Voraussetzungen
für spirituelles Sadhana
I
Ich werde hier über die wichtigsten Voraussetzungen sprechen, die
notwendig sind, um das eigentliche Sadhana in Angriff zu nehmen. Alle
Heiligen, Seher und Gottmenschen früherer Zeiten, die die Wahrheit
intuitiv erfahren hatten, kündeten der ganzen Menschheit von der
großartigen Wonne und ungeheuren Kraft und Weisheit, die erfahren
werden könnten, würde sich der Mensch nur abwenden vom sinnlichen
sündhaften Leben und nach höherem göttlichen Leben trachten.
Und doch sehen wir heute, daß der Mensch genauso - wenn nicht
noch mehr - in Weltlichkeit verstrickt ist, wie er das vor Jahrhunderten
war, und der Zustand der Menschen hinsichtlich dieser Fragen nach einem
Leben im Geist ebenso apathisch und lethargisch ist wie zu Beginn der
Schöpfung. Wie kann es sein, daß er trotz des schallenden
Rufes sehr vieler großer Seher, der festen Versicherungen der
Schriften und der wiederholten Erfahrungen des Menschen selbst immer
wieder kläglich scheitert, wenn er inmitten der äußeren
physischen Welt Glück erlangen möchte und immer wieder getäuscht
wird? Wie kann es sein, daß der Mensch noch immer nicht gelernt
hat, sich auf Sadhana zu verlegen? Wir lesen hunderte spirituelle Bücher;
wir hören Vorträge; wir veranstalten Treffen wie in der Sadhana
Woche. Nach Jahren des intensiven Studiums spiritueller Bücher
und des Kontaktes mit Heiligen, nachdem der Mensch diese Dinge immer
wieder gehört hat, tut er aktiv noch immer nichts. Weil er kein
tiefes und beständiges Vertrauen in die Aussagen der Heiligen,
die Schriften und die Worte derer hat, die den Weg beschritten und Wonne
erlangt haben. Sein Vertrauen zu äußeren Dingen ist für
ihn realer. Würde der Mensch nur diesen Großen glauben, er
würde sicherlich dazu gebracht, nach ihren Worten zu handeln. Es
ist dieses grundlegende Fehlen von Glauben im Menschen, das die Wurzel
dafür ist, daß es ihm nicht gelingt, Sadhana zu machen. Sadhana
ist notwendig; aber der Mensch tut es nicht, denn er glaubt nicht wirklich
an seine Notwendigkeit. Der Mensch glaubt, daß er zu seinem Glück
Geld braucht. Der Mensch glaubt, daß er zu Geld kommt, wenn er
nur einen guten Job bekommt. Der Mensch glaubt, daß er diesen
Job bekommt, wenn er eine gute Ausbildung hat; und dadurch Geld; und
dadurch das Glück, das er sich wünscht. Im Glauben daran schicken
alle Eltern ihr Kind zur Schule, und von klein an wird ihm beigebracht,
daran zu glauben, daß es, wenn es die Prüfung ordentlich
besteht, einen guten Job bekommt, Lohn, Autos, usw. Das Kind glaubt
den Worten; es lernt, besteht die Prüfung, und die Entlohnung,
die es erwartet, trifft ein. Weil es das Gefühl hatte, weil es
dachte, daß alle diese Dinge notwendig sind, wünschte es
sie. Aber letztlich machen natürlich alle Menschen die unglückliche
Erfahrung, daß dieses Glück, das sie erreichen, mit zehnmal
mehr Kummer vermischt ist. Der Mensch bekommt ein Anna Glück und
gemeinsam damit fünfzehn Annas Schmerz und Leid, mit dem er nicht
gerechnet hatte, als er sich auf die Suche nach seinem Glück machte.
Wenn der Mensch auf diese Weise an den spirituellen Handlungsverlauf
glaubt, wird er danach handeln. Wenn ihm dieser Glaube fehlt, macht
er kein Sadhana. Um das Sadhana aufzunehmen, wenn der Mensch wirklich
diese Wonne zu erlangen wünscht, die nicht mit Leid vermischt ist,
muß er fest im Glauben ruhen. Es könnte blinder Glaube genannt
werden; es gibt aber keinen blinden Glauben, denn alles auf dieser Erde
funktioniert nur durch Glauben, und wenn der Mensch heute lebt, dann
ist es nur aufgrund gegenseitigen Vertrauens und Glaubens. Ein Zehn-Rupis-Schein
ist ein Stück Papier, aber weil das Asoka Chakra Zeichen darauf
ist, besorgt es dir sofort, was du willst, wenn du es auf dem Basar
vorzeigst. Weil du an dieses Stück Papier glaubst. Hättest
du kein Vertrauen zu diesem Papier, wärest du nicht einmal sicher
genug, um das Haus zu verlassen; du wärest niemals sicher, daß
du dein Ziel erreichst. Der Arzt gibt dir ein Rezept auf einem Stück
Papier. Wenn du kein Vertrauen hast, nimmst du es nicht von ihm. Aber
das Vertrauen, auf dem die ganze Gesellschaft begründet ist, läßt
dich an sein Wort glauben, ihm Geld bezahlen für seinen Rat, es
zum Apotheker bringen, die Medizin erhalten, und du wirst geheilt. Die
gesamte gesellschaftliche Struktur und Ordnung, auf der die Menschheit
reibungslos funktioniert, basiert auf Vertrauen und Glauben. Wenn du
bereit bist, den Menschen zu vertrauen, die nichts anderes sind, als
ein vergängliches Phänomen - diejenigen, denen du vertraust,
sterben vor deinen Augen - wenn du bereit bist, diesen vergänglichen
Wirklichkeiten zu vertrauen, wie den Menschen, warum vertraust du dann
nicht dem eigentlichen Schöpfer all dieser Dinge? Nachdem du nun
alles Vertrauen in die Worte der Seher hast und die Notwendigkeit von
Sadhana erkanntest, was ist dann als nächstes zu tun? Du hast vielleicht
Vertrauen. Tausende wohlwollende Personen schlagen vielleicht Vorgangsweisen
zu deinem Besten vor, und vielleicht glaubst du ihnen voll und ganz.
Wenn du sie nicht in die Praxis umsetzt - wenn du nicht beginnst, sie
in Funktion zu setzen - werden sie für immer Pläne bleiben,
die sich im Stadium des Entwurfs befinden. Wenn du dich nicht daran
machst, Geld, Zement, Ziegel, diverse weitere Baumaterialien und Arbeitskräfte
zu beschaffen, wird das ganze Gebäude nur ein Entwurf bleiben.
Es wird nicht das Licht der Welt erblicken. Dem Vertrauen in das Sadhana
folgt die Praxis. Du mußt dich daran machen, es zu tun. Kein Frage
des Glaubens. Ein Glaube, muß eine Tat werden. Man muß sich
daran machen, es zu tun. Nachdem Vertrauen in die Worte von Weisen gelegt
wurde, beginnt man das Sadhana auszuführen. Sobald das Sadhana
begonnen wurde, ist der nächste wichtige Punkt, der zu bedenken
ist, daß es nicht einfach wieder aufgegeben wird. Ausdauer ist
von größter Wichtigkeit. Alle Prozesse in dieser Welt erfolgen
stufenweise. Sie haben Etappen. Die Landwirtschaft geht allmählich
vor sich; sie braucht zwölf Monate. Man muß säen, das
Feld gießen, Unkraut jäten, und im Laufe der Zeit wird das
Getreide eingebracht werden können. Wenn man ungeduldig ist - wenn
man den Samen sät, und sobald er zu keimen beginnt, auszieht -
wird er absterben. Wenn man alle Phasen durchmachen und ans Ende gelangen
möchte, muß man Geduld und Ausdauer haben. Ein Mann, der
ein Gefäß aus dem Brunnenwasser heben will, wenn das Gefäß
voll ist, beginnt, das Wasser auf dem Rad hochzuziehen; wenn er plötzlich
aufhört zu ziehen, fällt das Gefäß in den Brunnen
zurück. Er muß weiterziehen, bis das Gefäß oben
ist. Durchhalten, bis die letzte Frucht eingebracht ist. Man darf nicht
aufgeben. Es ist ein weiterer wichtiger Punkt, daß sich der Mensch
im spirituellen Sadhana nicht bloß mit der positiven Kraft begnügen
darf. Es gibt aktive Kräfte, die ihm entgegenstehen, die ihn tatsächlich
angreifen und nach unten ziehen. Hier hat er nun die vierte wichtigen
Waffe in der Hand - Standhaftigkeit. In seinem Streben muß der
Mensch ein wenig Mut haben, um sich nicht leicht von den Hindernissen
erschüttern zu lassen, die auf ihn einstürmen. Er muß
dem Sturm standhalten und weitermachen trotz der Schwierigkeiten und
widrigen Umstände, die versuchen, ihn einzuschüchtern und
ihn vom Weg des Sadhana wegzustoßen. Er lehnt es mit Standhaftigkeit
ab, sich entmutigen zu lassen, und indem er sich auf das innere Selbst
verläßt, setzt er sein Sadhana fort. Letztlich wird er das
Ideal erreichen, zu dessen Zweck er auf der Erde geboren wurde; und
während er diesen Vorgang durchmacht, muß er darauf achten,
daß er niemals aus den Augen verliert, daß es notwendig
ist, allen kleinen Einzelheiten sehr genaue Aufmerksamkeit zu schenken,
allen kleinen Details auf dem Weg, denn in jedem Prozeß muß
diesen kleinen Details des Prozesses ganz genaue Beachtung zuteil werden.
Wenn irgendeine kleine Einzelheit vergessen wird, in der Meinung sie
sei überflüssig, wird man feststellen, daß man letztlich
wertvolle Zeit und Mühe verloren hat. Das verzögert den Vorgang.
Es ist die Anhäufung kleiner Dinge, die emporwachsen, um hohe Ideale
zu erzielen.
Deshalb muß mit festem Glauben, praktischer Anwendung, Ausdauer,
sorgfältiger Aufmerksamkeit auch kleinen Details gegenüber
und Standhaftigkeit in Prüfungen der Pfad des Sadhana begonnen
und fortgesetzt werden.
II
Wenn wir über eine Frage nachdenken, müssen eine Anzahl verschiedener
Aspekte derselben Frage in Betracht gezogen werden, wenn unsere Beschäftigung
mit der Sache erschöpfend sein soll. Normalerweise wird die
Betonung auf einen der Aspekte gelegt und andere werden vernachlässigt,
denn entsprechend der jeweiligen Veranlagung derer, die das Thema in
Angriff nehmen, werden verschiedene Aspekte verschieden betont. Natürlich,
so viele Rishis haben sich im allgemeinen mit dem Leben beschäftigt
- dem menschlichen Leben - was es ausmacht, wie unbeständig es
ist, wie sein wahres Ziel das Erreichen von Selbstverwirklichung oder
Gottesschau ist, und haben nun, zum Beispiel, den Name Gottes als Mittel
genommen, um dieses Ziel zu erreichen, oder Patanjali Maharishi hat
gesagt, daß Yama, Niyama, Shama, Dama, usw. zu üben sind,
wie die Mauern von Yama, Niyama und die Tore und Fenster von Shama und
Dama aufgebaut werden müssen, um das Gebäude der Unsterblichkeit
zu errichten. Man kann nichts sein eigen nennen; überall ist das
Leben unbeständig; es herrscht Unsicherheit. Nun sind all das Aspekte;
aber dann haben sie nur die Problemseite des Themas dargestellt. Es
gibt auch den Lösungsaspekt, und auch hier ist die Theorie der
Lösung ein Unteraspekt davon und die Praxis der Lösung ist
wieder ein weiterer Unteraspekt. Wenn es um das Leben geht, nehmen wir
es als das Problem des Lebens, das ist Sorge, Leiden, Schmerz, und die
Möglichkeit, sie zu beseitigen, und wir müssen die Lösung
in Betracht ziehen, die einzelnen Methoden von Satsang berühren,
Seinen Namen nehmen, Shama, Dama und Dharana. Im Lösungsaspekt
liegt die Theorie der Lösung; aber als spirituelle Schüler,
als ernsthaft Suchende, so wie ihr alle es seid, wünscht man die
praktische Seite des Lösungsaspekts mehr als alles andere. Es gibt
die beiden Aspekte. Bei den Büchern zum Beispiel, gibt es das Buch
das sagt, wenn du dieses oder jenes Problem hast, kann es geheilt werden
durch Verabreichung dieser oder jener Medizin. Das ist so als sagte
man: „Vikshepa kann durch Japa und Upasana beseitigt werden.“ Aber dann
gibt es ein anderes Buch, das sagt - wenn du diese Krankheit hast, beschaffe
dir so und so viele Tolas von diesem Medikament, reinige es auf diese
und jene Weise, mische es in diesem Verhältnis, erhitze es, lasse
es so und so viele Minuten auf dem Feuer, vermische es mit diesem und
jenem - der detaillierte Vorgang der Lösung wird gegeben, so daß
jeder, der es liest, sofort danach handeln kann. Die Information ist
anders, und die vollständige Erklärung des Details ist anders.
Da nun gesagt wurde, daß dieser praktische Aspekt des Problems
für ernsthaft Suchende von größter Wichtigkeit ist,
werde ich euch ein oder zwei Punkte vor Augen führen, die sich
als überaus nützliche Behelfe herausgestellt haben, um diese
Lösung in die Praxis umzusetzen. Wenn man tatsächlich mit
dem Sadhana beginnt, stellt man fest, daß verschiedene praktische
Schwierigkeiten auftauchen. Wenn man die Zutaten hat, wenn man sie zermahlt
und feststellt, daß sie sich nicht ordentlich vermischen, wenn
man tatsächlich bestimmte Dinge tut, stellen sich praktische Schwierigkeiten
ein. Diesen praktischen Schwierigkeiten muß sofort begegnet werden.
Wenn wir also so den Aspekt des Sadhana betrachten, finden wir eine
große Schwierigkeit für Suchende: sie haben mehr mit
inneren als mit äußeren Kräften zu ringen. So stellen
wir zum Beispiel fest, daß bestimmte äußere Umstände
bestimmte Krankheiten verursachen. Wir beseitigen die äußeren
Umstände mit äußeren Kräften - wir reinigen den
Rinnstein; wir besprühen den Abfluß mit einer Anti Moskito
Lösung; wir verbrennen die Abfälle; wir desinfizieren das
Wasser; wir impfen die Menschen mit Anti Cholera Serum; und wir besiegen
die Krankheit. Aber hier sind die meisten Kräfte, mit denen man
zu ringen hat, geistige. So ist also die große Schwierigkeit,
daß wir nicht einfach auf äußere Hilfsmittel zurückgreifen
können, um diese Feinde ständig im Auge zu haben, wie das
Hygieneinstitut zum Beispiel, und sie rufen, wenn sie auftauchen. Daher
muß während der Ausführung dieser spirituellen Praktiken,
wie der Verwendung von Gottes Namen oder dem Entwickeln von Tugenden,
ein geistiger Überwachungsschirm entwickelt werden; ein Teil des
Geistes muß darin geschult werden als stets wachsamer Lenker zu
handeln. Plötzlich taucht eine störende Kraft auf; ein schlechter
Gedanke, eine antispirituelle Kraft; alles, was dem Sadhana abträglich
ist, taucht auf dem geistigen Feld auf; dieser geistige Überwachungsschirm
muß so ausgebildet werden, daß er den Störfaktor sofort
aufspüren und niederwerfen kann. Das kann nur durch emsige Pflege
und Übung erfolgen. Der Geist ist so schlecht, daß jedesmal,
wenn man ihn wendet oder in eine bestimmte Richtung lenkt, die alten
Samskaras und Vrittis ständig störend wirken. Daher muß
er auf strenge Weise niedergeworfen werden. Wir müssen einen geistigen
Aufpasser zur Stelle haben - der sofort die antispirituelle Kraft aufspürt,
die sich in ihm erhebt. Wenn dieser geistige Schutzschirm bewahrt wird,
wird der Prozeß des Sadhana reibungsloser sein; er wird sehr erleichtert
werden. Das ist, wie wenn man durch tiefes Wasser fährt. Dieses
Schiff des Suchenden ist wie das Schiff, das sich in feindlichen Gewässern
bewegt, die übersät sind mit Wasserbomben und Minen. Diese
Minen befinden sich unter der Wasseroberfläche; sie sind sehr starke
zerstörerische Waffen. Wir haben gehört, daß die Deutschen
zu Kriegsbeginn Magnetminen verwendet haben. Das feindliche Schiff
hat sie sofort angezogen, da es eine Metallkonstruktion ist - die Mine
wird davon angezogen, und das Schiff wird zerstört. Es gibt zahllose
Magnetminen in diesem tiefen Ozean von Samsara, durch den wir unser
Schiff steuern müssen. Dafür ist die einzige Methode, die
als Vorsichtsmaßnahme angewandt werden muß, das, was mit
der Magnetmine gemacht wurde. Man tat folgendes - es wurde eine Methode
entwickelt, um das Schiff vollständig zu isolieren, was es sicher
gegenüber den Magnetminen machte. Diese Isolierung machte die Magnetmine
nutzlos. Sie wurde nicht angezogen, auch wenn sie da war, und auch wenn
das Schiff nahe daran vorbei fuhr. Während wir also auf dem Sadhanapfad
gehen, müssen wir darauf achten, daß wir gut isoliert sind
mit der Isolierung von Bemühen und Gottvertrauen. Wenn die Bemühung
ständig nach oben geht, werden diese Kräfte nicht angezogen
werden können. Nur wenn die Bemühung nicht nach oben gerichtet
ist, wenn du dich noch auf dem Niveau der Sinnenfreuden und Wünsche
befindest, werden die Sinnesobjekte leicht von dir angezogen, und die
Sinnesobjekte zerstören den spirituellen Fortschritt, den du zu
machen versuchst. Nach der Isolierung muß eine weitere Vorkehrung
getroffen werden. Wir müssen dieses Ideal zum Hauptanliegen unseres
Lebens machen. Der Suchende hat vielleicht hunderte Interessen je nach
der Position, in der er sich befindet, seinen familiären Umständen,
der Gesellschaft, und Umgebung; wenn er jedoch das tut, was die Militärexperten
tun - angenommen, sie wollten die Richtung eines bestimmten Geräts
- sagen wir ein Torpedo, eine Raketenbombe, - auf ein bestimmtes Ziel
hin steuern, wird der Kurs vor dem Start abgesteckt. In welchen Lebensumständen
sich die Suchenden also auch befinden mögen, was sie von Beruf
sind, in welcher Gesellschaft sie sind, in welchen familiären Umständen,
bei Gott, möge der Hautzweck ihres Lebens als Moksha festgelegt
sein, um Selbstverwirklichung zu erreichen; so mögen sie dieses
Ideal festsetzen, diesen Gedanken so stark in ihrem Geist einprägen
und Tag und Nacht daran denken, so wie an das Stellen des Kompaß
in dieser Maschine. Sie werden sehen, daß, auch wenn ab und an
Höhen und Tiefen auftreten mögen, es sich dabei um vorübergehende
Hindernisse auf dem Flug auf diesem Kurs handelt, bedingt durch übermächtige
äußere Umstände, und daß der, der in seinem Ideal
fest ist und ständig daran denkt, von den Wechselfällen des
Lebens auf seinem Marsch dem Ziel entgegen nicht erschüttert wird.
Auf unserem Weg dem Ziel entgegen müssen wir doch den gesamten
Prozeß überblicken, wenn wir uns auch gegen äußere
Kräfte isoliert haben. Der Mensch muß sich ständig im
Bereich von Aktivität aufhalten. Weil die Umstände danach
sind. Der Mensch muß tätig sein. Im Laufe des Tätigseins
hat der menschliche Geist die natürliche Tendenz, die Färbung
des Dinges anzunehmen, mit dem er in Berührung kommt - ein Mensch,
der sich in einem rauchigen Raum aufhält, wird vom Rauch in Mitleidenschaft
gezogen. Seine Kleider werden schwarz. Es gibt aber etwas: auch wenn
die Ströme von Raga Dvesha den Menschen beeinflussen, sehen wir
doch, daß es eine konstante Kraft gibt, die unsere innere Befindlichkeit
stets göttlich, ausgewogen und spirituell bleiben läßt;
die Handlungen sind da, und die Kräfte wirken auf dich, aber du
mußt die Technik entwickeln, die verhindert, daß du darauf
reagierst. Wenn der Mensch auf das Wirken äußerer Kräfte
reagiert, irrt er. Daher kommt es zu Schwierigkeiten. Mit der Geschwindigkeit
eines Maschinengewehres wird in Sekundenbruchteilen eine unglaubliche
Anzahl von Schüssen abgefeuert, und die Trommel wird schrecklich
heiß. Wäre da nicht eine Vorrichtung, um die Temperatur der
Trommel niedrig zu halten, würde das Maschinengewehr sofort schmelzen.
Die Technik der Kriegführung wurde perfektioniert - ein Fluß
von kühlendem Öl zirkuliert um die Trommel herum, und die
Temperatur des Maschinengewehrs wird niedrig gehalten. Wenn wir mit
Raga, Dvesha, Lust, Zorn und Gier in Berührung kommen, müssen
wir darauf achten, daß die Reibung uns nicht entzündet. Wir
müssen immer den kühlenden Balsam von Bhagavans göttlichem
Namen bereithalten und an Ihn denken. Mögen wir diesen kühlenden
Balsam immer bei uns haben. So wird er unser Wesen kühl halten.
Er wird verhindern, daß sich unser Wesen erhitzt. Er wird darauf
achten, daß wir stets unser spirituelles Gleichgewicht bewahren.
Wenn im Menschen gewisse verwerfliche Züge vorliegen, denen er
nicht entkommen kann, verkehre er sie durch eine einfache Technik der
Umwandlung zu seinem eigenen Nutzen. Im Krieg wurden Kriegsgefangene
gemacht; sie waren Feinde; sobald sie aber in Gefangenschaft geraten
waren, mußten sie für uns arbeiten, um die Soldaten der Nation
fit zu halten. Sie wurden verändert zum Nutzen der siegreichen
Nation. Nörgelei liegt in unserem Wesen. Nirgendwo sehen wir das
Gute. Wir versuchen stets, Mängel aufzuspüren. Das ist ein
großer Fehler in spirituell Suchenden; es verzögert den spirituellen
Fortschritt. Aber diese Praxis ist da. Nehmen wir an, der spirituell
Suchende hat sie, so braucht er sich deswegen nicht besonders zu grämen.
Nehmen wir an, er kehrt diese Technik gegen sich selbst, so wird er
sehen, daß seine Technik weit davon entfernt ist, ein Feind zu
sein, und zum Freund wird. Er wird keine Zeit haben, über die Fehler
anderer nachzudenken. Er wird betäubt sein durch die Auseinandersetzung
mit seinen eigenen Fehlern. Dann wird ihm bereits ein Senfkorn guten
Willens in die Augen springen, wenn er den Vergleich mit sich selbst
zieht, der voller Fehler und Unzulänglichkeiten ist; er wird bei
anderen schon Kleinigkeiten als Tugend feststellen.
Drei Faktoren,
die das Sadhana bestimmen
Auch nach dem Studium klassischer Werke über Religion und Philosophie
wissen viele Menschen nicht, was sie praktisch tun können, um das
Ziel des Lebens, nämlich Gottverwirklichung, zu erlangen, und sie
suchen Aufklärung darüber. Die drei wesentlichen Dinge, um
Gott zu verwirklichen, sind: 1) Ständiges Denken an Gott, 2) Entwickeln
von Tugenden und 3) Spiritualisieren aller Aktivitäten.
1) Ständiges Denken an Gott: Im Anfang kann es Unterbrechungen
geben, aber durch fortgesetztes Üben kann man ständiges Denken
bewirken. Für die meisten Menschen ist nur fortgesetztes Namasmaran,
das geistige Wiederholen von Gottes Namen, möglich. Das Erwecken
der Kundalini und das Entstehenlassen von Brahmakara Vritti sind sehr
sehr schwierig, ist der Geist jedoch gereinigt, kommen sie automatisch.
2) Entwickeln von Tugenden: Von allen Tugenden sind Ahimsa (Gewaltlosigkeit),
Satya (Wahrhaftigkeit) und Brahmacharya (Enthaltsamkeit) die wichtigsten.
Wenn ein Mensch in einer Tugend fest ist, werden sich alle anderen Tugenden
an ihn heften. Beobachte die Vrittis. Halte Innenschau. Entwickle Reinheit
in Gedanke, Wort und Tat. Pflege zu Beginn wenigstens physische Reinheit.
Dann wird geistige Reinheit von selbst kommen.
3) Spiritualisieren aller Aktivitäten: Spüre, daß du
ein Werkzeug in den Händen des Herrn bist, und daß alle Indriyas
(Sinne) Ihm gehören. Wiederhole die Formel: „Ich bin Dein; alles
ist Dein; Dein Wille geschehe.“ Das ist eine wunderbare Formel zur Selbstaufgabe.
Vielleicht vergißt du die Formel, und Ichdenken kann sich breitmachen.
Halte jedoch immer und immer wieder Innenschau und finde deine Schwäche
heraus. Versuche, in dem Gefühl fest zu werden: „Ich bin ein Werkzeug
in den Händen des Herrn.“ Denke an den Vers aus der Gita:
Selbstaufgabe
Yat karoshi yadasnasi yajjuhoshi dadasi yat
Yat tapasyasi kaunteya tat kurushwa madarpanam
(Alles, was du tust, oder ißt, oder opferst oder gibst, oder als
Askese übst, tue es als Opfergabe an Mich.)
Praseeda devesha jagannivasa: „Oh Gott der Götter! Zuflucht der
Welt, habe Erbarmen.“ Das ist eine Formel, die stärker ist, oder
genauso stark, wie pahi mam, palaya mam, prachodayat - das alles sind
herrliche Formeln. Sie sind sehr stark. So denke immer wieder an sie
und an ihre Bedeutung.
Sri Ramah saranam mama, Sri Krishna saranam mama, Harih saranam - das
sind starke Saranagati Mantras. Saranagati bedeutet Zuflucht suchen
im Herrn, sich Ihm überlassen.
Karpanyadoshopahataswabhavah
Prichchhami tvam dharmasammudhachetah,
Yat sreyah syat nischitam bruhi tanme
Sishyasteham sadhi mam tvam prapannam. (Gita, Kap.II-7)
(Mein Herz ist überwältigt vom Makel der Schwäche; mein
Geist ist verwirrt hinsichtlich meiner Pflicht. Ich frage Dich. Sage
mir eindeutig, was für mich gut ist. Ich bin Dein Schüler.
Lehre mich, der ich bei Dir Zuflucht gesucht habe.) Das ist ein Satguru-Saranagati
Mantra.
Sarvadharman parityajya mamekam saranam vraja
Aham tva sarvapapebhyo mokshayishyami ma suchah. (Gita, Kap. XVIII-66)
(Gib alle Pflichten auf und suche Zuflucht bei Mir [dem Herrn] allein;
Ich werde dich von allen Sünden befreien, sorge dich nicht.)
All das sind Saranagati Formeln. Im achtzehnten Kapitel der Gita ist
ein Sloka:
Werkzeug sein
Yasya nahamkrito bhavo buddhiryasya na lipyate,
Hatvapi sa iman lokan na hanti na nibadhyate (Gita, Kap. XVIII-17)
(Wer kein Ichdenken hat, wessen Intelligenz nicht befleckt ist von [der
fixen Idee] von Gut und Böse, auch wenn er die ganze Welt umbringt,
tötet nicht und wird von der Handlung auch nicht gebunden.)
Dies sagte Krishna zu Arjuna, als dieser vom Kampf zurückschreckte,
zu dem er als Soldat verpflichtet war, als der Angreifer ihn herausforderte.
Denke an diese Slokas. Dann hast du den Geist von Saranagati. Du wirst
spüren, daß der Herr in dir ist und du im Herrn bist.
Nach der Arbeit des Tages opfere alles, was du getan hast, Gott. Identifiziere
dich nicht mit Handlungen. Spüre, daß du deine Pflicht tust
als verhaftungsloses Werkzeug der Güte des Herrn.
Kayena vacha manasendriyairva Buddhyatmana va prakritessvabhavat,
Karomi yadyat sakalam parasmai Narayanayeti samarpayami.
Opfere alle Handlungen und deren Früchte Gott. Dann wirst du nicht
gebunden sein. Auf diese Weise spiritualisiere all dein Tun. Fühle,
daß die ganze Welt eine Manifestation des Herrn ist, und du dienst
dem Herrn in allen Namen und Formen, und alles, was du tust - deine
Handlungen und deren Ergebnisse, weihe es dem Herrn. Dann wird dein
Herz rein werden und bereit zum Empfang von göttlichem Licht und
Gnade.
Die sicherste Methode
Praktiziere daher die drei Voraussetzungen - ständiges Denken
an Gott, Spiritualisieren aller Aktivitäten und Entwicklung von
Tugenden.
Diese drei sind sehr wichtig. Praktiziere sie. Das ist die einfachste,
rascheste und sicherste Methode, um Gottverwirklichung zu erlangen.
Esha sarveshu bhuteshu goodhatma na prakashate,
Drishyate twagryaya buddhya sookshmaya sookshmadarsibhih.
(Dieser Atman verbirgt sich in allen Wesen, aber nur feinsinnig Sehende
nehmen ihn mit ihrem scharfen und feinen Verstand wahr.)
Der Verstand muß scharf sein wie ein Rasiermesser, wenn man die
Brahma Sutras richtig verstehen will. Nicht jeder ist dazu ausersehen.
Auch dann ist praktische Erfahrung wesentlich. Daher sind, für
die allermeisten, das ständige Denken an den Herrn, das Spiritualisieren
der Aktivitäten und das Entwickeln von Tugenden - Ahimsa, Satya,
Brahmacharya - der wichtigste Teil im Sadhana. Sie bilden auch den edlen
achtfachen Pfad des Buddha. Sie entsprechen auch der „Bergpredigt“ von
Jesus. Sie sind das Eigentliche in allen Religionen. Daher praktiziert
sie bitte und erlangt Gottverwirklichung. Liebt alle. Seid gut, tut
Gutes. Möge der Herr euch alle segnen.
Die
primären Prinzipien des Sadhana und deren Verdrehung
Der Weg des spirituell Suchenden führt wahrlich durch einen verwirrenden
Dschungel von Schwierigkeiten und Zwangslagen von Problemen und Paradoxa.
Eines dieser ärgerlichen Paradoxa ist, daß der Geist sowohl
der beste Freund als auch der erbittertste Feind ist. Der Geist wird
erst zum wahren Freund, nachdem er allmählich geschult worden ist,
es zu sein. Der Geist beginnt, wirklich hilfreich zu werden, nachdem
der Suchende ausreichende Fortschritte im spirituellen Sadhana gemacht
hat. Bis dahin muß er als störender und heimtückischer
Feind in unserem Inneren gesehen werden. Er ist überaus diplomatisch,
verschlagen und gemein. Er ist ein Erzbetrüger. Eines der Glanzstücke
der Listigkeit des Geistes ist es, den Suchenden fühlen und sich
selbstzufrieden einbilden zu lassen, daß er seinen Geist vollständig
kennt und von ihm nicht in die Irre geführt werden kann, um ihn
gleichzeitig total zu täuschen. Der Geist kennt den Trick, den
unachtsamen Sucher vertrauensvoll denken zu lassen, er sei sein Meister,
während er ihn zum hoffnungslosen Narren macht. Seine Täuschungen
sind raffiniert.
Man kennt das Sprichwort: „Der Teufel legt die Schriften zu seinen Gunsten
aus.“ Genauso kann der Geist eine Tugend benutzen, um einem Laster nachzugeben.
Der Hang zum Verdrehen liegt in ihm. Er vermag ein vollkommen gutes
Prinzip zur Unterstützung heranzuziehen, um die gewissenloseste
Art von Handlung scheinbar zu rechtfertigen. Wenn er nicht verhaftungslos
durchleuchtet wird, werden seine Tricks niemals vollständig durchschaut.
Einige der Verdrehungen, die normalerweise zu bemerken sind, werden
in der Folge beschrieben. Das ist wertvoll für ernsthaft Suchende,
die ihren Geist erforschen und Mängel und Unzulänglichkeiten
daraus beseitigen wollen. Es sind äußerst hilfreiche Tips,
im speziellen für Suchende im Arbeitsbereich, die mit aktivem Seva
inmitten anderer Menschen beschäftigt sind.
Den Sadhakas wird gesagt: „Bewahre Matri Bhava oder Devi Bhava, wenn
du dich in Gesellschaft von Frauen befindest.“ Das ist ein großes
Prinzip, um die Reinheit und den spirituellen Fortschritt zu schützen.
Es heißt aber nicht: „Suche die Gesellschaft von Frauen.“ Dieser
Rat will auch nicht besagen, daß man frei und ohne jede Schranke
und Begrenzung mit dem anderen Geschlecht Umgang haben kann, wenn man
versucht, diese Einstellung zu haben. Dann fragt der Geist: „Warum nicht?
Was ist, wenn ich es tue? Ist es nicht nur Furchtsamkeit, ihre Gegenwart
zu meiden? Fürchte nichts, wenn du es mit Devi Bhava tust!“ Vorsicht,
Oh Suchender, hüte dich vor dieser Tendenz! Göttliches Bhava
ist kein Freischein, um alle Beschränkungen auf dem Weg des Sadhakas
abzuwerfen. Die ständige Anweisung für Sadhakas ist, jeden
Kontakt mit dem anderen Geschlecht vollständig zu vermeiden. Wenn
ein solcher Kontakt unvermeidlich wird, dann: „Habe Matri Bhava; habe
Devi Bhava.“, usw., so lautet die Anweisung. Dies soll den Suchenden
auch davor warnen, Frauen zu hassen oder zum Frauenfeind zu werden.
Man erweist Frauen Verehrung, aber aus sicherer Distanz. Devi Bhava
usw. dürfen nicht so verstanden werden, daß man die ganze
Zeit mit ihnen zusammen sein sollte. Sei auf der Hut vor deinem Geist!
Ein weiterer Ratschlag lautet: „Du kannst zischen, aber nicht beißen.“
Dieser Rat für ihre Sicherheit wurde in der Fabel einer Schlange
gegeben, die durch ein übersteigertes Maß an Mitleid so völlig
zahm und harmlos geworden war, daß sie von einer Gruppe mutwilliger
Lausejungen stark mißhandelt wurde. Er wurde zu vorsichtigen Familienvätern
und Menschen als Beispiel gegeben, die sich inmitten der rauhen Wirklichkeiten
des wettbewerbsbetonten ›Vyavaharischen‹ Lebens befinden. Hier könnte
ein Übermaß an ›Avanti-Brahmanischer‹ Demut das Leben unmöglich
machen, inmitten der asurischen Elemente, die es in der Welt gibt. So
kann eine nach außen gezeigte Kampflust soweit gutgeheißen
werden, als sie der grundlegenden Güte und Brüderlichkeit
keinen Abbruch tut. Aber diese Diplomatie gilt nicht für den spirituell
Suchenden auf dem Weg von Sadhana und Nivritti. Sicher nicht. Mögen
Suchende diese Worte beachten. Der Sadhak hat nicht zu ›beißen‹,
er hat nicht einmal zu ›zischen‹. Diese Sache mit dem ›Zischen‹ wird
einem bald zur Natur. Bald zischt man wegen allem, zu allem, zu jedem,
jederzeit. Dieses Zischen umfaßt dann auch jede Art von Unfreundlichkeit,
von der hitzigen Debatte, scharfen Erwiderung und knappen Antwort bis
zum zornigen Schreien, Brüllen und zur Beleidigung. So wird in
Ermangelung von physischer Gewalt und Kampf jede Art von verbaler Gewalttätigkeit
in diese Kategorie des „Zischens“ fallen. Das führt letztlich zum
spirituellen Niedergang. Der Geist wartet nur darauf, das geringste
Zugeständnis auszunutzen, das ihm gemacht wird. Seine natürliche
Tendenz geht nach unten. Oh Suchender, beiße nicht und ›zische‹
nicht einmal. Sei demütig, sei sanft, sei freundlich. Sei fest,
aber sei höflich und zuvorkommend. Wenn du ›zischen‹ willst, ›zische‹
deinen eigenen Geist an. Wirf das Ego zu Boden. Kämpfe gegen Shadripus.
Sei auf der Hut vor deinem Geist!
Ein weiteres Opfer der Verdrehung ist der Ratschlag: „Sei entschlossen.
Halte dich an deine Prinzipien. Weiche keinen Millimeter ab.“ - Der
bestmögliche Rat für einen ernsthaften Sadhaka, unglücklicherweise
aber häufig zur Basis für den allerschlimmsten Charakterzug,
Sturheit, gemacht. Das ist ein tamasiger Wesenszug. Aber der Geist macht
glauben, daß Atma Bala manifestiert wird, göttliche Entschlossenheit.
So arbeitet er - damit er sich fest an sein Ego klammern kann. Daraus
entsteht die Täuschung. Aber der sorgsame Suchende muß den
Unterschied erkennen zwischen sattvigem Nishta und bloßer Eigensinnigkeit.
Atma Bala ist keine billige Ware, die man ohne ein großes Maß
an ernsthaftem Bemühen, Disziplin und Pflege der Willenskraft erhalten
kann. Ein entschlossenes Festhalten wird befürwortet, wenn es um
wirklich hohe und edle Prinzipien geht, nicht bei selbst entwickelten
Vorstellungen. Bleibe um jeden Preis bei spirituellen yogischen Niyamas,
vermeide es aber, halsstarrig zu werden. Lasse dich nicht täuschen.
Sei auf der Hut vor deinem Geist!
„Sprich immer die Wahrheit. Sei aufrichtig.“ So lautet das Upadesh.
Das heißt, daß, wenn gesprochen werden muß, man nur
die Wahrheit sagen darf. Es bedeutet nicht im geringsten, daß
man herumgehen und jedem ins Gesicht sagen soll, was genau man von ihm
oder von ihr hält. Dieses Verhalten ist ungerechtfertigt. Unter
dem Deckmantel der Offenheit seine Meinung frei zu sagen, ohne sich
um die Gefühle der Menschen zu kümmern, ist nicht ›Arjava‹,
Offenheit oder Aufrichtigkeit. Im geringsten Fall ist es Gedankenlosigkeit;
auf seinem Höhepunkt ist es reine Brutalität. Es stellt einem
Suchenden kein gutes Zeugnis aus. Derselbe Lehrer, der dir sagt: „Sprich
die Wahrheit; sei aufrichtig!“, sagt dir auch, daß du „Mita Bhashana,
Madhura Bhashana“ haben mußt, eine gemäßigte und sanfte
Sprache. Der Geist kann sogar bewirken, daß Offenheit verwendet
wird, um eine sanfte Beleidigung auszudrücken. Eine unerfreuliche
Wahrheit bleibt besser ungesagt. Wenn es unbedingt notwendig und unvermeidlich
ist, sage es sanft und bescheiden. „Die Gefühle anderer nicht zu
verletzen oder zu kränken“ ist ebenso wichtig, wie die Wahrheit
zu sagen. Satya und Ahimsa müssen Hand in Hand gehen. Erforsche
dich. Sei auf der Hut vor deinem Geist!
Dann ist da der Gemeinplatz: „Vairagya ist in Wahrheit ein geistiger
Zustand, geistige Verhaftungslosigkeit.“ Der Geist ergreift diese Definition,
um sorglos ein sinnliches Leben zu führen, ohne Selbstbeherrschung
oder Prinzip. Das Argument ist immer: „Oh! Ich bin an all das nicht
verhaftet. Ich kann mich darüber in jedem Augenblick erheben. Ich
genieße es als Meister. Geistig bin ich unverhaftet.“ Kontakt
mit Vishayas hat sogar Tapasvins wie Vishwamitra zu Fall gebracht. Daher
nimm Vairagya nicht leicht. Pflege Vairagya sorgfältig. Schütze
dein Vairagya sorgsam. Sei wachsam. Sei auf der Hut vor deinem Geist!
Die Ermahnung, im Tapyasa nicht in Extreme zu gehen, erleidet ein ähnliches
Schicksal. Der Mensch ist von Natur her sinnlich. Der Geist wünscht
Bequemlichkeit und haßt Askese. Der nicht unterscheidende Suchende
ignoriert opportunerweise das beschreibende Adjektiv „extreme“ in der
oben zitierten Ermahnung und begegnet jedem ›Tapasya‹ mit Ablehnung.
Daraus resultiert die Degeneration in Luxus, der Verlust auch eines
Minimums an Titiksha, und er wird Sklave von Hunderten von Bedürfnissen.
Die Warnung bezieht sich auf törichte Extreme, aber für einen
Sadhaka im Anfangsstadium ist ein gewisses Maß an Askese für
seine Entwicklung unerläßlich. Der Geist bietet so viele
Rechtfertigungen an. Er zieht die Gita heran und zeigt, daß der
Herr Tapas verurteilt hat. Oh Suchender, der Herr verurteilte ›Tamasiges
Tapas‹. Er empfahl sattvige Askese von Körper, Sprache und Geist.
Überlege sorgfältig. Sei auf der Hut vor deinem Geist!
„Beschäftige dich mit dem Wesentlichen. Achte nicht zu sehr auf
Unwesentliches“. Auch das dient dem Geist als Gelegenheit, um den Suchenden
zu täuschen. Wenn man diesem Rat folgen muß, muß man
zuerst zu verstehen versuchen, was wesentlich und was unwesentlich ist.
Die träge Natur des Menschen folgt mit Widerwillen jeglichem Niyama
und den Richtlinien von Sadachara. Daher wird alles mit einem Streich
als ›unwesentlich‹ weggewischt. Was dann übrigbleibt, weiß
nur Gott. Das einzig ›Wesentliche‹ scheint das zu sein, was der Geist
mag. Der Sadhak muß bedenken, was eine spirituelle Anweisung wirklich
bedeutet, und dann, warum sie gegeben wird. Und dann hängt es wesentlich
und unwesentlich von der Entwicklungsstufe des spirituell Suchenden
ab. Was für den Suchenden in einer späteren Phase nicht notwendig
ist, kann jetzt für ihn ganz wesentlich sein. Wirf nicht wertvolles
Korn mit dem Stroh weg. Sei auf der Hut vor deinem Geist!
Schließlich steht die gefährlichste Täuschung, die der
Geist spielt, in Beziehung mit dem Sadhana selbst. Das tatsächliche
Sadhana, das der Suchende verwendet, um sein Leben umzugestalten und
es göttlich zu machen, wird verkehrt zu einer Krücke und zu
einem Feld, wo Ego und Sinne spielen können. Es ist sehr schwierig,
dieses fesselnde Netz zu durchbrechen, wenn nicht große Ernsthaftigkeit
und ehrliches Bemühen vorhanden sind. Eben dieses Sadhana ›nagelt‹
den Sadhaka sozusagen auf dem Weg fest, und der Fortschritt wird für
Jahre angehalten. Der jugendliche Sadhaka mit schöner Stimme und
musikalischem Talent wählt zum Beispiel Kirtan und Bhajan zu seinem
Sadhana - Kunst zieht stets Bewunderer an. Er ist gefragt in allen erfolgversprechenden
Funktionen. Er wird bekannt in den Satsangs. Nun wirft der raffinierte
Geist das Netz. Der Kirtan wird von Tag zu Tag lieblicher. Neue Lieder
und Melodien werden dem musikalischen Repertoire hinzugefügt. Ohne
daß er es bemerkt hätte, ist Kirtan zu einem Mittel geworden,
um andere anzuziehen und Popularität zu erlangen. So bekommt das
Sadhana eine doppelte Bedeutung - in erster Linie für den Darshan
Gottes und parallel dazu für die weltliche Anziehung. Das Ergebnis
ist das außerordentliche Phänomen, daß sich der Sadhaka
in seinem Sadhana verfängt, und die Eigenschaft des Sadhana wird
Mochana anstatt Bandhana. Die Maya ist wundervoll, unbeschreiblich.
Ihre Wege sind geheimnisvoll und undurchschaubar.
Zum Beispiel Nishkamya Karma Yoga. Anderen ohne Entgelt zu dienen und
zu helfen ist etwas Unerhörtes in dieser rein vyavaharischen Welt.
Natürlich wird der uneigennützige Sevak als ein außergewöhnliches
Wesen betrachtet. Alle Türen stehen im offen. Viele kommen mit
ihren Sorgen zu ihm, öffnen ihre Herzen und vertrauen ihm freizügig
sogar sehr persönliche Probleme an. Sie nehmen es, natürlich,
als selbstverständlich an, daß der spirituell Suchende in
jeder Hinsicht vollkommen rein ist. Hier bewegt sich der Sadhak auf
der ›Messerschneide‹ des Lebens. Eitelkeit und Weltlichkeit werden mitgeliefert,
und der Suchende scheint eifriges Interesse an Nishkama Seva zu haben.
Aber eine gründliche Erforschung des Geistes wird zeigen, daß
der Eifer und das Interesse für Karma Yoga Seva in selbem Maße
der Selbstbefriedigung gilt, die aus dem Seva gezogen werden kann, wie
dem Seva selbst. So zerstört der Geist das Sadhana.
Suchende, die Titiksha üben, bleiben sehr oft aus ähnlichen
unterbewußten Gründen an Titiksha kleben. Seine Dauerhaftigkeit
bringt ihm Ruhm ein. Er wird als außergewöhnlich angesehen.
Sogar nachdem das Titiksha Sadhana seinen Zweck erfüllt hat, wird
er es fortsetzen, um den Status zu bewahren, den es ihm gegeben hat.
Ein anderer Sadhak wird im Eindruck, gleichgültig zu sein gegenüber
Körper und Bedürfnissen, sogar vergessen, sich zu rasieren.
Das geschieht im Anfang ganz ehrlich und in gutem Glauben. Aber das
lange Haar und der Bart, die die Folge dieses ›Udaseenata‹ sind, geben
der Maya das Mittel in die Hand, um den Suchenden zu erfassen. Er wird
feststellen, daß ihn das Haar schöner macht. Mit Widerwillen
trennt er sich davon. So wird das ehemalige „Udaseenata“ dadurch ersetzt,
daß er das Haar sorgfältig kämmt, ölt, in den Spiegel
schielt, sich so kleidet, daß es zur Haartracht paßt, neue
Manierismen, usw. So fällt im Handumdrehen die Täuschung über
dich her und überwältigt dich wie der Tiger seine Beute. Ebenso
werden Hatha Yoga Übungen mißbraucht, um Gefräßigkeit
zu unterstützen; Vajroli wird verwendet für Vyabhichara, und
Yoga wird dazu gebracht, Bhoga zu dienen. All diese Verkehrungen entstehen
aus dem Übermut des nicht erneuerten Geistes. Deshalb hüte
dich vor dem Geist.
Das Außergewöhnlichste an all dem ist, daß der Geist
nicht zulassen wird, daß die genannten Lektionen ernst genommen
werden. Er wird weiterhin sagen: „Oh, du bist schon in Ordnung. Das
gilt nicht für dich. Mache weiter wie du bist.“ Oh Suchender, höre
nicht auf ihn. Arbeite nicht mit dem Schurken zusammen. Nimm dir die
Lektionen zu Herzen.
Es ist sehr schwierig, zu erkennen, wo genau man sich auf dem Weg befindet.
Die Tricks des Geistes sind überaus raffiniert. Nur ständiges
Vichar hält dich aufmerksam und in Sicherheit. Nur tiefe Innenschau
kann ein wenig das geheimnisvolle Arbeiten des Geistes enthüllen.
Sei nicht nachsichtig mit dem Geist. Der Geist wird versuchen, mit dir
Kompromisse zu schließen. Mache unerbittlich seine versteckten
Motive ausfindig. Unterwirf dich unbedingt täglich einer strengen
Selbstanalyse. Vertreibe in diesem Prozeß alle Empfindungen. Werde
intelligent, seriös und ernsthaft - C.I.D. Setze die ununterbrochene
Suche und eindringliche innere Erforschung fort. Lege den Geist auf
den Seziertisch von Vichar. Bete um die Gnade des Guru, der allein in
der Lage ist, den Geist niederzuwerfen, und dir ermöglicht, ihn
zu beherrschen. Bete zum Herrn, daß Er deinen Verstand mit dem
Licht der Erkenntnis erleuchtet. Beobachte den Geist. Beobachte und
bete. Nur so, durch Innenschau, Analyse, Unterscheidung, Wachsamkeit
und Gebet kannst du die raffinierte Gaukelei dieses wunderbaren Dings
verstehen, das ›Geist‹ genannt wird, und über seine Täuschungen
und Tricks hinausgehen.
Abhyasa: die erste
Phase des Sadhana
Abhyasa, Üben, ist die Bemühung, Festigkeit in den Modifikationen
des Geistes zu bewirken. Das Bemühen, alle Vrittis des Geistes
einzuschränken und den Geist stetig zu machen wie den Strahl einer
Lampe an einem windstillen Ort, wird Abhyasa genannt. Den Geist zu seiner
Quelle zurückzutreiben - Hridaya Guha, und ihn sich in Atman auflösen
zu lassen, ist Abhyasa. Den Geist zu verinnerlichen und alle seine nach
außen gehenden Tendenzen zu zerstören, ist Abhyasa. Und diese
Praxis muß über eine lange Zeit hinweg gemacht werden, ohne
Unterbrechung und mit vollkommener Hingabe.
Durch Abhyasa müssen die nach außen gehenden Vishaya Vrittis
des Geistes verändert werden. Ohne Vrittis des Geistes können
Sinnesobjekte nicht genossen werden, und wenn die Vrittis und parallel
dazu die Samskaras kontrolliert werden, folgt daraus Manonasha, das
Verlöschen des Geistes.
Abhyasa wird fest und beständig, wenn es über lange Zeit geübt
wird, ohne Unterbrechung und mit vollkommener Hingabe. Ständiger
und fortwährender Eifer ist unerläßlich zur vollkommenen
Kontrolle des Geistes und um Asamprajnata Samadhi zu erlangen, das alleine
alle Samen von Samskaras zu verbrennen vermag. Daher bedarf es ständigen
und intensiven Übens über lange Zeit. Nur dann wird der herumstreichende
Geist unter vollkommene Kontrolle gebracht. Nur dann wird er immer ruhig
sein, egal wohin er gerichtet wird. Ohne Üben kann nichts erreicht
werden. Das Üben muß begleitet sein von perfektem Glauben
und von Hingabe. Wenn kein Glaube und keine Regelmäßigkeit
vorhanden sind, ist der Erfolg unmöglich. Abhyasa muß solange
fortgesetzt werden, bis Vollkommenheit erlangt ist.
Vier
Punkte, an die im Sadhana gedacht werden muß
1. Denke an die Leiden von Samsara.
2. Denke an den Tod.
3. Denke an die Heiligen.
4. Denke an Gott.
1 und 2 lassen Vairagya entstehen. 3 bringt Inspiration. 4 führt
zur Erlangung von Gottesbewußtsein. Jeder Suchende muß unablässig
diese vier höchst wichtigen Punkte im Gedächtnis behalten.
Grundlagen spirituellen
Sadhanas
Ein Mensch, der Gesellschaft und Aktivität als ein Übel aufgibt
und sich in die Einsamkeit zurückzieht, isoliert von den Menschen,
damit er in der Tugend wachse und durch Meditation heilig werde, wird
sich aller Wahrscheinlichkeit nach als weniger geneigt erweisen, einem
irrenden Bruder seine Vergehen nachzusehen, als ein praktischer Menschenfreund,
der sich auf dem Gebiet ernsthaften selbstlosen Dienens aufrichtig bemüht.
Wenn ein Affe oder ein streunender Hund zufällig in sein Kutir
kommt und sein Wassergefäß umwirft oder mit seinen Rottis
wegläuft, wird der Ekantavasi Virakta vielleicht schreien, das
Tier verfluchen und ihm bis ans Ende seiner Tage grollen! Es ist auch
so, daß die bewundernswerte Tugend der Anpassungsfähigkeit
nur dann entsteht, wenn man sich in der Gesellschaft von Menschen aufhält
und sich unter ihnen auf vielerlei Art bewegt, und wenn man sich mit
verschiedenen Menschen unterschiedlichen Temperaments beschäftigt.
Durch selbstloses Tätigsein und Dienen kann die Fähigkeit
erworben werden, sich auf die Eigenarten von Menschen und Orten einzustellen.
Wenn man sich in der Meinung, Einheit des Selbst zu erleben und universelle
Brüderlichkeit zu erfahren, in einer einsamen Zelle abschließt
und beginnt, die vedantischen Formeln zu wiederholen, kann man statt
dessen tamasig und exzentrisch und intolerant werden. Langsam wird man
die guten Charakterzüge verlieren, die man einmal besaß.
Um uns vor diesem Risiko zu bewahren, gibt es den weisen Rat: „Möge
die Tugend nicht verwelken, weil es ihr an Praxis mangelt.“
Es versteht sich von selbst, daß der zurückgezogenen Eremit
und der Sannyasin in der Einsamkeit ganz gut den einen oder anderen
nützlichen Punkt vom Nishkama Karma Yogi und vom bescheidenen Svayam
Sevak lernen können. Zweifellos können durch die Methode der
Meditation einzelne subjektive Tugenden entwickelt werden, subjektiv
in der Hinsicht, daß sie sich um die unmittelbare Persönlichkeit
des Sadhaks drehen oder mit ihr in Verbindung stehen. Durch beständige
Kontemplation kann vielleicht subjektiv Nichtverhaftung dem eigenen
Körper gegenüber erlangt werden, Undurchdringlichkeit gegenüber
der Umgebung oder ein Sieg über das rajasige Bedürfnis, ziellos
umherzuziehen, usw. In gewissem Maße können auch Beherrschung
und Selbstverleugnung erworben werden.
Andererseits können die kostbaren Juwelen von Reinheit, Geduld
und Demut nur durch selbstloses Tun, verhaftungsloses Arbeiten und liebevolles
Dienen erworben werden. Ganz besonders Demut entsteht allein nur durch
Dienen. In diesem Zusammenhang ist es von großem Nutzen, einen
Punkt von enormem praktischem Wert zu bedenken, nämlich alle Tugenden.
Demut bildet die Grundlage. Nur wenn ein Mensch demütig ist und
das Gefühl hat, daß es vieles gibt, was er nicht hat und
erwerben muß, entsteht in ihm der dringende Wunsch, in diese vornehmen
Eigenschaften hineinzuwachsen, an denen es ihm mangelt. Er beginnt,
systematisch zu streben und zu versuchen, sie zu erlangen und zu besitzen.
Der stolze und arrogante Mensch hat wenig Raum zum Wachsen, weil er
das Gefühl hat, daß er alles weiß. Da ist diese Überheblichkeit
in seinem Stolz, die ihn denken läßt, daß da nichts
ist, wonach er streben und das er erwerben könnte. Daher heißt
es, daß Demut die fruchtbare Quelle aller Tugenden ist, und daß
alles, was freundlich und gut ist, in natürlicher Weise daraus
erwächst.
Großzügigkeit und Freundlichkeit sind ebenfalls Ergebnis
des aktiven Kontakts mit den Bittenden und Bedürftigen, den Hilflosen,
den Unglücklichen und den Verzweifelten. Darin liegt die einzigartige
Besonderheit von Nishkamya Karma, Arbeit, die ehrfurchtsvoll als Gottesdienst
für den Allmächtigen getan wird. Darüber hinaus liegen
manche edle Charakterzüge im Menschen in einem Doppelaspekt vor,
latent und manifest. So manifestiert sich zum Beispiel die latente Eigenschaft
der Reinheit im tatsächlichen Leben als Keuschheit. Furchtlosigkeit
manifestiert sich als positiver Mut, wenn eine plötzliche Krise
ihn auf den Plan ruft oder eine gefährliche Notsituation entsteht.
Ein gewohnter Zustand von Selbstbeherrschung manifestiert sich als bewußter
Akt der Selbstkontrolle angesichts einer tatsächlichen Versuchung
oder eines Verrats. Wenn es um vollständige und ausgewogene Entwicklung
beider Aspekte geht, wird Karma Yoga unerläßlich.
Auch müssen subjektive Tugenden, die in einem Leben der Zurückgezogenheit
und Abgeschiedenheit entwickelt worden sind, aktiv geübt werden,
wenn sie zu Fülle und Vollkommenheit gelangen sollen. Man darf
sich nicht damit begnügen, bloß Übel zu beseitigen,
auf negative Weise tugendhaft zu sein. Eine positive Leidenschaft muß
vorhanden sein, das Gute in uns in die Praxis umzusetzen, um die Freude
und das Wohlergehen aller Geschöpfe zu vermehren. Nur dann rechtfertigen
sich diese Tugenden: sie werden gleichsam zu reifen Früchten, zu
voll erblühten Blumen.
Dann werden sie sich ausbreiten und sich vom individuellen Kreis allmählich
auf die ganze Menschheit ausdehnen, dann auf das ganze Universum und
letztlich allumfassend und kosmisch werden.
Wenn sich Entwicklung und Fortschritt auf diese Weise zur Unendlichkeit
ausdehnen sollen, müssen sie dynamisch sein. Auf dem Weg von Moral
und spirituellem Glück trägt ein Leben der Untätigkeit
die Gefahr von Stagnation in sich, die in der einen oder der anderen
Phase einsetzt. Aus diesem Grund erreichen viele ethische Vollkommenheit
nicht, auch nicht nach Jahren von Zurückgezogenheit und Meditation.
Selbstloses Tun und liebevolles Dienen dürfen daher niemals unterschätzt
und vernachlässigt werden.
Letztlich wird man gut daran tun, einen wichtigen Punkt zu bedenken.
Wir haben gesehen, daß Demut die fundamentale Basis für alles
Gute bildet. Und wieder ist es Demut, die den Tugenden, die mit viel
Mühe und geduldiger Anstrengung erworben werden, als Stütze
und wachsamer Bewahrer dient. Demut ist Schild und Rüstung gegen
den Erzfeind des Suchenden, den moralischen und spirituellen Stolz.
Denn wenn er auf dem Pfad der Tugend beachtlich vorangeschritten ist,
wird der tugendhafte Mensch unbewußt zur Beute der Eitelkeit.
Ein hinterhältiges Gefühl der Selbstbestätigung wird
unbemerkt emporkriechen. Diese manifestiert sich später in Gestalt
einer bestimmten Haltung der Nachsicht und einer hochmütigen Verachtung
denjenigen gegenüber, die nicht ein ähnliches Leben führen.
Beständige Demut, die dadurch am Leben erhalten wird, daß
sie ununterbrochen im Dienen praktiziert wird, ist der einzige sichere
Panzer gegen diesen Widersacher. Sie bewacht aufmerksam den kämpfenden
Strebenden bei seiner Suche nach wahrem und bleibendem Glück. Wer
sein kleines „Selbst“ auslöscht durch ein Leben in motivlosem,
demütigem und liebevollem Dienen mit Narayana Bhav erlangt einzigartiges
Glück und Wonne. Wer weiß die köstliche Freude zu schätzen,
die er erlebt. Möge daher jeder die erhabene Wichtigkeit erkennen,
die in der Pflege edler Tugenden liegt.
Mögen alle klar die unerläßliche Notwendigkeit erkennen,
sie aktiv zu üben, und bereitwillig und frohgemut Nishkama Karma
Yogis werden.
Aspekte des
spirituellen Sadhana
I
Wenn das Haus brennt, wie wagemutig betritt man dann das Haus, um das
Kind zu nehmen, das im Zimmer schläft. Man muß ebenfalls
sehr mutig sein, wenn man den spirituellen Pfad beschreitet. Man muß
absolut furchtlos sein. Man darf nicht im mindesten am Körper hängen.
Nur dann wird man rasch Selbstverwirklichung erlangen. Zaghafte Menschen
sind absolut ungeeignet für den spirituellen Weg.
Wenn ganz oben an der Spitze eines großen Baumes Mangos sind,
springt man nicht mit einem Satz hinauf, um sie zu pflücken. Das
ist unmöglich. Man klettert allmählich auf den Baum, hält
sich an den einzelnen Ästen fest und erreicht so die Spitze des
Baumes. Ebensowenig kann man mit einem einzigen Satz auf die höchste
Sprosse der spirituellen Leiter springen. Man muß vorsichtig den
Fuß auf jede Sprosse der Leiter setzen. Man muß Yama, Niyama,
Asana, Pranayama, Pratyahara, Dharana und Dhyana üben. Nur dann
wird man die höchste Sprosse der Yogaleiter, Samadhi, erreichen.
Wenn man ein Vedanta Schüler ist, muß man sich zuerst mit
den vier Mitteln ausstatten. Dann muß man Sravan, Manan und Nididhyasan
machen. Erst dann gelangt man zu Brahma Sakshatkara. Wenn man ein Bhakti
Yoga Schüler ist, muß man die neun Arten von Bhakti üben,
Sravan, Kirtan, Smaran, Padasevan, Archan, Vandan, Dasya, Sakhya und
Atma-Nivedan. Nur so erlangt man den Zustand von Para-Bhakti.
Wenn Hühner und Geflügel herumlaufen und verschiedenen Unrat
essen, was macht dann der Besitzer des Geflügelstalls? Er versetzt
ihnen einen leichten Klaps auf den Kopf und wirft ihnen Körner
vor, die sie essen können. Allmählich geben sie die Gewohnheit
des Unrat Essens auf. Dieser Geist läuft auch herum, um Schmutz
zu essen, und um die fünf Arten von Sinnesobjekten zu genießen.
Versetze ihm einen Klaps auf den Kopf und lasse ihn durch die Praxis
von Japa und Meditation allmählich die spirituelle Wonne kosten.
Ein Jivanmukta oder Bhagavata hat leuchtende Augen. Er hat eine Erhebung
am Scheitel und dem Trikuti, dem Punkt zwischen den Augenbrauen. Alles,
was er sagt, bleibt unauslöschlich in deinem Geist eingeprägt.
Du kannst es bis an dein Lebensende nicht vergessen. Er besitzt ungeheure
Anziehungskraft. Er wird all deine Zweifel auf wunderbare Weise klären.
In seiner Gegenwart wirst du eine eigentümliche Freude und Frieden
genießen. All deine Zweifel klären sich in seiner Gegenwart.
Stille ist seine Sprache. Er ist sehr mitfühlend und frei von Selbstsucht,
Zorn, Habgier, Egoismus, Lust und Stolz. Er ist eine Verkörperung
von Wahrheit, Frieden, Wissen und Seligkeit.
Es dauert lange, bis Holzkohle Feuer fängt, aber Schießpulver
kann sich in einem einzigen Augenblick entzünden. Ebenso braucht
es lange, bis sich das Feuer der Erkenntnis in einem Menschen entzündet,
dessen Herz nicht rein ist. Aber ein Suchender mit sehr reinem Herzen
erlangt in einem einzigen Augenblick Selbstverwirklichung, in der Zeit,
die es braucht, um eine Blume zwischen den Fingern zu zerreiben.
Maya ist eine riesige Säge. Lust, Zorn, Habgier, Täuschung,
Stolz, Eifersucht, Haß, Egoismus, usw. sind die Zähne dieser
riesigen Säge. Alle weltlichen Menschen fangen sich in den Zähnen
dieser Säge und werden zermalmt. Menschen, die erfüllt sind
mit Reinheit, Demut, Liebe, Leidenschaftslosigkeit, Hingabe und Fragen,
werden nicht verletzt. Sie entkommen durch göttliche Gnade. Geschmeidig
schlüpfen sie unter der Säge hindurch und erreichen die andere
Seite der Unsterblichkeit.
Ein Stück weißes oder farbiges Papier hat keinen Wert. Man
wirft es weg. Wenn aber der Stempel oder das Bild des Asoka Chakra auf
dem Papier ist (eine Banknote), hält man es sicher verwahrt in
der Geldbörse oder im Koffer. Genauso stellt ein gewöhnliches
Stück Stein keinen Wert dar. Man wirft es weg. Aber wenn man die
Steinmurti von Gott Krishna in Pandarpur oder jede andere Murti in Schreinen
sieht, neigt man den Kopf und faltet die Hände, denn der Stempel
des Herrn befindet sich auf dem Stein. Der Gläubige überlagert
auf den Stein seinen Geliebten und alle Attribute des Herrn. Die Verehrung
von Bildern ist für den Anfänger sehr notwendig.
II
Einige Sadhaks machen beständiges aber mildes Sadhana; einige machen
intensives Sadhana zwei Stunden am Morgen und zwei Stunden am Abend.
Wenn man rasch Selbstverwirklichung erreichen will, muß man intensiv,
unablässig und über lange Zeit Sadhana machen.
Man hat vielleicht den Darshan von Sri Krishna von Angesicht zu Angesicht.
Man spricht vielleicht einige Male mit Ihm. Man mag auch mit Ihm spielen
und essen. Strebt man jedoch nach endgültiger Befreiung, muß
man Atma Sakshatkara haben. Nam Deva hatte einige Male den Darshan Sri
Krishnas, und doch nannte ihn der Töpferheilige Gora Kumbhar einen
halbausgegorenen Heiligen. Er mußte nach Vishoba Khesar gehen,
um Vollkommenheit, Kaivalya, zu erreichen.
Wenn man in einer Asana zur Meditation sitzt, möchte man bald aufstehen,
nicht wegen der Schmerzen in den Beinen, sondern aus Ungeduld. Besiege
diese unerwünschte negative Eigenschaft durch das allmähliche
Entwickeln von Geduld. Dann wird es möglich sein, drei oder vier
Stunden ohne Unterbrechung zu sitzen.
In der Meditation wirst du häufig im Geist mit jemandem sprechen.
Beende diese schlechte Angewohnheit. Habe ein wachsames Auge auf den
Geist.
Ein Suchender schreibt mir: „Jemand klopfte um 3 Uhr morgens an meine
Tür. Ich wachte auf und öffnete die Tür. Ich sah Sri
Krishna mit einer Krone auf Seinem Kopf. Er verschwand sogleich. Ich
ging auf den Weg hinaus und suchte Ihn. Ich konnte Ihn nicht finden.
Dann ging ich zum Haus zurück und setzte mich bis Tagesanbruch
vor die Tür, um Ihn noch einmal zu sehen.“
Fälle von Somnambulen und Schlafwandlern sind nicht ungewöhnlich.
Sie träumen sogar im Gehen und auch im Stehen. Der genannte Fall
kann ein reiner Fall von Schlafwandeln gewesen sein. Man muß sehr
vorsichtig sein, wenn man die wahre Natur der spirituellen Erfahrungen
feststellen will, ob es ein Traum ist oder tatsächlich Realität.
Der Darshan von Sri Krishna ist nicht so billig. Schüler machen
am Anfang Fehler.
So wie ein störendes Steinchen im Schuh sofort entfernt wird, so
muß auch jeder quälende Gedanke sofort aus dem Geist entfernt
werden können. Erst dann hat man genügend Kraft in der Gedankenkontrolle
erreicht. Erst dann hat man einen tatsächlichen Fortschritt auf
dem spirituellen Weg gemacht.
Ein Suchender sagt: „Ich kann drei Stunden lang in einer einzigen Asana
meditieren. Am Ende werde ich gefühllos, aber ich falle nicht um.“
In wirklicher Meditation wird man niemals gefühllos werden. Man
wird volle Wachheit erfahren. Das ist ein negativer unerwünschter
Zustand des Geistes. Dieser Zustand muß überwunden werden,
indem vollkommene Wachsamkeit bewahrt wird.
Angenommen der Geist läuft in der Meditation vierzigmal innerhalb
einer Stunde nach außen. Wenn man ihn dazu bringt, nur 38 Mal
zu laufen, ist das eine deutliche Verbesserung. Man hat ein wenig Kontrolle
über den Geist erreicht. Es bedarf mühsamen Übens über
eine lange Zeit, um das Wandern des Geistes einzudämmen. Vikshepa
Shakti ist sehr machtvoll. Aber Sattva ist machtvoller als Vikshepa
Shakti. Steigere Sattva. Dann können die Schwankungen im Geist
leicht kontrolliert werden.
In tiefer Konzentration erfährt man große Freude und spirituelle
Berauschung. Man vergißt den Körper und die Umgebung. Alles
Prana wird in den Kopf geführt.
Wenn es schwierig erscheint, den Geist in einem Raum zu konzentrieren,
gehe hinaus und setze dich im Freien hin, auf eine Terrasse, an ein
Flußufer oder in eine stille Ecke des Gartens. Die Konzentration
wird gut sein.
Wenn man im Bett liegt, wird manchmal ein großes Licht vor der
Stirn entlang wandern. Sobald man versucht, das Licht durch Meditation
in sitzender Stellung wahrzunehmen, verschwindet es vielleicht. Man
mag sich fragen: „Wie kommt es, daß es mir nicht gelingt, das
Licht festzuhalten, wenn ich mich bemühe, während es ganz
von selbst erscheint, wenn ich mich hinlege und mich gar nicht anstrenge?“
Der Grund dafür ist, daß die Konzentration durch das Auftreten
von Rajas verloren ging, sobald man sich zur Meditation setzte.
Finde dein Zentrum. Weile stets im Zentrum. Das Zentrum ist Atma, die
unsterbliche Seele. Dieses Zentrum ist der Garten Eden. Es ist deine
ursprüngliche Wohnstatt. Es ist Param Dhama. Nun kannst du über
den Sorgen, Unruhen und Ängsten stehen. Wie süß ist
dieses Zuhause, wo ewiger Sonnenschein und immerwährende Freude
herrschen.
Oh Freund! Erwache! Schlafe nicht mehr. Meditiere. Brahmamuhurta ist
jetzt! Öffne das Tor des Tempels des Herrn in deinem Herzen mit
dem Schlüssel der Liebe. Höre die Musik der Seele. Singe deinem
Geliebten das Lied von Prem. Spiele die Melodie des Unendlichen. Lasse
deinen Geist in der Betrachtung über Ihn aufgehen. Werde eins mit
Ihm. Tauche ein in den Ozean von Liebe und Seligkeit.
III
In dem Augenblick, in dem man denkt: „Nun bin ich rein. Es tauchen keine
schlechten Gedanken mehr auf wie früher.“, wird ein ganzes Bataillon
schlechter Gedanken an die bewußte Oberfläche des Geistes
treten. Sie werden aber bald verschwinden. Nun ist man in der Phase
des Ringens. Es wird die Zeit kommen, da nicht einmal mehr ein einziger
schlechter Gedanke auftritt. Meditation ist ein machtvoller Gegner schlechter
Gedanken. Die schlechten Gedanken denken: „Wir werden bald bezwungen
sein. Unser Gastgeber hat mit Meditation begonnen. Fallen wir noch einmal
über diesen Menschen her.“ Setze die Meditation energisch fort.
Nebel und Wolken können vor der Sonne nicht bestehen.
Es ist schwierig, den Geist zu Beginn auf das gesamte Bild Sri Krishnas
zu heften, weil nicht alle Strahlen des Geistes gesammelt sind. Manchmal
kann man sich das Gesicht vorstellen, manchmal die Füße,
manchmal die Augen. Richte den Geist auf irgendeinen Teil des Bildes,
den, den der Geist am liebsten mag.
Der Geist fühlt sich von bestimmten neuen Worten oder Namen von
Städten oder Personen angezogen. Angenommen, man ist auf bestimmte
neue Worte oder Namen von Städten oder Menschen gestoßen,
wie „Ekstase“, „Fyzabad“, „John Herbert“. Wenn man sich zur Meditation
setzt, wird der Geist „Ekstase“, „Fayzabad“, „John Herbert“ wiederholen.
Manchmal wird er Lieder singen, alte Gedichte oder Sanskrit Slokas wiederholen,
die man als Kind auswendig gelernt hat. Beobachte den Geist sorgfältig
und versuche, ihn auf den Punkt oder zum Zentrum zurückzubringen.
Der Winter ist sehr günstig für intensive Meditation. Du ermüdest
nicht, auch wenn du stundenlang meditierst. Aber am Morgen tut die Faulheit
was sie kann, um dich zu bezwingen. Wenn du dich in ein zwei warme Decken
hüllst, fühlst du dich recht bequem. Du möchtest nicht
am frühen Morgen aufzustehen, obwohl dich der wiederholte Weckruf
immer wieder aus dem Schlaf reißt. Du beschließt nun: „Ich
werde noch fünfzehn Minuten schlafen und dann meine Meditation
beginnen.“ Dann beginnst du, entblößte Teile der Füße
schön in die Decke einzuhüllen. Du fühlst dich jetzt
recht wohl. Was ist das Ende vom Lied? Du beginnst schön zu schnarchen
und erwachst erst nach Sonnenaufgang. So verstreichen Tage, Wochen und
Monate. So vergeht auch jeder Winter. Genau zu der Zeit, die sehr vorteilhaft
für Meditation ist, täuscht dich der Geist und bezwingt dich
durch Schlaf. Der Geist ist ein Meistergaukler. Er kennt viele Tricks
und Täuschungen. Maya wirkt durch den Geist. Geheimnisvoll ist
der Geist. Geheimnisvoll ist die Maya. Sei auf der Hut. Sei wach. Geist
und Maya können kontrolliert werden. Wirf die Decke zurück,
sobald du den Weckruf hörst. Sitze in Vajra Asan. Mache einige
Pranayamas. Die Schläfrigkeit wird verschwinden.
Wenn du mit offenen Augen meditierst, kann es sein, daß du vor
dir einen Freund siehst und auch seine Stimme hörst; aber du kannst
die Person und deren Stimme vielleicht nicht wahrnehmen; weil der Geist
nicht mit Augen und Ohren verbunden ist. Wenn der Geist vollständig
von den Sinnesobjekten abgezogen ist, wenn die Gedanken beseitigt sind,
wenn Zu- und Abneigungen zerstört sind, wie kann die Welt dann
überhaupt wahrgenommen werden? Man wird geistlos. Man nimmt einzig
und allein überall das Selbst wahr. Alle Namen und Formen verschwinden.
Es ist sehr schwierig, den Geist plötzlich auf einen Punkt zu heften.
Der Geist bewegt sich mit ungeheurer Geschwindigkeit. So wie das Zirkuspferd
immer im Kreis läuft, läuft auch der Geist stets im Kreis.
Anstatt dem Geist zu gestatten, in einem großen Kreis zu laufen,
muß er dazu gebracht werden, in immer kleineren Kreisen zu laufen.
Irgendwann kann er auf einen Punkt geheftet werden. Man muß des
Geistes durch kluge Methoden habhaft werden. Bloßer Zwang und
Gewalt genügen nicht. Sie verschlimmern die Sache.
Manchmal fühlt man sich vielleicht verzweifelt und denkt: „Ich
habe viele Schwächen und Mängel. Wie kann ich sie beseitigen?
Wie kann ich diesen starken und ungestümen Geist beherrschen? Werde
ich in dieser Geburt Befreiung, Nirvikalpa Samadhi erreichen? Ich habe
nicht viel erreicht, obwohl ich die letzten acht Jahre meditiert habe.“
Verliere nicht den Mut. Schon wenn ein oder zwei Indriyas kontrolliert
worden sind, auch wenn nur einige Gedanken kontrolliert worden sind,
ist die halbe Schlacht gewonnen. Kontrolle von bereits einem einzigen
Gedanken oder die Zerstörung von einer einzigen Vasana verleiht
geistige Kraft. Jeder beherrschte Gedanke, jeder zerstörte Wunsch,
jedes unterworfene Indriya, und jeder Fehler und jede Schwäche,
die ausgerottet worden sind, geben dem Geist zusätzliche Kraft,
entwickeln den Willen und bringen dich dem Ziel einen Schritt näher.
Freund! Warum also jammern und klagen? Kämpfe tapfer auf dem adhyatmischen
Schlachtfeld. Werde ein spiritueller Soldat. Bleibe siegreich und trage
den spirituellen Lorbeer göttlicher Weisheit, ewigen Friedens und
höchster Wonne.
IV
Manchmal wird der Geist faul und träge sein. Man kann sich nicht
konzentrieren. Er verweigert die Arbeit. Derselbe starke Geist könnte
im letzten Teil der Konzentration träge werden, so wie ein Pferd,
das zu Beginn des Ritts mit guter Geschwindigkeit lief, am Ende träge
wird. So wie der Reiter das Pferd erfrischt, indem er ihm ein wenig
Gras und Wasser gibt, so muß auch der Geist mit einigen erhebenden
Gedanken erfrischt und mit ungeteilter sein. Man muß Hitze und
Kälte ertragen können. Nur dann wird man ein vollkommener
Weiser werden. Gleichmut ist Yoga.
Ein weltlicher Mensch hat Abhimana hinsichtlich Reichtum und Stellung.
Er hat großes Moha hinsichtlich Kindern und Frau. Aber ein Sannyasin
oder Yogi hat sehr großen spirituellen und moralischen Stolz.
Er denkt und fühlt: „Ich bin dem Verheirateten überlegen.
Ich bin ein großer Yogi. Ich kann 12 Stunden lang meditieren.
Ich besitze große Reinheit, Entsagung und Leidenschaftslosigkeit.“
Das Abhimana eines Sannyasin ist gefährlicher und stärker
als das Abhimana eines weltlichen Menschen und daher schwieriger auszumerzen.
Die Frage zu stellen ›Wer bin ich?‹ ist ein schwieriges Sadhana. Es
kann nur von jemandem praktiziert werden, der einen reinen, starken
und feinen Intellekt hat, der über die vier Mittel verfügt,
und der solide Kenntnis von den Prakriyas der Vedanta, Panchikaran,
der Lehre von Neti-Neti, dem Prozeß von Anvaya-Vyatireka, von
Bhaga-tyaga-Lakshana, Adhyaropa, Apavada, den Dharmas der fünf
Koshas, der Natur von Atman, usw. besitzt. Nur der geeignete Schüler
wird die richtige Antwort auf die Frage ›Wer bin ich?‹ in der Meditation
erhalten. Ansonsten wird der Geist den Suchenden täuschen.
V
So wie das Licht in der Sturmlaterne brennt, so brennt auch das göttliche
Licht im Herzen. Man kann das göttliche Licht durch das innere
dritte Auge, das Auge der Intuition, wahrnehmen, indem man die Sinne
zurückzieht und den Geist beruhigt.
In einem Käfig mit neun Toren lebt der kleine Vogel Jiva, das kleine
illusorische ›Ich‹. Er kann aus dem Käfig des Fleisches entkommen,
wenn er die Gedanken von ›Ich‹ und ›mein‹ und die Vasanas auslöscht.
Manchmal schmilzt sogar der Stein. Aber das Herz eines egoistischen
Menschen kann nicht schmelzen. Es ist härter als Kiesel, Diamant
oder Granit. Und doch kann es manchmal schmelzen. Durch fortdauerndes
unermüdliches Dienen für die Menschen, Satsang, Japa von Gottes
Namen und Meditation kann es so weich werden wie Butter.
Wie süß ist der Name des Herrn. Wie tröstlich und erhebend
sind die Namen von Hari, Rama, Krishna, Shiva! Der Name vertreibt deine
Angst, deinen Ärger, deine Sorgen und Schmerzen und erfüllt
dein Herz mit Freude, Frieden, Kraft und Mut. Der Name ist Heilbalsam
für dein verwundetes Herz und deine müden Nerven. Der Name
ist Manna, ein Allheilmittel, ein göttliches Elixier, das Unsterblichkeit
und ewige Seligkeit schenkt. Denke stets an den Namen des Herrn. Singe
Seinen Namen und verbinde ihn mit deinem Atem; du wirst vom Kreislauf
von Geburt und Tod befreit werden.
Die Frucht von Konzentration ist Meditation. Die Frucht von Meditation
ist Verwirklichung. Die Frucht von Verwirklichung ist Befreiung. In
der Konzentration werden alle Gedanken zusammengefaßt und der
Geist auf einen Punkt oder eine Idee geheftet. Meditation ist das ununterbrochene
Fließen einer einzigen Idee.
Der, der für den Frosch sorgt, der im Felsen lebt, wird sich um
dich kümmern. Warum dieser Mangel an Vertrauen! Habe lebendiges,
unerschütterliches Vertrauen zum Herrn und zu Seiner Gnade und
sei froh, Oh geliebter Ram!
Wer spricht, weiß nicht. Wer weiß, spricht nicht. Leere
Gefäße machen viel Lärm. Wer viel spricht, denkt wenig,
tut wenig.
Sei vorsichtig. Erforsche das Wesen der Menschen. Sei sehr sorgfältig
im Umgang mit Menschen. Lasse dich nicht täuschen. Sei bewandert
in Psychologie. Erkenne die Menschen an ihrem Verhalten, Sprechen, Schauen,
Lächeln und an ihrem Gang. Erkenne sie an der Nahrung, die sie
zu sich nehmen, den Büchern, die sie lesen, und der Gesellschaft,
die sie haben.
Das spirituelle Wachstum kann durch sorgfältiges Studium der Träume
eingeschätzt werden. Wenn keine schlechten Gedanken in den Träumen
sind, wenn häufig Visionen des Ishta Devata in Träumen auftauchen,
wenn man sogar im Traum das Ishta Mantra wiederholt, wenn man sogar
im Traum Gottesdienst oder Puja macht, ist man auf dem spirituellen
Weg ein gutes Stück fortgeschritten.
Weder die Kundalini noch der Wille werden in den Yoga Sutras von Patanjali
Maharshi oder in einem anderen vedantischen Buch erwähnt. Ein Jnana
Yogi erreicht Nirvikalpa Samadhi indem er durch Meditation über
die Bedeutung von Mahavakyas wie „Tat Twam Asi“ oder „Aham Brahma Asmi“
Brahmakara Vritti entstehen läßt. Er unternimmt niemals den
Versuch, die Kundalini Shakti zu erwecken. Er kann Samadhi erlangen,
ohne die Kundalini zu erwecken. Wenn er jedoch physische Siddhis zu
manifestieren wünscht, erweckt er die Kundalini. Er erweckt die
Kundalini durch bloßes Wollen. Er praktiziert niemals Pranayama,
Asanas, Bandhas, Mudras oder sonstige Hatha Yoga Kriyas zu diesem Zweck.
Man kann absolute, vollkommene Nichtverhaftung nur dann haben, wenn
man das Selbst erkennt. Im Laufe des Sadhana wird der Geist sein Möglichstes
tun, um sich an die eine oder die andere Form zu klammern. Immer wieder
muß jegliche Verhaftung erbarmungslos mit dem Schwert der Verhaftungslosigkeit
durchschlagen werden - Asanga Sastrena Dridhena-Chhitva (Gita XV-3).
Man muß das Bhav haben, daß Atman, Ishvara, Devata und Mantra
eins sind. Mit diesem Bhav muß das Guru Mantra oder Istha Mantra
wiederholt werden. Nur dann wird man rasch Mantra Siddhi oder Gottverwirklichung
erlangen.
Die schönste Blume, die dem Herrn dargebracht werden kann, ist
dein Herz. Dringe tiefer ein in das unendliche Reich von Kailas, das
Königreich unbegrenzter Wonne und grenzenlosen Friedens.
Mögest du direkte Verbindung zum Herrn haben, deinem Ishtam, deinem
Führer, deiner höchsten Zuflucht und deinem Trost!
VI
Rein wie der Schnee des Himalaya, hell wie das Sonnenlicht, weit wie
der Himmel, alldurchdringend wie der Äther, unergründlich
wie der Ozean und kühl wie das Wasser des Ganges in Rishikesh ist
der unsterbliche Atman, das Substrat dieser Welt, dieses Körpers,
dieses Geistes und dieses Pranas. Nichts ist süßer als dieser
Atman.
Reinige dein Herz und meditiere. Tauche tief ein in dein Herz. Tauche
tief ein in die innersten Winkel. Du wirst es finden. Nur wenn du im
tiefen Wasser suchst, wirst du die Perle des Atman finden. Wenn du dich
lediglich am Strand aufhältst, findest du nur zerbrochene Muscheln.
So wie Regen in den Wolken ist, Butter in Milch oder Duft in Blumen,
so liegt der Atman in all diesen Namen und Formen verborgen. Wer einen
reinen, einpünktigen, scharfen, und feinen Intellekt hat, wird
das Selbst durch beständige und intensive Meditation wahrnehmen.
Wer eine Frau so ansieht wie ein Sohn seine Mutter und sich auch von
ihr fernhält, wer Lust und Zorn unter seine Kontrolle gebracht
hat, wer sich nicht hingezogen fühlt zu den vergänglichen
Objekten dieses Universums, und wer regelmäßig meditiert,
wird bald Param Dhama, die Quelle höchsten Friedens, erreichen,
von wo es keine Rückkehr gibt zu diesem Mrityuloka, der Welt des
Todes.
Zucker und Süßigkeiten, Topf und Ton, Eisennagel und Schwert,
Wasser und Schaum, Ohrringe und Gold, sie sind nicht zweierlei Dinge.
Sie sind eins. Genauso, wenn die wirkliche Erkenntnis dämmert,
ist das mannigfaltige Universum nichts als Atman; individuelle Seele
und höchste Seele werden identisch.
Das Selbst erfüllt die ganze Welt. Alles ist das Selbst. Es gibt
nichts, was nicht in dir ist. Was solltest du also wünschen, dann,
wenn du das Selbst verwirklicht hast, denn es gibt für dich kein
Objekt mehr, das du wünschen könntest?
Die alten unheilvollen Samskaras können verändert und zerstört
werden. Der Geist ist nichts anderes als ein Bündel Samskaras.
Kämpfe tapfer mit ihnen. Kämpfe tapfer, nicht um Brot, nicht
um Geld und auch nicht um Ruhm und Ehre, sondern um das Königreich
des Selbst zu erlangen, das weite Reich ewigen Friedens, indem du weltliche
Samskaras zerstörst. Ein ritterlicher Soldat ist der, der auf dem
innerlichen adhyatmischen Schlachtfeld gegen seine alten Samskaras mit
dem Schwert der Verhaftungslosigkeit und der Rüstung der Unterscheidung
kämpft, nicht aber der, der auf dem Schlachtfeld mit Maschinengewehren
gegen seine Feinde kämpft. Der Kampf gegen die Samskaras ist ernster,
gefährlicher und schrecklicher als der äußere physische
Kampf. Die Basis für den spirituellen Soldaten ist Sattva, die
Basis für den weltlichen Soldaten ist eine Mischung aus Rajas und
Tamas. Rama und Ravana kämpften. Rama war sattvig, aber Ravana
war tamasig. Es ist leicht, in einer Expedition den Gipfel des Mount
Everest zu besteigen. Es ist leicht, die Höhe des Nanda Parvat
zu erklimmen. Es ist leicht, die Spitze des Mandhata zu erreichen. Aber
es ist schwierig, auf die Spitze des spirituellen Himalaya der Seele
zu steigen. Der unerschrockene Suchende, der gerüstet ist mit Geduld,
Beharrlichkeit, Ruhe und Mut, erklettert Gipfel um Gipfel, unterwirft
ein Indriya nach dem anderen, beherrscht einen Gedanken nach dem anderen,
rottet eine Vasana nach der anderen aus und erreicht schließlich
den Gipfel von Selbstverwirklichung und göttlicher Herrlichkeit.
Ehre sei solch erhabenen Seelen, diesen spirituellen Helden!
Anfänger sollten sich zur Meditation nicht in einen Raum neben
der Küche setzen. Der Geist wird an schmackhafte Speisen denken
und Ablenkung verursachen. Das süße Aroma bestimmter Gerichte
wird die Geruchsnerven seiner Nase und die Rachen-Gaumen Nerven seiner
Zunge stimulieren.
Wenn man eine Tasse heißen Tees und einige Süßigkeiten
vor sich hinstellt und beginnt, in den Upanishaden zu lesen oder zu
meditieren, wird die Konzentration nicht tief sein. Ein Teil des Geistes
wird dauernd an den Tee und die Süßigkeiten denken. Anfänger
müssen alle derartigen geringfügigen Ursachen von Ablenkung
beseitigen, bevor sie sich zur Meditation hinsetzen.
Behandle alle gleich. Diene den Armen und Kranken. Durchtrenne alle
Arten von Bindungen. Hilf den Bedürftigen. Überwinde Gelüste.
Rotte Vasanas und Egoismus aus. Gib fleischliche Genüsse auf. Meditiere
und verwirkliche die Einheit des Selbst. Hilf auch anderen, die Erkenntnis
des höchsten Wesens zu erlangen.
Der Weise, ein Jivanmukta, der vom göttlichen Geist inspiriert
ist, berauscht vom unsterblichen Nektar, erfüllt mit dem unendlichen
Atman, der keine Unterschiede sieht und dessen Geist ausgewogen ist,
nimmt überall nur das Selbst wahr und umarmt alles mit reiner Liebe.
Sadhana: die
Techniken angewandter Psychologie
Beobachte alle deine Gefühle sehr sorgfältig. Angenommen
du fühlst dich traurig. Trinke eine kleine Tasse Milch oder Tee.
Sitze still. Schließe die Augen. Stelle den Grund für die
Niedergeschlagenheit fest und versuche, die Ursache zu beseitigen. Die
beste Methode, um dieses Gefühl zu überwinden, ist an das
Gegenteil zu denken. Das Positive besiegt das Negative. Das ist ein
großes und wirkungsvolles Naturgesetz. Denke nun intensiv an das
Gegenteil von Traurigkeit. Denke an Frohsinn. Fühle, daß
du diese Eigenschaft tatsächlich besitzt. Wiederhole immer wieder
die Formel: ›Om Frohsinn.‹ Fühle: „Ich bin frohgemut.“ Beginne
zu lächeln und lache einige Male. Singe; manchmal kann das sehr
rasch erhebend wirken. Singen ist sehr nützlich, um Traurigkeit
zu vertreiben. Singe einige Male laut OM. Laufe in die frische Luft.
Die Depression wird bald vergehen. Das ist die Pratipaksha Bhavana Methode
der Raja Yogis. Das ist die einfachste Methode. Die Methode, Traurigkeit
gewaltsam zu vertreiben - durch Willen, durch Bestimmtheit, durch Befehl
- beansprucht das ›Wollen‹ sehr stark, wenn es auch die wirksamste Methode
ist. Es verlangt große Willenskraft. Gewöhnlichen Menschen
wird es nicht gelingen. Die Methode, das negative Gefühl zu verschieben
oder zu verlagern, indem es durch das Gegenteil ersetzt wird, durch
das positive Gefühl, ist sehr einfach. Innerhalb sehr kurzer Zeit
verschwindet das unerwünschte Gefühl. Übe und spüre
es. Auch wenn du einige Male versagst, mache weiter. Nach einigen Sitzungen
und nach einiger Übung wirst du Erfolg haben.
Genauso kann man auch mit anderen negativen Gefühlen umgehen. Wenn
das Gefühl von Zorn da ist, denke an Liebe. Wenn das Herz verhärtet
ist, denke an Barmherzigkeit. Wenn Unehrlichkeit da ist, denke an Ehrlichkeit,
Integrität. Wenn Knausrigkeit da ist, denke an Großzügigkeit
und an großzügige Menschen. Wenn Moha (Verblendung) da ist,
denke an Unterscheidung und an ATMISCHES VICHARA. Wenn Stolz da ist,
denke an Demut. Wenn Heuchelei da ist, denke an Offenheit und ihre unschätzbaren
Vorzüge. Wenn Eifersucht da ist, denke an Edelmut und Großherzigkeit.
Wenn Schüchternheit da ist, denke an Mut, und so weiter. Die negativen
Gefühle werden vertrieben, und man ruht fest in einem positiven
Zustand. Fortgesetzte Praxis ist von größter Wichtigkeit.
Sei sorgfältig in der Wahl deiner Gesellschaft. Sprich sehr wenig
und das, was du sprichst, über Nutzbringendes.
Eine
einfache Sadhana Methode in weltlicher Umgebung
Bedingt durch den Schleier der Unwissenheit hat der Mensch seine eigentliche
göttliche Natur vergessen - den Sat-Chit-Ananda Zustand. Es ist
nicht notwendig, der Welt zu entsagen und sich in Höhlen des Himalaya
zu verstecken, um die verlorene Göttlichkeit wiederzuerlangen.
Ich präsentiere hier eine sehr einfache Sadhanamethode, durch welche
man sehr leicht Gottbewußtsein erlangen kann, auch wenn man in
der Welt lebt, inmitten mannigfaltiger Aktivitäten. Es bedarf keines
eigenen Raumes und keiner speziellen Zeit für die Meditation. Schließe
für ein oder zwei Minuten alle zwei oder drei Stunden die Augen
und denke an Gott und Seine göttlichen Eigenschaften wie Barmherzigkeit,
Liebe, Frieden, Freude, Erkenntnis, Reinheit, Vollkommenheit und dergleichen,
während der Arbeit, und wiederhole im Geist Hari Om oder Sri Ram
oder Rama Rama oder Krishna Krishna oder irgendein Mantra, das dir zusagt.
Das sollte auch nachts geschehen, jedesmal wenn man das Bett verläßt,
um auf die Toilette zu gehen, oder aus einem anderen Grund. Wenn man
auch nicht in der Lage ist, speziell zu diesem Zweck aus dem Schlaf
aufzustehen, führe man diese Praxis wenigstens gelegentlich aus,
wenn man die Schlafstellung leicht verändert. Diese Gewohnheit
entsteht nur durch Praxis. Spüre, daß der Körper ein
sich bewegender Tempel Gottes ist, dein Büro oder Geschäftslokal
ein großer Tempel oder Brindavan, und daß jede Handlung,
Gehen, Sprechen, Schreiben, Essen, Atmen, Sehen, Hören, usw. dem
Herrn dargebracht wird. Arbeit ist Gottesdienst. Arbeit ist Meditation.
Gib die Erwartung von Früchten und die Vorstellung der Urheberschaft
auf, das Gefühl: „Ich bin der Handelnde“, „Ich bin der Erlebende.“
Fühle dich als Werkzeug in den Händen Gottes. Er wirkt durch
deine Organe. Fühle auch, daß diese Welt eine Manifestation
des Herrn ist, Visva Brindavan, und daß deine Kinder, deine Frau,
dein Vater und deine Mutter die Abbilder oder Kinder des Herrn sind.
Sieh Gott in jedem Gesicht und in jedem Objekt. Habe immer einen kühlen
ausgewogenen Geist. Wenn du diese veränderte Sichtweise und göttliches
Bhav im täglichen Leben durch ausgedehnte und fortgesetzte Praxis
entwickelst, werden alle Aktivitäten zu Yoga Aktivitäten werden.
Alle Aktivitäten werden zur Verehrung des Herrn. Das ist ganz ausreichend.
Du wirst rasch Gottverwirklichung erlangen. Das ist dynamischer Yoga.
Das ist ein sehr machtvolles Sadhana. Ich habe ein sehr einfaches Sadhana
gegeben. Nun bringe nicht deine lahme Entschuldigung und sage nicht:
„Swamiji, ich habe keine Zeit, spirituelle Praktiken zu machen.“ Auch
wenn du drei Monate lang nur ein wenig von diesem Sadhana praktizierst,
wirst du feststellen, daß du ein rundum verändertes Wesen
bist.
Schreibe täglich eine halbe Stunde lang dein Ishta Mantra in ein
Notizheft, wobei du Mauna hältst und nicht nach rechts und links
schaust. Schreibe in fetten Buchstaben auf Zettel „Sprich die Wahrheit“,
„Om Mut“, „Om Reinheit“, „Ich muß Gott jetzt verwirklichen“, „Zeit
ist überaus kostbar“; „Ich werde ein wirklicher Brahmachari sein“,
„Brahmacharya ist göttliches Leben“, „Ich bin eine Verkörperung
von Mut, Reinheit, Barmherzigkeit, Liebe und Geduld“ und bringe sie
im Schlafraum, Eßraum, den Wohnräumen und den Verandas an.
Stecke einige Zettel in die Tasche und auch in das Tagebuch. Das ist
eine einfache Methode, um tugendhafte göttliche Eigenschaften zu
entwickeln.
Einige Geheimnisse des
Sadhana
Durch die Praxis von Pranayama kann der Sadhak langes Leben erwerben.
Ein gesunder Mensch atmet 14 bis 16 Mal in der Minute. Die Anzahl der
Atemzüge steigt im Schlaf, bei körperlicher Anstrengung, beim
Laufen, usw. Atemanhalten durch die Praxis von Kumbhaka schenkt dem
Yoga Schüler Langlebigkeit. Je geringer die Zahl der Atemzüge
ist, desto größer ist die Lebensdauer.
Die Anzahl der Atemzüge ist bei einem Hund oder Pferd größer.
Bei einem Hund sind es fast fünfzig, seine Lebenserwartung beträgt
also etwa 14 Jahre. Es sind fünfunddreißig beim Pferd. Also
beträgt seine Lebenserwartung 29 oder 30 Jahre. Ein Elefant atmet
etwa 20 Mal pro Minute, daher lebt er etwa hundert Jahre. Eine Schildkröte
atmet fünfmal pro Minute, und deshalb lebt sie etwa vierhundert
Jahre. Eine Schlange atmet zwei- oder dreimal in der Minute. Sie lebt
500 bis 1000 Jahre.
Je weniger Wünsche und Sehnsüchte vorhanden sind, desto geringer
ist die Anzahl der Atemzüge und umgekehrt. Wer Japa, Meditation,
Brahmacharya und das Studium religiöser Bücher oder heiliger
Schriften praktiziert, hat eine geringere Zahl von Atemzügen und
mehr Konzentration. Eine geringere Anzahl von Atemzügen bedeutet
eine Steigerung der Konzentration, ein reiches inneres Leben im Atman
und mehr Frieden.
Das Surya Mandal, das Feuer, befindet sich im Nabhi, dem Nabel. Das
Chandra Mandal, die Kugel von Amrita, befindet sich etwas unterhalb
des Ajna Chakra. Amrita, Nektar, tropft, und Agni verschlingt ihn, verzehrt
ihn. Also ist die Lebensdauer kurz. Durch die Praxis von Viparitakarani
Mudra, Sarvanga Asan, kann der Tod bezwungen und langes Leben erlangt
werden. In dieser Stellung kommt das Feuer Mandal nach oben. Der Nektar,
der aus dem Chandra Mandal tropft, kann nicht von Agni verschluckt werden.
Daher führt der Nektar den Nadis und dem Körper Nahrung zu,
und das Leben wird verlängert. Deshalb ist es so wichtig, daß
jeder diese lebenswichtige Asana übt, um gute Gesundheit zu bewahren
und Langlebigkeit zu erlangen.
Das ist das physische Viparitakarani Mudra. Durch die Praxis von Jnana
Viparitakarani Mudra kann Unsterblichkeit und ewige Wonne erlangt werden.
Man kann Brahma Jnana haben. Was ist das Jnana Viparitakarani Mudra?
Verändere den Blickwinkel. Verändere die Einstellung. Sieh
Brahman, das eine Selbst, überall und verneine Namen und Formen.
Übe das immer wieder.
Der Geist kann nicht stark sein, wenn die Strahlen des Geistes, die
in verschiedene Richtungen streben, nicht angehalten und dazu gebracht
werden, in einem einzigen Punkt zusammenzulaufen, so wie im Fall der
Sonnenstrahlen durch ein Vergrößerungsglas. Viele Dinge können
verbrannt werden, wenn die Sonnenstrahlen durch das Vergrößerungsglas
auf einen Punkt gelenkt werden. Durch das Zusammenfassen der Strahlen
des zerstreuten und abgelenkten Geistes, indem sie durch Verhaftungslosigkeit,
Unterscheidung und Konzentration auf einen Punkt zusammengeführt
werden, können Wunder gewirkt werden. Man kann die Wunder des verborgenen
Selbst tief im Inneren, des höchsten Atman, erfahren.
Weniger Urin, Stuhl und Schleim, Tejas, das Strahlen in Augen und Gesicht,
eine schöne Gesichtsfarbe, Leichtigkeit des Körpers, eine
angenehme Stimme, sehr viel Kraft, Visionen, Lichter und das Freisein
von Krankheit und Trägheit sind die ersten Zeichen eines Fortschritts
im Yoga (Prathama Lakshana).
Hellsehen und Hellhören sind die Zeichen, die auf die zweite Phase
des Fortschreitens auf dem Yoga Pfad hinweisen (Dwiteeya Lakshana).
Der Yogi kann über Feuer, Wasser oder ein scharfes Schwert gehen.
Er kann sich in den Himmel erheben. Er hat Wissen über die drei
Zeitphasen (Trikala Jnana). All das sind Zeichen dafür, daß
er sich in der dritten, vierten und fünften Phase von Yoga befindet.
Schließlich befreit er sich aus Prakriti und den drei Gunas und
erlangt Kaivalya, absolute Unabhängigkeit durch Nirvikalpa oder
Nirbhaya Samadhi.
Die Essenz des Sadhana
Ein Raja Yogi ersteigt langsam die Leiter der acht Stufen, Yama, Niyama,
Asana, Pranayama, Pratyahara, Dharana, Dhyana und Samadhi. Er erhält
zu Beginn eine Ausbildung in Ethik, um sich durch die Praxis von Yama
und Niyama zu reinigen. Dann macht er die Stellung fest, Asana. Dann
übt er Pranayama, um den Geist zu stabilisieren und die Nadis zu
reinigen. Dann, durch die Praxis von Pratyahara, Dharana und Dhyana
erlangt er Samadhi. Durch Samyama erwirbt er verschiedene Siddhis. Er
bringt alle mentalen Erscheinungsformen, die sich aus dem Geist erheben,
zum Stillstand.
Hatha Yoga arbeitet mit dem physischen Körper und der Atemkontrolle.
Raja Yoga arbeitet mit dem Geist. Raja Yoga und Hatha Yoga sind eng
miteinander verbunden. Raja Yoga und Hatha Yoga sind einander bedingende
Gegenstücke. Niemand kann ein vollkommener Yogi werden ohne Kenntnis
und Praxis von beiden. Der wahre Raja Yoga beginnt dort, wo richtig
praktizierter Hatha Yoga endet. Ein Hatha Yogi beginnt sein Sadhana
mit dem Körper und dem Prana, der Raja Yogi hingegen mit dem Geist;
ein Jnana Yogi mit Buddhi und Willen. Das ist der Hauptunterschied.
Um im Raja Yoga erfolgreich zu sein, bedarf es einer gründlichen
Kenntnis der Geheimnisse des Geistes sowie der Methode, um ihn zu kontrollieren.
Der Hatha Yoga Schüler muß versuchen, die Kundalini Shakti,
die im Muladhara Chakra schlummert, durch Asana, Pranayama, Mudra und
Bandha zu erwecken. Er muß versuchen, Prana Apana zu vereinen
und das vereinte Prana Apana durch die Sushumna Nadi zu schicken. Die
Hitze wird durch Anhalten des Atems gesteigert, und Vayu steigt gemeinsam
mit der Kundalini durch die einzelnen Chakras zum Sahasrara Chakra.
Wenn die Kundalini im Sahasrara Chakra mit Gott Siva vereint wird, erlangt
der Yogi Samadhi und genießt höchsten Frieden, Wonne und
Unsterblichkeit.