer, Leid).


• „Falsches Wissen“ (Trökes 2000, S. 22; Hervorhebung: E. K.) ist das Hauptklesha. Es bezieht sich darauf, dass die Wahrheit immer subjektiv ist. „Unser Wissen ist geprägt durch unsere Erziehung, unsere Erfahrungen, unsere Weltsicht und unsere Glaubenssätze“ (ebd.). Hier zeigt sich meiner Meinung nach eine deutliche Parallele zur konstruktivistischen Erkenntnistheorie. Diese besagt im Kern, dass sich eine Person aufgrund von gemachten Erfahrungen immer in Vorurteilen bewegt, die Strukturen des Denkens also nicht objektiv sein können. Der Blick auf die Wirklichkeit ist also subjektiv gefärbt, und im Prinzip erfindet eine Person „die Realität“ nur, was bedeutet, dass die Wirklichkeit ein höchst individuelles Konstrukt darstellt (vgl. Watzlawick 200113).
• Das nächste klesha ist die „falsche Einschätzung der eigenen Person/des Egos“ (Trökes 2000, S. 22; Hervorhebung: E. K.). Es kommt zustande durch die Fremdbeurteilungen, denen eine Person von Geburt an ausgesetzt ist, und nach denen sie ihr Selbstbild konstruiert. Im schlimmsten Fall identifiziert sie sich mit negativen Eigenschaften und Merkmalen, die ihr zugeschrieben werden und übernimmt diese in der Folge. Die pädagogische, psychologische und soziologische Fachliteratur spricht in diesem Zusammenhang von Etikettierungsprozessen (vgl. Keller; Novak 19932, S. 132).
• Das „drängende Verlangen, etwas haben zu wollen“ (Trökes 2000, S. 22; Hervorhebung: E. K.) ist das dritte Hindernis und bezieht sich zum einen auf das Grundbedürfnis einer jeden Person nach Aufmerksamkeit, Anerkennung, Zuwendung und Liebe. Damit sind aber auch Bedürfnisse materieller Art gemeint. Gerade im Deutschland des 21. Jahrhunderts, werden Bedürfnisse jeglicher Art geweckt. Eine Person versucht diese zu befriedigen, was allerdings keineswegs zu mehr innerer Ruhe und dauerhaftem Glück führt. „Rastloses“ Konsumverhalten kann ganz im Gegenteil zu physischem und psychischem Stress führen (ich denke da z.B. an volle Kaufhäuser und eine Masse schlechtgelaunter Personen).
• Das „Nicht-Haben-Wollen“ (Trökes 2000, S. 23; Hervorhebung: E. K.) meint, dass eine Person beträchtliche Energien dafür aufwendet, Unangenehmes zu vermeiden und Schutzschilde um die Seele aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Dieses Hindernis gleicht meiner Meinung nach dem von Freud eingeführten Begriff der Verdrängung. Freud bezeichnet damit „den Prozeß, durch welchen eine Person sich vor der Erinnerung an nicht annehmbare oder schmerzhafte Information schützt, indem sie sie aus dem Bewusstsein verstößt“ (Zimbardo 19956, S. 341). Er geht aber, im Gegensatz zu Patanjali davon aus, dass eine Person dadurch ihren Seelenfrieden erlangt.
• Das letzte der fünf kleshas, ist die „Angst [...], das Hindernis, das am tiefsten in uns verwurzelt ist“ (Trökes 2000, S. 24; Anpassung und Hervorhebung: E. K.). Gemeint ist insbesondere die Angst vor dem Tod, ferner die Angst davor, nicht geliebt zu werden, aber auch Ängste auf die Ungewissheit der Zukunft bezogen. Der Fluss des Lebens bringt einen ständigen Wandel mit sich. Beispielsweise dokumentiert die familienpsychologische und familiensoziologische Forschung seit geraumer Zeit einen tiefgreifenden Wandel familiärer Strukturen und Beziehungen als Teil umfassender gesellschaftlicher Veränderungen. Quantitative Daten, wie beispielsweise die kontinuierlich sinkende Geburtenrate (von 2,37 Kindern pro Frau im Jahr 1960 auf 1,39 Kinder pro Frau im Jahr 1996) oder die hohe Scheidungsrate (im Jahr 2002 bei ca. 40% liegend), belegen die Auswirkungen einer Pluralisierung der Lebensstile, einer Diskontinuität in der familialen Entwicklung und der Schwierigkeit der Bewältigung von Belastungen, die aus normativen Lebensereignissen, wie dem Übergang zur Elternschaft, resultieren (vgl. Fthenakis 2000).

Der erste Schritt, die Wirkung der kleshas abzuschwächen, ist eine ständige Achtsamkeit zu entwickeln. Eine Person soll nach Patanjali irritierende Situationen und damit auch das entsprechende Reiz-Reaktionsschema bewusst verlassen (innehalten) (vgl. Trökes 2000, S. 24). Damit kann sie quasi auf einer Metaebene über den Grund ihrer Irritation reflektieren. Die Kunst auf einer Metaebene über Störungen nachzudenken, wird auch in der modernen pädagogischen Literatur beschrieben, z.B. von Friedemann Schultz von Thun (20018).
Das Thema Achtsamkeit findet sich auch in modernen (westlichen) psychologischen Sachbüchern wieder. Beispielsweise stellt Schaufler (2000) in ihrem Buch „Frauen in Führung!“ Achtsamkeit in Zusammenhang mit Stressbewältigung. Sie weist darauf hin, Achtsamkeit bedeute „sich in acht nehmen vor Überlastung und auf das eigene Wohlbefinden achten“ (S. 125). Dazu gehöre sowohl auf die innere Stimme zu hören, als auch die Signale des Körpers zu deuten (vgl. ebd.).
Patanjali stellt klar, dass sich keines der fünf Hindernisse auf dem Weg zu mehr Ruhe, Klarheit und Gelassenheit jemals völlig beseitigen lässt. Der bewusste Umgang mit ihnen trägt jedoch dazu bei, sie abzuschwächen. Das Konzept der kleshas ist laut Trökes (2000) „ein wirkungsvolles Mittel [...] unseren Geist und unser Handeln zu klären und zu versuchen, zukünftiges Leid für uns und andere zu erkennen und zu vermeiden“ (S. 24; Auslassung: E.K.). Insofern trägt dieses Konzept auch zur Vermeidung von Distress bei. Eine Person muss dafür lernen, den analytischen Teil ihres Verstandes gezielt und konstruktiv einzusetzen, um zu unterscheiden und zu differenzieren.

Das Erlernen der Unterscheidungsfähigkeit ist ein Prozess, der einmal in Gang gesetzt, ein Leben lang anhalten wird. Dieser Gedanke entspricht dem Konzept des „Lebenslangen Lernens“, das ebenso in der Pädagogik des 21. Jahrhunderts gefordert wird. In einer postmodernen Gesellschaft, gekennzeichnet durch rasche Veränderungen (z.B. im Bereich der Technik), ist es eben auch für Erwachsene wichtig weiterzulernen, allein schon um einen Arbeitsplatz zu sichern oder zu bekommen. Um diesen Lernprozess zu unterstützen, hat Patanjali ein methodisches Vorgehen entwickelt, den „achtfache[n] Yogaweg (astanga yoga)“ (Patanjali 19824, S. 116; Anpassung: E. K.). An dieser Stelle sei ausdrücklich betont, dass der Yoga keine Lehre, sondern eine Methode ist. Sie lässt sich mit unterschiedlichen Lehren und Inhalten verbinden und ist insofern tolerant. Der Indologe Erich Frauwallner (1953) drückt dies in seiner Definition von Yoga wie folgt aus: „Unter Yoga versteht der Inder das Streben, vermittels systematischer Schulung des Körpers und des Geistes auf dem Wege innerer Sammlung durch unmittelbares Schauen und Erleben die erlösende Erkenntnis oder die Erlösung selbst zu erlangen. Es ist also keine Lehre, sondern eine Methode, und kann als solche mit den verschiedensten Lehren in Verbindung treten“ (S. 133). Gleichzeitig birgt diese Definition einen hohen Anspruch des Yoga in sich. Er dient „dem höchsten Ziel des Menschen: seiner spirituellen Selbstverwirklichung“ (Berufsverband Deutscher Yogalehrer 20003, S. 1).
Die acht Stufen des Patanjali sind wie eine Treppe miteinander verbunden, so dass eine auf der anderen aufbaut. Damit ist jede Stufe unverzichtbar, keine ist besser oder wertvoller als eine andere. Bei diesem Modell handelt es sich gleichzeitig um einen Kreis (mandala), vorstellbar als ein „Kreislauf [...], genauer eine Ellipse, ein Gefüge, in dem wir uns bewegen und Kraft und Dynamik entwickeln können. In diesem gibt es aufwärts- und abwärtsstrebende Ströme. Ihr geordnetes Zusammenwirken macht uns dem Weg zum Höchsten und die Rückkehr in noch unbewegte Tiefenschichten sicher und leicht“ (Berufsverband Deutscher Yogalehrer 20003, S. 75).
Den achtgliedrigen Yoga-Weg nach Patanjali (19824, S. 115ff.) stelle ich zusammengefasst in Abb.5. graphisch dar.

 

  • 8. samadhi: Einssein
  • 7. dhyana: Meditation
  • 6. dharana: Konzentration
  • 5. pratyahara: Zurückziehen der Sinne
  • 4. pranayama: Atemregulierung
  • 3. asana: rechte Körperhaltung
  • 2. niyama: Umgang mit sich Selbst Reinheit, innere Ruhe, stetiges Bemühen, Selbstentwicklung, Hingabe an das Göttliche
  • 1. yama: Umgang mit der Welt Gewaltlosigkeit, Wahrhaftigkeit, Nicht-Stehlen, reiner Lebenswandel, Nicht-Besitzergreifen


Abb.5.: Stufenmodell: Der achtgliedrige Yoga-Weg nach Patanjali (19824, S. 115ff.)
Im Rahmen dieser Diplomarbeit setze ich in den nächsten beiden Abschnitten (5.3.2; 5.3.3) den Fokus auf die dritte und vierte Stufe des vorgestellten Yoga-Pfades: die Körperhaltungen (asanas) und die Regulierung des Atems (pranayama), da sie zentrale Elemente des Hatha-Yoga darstellen.


5.3.2 Methodische Vorgehensweise

Grundsätzlich werden verschiedene Yogaarten unterschieden: „Der berühmte indische Yogin Svami Vivekananda (1863-1902) [...], nennt vor allem vier Hauptwege des Yoga: den Karma-Yoga (Yoga der Arbeit/des Tuns), den Jnana-Yoga (Yoga der Erkenntnis), den Bhakti-Yoga (Weg der Liebe/der Hingabe), und den Raja-Yoga (Yoga der Beherrschung). Eine spätere Entwicklung der indischen Kultur ist der – heute im Westen so populäre – Hatha-Yoga (Yoga der Kraft/des Impulses)“ (Berufsverband Deutscher Yogalehrer 20003, S.1). Der Begriff Hatha-Yoga taucht zum ersten Mal zwischen dem 9. und 12. Jh. in Nordindien auf und wird bald zum Oberbegriff für ein ganzes System tantrisch beeinflusster, körperbezogener Yoga-Praktiken (vgl. ebd., S. 11).
Das Wort hatha (wörtlich Gewalt, gewaltsame Anstrengung) setzt sich zusammen aus den Silben ha (Sonne) und tha (Mond). In der Kombination mit dem Begriff Yoga ist es (im übertragenen Sinne) als die Vereinigung von Sonne und Mond zu verstehen (vgl. Eliade 1977, S. 238). Sonne und Mond stehen für die verschiedenen Seiten in einer Person, die sich unter anderem in zwei Energiebahnen (nadhi) zeigen, aber auch in jeglicher Trennung, zum Beispiel zwischen Geist und Körper oder Atem und Seele. Nach hinduistischem Glauben bilden die Knotenpunkte der beiden wichtigsten Energiebahnen (ida und pingala), durch welche die Lebensenergie (prana) fließt, die sieben chakren. Sie sind die Energiezentren einer Person und liegen alle auf der Wirbelsäulenachse vom Steißbein bis zum Scheitel. Der Hatha-Yoga umfasst asanas (Yoga-Stellungen), pranayama (Atemübungen) und Tiefenentspannungstechniken. Außerdem gibt es im Hatha Yoga Ratschläge für eine gesunde Lebensführung, u.a. vegetarische Vollwerternährung.


Wie bereits in den Kapiteln über die Progressive Muskelentspannung und das Autogene Training, gehe ich auch in diesem Kapitel über den Yoga nur auf Teilaspekte des Hatha-Yoga ein, denn gerade hier gibt es eine Vielzahl von Körperhaltungen. Beispielsweise zeigt B.K.S. Iyengar in seinem Buch „Licht auf Yoga“ (1965) alleine 200 Haltungen plus Varianten. Patanjali hingegen spricht nur von einer einzigen Haltung, dem Lotossitz . Er beschreibt ihn im Sutra 46 so, dass daraus die Qualitätsmerkmale für alle anderen asanas abgeleitet werden können: „Die Sitzhaltung soll fest und angenehm sein“ (Patanjali 19824, S. 121). Die Körperhaltung ist also durch zwei Qualitäten gekennzeichnet: sthira (Weichheit und Leichtigkeit) und sukha (Stabilität, Festigkeit und Konzentration). Die Gleichzeitigkeit von Konzentration und Wohlbefinden, von Stabilität und Weichheit, ist die Grundlage der asanas, die mit dem Doppelwort sthirasukha begrifflich gefasst wird (vgl. Trökes 2000, S. 26). Die Yogastellungen sollen den Körper in einen ausgewogenen Zustand zwischen fehlender Spannung und Verspannung führen. Die Regungslosigkeit in der Haltung soll dem Geist helfen, ebenfalls still zu werden. Sie dient der Sammlung und Zentrierung einer Person und ist insofern genau „das Gegenteil, von dem, was wir sonst den ganzen Tag über machen: unaufhörlich geistig in Bewegung sein“ (Trökes 2000, S. 26). Demnach stellen grundsätzlich alle asanas eine wirksame Maßnahme der Stressbewältigung dar, indem sie den Geist beruhigen. Dabei steht nicht ausnahmslos die äußere Form der jeweiligen Haltung im Vordergrund, sondern auch welches Gefühl und welche Einstellung eine Person dazu entwickelt. Sthirasukha lässt sich vor allem dadurch erreichen, dass man sich während der Übung auf den Körper, den Atem und den Geist konzentriert und sie zu einer harmonischen Einheit verbindet. Die bewusste Verbindung von Atem, Bewegung und geistiger Einstellung sollen folgende Übungen verdeutlichen.


Baum
 

Abb.6.: Baumstellung – vrikshasana (vriksha=Baum)

Ausgangshaltung ist der aufrechte Stand. Das Gewicht wird im Stand auf das linke Bein verlagert. Das rechte Bein wird angewinkelt und aus dem Hüftgelenk nach außen gedreht. Mit der rechten Hand wird von vorne das rechte Fußgelenk umfasst und der Fuß so weit wie möglich an die Innenseite des linken Oberschenkels nach oben gezogen. Dabei drückt der Fuß gegen den Oberschenkel und umgekehrt. Die Hände werden mit dem Ausatmen vor der Brust aneinandergelegt und dann mit dem Einatmen nach oben über dem Kopf ausgestreckt. Danach wird das Standbein gewechselt und die asana wiederholt.
Geistige Entsprechung: Ich bin im Gleichgewicht.

 

 

Schulterstand
 

Abb.7.: Kerzenstellung (Schulterstand) –
sarvangasana (sarva=ganz; anga=Körper)


Ausgangshaltung ist die Rückenlage. Die Arme sind neben dem Körper ausgestreckt und die Handflächen drücken gegen den Boden. Mit dem Einatmen werden die aneinandergedrückten Beine nach oben gestreckt. Danach wird der Rumpf gehoben. Dabei wird er mit den Händen in der Nierengegend gestützt, wobei die Daumen zum Bauch und die Finger zum Rücken weisen. Rumpf und Füße stehen in einer Linie senkrecht nach oben. Das Gewicht des Körpers ruht auf den Schulterblättern und den Oberarmen.
Geistige Entsprechung:
Ich sehe alles aus einem neuen Blickwinkel.

• Wechselatmung
Ausgangshaltung ist die Sitzhaltung (z.B. Schneidersitz) mit aufgerichtetem Oberkörper. Die Nasenlöcher werden abwechselnd mit rechtem Daumen und Ringfinger geschlossen. Erst wird links eingeatmet, dann der Atem angehalten und schließlich rechts ausgeatmet, wobei das zeitliche Verhältnis Einatmen:Anhalten:Ausatmen 2:8:4 beträgt. Im Anschluss daran wird rechts eingeatmet, dann die Luft angehalten und schließlich links ausgeatmet. Eine Runde Wechselatmung besteht aus diesen sechs Schritten. Anfänger beginnen mit 10 Runden und steigern sie allmählich auf 20 Runden (vgl. Bund der Yoga Vidya Lehrer 20006, S. 115).

Grundsätzlich können alle Körperhaltungen nach ihren Ausgangspositionen kategorisiert werden: im Stehen (z.B. Berg, Baum), in der Rückenlage (z.B. savasana), in der Bauchlage, in der Umkehrhaltung (z.B. Kerze), im Knien und im Sitzen (vgl. Ebert 1986). Außerdem wird allen Übungen eine energieaufbauende, eine energieneutrale oder eine energieabbauende Wirkung zugesprochen und gemäß des jeweiligen persönlichen Zustandes (z.B. Stress) eingesetzt. Prinzipiell ist eine unbegrenzte Anzahl von Stellungen möglich. Diese können in einer dynamischen Bewegungsfolge aneinander gereihter Stellungen (z.B. Sonnengruß=suryanamskar ) oder als primär statische, sogenannte verharrende Übung , durchgeführt werden (vgl. Lysebeth 1970). Da Anatomie, Bedürfnisse und Voraussetzungen von Personen individuell verschieden sind, kann eine bestimmte asana für eine Person geeignet, und für eine andere kontraindiziert sein. Das ist ein Grund dafür, dass das Erlernen des Yoga bei einer qualifizierten Lehrerin oder einem qualifizierten Lehrer, die individuell geeignete asanas auswählen, in jedem Fall z.B. Büchern vorzuziehen ist.
Bezüglich der Übungsdauer werden in der Literatur unterschiedliche Angaben gemacht. Einmal täglich 10 min. werden dabei aber generell als Minimum empfohlen. Größtenteils werden jedoch ein- bis zweimal täglich 20-30 min. angegeben, wobei morgens und abends (bei Sonnenauf- und untergang) die günstigsten Zeiten sein sollen. In den meisten Praxishandbüchern wird zu Beginn und vor allem am Ende jeder Yoga-Übungseinheit die sogenannte „Tiefenentspannung“ (ca. 10-15 min.) empfohlen. Dabei liegt die Person in savasana (s.5.2.2) und entspannt systematisch alle Teile des Körpers und schließlich auch den Geist. Ein Grundverständnis für das Hatha-Yoga kann eine Person bereits nach 6 bis 8 Wochen erlangen. Yoga ist jedoch ein Entspannungsverfahren und gleichzeitig eine Philosophie, bei der eine Person bis zum Lebensende nie auslernt.

 

5.3.3 Nutzen und Risiken


Ein zentraler Gesichtspunkt des Hatha-Yoga, ist die Flexibilität des Körpers zu erhalten bzw. wiederzugewinnen. Während beim Kleinkind der Körper noch sehr biegsam und elastisch ist, setzt mit zunehmendem Alter eine Versteifung der Bänder und eine Verkürzung der Muskeln ein. Dieser natürliche Prozess kann durch die asanas auf ein Minimum reduziert werden, der Körper bleibt bis ins hohe Alter elastisch und vital (vgl. Vishnudevananda 1984). Der vierfachen Wirbelsäulenkrümmung (in Hals-, Brust-, Lenden- und Beckenbereich), die für Spannkraft und Belastbarkeit sorgt, kommt dabei besondere Bedeutung zu. Beispielsweise beugen Personen, die lange Zeit sitzend verbringen, oft den Kopf und Nacken nach vorne, wodurch sich die Bänder im Rücken- und Nackenbereich langsam versteifen und der Rücken sich rundet. Schulter- und Nackenverspannungen oder Wirbelsäulenverkrümmungen, aber auch Kopfschmerzen können die Folge sein. Die verschiedenen Yogaübungen unterscheiden sich „von sonstigen Haltungen dadurch, dass sich extreme Gelenkstellungen und Muskeldehnungen ergeben und Körperpositionen eingenommen werden, die unter natürlichen Bedingungen nicht vorkommen“ (Ebert 1986, S. 57). Somit ist es möglich, die Flexibilität der Bänder und die ursprüngliche Krümmung der Wirbelsäule zu erhalten bzw. in gewissen Grenzen wiederzuerlangen.
Die Erlangung einer natürlichen Spannkraft (Eutonie) und die Steigerung von Kraft und Ausdauer sind weitere positive Aspekte der Übungen. Durch die vielseitigen starken Streckungen und Dehnungen bei den Yoga-Übungen und durch abwechselnde Entspannungs- und Anspannungsübungen wird die Wahrnehmung der eigenen Körperspannung gesteigert, erschlaffte Muskulatur gestärkt und verhärtete Muskulatur gedehnt. Ein Ziel des Yoga ist es, den ganzen Tag über ein ausgewogenes Mittel zwischen Trägheit und Anspannung zu erreichen. Angenehme Wohlanspannung (sattwa), eine verbesserte Körpersensibilität und eine erhöhte allgemeine Entspannungsfähigkeit, die nach einigem Üben auch willentlich hervorgerufen werden kann, sind die Folge (vgl. Vishnudevananda 1984). Besonders bei den verharrenden Übungen wird die Muskelkraft und Durchblutung gefördert, was die Herztätigkeit anregt und allmählich das Herz kräftigt.

Durch die Vertiefung der Atmung bei gleichzeitiger Anregung des Blutkreislaufs gelangt mehr Sauerstoff in den Körper. Kohlendioxid und toxische Stoffe im Blut werden schneller abgebaut. Außerdem hemmt das sauerstoffreichere Blut bei Bewegung die Produktion von Milchsäure in den Muskeln, was Ermüdung vorbeugt. Die Drehungen, Beugungen und Streckungen sowie die Bauchatmung bei den asanas und pranayama (Atemübungen) bewirken außerdem eine Massage und stärkere Durchblutung der Lungen und der anderen inneren Organe, was ihre Funktionsfähigkeit steigert (vgl. ebd.). Darüber hinaus wird in der Literatur von einer Harmonisierung der Hormondrüsen (Bauchspeicheldrüse, Schilddrüse, Nebenschilddrüse, Nebennieren, Hypophyse sowie Geschlechtsdrüsen) berichtet. Somit ist es beispielsweise möglich, eine Unterfunktion der Schilddrüse, die sich in Verdauungsbeschwerden, Schlaflosigkeit, Nervosität, schnellem Puls, Herzklopfen, übermäßiger Schweißabgabe, Zittern und Gewichtsverlust äußern kann, zu verhindern (ebd., S. 70).
Das Bewusstsein wachsender Flexibilität, Kraft, Belastbarkeit und das verbesserte Gefühl für den eigenen Körper wirkt sich auch positiv auf die Psyche aus. Neue Selbstsicherheit und neues Selbstvertrauen entstehen und helfen somit z.B. Verhaltensunsicherheiten oder Angstzustände zu verringern. Hinzu kommen eine größere Achtsamkeit gegenüber sich selbst und anderen, mehr Ausgeglichenheit und innere Ruhe und eine deutlich bessere Konzentrationsfähigkeit, wovon wiederum das unmittelbare Umfeld profitieren kann. Insgesamt wirkt sich Hatha-Yoga, konstant praktiziert und richtig angewandt, positiv auf die ganze Persönlichkeit aus und beeinflusst in der Regel auch die gesamte Lebensweise (wie z.B. eine gesündere Ernährung) des Übenden.

Im Folgenden gehe ich auf die körperlichen und psychischen Wirkungen der von mir unter 5.3.2 vorgestellten asanas (Baumstellung, Kerze) und der Wechselatmung ein. Dabei handelt es sich um bewusst ausgesuchte Übungen, die meiner Meinung nach besonders geeignet sind, Stress zu bewältigen.

• Baumstellung
Aus medizinischer Sicht steigert der Baum die Hirnaktivität und verbessert das Gleichgewichtsgefühl. Diese asana trägt weiterhin zu einer harmonischen Ausbildung sowie einer Kräftigung der Beinmuskulatur bei. Die Beine werden besser durchblutet. Außerdem macht die Baumstellung Schultern-, Hüft-, Knie- und Knöchelgelenke geschmeidig und kräftig (vgl. Jacquemart; Saida 1996, S. 122).
Das äußere Gleichgewicht entspricht dem inneren Gleichgewicht. Diese Haltung erfordert eine hohe Konzentration, weswegen sie „den zerstreuten Geist sammeln und dem Menschen die Möglichkeit [geben soll], sich wieder in seiner Mitte und damit in seinem Gleichgewicht zu finden“ (Berufsverband Deutscher Yogalehrer 20003, S. 138; Anpassung: E. K.).

• Kerzenstellung
Der Schulterstand lässt sich grundsätzlich in die Kategorie der Umkehrhaltungen (viparita karani mudra) einordnen. Viparita heißt „nach Innen gekehrt, umgekehrt“. Viparita karani meint also eine Körperhaltung, in der sich der Praktizierende zurückzieht oder in die Umkehr begibt. Unter diesem Namen werden im Yoga alle Haltungen zusammengefasst, in denen sich der Kopf tiefer als der Nabel befindet (vgl. Trökes 2000, S. 84). Sarvangasana (sarva=ganz, anga=Körper) bedeutet auf sanskrit „Asana des ganzen Körpers“ (Yesudian; Haich 197220, S. 208), da sich ihre Wirkung auf den ganzen Körper erstreckt. Auf physiologischer Ebene bewirkt die Umkehrhaltung, dass der gesamte Blutkreislauf und das Herz entlastet wird. Die Beine und der Beckenboden werden von venösem Blut und Lymphe entstaut. Die Durchblutung im Kopf (z.B. der Augen, der Schleimhäute und der Haut) wird verbessert (vgl. Trökes 2000, S. 86). Aus medizinischer Sicht wirkt die Kerze ferner belebend und vertreibt sowohl nervös bedingte als auch physische Erschöpfung. Sie beseitigt den durch Blutandrang verursachten Kopfschmerz. Durch die Kerze wird das Einschlafen und Durchschlafen erleichtert. Außerdem zeigt sie gute Wirkungen bei einer Reihe pathologischer Zustände, z.B. des Herzens (Herzklopfen), der Atemwege (Asthma), des Halses (Angina) sowie der Schilddrüsen und Nebenschilddrüsen, deren Funktion sie anregt (vgl. Jacquemart; Saida 1996, S. 152). Zusätzlich erhält der Schulterstand die Flexibilität der Wirbelsäule und löst Nackenverspannungen auf (vgl. Berufsverband Deutscher Yogalehrer 20003, S. 175). Dieser asana wird nachgesagt, sie sei die „vollkommenste verjüngende und nervenberuhigende Übung“ (Yesudian; Haich 197220, S. 212). Die Kerze wirkt auf den ganzen Organismus beruhigend und „kann auch nach einem anstrengenden Tag geübt werden, um zu neuer Energie zu kommen“ (Bund der Yoga Vidya Lehrer 20006, S. 175). Insofern stellt sie eine besonders geeignete Übung zur Stressbewältigung dar.

Der Schulterstand vermittelt ein Gefühl der Ganzheit. Dies wird durch den Namen sarvangasana zum Ausdruck gebracht (s.5.3.2). Die Ausführung der Übung trägt dazu bei „sich [...] so zu akzeptieren wie man ist“ (Bund der Yoga Vidya Lehrer 20006, S 176; Auslassung: E. K.). Die Umkehrhaltung stellt nicht nur im Körper „alles auf den Kopf“, sondern sie lässt einen auch die gewohnte Umgebung mit anderen Augen sehen. Eine Person wird dadurch ermutigt, auch für andere gewohnte Dinge, Menschen, Situationen und Handlungsschemata neue Blickwinkel auszuprobieren. „In die Haltung der Umkehr zu gehen, bedeutet auch, eingefahrene Verhaltensweisen wie z.B. Arbeitssucht, Hektik [...] aufzugeben und etwas Neues auszuprobieren [...]. So ist die Umkehrhaltung ein wichtiger Moment des Innehaltens im geschäftigen Treiben des Lebens, der einem die Möglichkeit gibt, die momentane Situation zu überdenken, neue Entscheidungen zu treffen, zu sich zu kommen und die geistige Flexibilität zu bewahren“ (Berufsverband Deutscher Yogalehrer 20003, S. 134; Auslassungen: E. K.). Während eine Person den Schulterstand hält, kann sie sich beispielsweise vorstellen, wie viel und was sie „auf den eigenen Schultern“ mit sich herumträgt. Wenn sie sich beim Hinausgehen aus der Position auf Fragen wie „welche Last kann ich ablegen“ oder „welche Bürde geht mich nicht mehr an“ konzentriert (Sivananda 1991, S. 71ff), kann sie meiner Meinung nach dazu angeregt werden, sich selbst zu reflektieren. Selbstreflexion ist eine wichtige Voraussetzung zur kognitiven Stressbewältigung.

• Wechselatmung
Die Wirkungen der Wechselatmung auf körperlicher Ebene sind vielfältig. Beispielsweise trägt sie zu einer Erhöhung der Lungenkapazität bei und dazu, die Atmung unter Kontrolle zu bringen. Gerade die Perioden des Atem-Anhaltens sind ein gutes Training für Herz und Kreislauf. Sie wirkt zudem gegen Allergien, Heuschnupfen und Asthma. Des Weiteren beugt sie Erkältungskrankheiten vor. Die Wechselwirkung wirkt grundsätzlich harmonisierend auf alle Körpersysteme.
Auf psychischer Ebene fördert die Wechselatmung die Konzentrationsfähigkeit. Zudem wirkt sie beruhigend: „Wechselatmung hilft, zur inneren Ruhe und Kraft zu finden. Emotionelle Ungleichgewichte werden umgewandelt in das ruhige Gefühl der Stärke und Kraft“ (Bund der Yoga Vidya Lehrer 20006, S. 174).

Obwohl nach neueren Schätzungen über drei Millionen Personen in Deutschland Yoga praktizieren (s.1), existieren zu diesem Verfahren im Vergleich zur Progressiven Muskelentspannung und zum Autogenen Training weit weniger empirische Studien. Was Untersuchungen zu physiologischen Veränderungen und klinische Effektivitätsstudien betrifft, wird Yoga meist als Vergleichskomponente zu einer der beiden Entspannungsmethoden angeführt. Da der Hatha-Yoga Elemente der Progressiven Muskelentspannung und des Autogenen Trainings enthält , ist es nicht verwunderlich, dass sich empirische Ergebnisse dazu im Wesentlichen gleichen (vgl. Bösel 1978; Vaitl; Petermann 20002). Die Vernachlässigung des Yoga im klinischen Bereich erklärt sich mitunter dadurch, dass es dort aufgrund seiner Komplexität seltener Anwendung findet.

Grundsätzlich kann jeder Hatha-Yoga-Übungen ausüben. Probleme treten dann auf, wenn die Übungen unsachgemäß angewandt werden oder der Praktizierende seine eigenen Fähigkeiten überschätzt. Die asanas müssen von Anfang bis Ende langsam und bedächtig ausgeführt werden, die Dehnung und Streckung spezieller Muskelgruppen, Wirbel und Gelenke darf nicht an die Schmerzgrenze gehen, und verharrende Übungen sollten nicht länger als angegeben gehalten werden. Geschieht das nicht, können Zerrungen, zusätzliche Verhärtungen und Verspannungen der Muskeln, überdehnte Bänder, eingeklemmte Nerven, herausgesprungene Wirbel, Schwindel, Übelkeit oder Kopfschmerzen die Folge sein (vgl. Lysebeth 1970).
Individuelle körperliche Einschränkungen, seien es Ungelenkigkeit, Behinderungen oder diverse körperliche (auch chronische) Krankheiten können jedoch Gegenindikationen bei manchen asanas hervorrufen. An diese sollte dann nur sehr vorsichtig mit Hilfe von Vorübungen oder einer einfacheren Variante (falls vorhanden) herangegangen werden. Manchmal sollte auf bestimmte Stellungen ganz verzichtet werden. Das gilt vor allem für die schwierigen Fortgeschrittenen-Übungen, die man teilweise erst nach jahrelanger Praxis beherrscht. Ein übereifriger Anfänger, der sich für sportlich und gelenkig hält, sollte dies beachten (vgl. Lindemann 19795). Für Ungeübte ist beispielsweise der Lotossitz problematisch. Der Anfänger ist diese extreme Variante des Schneidersitzes nicht gewohnt und sollte deshalb eine bequemere Sitzhaltung vorziehen. Wer sich mit Gewalt in diese Position „zwängt“, riskiert schmerzhafte Knie- oder Fußverletzungen (vgl. Trökes 2000, S. 7).

Beim Kopfstand (shirshasana), eine klassische Yoga-Stellung, sind die Gegenindikationen weniger einschneidend als man vermuten könnte. Dazu Lysebeth (1970): „Persönlich haben wir nie ungünstige Resultate festgestellt, obwohl wir Hunderte von Menschen Yoga gelehrt haben, selbst Personen über 60 Jahre. Hier ist alles eine Frage des Maßes und des gesunden Menschenverstandes. [...] Es ist klar, daß, wenn die Arterien und die kleinen Blutgefäße des Gehirns verkalkt sind, man auf die Übung verzichten muß. Dasselbe gilt bei krankhaften Veränderungen der Halsschlagader oder bei sehr hohem Blutdruck. Selbst dann ist aber die Gefahr gering, denn eindeutige Warnzeichen informieren jeden Betroffenen, wenn er mit Yoga beginnt“ (Lysebeth 1970, S. 246; Auslassung: E. K.). Mit Warnzeichen sind Ohrensausen, starke Kopfschmerzen und Schwindelanfälle gemeint. Bei der Kerzenstellung, einer Variante des Kopfstandes, verhält es sich genauso. In diesem Zusammenhang weist Lysebeth auf Leiden hin, bei denen die beiden Stellungen nicht ausgeübt werden sollen, wie z.B. Mittelohrentzündungen, Zahnabszesse, Angina, Schilddrüsenleiden, Stirnhöhlenentzündungen, Sklerose der Hirngefäße oder schwache Halswirbel (vgl. ebd.). Generell sollen alle Übungen nicht mit vollem Magen und bei Übelkeit praktiziert werden. Es gibt außerdem gewisse Einschränkungen z.B. für Schwangere, Behinderte Personen und Personen mit Bandscheibenproblemen.

 

 

 


 

35.) Entladung: Dieser Begriff „enthält über die deskriptive Konnotation hinaus noch eine erklärende insofern, als neurophysiologische Prozesse als Auslöser für diese paradoxen Phänomene angesehen werden, wie z.B. die spontane Nervenaktivität in Form von Entladungen, vergleichbar den aus Einschlafphasen bekannten plötzlichen Muskelzuckungen“ (Vaitl 20002, S. 235).

36.) samadhi (sanskrit): Bewusstseinszustand, der über Wachen, Träumen und Tiefschlaf hinausgeht und in dem das Denken aufhört. Es ist ein völliges Aufgehen in dem Objekt, über das meditiert wird; handelt es sich dabei um Gott oder das Absolute, erfolgt die Vereinigung mit ihm (vgl. Fischer-Schreiber et al 19942, S. 315). Nach der Jung`schen Psychologie bedeutet samadhi das Auftreten des „kollektiven Unterbewussten“ (Mumford 1982, S. 98).

37.) Patanjali: Von diesem Autor ist einzig bekannt, dass er zwischen dem 2.Jh.v.Chr. und dem 4.Jh.n.Chr. gelebt haben muss (vgl. Patanjali 19824, S. 9).

38.) Tantrismus: Indische Kulturströmung (ab dem 6. Jh.), die alle wesentlichen Dogmen der Religionswelt umwertet und „eine radikale Hinwendung zur Welt“ (Berufsverband Deutscher Yogalehrer 20003, S. 10) postuliert.

39.) Lotossitz: Eine aufrechte Sitzhaltung, bei der beide Füße über Kreuz auf den Oberschenkeln liegen.

40.) suryanamaskar (Gruß an die Sonne): 12 aufeinanderfolgende, fließend ineinander übergehende asanas, die mehrere Male wiederholt werden. Verharrende Übung: Auch sie enthält dynamische Phasen von der Ausgangs- in die Endposition und zurück. Die statische

41.) Phase ist hier jedoch entscheidend; sie wird 20 Sekunden bis zu 10 Minuten lang gehalten.

42.)Eine Hatha-Yoga-Übungseinheit kann z.B. mit savasana (s.Abb.4), kombiniert mit der Progressiven Muskelentspannung (in verkürzter Form) eingeleitet und mit einer Tiefenentspannung, die Elemente des Autogenen Trainings beinhaltet, abgeschlossen werden (vgl. Bund der Yoga Vidya Lehrer 20006, S. 110f.; Lidell 1985, S. 26).

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