von Swami Sivananda
Ein Lehrbuch mit Techniken zur spirituellen Vollkommenheit
Sadhana im Prashanatray
Sadhana des Veda
Das Purusha Sukta des Veda sagt, der höchste Purusha ist sowohl
transzendent als auch immanent. Er ist der Tausendköpfige, Tausendäugige
und Tausendfüßige. Er umhüllt die gesamte Schöpfung
innen und außen und erhebt sich über sie hinaus zur Unendlichkeit.
Der Purusha ist all das. Alles, was war, was ist, und was sein wird,
ist der Herr des Unsterblichen. Alle Wesen sind in Ihm enthalten. Er
kann weder als weder Sein noch Nichtsein beschrieben werden. Er ist
weder im Raum, noch außerhalb davon. Er ist das Großartige,
Unbeschreibbare, das die Wurzel von allem Vorstellbaren ist. Nicht einmal
die Götter wissen, was Er ist, und wo Er ist. Siehe! Können
wir vielleicht sagen, Er selbst weiß es nicht? So großartig
ist Er. Er hat sich in dieser universellen Opferhandlung der Schöpfung
manifestiert. Er bietet in Seiner sinnlich wahrnehmbaren Form als Universum
das Feld für alle Arten individueller Opfer. Das Universum ist
Yajna, und alle Handlungen in diesem Universum sind Yajna. Das höchste
Wesen ist Yajna, das transzendente Opfer, dem alle individuellen Opferformen
gleichzukommen suchen. Die Essenz des Opfers ist es, für andere
zu existieren und seine eigene Existenz der Existenz anderer zu opfern.
Das ist der Schlüssel zu Unsterblichkeit. Weltliche Opfer sind
relative Symbole dieses Opfers im Absoluten.
Alles Sichtbare ist die Form des Purusha. Das Sichtbare und das Vorstellbare,
das Hohe und das Niedrige, das Gut und das Böse, das Starke und
das Schwache, das Schöne und das Häßliche, das Nützliche
und das Nutzlose, all das ist Seine manifestierte Form. Um Ihn anzubeten,
Ihn zu verehren, braucht man sich nicht von seinem Sitz zu erheben.
Alles, was da ist, genau vor meinen Augen, ist Er, und Er kann durch
es, in ihm, von ihm und für es verehrt werden. In diesem absoluten
Gottesdienst und absoluten Opfer ist Er die Gegenstände für
das Ritual, Er ist der Verehrende, und Er ist der Verehrte. Er ist die
Form der Verehrung, er ist das Opfer und seine Bestandteile. Seine Existenz
ist Seine Manifestation, und Seine Manifestation ist Seine Existenz.
Sein ist Handeln, und Handeln ist Sein. Unsterblichkeit und Tod sind
Seine Schatten. Leben und Nichtleben sind Seine Daseinsformen. Das ist
die große Vision des höchsten Wesens, die menschliches Leben
in göttliches Leben verwandeln wird.
Sadhana in den Brahma Sutras
Das dritte Kapitel der Brahma Sutras mit dem Titel Sadhanadhyaya handelt
von praktischen Methoden, um die Verwirklichung Brahmans zu erreichen.
Dieses Kapitel bespricht diese Methoden oder Sadhanas, die die Mittel
zur Erreichung der höchsten Realität, des Unendlichen, darstellen.
Im ersten und zweiten Pada dieses Kapitels werden zwei Begriffe gelehrt,
nämlich ein starkes Verlangen, eine brennende Sehnsucht (Mumukshutva),
Brahman, die letztendliche Befreiung zu verwirklichen, und eine starke
Abneigung (Vairagya) gegenüber allen Objekten, die nicht Brahman
sind; denn dies sind die zwei grundlegenden Dinge bei allen Sadhanas.
Um Vairagya, Leidenschaftslosigkeit, zu bewirken, zeigen die Sutras
im ersten Pada die Unzulänglichkeiten jeder weltlichen Existenz
und gründen diese auf Panchagni Vidya, die Doktrin der fünf
Feuer aus der Chhandogya Upanishad, worin dargelegt wird, wie die Seele
nach dem Tod von einem Zustand in einen anderen übergeht.
Der erste Pada lehrt die große Doktrin der Reinkarnation, die
Trennung der Seele vom physischen Körper, ihre Reise in Chandraloka
auf der dritten Ebene und ihre Rückkehr auf die Erde. Dies geschieht,
um Vairagya, Gleichgültigkeit allen Sinnenfreuden gegenüber
hier und künftig entstehen zu lassen. Im zweiten Pada werden alle
großartigen Attribute des höchsten Brahman beschrieben, Seine
Allwissenheit, Allmacht, Lieblichkeit, usw., um die Seele zu Ihm hinzuziehen,
damit Er das einzige Objekt der Suche sei.
Im dritten Pada stellt sich der Autor der Brahma Sutras die Aufgabe,
Absicht und Ziel der Vidyas, Upasanas oder Meditationen zu ermitteln,
so wie es in den Srutis vorgesehen.
Die Srutis schreiben verschiedene Arten von Vidyas oder Meditationen
vor, die es dem Suchenden ermöglichen, die Erkenntnis der Identität
zu erlangen. Es ist äußerst schwierig, eigentlich unmöglich
für den gewöhnlichen Menschen, ein umfassendes Verständnis
des Unendlichen zu haben, welches transzendent ist, äußerst
fein und jenseits des Fassungsvermögens der Sinne und des groben
ungeschulten Intellekts. Deshalb schreiben die Srutis oder heiligen
Schriften einfache Methoden der Saguna Meditation vor, um sich dem Unendlichen
oder Absoluten zu nähern. Sie bieten dem Anfänger verschiedene
Symbole Brahmans (Pratikas) an, wie Vaiswanara oder Virat, Sonne, Akasha,
Nahrung, Prana und Geist, über die er kontemplieren soll. Diese
Symbole sind Krücken für den Geist, auf die er sich anfangs
stützen kann. Der grobe Geist wird durch solche Saguna Formen der
Meditation verfeinert und scharf und einpünktig gemacht.
Diese verschiedenen Methoden der Annäherung an das Unpersönliche,
Absolute, werden Vidyas oder Upasanas genannt. In diesem Abschnitt werden
die unterschiedlichen Vidyas besprochen, durch die der Jiva die höchste
Seele erreichen kann. Der Sinn all dieser Vidyas ist die Verwirklichung
Brahmans. Brahman allein ist lebendige Wirklichkeit. Brahman allein
ist Wahrheit. Brahman ist Sat, absolutes Sein. Eine Meditation, Upasana
oder Vidya ist so gut wie die andere, um Befreiung zu erlangen.
Die Sruti lehrt uns, über Brahman zu meditieren, entweder direkt
oder mittels eines Pratikas oder Symbols, wie Sonne, Akasha, Nahrung,
Geist, Prana, Purusha, der im Auge wohnt, dem leeren Raum (Daharakasha)
im Herzen, OM oder Pranava und ähnliches.
Brahman ist in und durch diese Symbole zu suchen und anzubeten, aber
diese Symbole dürfen nicht Seine Stelle einnehmen. Der Geist muß
auf diese Symbole konzentriert und fixiert werden, und es muß
an Seine Attribute gedacht werden, wie Allmacht, Allwissenheit, Allgegenwart,
Sat-Chit-Ananda, Reinheit, Vollendung, Freiheit, usw.
Die Vidyas erscheinen nur vom Standpunkt der verschiedenen Symbole aus
unterschiedlich, aber das Ziel ist überall dasselbe. Denke stets
an diesen Punkt. Bewahre das ständig im Geist.
Manche Attribute Brahmans finden sich gleichermaßen in mehreren
Vidyas. Man darf sich nicht für ein von Brahman getrenntes Wesen
halten. Dies ist ein fundamentaler und vitaler Punkt.
Allen Vidyas sind drei Dinge gemeinsam. Das letztendliche Ziel ist das
Erlangen von ewiger Wonne und Unsterblichkeit durch die Verwirklichung
Brahmans mit oder ohne Hilfe der Symbole oder Pratikas. Die Attribute,
die sich in gleicher Weise in allen Vidyas finden, wie Seligkeit, Reinheit,
Vollendung, Erkenntnis, Unsterblichkeit, absolute Freiheit oder Kaivalya,
absolute Unabhängigkeit, ewige Zufriedenheit u.ä. müssen
auf jeden Fall mit der Idee von Brahman verbunden sein. Der Meditierende
muß sich vorstellen, er selbst ist identisch mit Brahman, er muß
Brahman als seinen unsterblichen Atman verehren.
Die Brahma Sutras handeln vom Fragen nach dem Wesen Brahmans. Warum
werden Fragen nach Brahman gestellt? Weil die Früchte aus Opferhandlungen,
usw. vergänglich sind, das Wissen über Brahman dagegen ist
ewig. Das Leben auf dieser Erde und das Leben im Himmel, das tugendhafte
Taten erlangt wird, ist vergänglich. Wenn man Brahman er kennt,
genießt man ewige Wonne und Unsterblichkeit. Deshalb muß
begonnen werden, über Brahman, die Wahrheit und die letztendliche
Wirklichkeit Fragen zu stellen.
Es kommt die Zeit, da ein Mensch gleichgültig gegenüber Karmas
wird. Er weiß, daß Karmas ihm kein dauerhaftes, ungetrübtes
Glück bringen können, das nicht vermischt ist mit Leid, Sorgen
und Angst. Deshalb erwacht in ihm der natürliche Wunsch nach dem
Wissen über Brahman, der alldurchdringenden ewigen Seele, die jenseits
der Karmas ist und die Quelle ewigen Glücks ist.
Das ewige Brahman muß erkannt und verwirklicht werden. Nur dann
erlangt man ewige Wonne, Freiheit, Vollendung und Unsterblichkeit. Bestimmte
Grundvoraussetzungen sind für die Suche notwendig. Der Fragende
muß über bestimmte spirituelle Erfordernisse verfügen,
die als Sadhana Chatushtaya, die vier Mittel zur Errettung, bezeichnet
werden. Diese sind 1) Nityanityavastu Viveka (Unterscheidungskraft zwischen
dem Ewigen und dem Nichtewigen); 2) Ikamutrartha Phalabhogaviraga (Gleichgültigkeit
gegenüber den Freuden dieses Lebens oder im Himmel und gegenüber
den Früchten der eigenen Handlungen); 3) Shatsampat (sechsfache
Tugenden, nämlich Sama, Kontrolle des Geistes; Dama, Kontrolle
der äußeren Sinne; Uparati, Ablassen von weltlichen Vergnügungen,
Nichtdenken an Sinnesobjekte und Nichtausführen religiöser
Zeremonien; Titiksha, Ertragen von Freude und Schmerz, Hitze und Kälte;
Shradda, Glaube an die Worte des Lehrers und der Upanishaden; Samadhana,
tiefe Konzentration und 4) Mumukshutva (Sehnsucht nach Befreiung).
In der Feststellung der Wahrheit, der letztendlichen Wirklichkeit oder
der ersten Ursache sind allein die Schriften maßgeblich, weil
sie unfehlbar sind, sie enthalten die direkten, intuitiven Erfahrungen
von Rishis oder Sehern, die Brahma Sakshatkara, Selbstverwirklichung,
erlangt haben. Man kann sich nicht auf Intellekt oder Vernunft verlassen,
denn ein Mensch mit starkem Intellekt kann einen Menschen mit schwachem
Intellekt besiegen. Brahman ist kein Sinnesobjekt. Es geht über
den Bereich der Sinne und des Verstandes hinaus.
Wissen über Brahman kann erlangt werden durch Reflexion über
Seine Attribute. Anders ist es unmöglich, Erkenntnis zu haben.
Logik, Vernunft, ist ein Instrument richtiger Erkenntnis, wenn sie nicht
den Vedanta Texten widerspricht. Selbstverwirklichung wird durch Meditation
über Brahman oder die Wahrheiten, die in den Vedanta Texte dargelegt
werden erlangt, und nicht einfach durch Nachdenken. Reine Vernunft (Suddha
Buddhi) ist eine Hilfe zur Selbstverwirklichung. Sie hinterfrägt
und enthüllt die Wahrheiten der Schriften. Sie hat auch einen Platz
unter den Mitteln zur Selbstverwirklichung. Aber ein verdrehter Verstand
(Viparita Buddhi) ist ein großes Hindernis. Er hält von der
Wahrheit sehr fern.
Die Ursache der Welt ist Brahman. Das ist Tatastha Lakshana. Ursprung,
Bestehen und Vergehen der Welt sind Charakteristika der Welt. Sie gehören
nicht zum ewigen, unwandelbaren Brahman. Doch verweisen sie auf Brahman,
die Ursache dieses Universums. Die Srutis geben eine weitere Definition
von Brahman. Es ist eine Beschreibung Seines wahren, eigentlichen Wesens
›Satyam Jnanam Anantam Brahma‹ - Wahrheit, Wissen, Unendlichkeit
ist Brahman. Das ist Svarupa Lakshana.
Das Wissen über Brahman kann nicht durch bloßes Überlegen
kommen. Dieses Wissen kann durch Intuition oder Enthüllung erlangt
werden. Intuition ist das letzte Ergebnis des Fragens über Brahman.
Das Objekt der Fragestellung ist eine existierende Substanz. Dies muß
allein durch Intuition oder direkte Erkenntnis (Aparoksha-anabhuti oder
Anubhava-Erfahrung) erkannt werden. Sravana (Hören der Srutis),
Manana (Reflexion über das Gehörte) und Niddidhyasana (tiefe
Meditation) über Brahman führen zu Intuition. Die Brahmankara
Vritti wird vom sattvigen Antahkarana erzeugt, das über die vier
Mittel zur Errettung verfügt, und von den Instruktionen des Gurus,
der die wirkliche Bedeutung des ›Tat Twam Asi‹
Mahavakya verstanden hat. Diese Brahmakara Vritti zerstört Mula
Avidya, die ursprüngliche Unwissenheit - die Wurzelursache aller
Bindungen, Geburten und Tode. Wenn die Unwissenheit oder der Schleier
entfernt ist, enthüllt sich das selbstglänzende Brahman und
strahlt aus Sich Selbst in Seiner ursprünglichen Herrlichkeit und
Seinem unsäglichen Glanz.
Wenn ein Mensch Brahman verwirklicht, ist er absolut befreit von allen
Arten von Kummer und Leid. Er erlangt das Ziel des Lebens, das Summum
Bonum. Das Konzept der Dualität als Handelnder, Handlung, und dergleichen
wird zerstört. Selbstverwirklichung ist keine Frucht von Handlung.
Sie ist kein Ergebnis von Wollen oder Tun. Sie ist das Ergebnis der
Verwirklichung der eigenen Identität mit Brahman. Die Schrift zielt
nur darauf ab, den Schleier der Unwissenheit, Avidya, zu beseitigen.
Dann strahlt das aus sich selbst leuchtende Brahman durch Sich Selbst
in seiner ursprünglichen Herrlichkeit. Der Zustand von Moksha,
der letztendlichen Befreiung, ist ewig. Er ist nicht vergänglich
wie die Früchte, die durch Handlung erlangt wurden. Handlung ist
vom Willen abhängig und unabhängig vom Objekt. Erkenntnis
ist abhängig von der Natur des Objekts und unabhängig vom
Willen des Wissenden.
Richtiges Verstehen der vedantischen Texte führt zur letztendlichen
Befreiung des Menschen. Es ist nicht nötig, sich zu mühen
und übermenschliche Kunststücke oder Handlungen zu vollbringen.
Schon die bloße Einsicht, daß da ein Seil ist und keine
Schlange, hilft die Furcht zu vertreiben. Die Schrift spricht nicht
nur von ethischen und zeremoniellen Pflichten. Sie enthüllt die
Seele und hilft zur Erlangung von Selbstverwirklichung. Der Weise, der
mit Hilfe der vedantischen Texte gelernt hat, die irrtümliche Identifikation
mit dem Körper zu beseitigen, wird kein Leid erfahren. Nur der
unwissende weltliche Mensch, erfährt Leid aufgrund seiner Identifikation
mit dem Körper.
Die vedantischen Texte geben eine wunderbare Beschreibung der Natur
Brahmans. Sie lehren, daß Brahman ewig ist, allwissend, absolut
unabhängig, immer rein, frei, reines Wissen, absolute Wonne, selbstleuchtend
und unteilbar. Letztendliche Befreiung wird als Frucht der Meditation
über Brahman erlangt.
Wissen um die drei Zustände, Wachen, Traum und Tiefschlaf, ist
für Vedanta Schüler überaus notwendig. Es helft, die
Natur des vierten Zustandes zu verstehen, Turiya, der Zustand des Überbewußtseins.
Für einen Vedanta Schüler ist der Wachzustand genauso unwirklich
wie der Traumzustand. Der Tiefschlaf läßt ahnen, daß
die Natur der höchsten Seele Wonne ist, und daß Brahman eins
ist ohne ein zweites, und daß die Welt unwirklich ist. Vedantins
studieren diese vier Zustände sehr sorgfältig. Sie lassen
Traum- und Tiefschlafzustand nicht außer Acht, wohingegen die
Wissenschafter ihre Schlüsse allein aus den Erfahrungen des Wachzustandes
ziehen. So ist ihr Wissen begrenzt, unvollständig und unrichtig.
Wer über Brahman als Geist meditiert, wie in der Taittiriya Upanishad
Bhrigu Valli gelehrt wird, muß alle Attribute des Geistes vergleichen,
nicht nur von seinem eigenen speziellen vedischen Sakha, sondern auch
von anderen Sakhas, wo Meditation über Brahman als Geist gelehrt
wird. In der Meditation über Brahman als Geist dürfen keine
Attribute hinzugefügt werden, die nicht zum Geist gehören,
wie die der Nahrung, obwohl auch gelehrt wird, daß über Brahman
ebenso als Nahrung zu meditieren ist. Tatsächlich sind nur solche
Attribute aus anderen Sakhas zu ergänzen, die über das besondere
Objekt der Meditation gelehrt werden, und nicht irgendwelche Attribute
im allgemeinen.
Sadhana der Upanishaden
Die Upanishaden bilden die zentrale Basis der Hindu Religion und Philosophie.
Sie sind Vedanta, das Ende der Veden, der Gipfelpunkt der Erkenntnis.
Nichts kann dem wunderbaren Gedankenreichtum der Upanishaden gleichkommen.
Sie haben die größten Denker der Welt zufriedengestellt und
den größten spirituellen Menschen hier genügt. Nichts
vorher und nichts nachher konnte den Upanishaden in der Tiefe der Weisheit
und der Botschaft von Zufriedenheit und Frieden gleichkommen. Dadhyanch,
Uddalaka, Sanatkumara, Sandilya und Yajnavalkya sind einige der herausragenden
Philosophen und Weisen der Upanishaden, die die Fackel zum Weg der Vollendung
hochhielten. Die Upanishaden predigen hauptsächlich Erkenntnis
durch Philosophieren. Sie sind Lehrbücher für den, der das
Selbst sucht. Sie tragen unterschiedliche Namen: Brahma Vidya, Adhyatman-Shastra,
Vedanta, Jnana. Wer die Lehren der Upanishaden praktiziert, gelangt
zum Höchsten. Er durchbricht den Herzknoten, klärt alle Zweifel
und zerstört alle Sünden. Er geht in das Alles ein. Er ist
aus der Verkörperung befreit. Er wird unsterblich. Er wird zum
Selbst von allen. Er ist ein Apta Kama. Er ist wahrlich gesegnet. Er
geht über die Sorge hinaus. Er überschreitet Sünde. Er
kehrt nicht mehr zum sterblichen Kreislauf zurück. Er existiert
als das Absolute.
Die Upanishaden sind ein Buch spiritueller Erkenntnis. Der Höchste
durchdringt alles, was hier erscheint. Daher erfreue man sich tatsächlich
am Verzicht auf den Sinn von Weltlichkeit. Es gibt keinen Grund dafür,
den Besitz anderer zu begehren.
Leben ist nicht Elend. Man sollte hundert Jahre leben und Handlungen
ohne Verhaftung ausführen. Leben ist keine Bindung, wenn man es
im rechten Licht betrachtet. Solch ein Mensch von rechtem Wissen sieht
alle Wesen als sein Selbst und sein Selbst in allen Wesen. Für
ihn ist alles sein eigenes Selbst, er ist nicht berührt von Kummer,
Täuschung oder Sorgen irgendwelcher Art.
Die höchste Realität ist unbeschreiblich. Sie übersteigt
Geist und Sinne. Sie übersteigt sogar den Verstand. Sie ist das
Licht von allem anderen, nichts ist Licht für Sie. Sprache vermag
Sie nicht auszudrücken. Geist vermag Sie nicht zu denken. Verstand
vermag Sie nicht zu verstehen. Die Sinne vermögen Sie nicht wahrzunehmen.
Ein so wundervolles Wesen ist die Wahrheit. Brahma Jnana bedeutet nicht
ein bißchen Wissen, sondern absolutes Wissen selbst zu werden.
Es ist das unendliche Subjekt, wenn man so sagen kann. Es ist eine Erfahrung,
keine Wahrnehmung. Es ist Absolutheit und deshalb jenseits des Konzepts
der Dualität und Gegensatzpaare. Der größte Segen ist
es, Das zu erkennen, und wer stirbt, ohne Es zu kennen, ist unglücklich.
Sterbliche Dinge sind vergänglich und also nicht erstrebenswert.
Sogar ein ganzes Leben von vielen Jahren ist nur sehr unbedeutend. Es
ist nichts. Es gibt keinen Grund dafür, sich an Objekten zu erfreuen.
Der Mensch ist nicht zufriedengestellt mit Wohlstand. Er sehnt sich
danach, unsterblich zu werden, auch gegen sein eigenes Bewußtsein.
Unglücklicherweise strebt er nach dem Angenehmen, nicht nach dem
wirklich Guten. Das Gute ist eines, und das Angenehme ein anderes. Das
eine befreit, das andere bindet. Man darf nicht nach dem Angenehmen
greifen, auch wenn es für einen Augenblick lang verführerisch
ist.
Der Atman ist nicht geboren, er stirbt auch nicht. Er kommt nicht von
irgendwoher, und Er ist nicht irgend etwas geworden. Ungeboren, beständig,
ewig, uranfänglich, dieser Eine wird nicht erschlagen, wenn der
Körper erschlagen wird. Dieser Atman ist verborgen im tiefen Kern
des Herzens aller Wesen. Er kann nicht erlangt werden, auch nicht durch
noch soviel Nachdenken, Studium oder Unterweisung. Er kommt nur durch
die höchste Gnade. Ein Mensch mit schlechtem Betragen, der seine
Hinterhältigkeit nicht aufgegeben hat, kann nicht darauf hoffen,
den Atman zu erreichen.
Der Weg zum Höchsten ist mit stechenden Dornen bedeckt. Sie ist
scharf wie eine Rasierklinge, schwer zu beschreiten, ein sehr schwieriger
Pfad! Er kann nur mit der Hilfe des Wissens von Menschen der Weisheit
beschritten werden. Wer dies erkennt, ist aus dem schrecklichen Maul
des Todes befreit.
Der Geist und die Sinne laufen immer nach außen. Nur ein Mensch
mit Selbstdisziplin und Ausdauer kann nach innen schauen und den Zustand
von Atman, wie Er wirklich ist, erfahren. Naive Menschen, die kein Wissen
von der Wahrheit haben, laufen äußerlichen Vergnügungen
nach und fallen in das weitgespannte Netz des Todes. Nur der Weise,
der den Zustand der Unsterblichkeit kennt, sucht das feste Brahman nicht
unter den Dingen, die hier vergänglich sind.
Es ist nicht notwendig, um jeden Preis Dinge der Welt besitzen zu wollen.
Alles, was es hier gibt, gibt es auch da, alles, was es da gibt, gibt
es auch hier. Der Mensch, der in der Welt Verschiedenheit sieht, erfährt
Tod um Tod. Tatsächlich gibt es hier nicht viele Dinge. Die Eine
Höchste Substanz erscheint als viele Dinge, gekleidet in verschiedene
Namen, Formen und Handlungen.
Atman oder Brahman hat keine Verbindung mit der Welt des Wandels. So
wie die Sonne nicht von einem Augenfehler befleckt wird, so wird der
Antaratman von den Fehlerhaftigkeiten der Welt nicht befleckt. Wie ein
Feuer in die Welt gekommen ist und in seiner Form sich jeder Form anpaßt,
so paßt sich der Eine Antaratman von allen Dingen in seiner Form
an jede Form an und ist doch außerhalb von ihnen allen.
Das Gute, das Licht, die Freude und die Schönheit der Welt können
dort nicht gefunden werden, nicht einmal dem Namen nach. Sogar der Glanz
der Sonne und die Größe des Schöpfers werden vom Absoluten
überragt. Dieser Zustand wird erfahren, wenn die Sinne aufhören,
mit dem Geist zusammenzuarbeiten, wenn sich der Verstand nicht bewegt,
und wenn reines Bewußtsein vorhanden ist. Wenn alle Sehnsüchte,
die im Herzen wohnen, befreit sind, wird der Sterbliche unsterblich.
Dann erlangt er Brahman.
Der Zustand des Absolutwerdens ist kein Verlust all dessen, was wir
lieben, sondern ist die vollkommene Erfüllung all unserer Bestrebungen.
Unsere Endlichkeit ist zerbrochen, Unzulänglichkeiten sind zerstört
und wir sind fest im gesegneten Zustand ewiger Zufriedenheit. All unsere
Wünsche sind in einem einzigen Moment erfüllt. Wir werden
zur Quelle der unbegrenzten Freude und Wonne. Wir erfahren Geburtlosigkeit
und Todlosigkeit. Nichts steht über uns.
Was ist es, durch dessen Kenntnis man auch alles andere kennt? Es ist
Brahman. Dies gilt es zu erkennen. Brahman ist Wahrheit, Erkenntnis,
Unendlichkeit, Wonne. Brahman ist Bhuma, wo man nichts anderes sieht,
nichts anderes hört und nichts anderes versteht. Er ruht auf nichts
anderem. Alles andere ruht auf Ihm. Wer das erkennt, erfreut sich in
seinem Selbst und ruht zufrieden in seinem Selbst.
Opfer können keine Rettung bringen. Sie sind nur Verlockungen,
die an Geburt und Tod binden. Die Getäuschten denken, nur Opfer
und Mildtätigkeit machen den ewigen Segen aus. Sie irren. Das,
was nicht die Wirkung von Handlung ist, ist auch durch noch soviel Handeln
nicht zu erlangen. Brahman, das nicht etwas ist, was man tut, kann nicht
durch etwas, das getan wird, erlangt werden. Nach Prüfung des Wesens
der Welt, gelange der Weise zu Gleichgültigkeit und Leidenschaftslosigkeit.
Er begebe sich zu einem Lehrer und erlerne von ihm Brahma Vidya. Solch
eine glückliche Seele löst den Knoten der Unwissenheit.
Der Mensch hat keine andere Pflicht als die Meditation über das
Selbst. Lasse alles andere beiseite und festige dich so im Selbst. Da
bleibt nichts zu tun oder zu erlangen, wenn das Selbst erfahren worden
ist. Denn dieses Brahman, das Unsterbliche, erstreckt sich vorne, hinten,
rechts und links, unten und oben. Brahman ist all dies, die große,
weiteste Ausdehnung. Es gibt nichts als Brahman. All das ist Brahman.
Wahrheit allein triumphiert, niemals die Unwahrheit. Falschheit und
Lüge, Einbildung und Unwirklichkeit können in ihren Bemühungen
keinen Erfolg haben. Alleine das Wirkliche ist dauerhaftes Sein. Dieses
Wirkliche wird durch Meditation verbunden mit Erkenntnis erfahren.
Alles, was ein Mensch mit gereinigtem Wesen im Geist visualisiert, und
alle Wünsche, die er hegt, werden ihm erfüllt. Deshalb müssen
die gefaßten Entschlüsse rein und vollkommen sein. Wer nach
Objekten verlangt, wird immer wieder geboren, um diese Sehnsüchte
zu stillen. Der Mensch, dessen Sehnsucht erfüllt ist, und der vollkommen
ist, dessen Wünsche verschwinden hier von selbst.
Der Zustand von Moksha, die letztendliche Befreiung, ist ein überaus
glorreicher. Diese gesegneten Seelen, die diesen Zustand erlangen, gehen
in alles ein. Sie werden das Alles. Sie sind frei von Leidenschaft,
ruhig und vollkommen im höchsten Sinn. Sie sind über den Tod
hinaus befreit. Sie werden eins mit dem Höchsten, Unvergänglichen.
Wie die strömenden Flüsse im Ozean verschwinden und Name und
Form zurücklassen, so erreicht der Weise, der befreit ist von Name
und Form, das Höchste, das das Absolute ist. Wer Brahman kennt,
wird Brahman. Er geht über Sorge und Tod hinaus. Er wird unsterblich.
Das höchste Selbst wird im vierten Bewußseinszustand erfahren.
Darin gibt es weder dies noch das, keine spezielle Eigenschaft. Er ist
alles. Er ist friedvoll, wonnevoll und nichtdual. Er ist das Aufhören
alles Wahrnehmbaren. Das ist Atman. Das gilt es zu erkennen und zu verwirklichen.
Das ist der Sinn des Lebens.
Der Jivanmukta, der befreite Weise, erfährt, daß er alles
ist. Er ist der Baum und der Berg. Er ist vollendet wie die Sonne. Er
ist ein strahlender Schatz, weise, unsterblich und unzerstörbar.
Er ist die Speise und der, der die Speise verzehrt. Er ist gleichzeitig
der Erkennende, die Erkenntnis und das Erkannte. Er ist das ganze Universum
in sich selbst.
Wonne ist das eigentliche Wesen der Wirklichkeit. Aus Wonne entsteht
all dies. Durch Wonne lebt all dies. In Wonne geht all dies am Ende
wieder ein. Die Wonne all der vierzehn Welten ist nichts im Vergleich
zur Wonne Brahmans. Jede Wonne der Welt ist nur ein Schatten der Wonne
des Selbst. Die Wonne des Selbst ist das Allerhöchste. Sie ist
die einzige wirkliche Wonne. Andere Quellen der Wonne sind nur flüchtige
Gespenster. Andere Wonne ist nur ein schwacher Ersatz für die höchste
Wonne des Selbst. Die größte Wonne, die man sich vorstellen
kann, sowohl auf der Erde als auch im Himmel, ist ein bloßes Nichts
in Gegenwart der reinen Wonne Brahmans oder der Wonne des Selbst. Man
laufe nicht zu äußeren Objekten, um Wonne zu erreichen. Das
Selbst ist die Quelle aller Wonne. Das Selbst ist alles, alles Wissen
und alle Wonne.
All dies wird von Bewußtsein geleitet und gründet auf Bewußtsein.
Die Welt wird von Bewußtsein geführt. Bewußtsein ist
Brahman. Ich bin Brahman. Das bist du. Dieses Selbst ist Brahman. Dies
sind die metaphysischen Erklärungen für Brahman. „All
dies ist Brahman“ in der letztendlichen Verwirklichung. Wer dies
erkennt, wird auf Erden nicht wiedergeboren. Er wird unsterblich.
So wie man durch einen Klumpen Lehm alles kennt, was aus Lehm ist; so
wie man durch einen Klumpen Gold alles kennt, was aus Gold ist; so wie
man durch eine einzige Nagelschere alles kennt, was aus Eisen ist -
jede Erscheinungsform ist nur eine Unterscheidung von Worten, ein bloßer
Name, die Wirklichkeit ist einfach nur Lehm, Gold oder Eisen, so ist
diese höchste Lehre; die Welt ist nur Brahman, wenn man Brahman
kennt, kennt man alles andere.
Alleine Existenz war im Anfang. Sie war eins ohne zweites. Aus ihr wurde
alles andere erschaffen. Ihre Manifestationen sind nur Schein. Es gibt
keine Welt mit Ausnahme von bloßen Namen und Formen, die in geheimnisvoller
Weise miteinander verbunden sind. Es gibt keine Sonne und keinen Mond
außer bloß Farben oder erfundenen Formen. Wenn Farben unterschieden
werden, verliert die Sonne ihre Sonnenhaftigkeit, der Mond verliert
seine Mondhaftigkeit, Dinge verlieren ihre Dinghaftigkeit. Brahman allein
ist.
Wer von einem Lehrer geführt wird, erkennt die Wahrheit leicht.
Anderenfalls kann er den Weg in spiritueller Blindheit verfehlen. Der
Lehrer lehrt: „Das, was die feinste Essenz ist - es ist die Seele
dieser ganzen Welt. Das ist Atman. Das bist Du.“
Die unendliche Fülle (plenum) allein ist Wonne. Es liegt keine
Wonne in den kleinen, endlichen Dingen. Nur das Unendliche ist Wonne.
Wo man nichts anderes sieht, nichts anderes hört, nichts anderes
versteht - das ist die unendliche Fülle. Wo man etwas anderes sieht,
etwas anderes hört, etwas anderes versteht - das ist das kleine
Endliche. Die unendliche Fülle ist das Unsterbliche, und das kleine
Endliche ist das Sterbliche. Diese unendliche Fülle allein ist
überall. Sie ist all das.
In der Reinheit der Speise ist die Reinheit der Natur. In der Reinheit
der Natur ist feste Erinnerung. In der festen Erinnerung ergibt sich
die Auflösung aller Knoten des Herzens. Man wird unsterblich.
Das Selbst allein ist lieb. Wer etwas anderes liebt als das Selbst,
verliert das, was er liebt. Das Selbst ist das Absolute. Wer dies erkennt,
wird unzerstörbar. Derjenige ist nur ein Tier, der sich selbst
und seinen Gott als getrennt sieht. Nicht deswegen ist all dies lieb,
sondern des Selbst wegen ist all dies lieb. Wenn dieses Selbst erkannt
wird, wird alles andere automatisch erkannt, denn das Selbst ist in
der Tat all dies.
Das Selbst ist ein Ozean ohne Küste und Oberfläche. Es ist
reine Existenz, reines Bewußtsein und reine Wonne. Wo Dualität
ist, kann man gleichsam mit dem anderen sprechen, den anderen sehen
und den anderen verstehen, aber wo alles das eigene Selbst ist, wer
kann mit wem sprechen, wer kann wen sehen, wer kann wen verstehen? Das
ist das höchste Ziel. Das ist der höchste Segen. Das ist die
höchste Wonne. Von einem Teil dieser Wonne leben andere Geschöpfe.
Wer ohne Wünsche ist, wer befreit ist von Wünschen, wessen
Wünsche erfüllt sind, wessen Wunsch das Selbst ist - dessen
Pranas vergehen nicht. Da er Brahman Selbst ist, wird er unmittelbar
Brahman.
Der Jivanmukta ist wie ein Kind. Er ist die Quelle allen Wissens, aber
er verhält sich wie ein Tor. Derjenige ist ein wahrer Brahmane,
der Brahman erkannt hat.
Der, der in allen Dingen wohnt und doch anders ist als alle Dinge, in
dessen Körper alle Dinge sind, der alle Dinge von innen her lenkt
- Er ist die Seele, der innere Herrscher, der Unsterbliche. Er ist der
ungesehene Sehende, der ungehörte Hörende, der ungedachte
Denker, der unverstandene Verstehende. Außer Ihm gibt es nichts,
zu keiner Zeit. Wer stirbt, ohne dieses Höchste zu erkennen, stirbt
umsonst, er ist ein bemitleidenswerter Mensch. Ein großer Mensch
ist, wer mit dem Wissen um das Höchste stirbt, er ist ein wahrer
Brahmane.
Wahrlich diese große, ungeborene Seele, unvergänglich, nicht
sterbend, unsterblich und furchtlos ist Brahman. Brahman ist furchtlos.
Wer dies erreicht, wird das furchtlose Brahman. Dies ist voll. Das ist
voll. Aus der Fülle geht die Fülle hervor. Nimm die Fülle
von der Fülle weg, es bleibt weiterhin nichts als Fülle zurück.
Das ist der Kern der gesamten Upanishaden.
Das Sadhana der Upanishaden ist hauptsächlich vom Typ der Analogie
des Bhramara Kita Nyaya. Meditation über die Wahrheiten, so wie
sie in den Upanishaden erklärt sind, ist Sadhana. Sie sind überaus
anspruchsvoll, und nur fortgeschrittene Schüler können diese
Sadhanamethode in Angriff nehmen. Der Name dieser Sadhanamethode ist
Jnana Yoga. Es ist eine intellektuelle Analyse zum Zweck der Vollendung
in der Intuition. Dann beginnt der Jnana Yogi sein Sadhana direkt von
Vijnana, dem Intellekt aus. Er wird nicht von Emotionen geleitet, nicht
von der Regulierung des Pranas oder dergleichen. Er bringt alle Emotionen
zum Stillstand und zentriert seinen Geist im höchsten Selbst. Er
erlangt Sadyo Mukti, unmittelbare Befreiung. Er geht in alles ein und
wird das Selbst von allem. Dies ist das Ziel des Ideals menschlichen
Lebens.
Sadhana in der Bhagavad Gita
Die Bhagavad Gita ist ein Lehrbuch praktischen Sadhanas für jeden,
vom Bauern, der sein Feld pflügt, bis zum Philosophen der Advaita
Vedanta. Sie läßt keinen Aspekt des Menschen aus, sie zieht
die unterschiedlichen Aspekte von Handlung, Emotion, Wille und Verstehen,
die den Menschen ausmachen, in Betracht. Sie ist Brahmavidya und Yoga
Sastra, eine Theorie und auch deren Praxis. Sie ist Krishnarjuna Samvada,
die Begegnung des Individuums mit dem Höchsten. Die Gita ist kein
Buch metaphysischer Theorie, sondern ein Leitfaden für den spirituellen
Menschen in seinem täglichen Leben der bewußten eigenen Anstrengung
zur Erlangung von Vollkommenheit. Während der Pfad reinen Wissens
nur hochgebildeten Menschen offensteht, ist die Methode der Gita einfach
und jedem zugänglich, nämlich die Hingabe an Gott.
Die Gita betont Pflichterfüllung ohne Widerstand. Es besteht keine
Notwendigkeit, von einer Handlung, die man in Angriff genommen hat,
Abstand zu nehmen. Handlung bindet die Seele nicht, und die Seele wird
nicht berührt von äußeren Modifikationen, denn das Selbst
ist ewig. Der Tod ist nur eine Veränderung des Körpers, und
es gibt keinen Anlaß, sich um den Verlust eines solchen Körpers
zu grämen. Die Seele existiert in Vergangenheit, Gegenwart und
Zukunft im selben Zustand. Wer das weiß, sorgt sich um nichts.
Niemand kann die Seele zerstören. Sie ist unsterblich und unzerstörbar.
Die Seele tötet niemanden, und sie wird von niemandem getötet.
Selbsterkenntnis ist eine wundervolle Leistung.
Sei gleichmütig in Freude und Leid. Dann sündigst du nicht.
Die einzige Pflicht des Menschen ist es zu handeln, nicht Früchte
zu ersehnen. Durch Verhaftungslosigkeit festigt man sich im Yoga des
Handelns. Nur der Törichte hängt an den Früchten des
Handelns.
Ein Sthitaprajna ist ein Mensch, der in seinem Selbst ruht und damit
zufrieden ist. Er liebt nichts; er haßt niemanden; er fürchtet
niemanden. Die Sehnsucht nach Objekten verschwindet, wenn man des Höchsten
gewahr wird. Die Sinne sind sehr mächtig; sie täuschen sogar
den, der unaufhörlich danach trachtet, sie zu kontrollieren. Aber
ein Sthitaprajna hat alle Sinne in seiner Gewalt. Anziehung durch Objekte
führt letztlich zu Selbstzerstörung. Derjenige erlangt Frieden,
der egolos und im Zustand des Ewigen gefestigt ist.
Niemand kann auch nur eine Sekunde lang leben ohne zu handeln. Prakriti
treibt den Menschen zu Handlung, auch gegen seinen Willen. Er ist ein
Heuchler, der über Objekte meditiert, körperlich jedoch ruhig
ist. Derjenige ist ein Mensch wahrer Entsagung, der im Geist unverhaftet
ist. Leben kann nicht gelebt werden ohne Handeln. Aber es gibt kein
Handeln für den, der im Selbst beschäftigt und mit dem Selbst
zufrieden ist. Er hat keine Pflicht zu erfüllen.
Wenn der höchste Herr nicht handelt, verschwindet die ganze Welt
in einem einzigen Augenblick. Der überlegene Mensch handelt so,
daß andere ihm folgen können. So wie unwissende Menschen
mit Verhaftung handeln, dasselbe muß der Weise ohne Verhaftung
zum Wohle der Welt tun. Der Weise schaffe keine Verwirrung im Geist
des Unwissenden. Gunas bewegen sich als Sinne zwischen den Gunas als
Sinnesobjekten. Da er dies erkennt, ist der Weise nicht verhaftet. Es
ist schwierig, gegen die Natur zu gehen. Sogar ein Jnani wird durch
die Macht von Prakriti gezerrt. Die größten Feinde des Menschen
sind Kama und Krodha, geboren aus Rajas. Sie zerstören Güte
und fressen Reinheit auf. Sie sind Quellen großer Sünden.
Erkenntnis ist von Kama, dem Wunsch, verhüllt. Deshalb vernichte
Kama, den mächtigen Feind des Menschen.
Derjenige ist ein weiser Mensch, der Handeln im Nichthandeln findet
und Nichthandeln im Handeln. Derjenige wird ein Weiser genannt, der
alle seine Handlungen durch seine Weisheit verbrannt hat. Er ist unerschüttert
von dem, was sich als Frucht seiner Handlungen ergibt. Für ihn
ist alles nichts als Brahman. Seine Handlungen haben keine Bedeutung,
denn er sieht nur Brahman in allem. Ein solches Wissen von Brahman kommt
durch Dienen, Hingabe und Fragen. Erkenntnis zerstört auch die
größten Sünden, und selbst der größte Sünder
kann höchste Weisheit erlangen. Erkenntnis verbrennt alle Handlungen,
so wie Feuer Öl verbrennt. Erkenntnis kommt im Lauf der Zeit.
Erkenntnis und Handlung unterscheiden sind nicht, denn beide führen
zu Befreiung. Handlung ohne Verhaftung ist höherwertig als vollständiger
Verzicht auf jegliches Handeln. Es ist schwierig, auf Handlung zu verzichten.
Brahman ist leicht durch Handeln ohne Verhaftung zu erreichen. Er ist
unverhaftet auch während aller Handlungen. Er ist wie ein Lotusblatt
im Wasser.
Der höchste Herr erteilt weder gute noch schlechte Noten. Prakriti
wirkt so. Erkenntnis ist verhüllt von Unwissenheit, und so werden
die Lebewesen getäuscht. Denen jedoch enthüllt sich das Höchste,
die Unwissenheit durch Selbsterkenntnis beseitigt haben. Sie sind für
immer aufgegangen in und eins mit Dem. Sie sehen dasselbe Ewige in allem.
Sie haben Geburt und Tod schon hier besiegt.
Das Vergnügen, das aus dem Kontakt mit Objekten entsteht, ist der
Schoß zukünftigen Leidens. Der Weise ergeht sich nicht darin.
Wer im Selbst gefestigt ist, wer sich im Selbst erfreut, wer friedvoll
im Selbst ruht, wer das Licht des Selbst erschaut, erlangt das höchste
Brahman.
Ein wahrer Yogi ist ein Mensch, der den Gedanken entsagt hat. Dieser
Yoga wird durch Meditation über das Selbst erreicht. Die Wonne,
die durch diese Meditation erreicht wird, ist unzerstörbar, unübertroffen,
ewig, voll Bewußtsein und geht über die Reichweite der Sinne
hinaus. Wer dies erreicht hat, betrachtet nichts anderes mehr als erstrebenswert.
Ist man darin gefestigt, wird man auch von den schwersten Sorgen nicht
erschüttert. Das ist Yoga, der alle Leiden zerstört. Dies
gilt es zu praktizieren. Man wird fest im Yoga durch Abhyasa und Vairagya.
Auch wenn man das Ziel in diesem Leben verfehlt, wird man eine weitere
geeignete Geburt annehmen, um die Praxis fortzusetzen, unter günstigen
Umständen. Man wird geführt von seinen früheren Samskaras
und erlangt dadurch das Höchste.
Der höchste Herr ist die Quelle aller Welten. Er ist der Schöpfer,
Bewahrer und Zerstörer. Er ist alles in allem. Die drei Gunas haben
die ganze Welt getäuscht, und so erkennt sie den höchsten
Herrn nicht. Diese Maya kann nicht überwunden werden außer
durch Hingabe an den Herrn. Solche Menschen sind dem Herrn sehr lieb.
Unter ihnen ist der Jnani der beste Gläubige. Denn er hat keine
selbstsüchtigen Wünsche. Erst nach sehr vielen Geburten erkennt
man, daß alles Gott ist. Alle sind getäuscht durch verschiedenste
Wünsche. Sie können den Herrn nicht erreichen, außer
durch viele Zyklen von Geburten und Toden, die das Ergebnis ihrer Wünsche
sind.
Wer über den Herrn meditiert und zum Zeitpunkt des Todes Om singt,
erlangt den höchsten Zustand. Wenn er erreicht ist, gibt es keine
Furcht vor Samsara mehr. Sogar Brahma Loka ist vergänglich, und
von dort muß man auf diese sterbliche Welt zurückkehren.
Aber nachdem der höchste Herr erlangt wurde, gibt es keine Wiedergeburt mehr.
Himmlische Freuden sind nicht erstrebenswert. Wenn die Verdienste zu
Ende gehen, fällt der Genießende vom Himmel zurück auf
diese sterbliche Welt. Wer aber stets an den Herrn als seine einzige
Zuflucht denkt, für den sorgt der Herr aufs Beste. Auch der, der
andere Gottheiten verehrt, verehrt unbewußt und falsch den höchsten
Herrn, und alle derartigen Sühneübungen erreichen nur Ihn.
Er ist der absolute Herr von allem. Er nimmt auch ein dürres Blatt
an, wenn es mit Hingabe geopfert wird. Wer Ihn verehrt, geht nie zugrunde.
Auch Frauen und Sudras steht die Rettung offen, vorausgesetzt, sie
geben sich dem Herrn hin. Diese Welt ist unbeständig, und so nehme
man seine Zuflucht allein zum ewigen Herrn. Der Herr durchdringt die
ganze Welt. Es gibt nichts, worin Er nicht ist. Das ganze Universum
wird durch einen Teil von Ihm Selbst getragen.
Bhakti ist die zentrale Methode, um sich dem Herrn zu nähern. Nur
ein Bhakta, ein Gläubiger, kann Gott schauen. Ohne selbstlose Liebe
können nicht einmal die Götter das Höchste erschauen.
Solch ein reiner Gläubiger haßt niemanden und ist ausgewogen
in Freude und Schmerz. Er genießt nicht und haßt auch nicht,
er ist auch nicht bekümmert und wünscht nichts. Er fürchtet
sich nicht vor der Welt, und die Welt fürchtet sich nicht vor ihm.
Für ihn sind Lob und Tadel gleich. Er ist Freund und Feind gegenüber
derselbe. Er hat alle Unternehmungen aufgegeben. Er ist über die
Gunas hinausgegangen.
Das höchste Brahman ist unbeschreiblich. Es ist das Licht der Lichter
und jenseits der Dunkelheit. Es ist weder seiend noch nicht-seiend.
Es durchdringt alles. Es ist nah und fern, fein und grob. Es sitzt im
Herzen der Wesen als ihr eigenes Selbst. Wenn ein Mensch erkennt, daß
alle Verschiedenheit in diesem Einen wurzelt, wird er fähig, Brahman
zu werden.
Sattva erleuchtet den Menschen, Rajas lenkt ihn ab, und Tamas macht
ihn träge. Der Mensch ist eine Mischung von Leidenschaft und Trägheit.
Er erfährt selten den Zustand reinen Sattvas. Wenn man wahrnimmt,
daß es keinen anderen Handelnden gibt außer den Gunas, transzendiert
man diese Eigenschaften und wird unsterblich.
Samsara ist wie ein Baum mit den Wurzeln nach oben und den Schößlingen
nach unten. Die Wurzeln dieses Baumes müssen mit der Axt der Verhaftungslosigkeit
abgehauen werden. Dann wird der Zustand des Höchsten erreicht,
wo Sonne und Mond nicht scheinen, wo Feuer keine Helligkeit hat. Das
größte Licht der Welt ist nur ein Bruchteil des höchsten
Lichts. Alles in der Welt ist nur eine Reflexion oder ein schwacher
Ersatz für das Höchste. Er transzendiert alles Irdische. Er
steht über Jiva und Maya. Das ist Purushottama, von dem die Veden
singen. Wer dies erkannt hat, hat alle seine Pflichten erfüllt.
Er ist der weiseste Mensch, allwissend.
Menschen mit dämonischen Eigenschaften lieben den Herrn nicht.
Sie bezweifeln die Existenz Gottes und sagen, daß die Welt nur
ein Produkt von Leidenschaft ist. Sie sind stolz und egoistisch. Sie
sind grausam und voll Zorn. Sie sind gebunden durch Hunderte von Wünschen
und leben um zu genießen. Sie beharren auf dem Stolz auf ihren
Reichtum und fallen nach dem Tod in die tiefe Hölle. Sie erreichen
das Höchste nicht. Lust, Zorn, Gier sind die drei Tore zur Hölle.
Wer seinen Körper ohne geistige Disziplin kasteit, ist ein glatter
Heuchler. Physisches, verbales und geistiges Tapas, Disziplin, muß
vorhanden sein. Man muß rein sein in Gedanke, Wort und Tat. Eine
selbstsüchtige Handlung ist unmoralisch. Selbstlosigkeit schafft
Moral und Ethik. Jede Handlung muß im Gedanken an das höchste
Wesen getan werden. Ohne das Bewußtsein des Ewigen, werden alle
Handlungen wertlos.
Sannyasa ist der Verzicht auf selbstsüchtige Handlungen. Aber man
kann nicht der eigenen Pflicht entsagen. Die eigene Pflicht ist heilig.
Alle Handlungen müssen ohne die geringste Verhaftung getan werden.
Man entsage nicht einer Handlung, weil sie schwierig auszuführen
ist. Man handle nicht zum Vergnügen. Sinnenfreuden sind im Anfang
süß, werden am Ende aber bitter. Ihnen muß entsagt
werden. Varnashrama Dharma ist ein vollkommenes System und muß
strikt befolgt werden.
Um Brahman zu verwirklichen, ziehe man sich zurück und meditiere
über das Selbst. Man muß sich von Äußerlichkeit
lösen und im höchsten Ideal festigen. Man muß alle irdischen
Pflichten aufgeben und Zuflucht beim Ewigen suchen. So wird man befreit
von den Banden der Sünde.
Die Gita zielt darauf ab, daß der Mensch Vollendung findet, damit
er das Göttliche wird. Das Leben Krishnas selbst ist das beste
Beispiel des idealen Lebens nach der Gita. Sein Leben selbst ist der
beste und zufriedenstellendste Kommentar zur Gita. Zu sein wie Krishna,
heißt ein vollkommener Mensch nach dem Ideal der Gita zu sein.
Um so zu sein, wählt man nicht, ein Gläubiger, ein Philosoph,
ein Mystiker oder ein Mann der Tat zu sein. Man muß all dies gleichzeitig
sein. Man beginnt vielleicht damit, eines davon zu werden, je nach der
eigenen vorherrschenden Natur, aber mit der Zeit wird man feststellen,
daß ein Fortschritt auf irgendeinem dieser sogenannten Pfade eines
parallelen Fortschritts auf allen anderen bedarf. Es kann keine einseitige
Ausdehnung des Individuums geben. Damit Vollendung wirklich und dauerhaft
ist, muß sie vielseitig sein. Das Absolute verwirklichen heißt,
das Absolute werden, das, das Alles ist. Man muß das Unendliche
sein, und dazu muß das ganze Wesen entwickelt werden.
Unser Geist ist die Arena, das innere Schlachtfeld des täglichen
Mahabharata, wo wir uns in jedem Augenblick im Kriegszustand befinden,
wo ein Komplex von Gedanken mit dem anderen kämpft. Wir alle brauchen
daher das Licht, die Weisheit und die Unterweisung, die Krishna Arjuna
gab. Während der höchste Herr mit Arjuna die wichtigsten Themen
des Lebens besprach, ging er bis an die Wurzel der Rätsel des Universums,
und er enthüllte Wahrheiten von universeller Gültigkeit. Krishna
sprach zu Arjuna stellvertretend für die ganze Menschheit über
die ewigen Wahrheiten des Seins. Krishna symbolisiert das Ewige, und
Arjuna symbolisiert den Menschen in seinen Unvollkommenheiten. Die Lehre
der Gita richten sich an den Menschen im allgemeinen und nicht an ein
spezielles Individuum.
Sei in der Welt. Diene den Menschen. Liebe alle gleich. Aber sei nicht
daran verhaftet. Sei unverhaftet. Lebe im Selbst. Ruhe zufrieden im
Selbst. Habe keinen bindenden Ehrgeiz im Leben. Diene, liebe, gib, reinige
dich, meditiere und verwirkliche. Überlasse dich Gott. Das ist
der Kern der Gita.
Handle im Bewußtsein, daß alles das Selbst ist, alles Gott
ist. Gott ist Mann und Frau und der alte Mann, der auf der Straße
torkelt. Es gibt keinen Grund für Verhaftung an Objekte. Alles
ist bloßes Selbst. Sieh dich in jedem Lebewesen. Liebe die anderen
wie dich selbst. Sieh keine Unterschiede des Körpers. Sieh die
gemeinsame innere Essenz. Habe Akartri-Shava, Narayana-Bhava, wenn du
handelst. Man muß solange handeln, solange man sich bewußt
ist, daß man einen Körper hat. Es ist die eigentliche Natur
des Körpers, aktiv zu sein. Der Geist treibt dich zum Handeln.
Prakriti ist mächtig. Auch kluge Menschen fallen ihr zum Opfer.
Hingabe an den Herrn ist die einzige Möglichkeit, um der Bindung
an Prakriti oder Maya zu entkommen.
Sei Beobachter aller Ereignisse im Leben. Tue deine Pflicht. Diene ohne
Erwartung von Früchten. Das ist die Essenz von Karma Yoga.
Der Herr hat seinen Sitz im Herzen aller Wesen. Er ist der innere Herrscher,
der Unsterbliche. Laufe nur zu Ihm allein und suche Schutz bei Ihm.
Es gibt keinen anderen Weg zur Befreiung. Alle deine Pflichten werden
verschwinden, alle Sünden werden verbrannt und alle Zweifel beseitigt,
wenn du selbstlos Hingabe an den Herrn hast.
Beherrsche die Schwankungen des Geistes. Sitze an einem einsamen Platz
und konzentriere dich auf das Selbst. Weisheit wird dann aufdämmern
und alle Unwissenheit zerstören. Das Ergebnis ist Unsterblichkeit.
Höchste Wonne ohne Verfall ist die Frucht. Ewige Zufriedenheit
ist das Ziel allen Strebens. Sie wird erreicht durch den Yoga der Synthese,
wie er oben erklärt wurde. Das ist es, was die Gita der Menschenwelt
zu sagen hat. |
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