Yoga Vidya Journal Nr. 9, Sommer 2003
Ernährungsregeln im Yoga
von Matthias Roth, Yogalehrer BYV
Religionen, Religionsgemeinschaften, spirituelle Gemeinschaften usw.
empfehlen ihren AnhängerInnen die Einhaltung ethischer bzw. moralischer
Grundsätze. Das Christentum beruft sich u. a. auf die alttestamentarisch-jüdischen
10 Gebote, der 8-stufige Raja-Yoga lehrt yama und niyama, der
Buddhismus u.a. den 8fachen Pfad usw.
Sehr oft wird darüber hinaus auch die Einhaltung bestimmter Ernährungsregeln
anempfohlen. Diese Ernährungsregeln werden nur selten derart begründet,
dass wir ihren Urgrund heute noch „verstehen“ können,
haben aber z. B im Judentum und im Islam zumindest teilweise den konkreten
historischen Hintergrund der Lebensmittelhygiene. Andere Systeme wie
das des Pythagoras, welches u. a. trotz Vegetarismus den Genuß
von Bohnen untersagt, sind in sich nicht schlüssig und aus heutiger
Sicht auch nicht (mehr) verstehbar. Im Rückblick ist dies sowieso
nicht immer einfach. Das, was uns heute schlüssig erscheint, muss
nicht unbedingt die wirkliche Begründung für konkretes historisches
Handeln gewesen sein.
Im Ayurveda und damit auch im Yoga wird von einer Beeinflussung von
Körper, Geist und Seele durch das, was mensch isst, ausgegangen.
Nahrungsmittel werden vereinfacht gesagt in sattwig (erhebend), rajasig (anregend) und tamasig (niederdrückend/hemmend) eingestuft. Je
nach Yoga- Richtung bzw. -Schule bestehen dabei durchaus geringfügige
Unterschiede. Auf Grundlage der jeweiligen Einstufung werden bestimmte
Nahrungsmittel für Aspiranten empfohlen, eher weniger empfohlen
oder völlig abgelehnt.
In der Sivananda-Tradition werden neben Fleisch und Fisch auch Zwiebelgewächse
wie Knoblauch sowie Eier völlig abgelehnt und vom Genuss von Pilzen
wird abgeraten. Kaffee, Tee, Alkohol und meist auch Genussmittel, die
Koffein oder vergleichbar anregende Wirkstoffe enthalten, also auch
Kakao, und alle Drogen sind tabu. Sattwige, also erhebende, den Geist
läuternde Nahrungsmittel sollen darüber hinaus bevorzugt gegessen
werden. Auf den ersten und vielleicht auch auf den zweiten Blick erscheint
dies
vom Verstand her alles sehr einleuchtend. Ob ich als Yogaschüler
Regeln und Empfehlungen überhaupt verstehen muss, oder sie im Vertrauen
auf die Weisheit der Rishis einfach unhinterfragt in die Praxis umsetze,
also anwende, ist sicher (auch) eine Frage der Kultur, aus der ich stamme.
Das Hinterfragen, manchmal vielleicht auch des bloßen Hinterfragens
wegen, dürfte tendenziell eher bei uns im Westen zu finden sein,
das unhinterfragte Praktizieren in manchmal vielleicht blind machendem
Vertrauen tendenziell eher im Osten. Beides hat seine Berechtigung.
In der Hoffnung, die Hintergründe der für mich als Abendländer,
gelernten Pflanzenbauer und Yoga-Schüler häufig doch etwas
irritierenden Ernährungsregeln wie „keine Pilze essen“
vielleicht in Anwendung verstehen zu lernen, habe ich mich deshalb auf
die Suche gemacht. Yoga heißt ja auch, Fragen zu stellen. Aber
viele Fragen bedingen viele Antworten und vor allem immer neue Fragen.
Insoweit handelt es sich bei aller Erkenntnis
immer nur um eine vorläufige. Ich freue mich deshalb auf mögliche
Ergänzungen bzw. Anregungen aus dem Kreis der Yoga-Vidya-LehrerInnen.
Auf den ersten Blick scheint der völlige Verzicht auf Fleisch,
Fisch und
Eier, also eine streng lacto-vegetarische Ernährung, in sich völlig
stimmig, logisch und konsequent. Was anderes als Vegetarismus kann man
sich für Yogis und Yoginis sowie für Menschen auf dem spirituellen
Wege gar nicht so recht vorstellen.
Allerdings erwarten keineswegs alle Yogaschulen bzw. -richtungen eine
streng vegetarische Lebensweise. Und Buddha, ansonsten wohl engagierter
Vertreter des Vegetarismus, soll einigen Quellen zufolge empfohlen
haben, Fleisch usw., was einem als Gast in fremdem Haus vorgesetzt wird,
durchaus zu verzehren, um die Gastfreundschaft nicht zu verletzen, und
er soll diese Empfehlung auch selbst praktiziert haben.
Jesus, der heute gerne von Vegetariern als Vegetarier bezeichnet (vereinnahmt?)
wird, hat lt. Neues Testament nichts dabei gefunden, den Menschen Brot
und Fisch (und Wein!) als Nahrungsmittel zu reichen und sich beim Spirituellen
Fasten in der Wüste von Honig und Heuschrecken zu ernähren,
beides Nahrungsmittel, welche reine Vegetarier nicht unbedingt zu sich
nehmen würden. Überhaupt ist Fleischgenuss in Judentum, Christentum
und Islam keineswegs negativ besetzt, auch nicht für Ordensleute.
Im Hinduismus und im Buddhismus ist allerdings häufiger von den
Vorteilen einer vegetarischen Ernährung die Rede.
Über den expliziten Verzicht auf den Genuss von Eiern aus feinstofflichspirituellen
Gründen habe ich nichts finden können außer der Information
einer Afrika-Reisenden, die mir sagte, dass die Menschen in Sierra Leone
keine Eier essen würden, da sie davon ausgehen, dass in einem Ei
das gesamte spätere Lebewesen, in diesem Falle das Huhn, schon
enthalten sei. Klingt logisch, trifft jedoch genauso gut für ein
Reiskorn oder einen Apfel zu.
Vereinfacht kann man sagen, dass die körperliche Notwendigkeit
Fleisch bzw. Fisch zu essen umso größer wird, je kälter
und unwirtlicher der Lebensraum ist. Mit dem Fleisch nimmt der Mensch
auch immer ein Stück Lebensenergie des getöteten Tieres in
sich auf, was sich ganz konkret in größerer Kälteresistenz,
mehr Durchhaltevermögen, mehr feuriger Lebensenergie bemerkbar
machen kann. Trotzdem sind einige Vegetarier zu absoluten körperlichen
Höchstleistungen in der Lage, während andere dauerhaft Probleme
mit ihrer nachlassenden Leistungsfähigkeit haben. Eskimos beispielsweise
wären in ihrem angestammten Lebensraum kaum in der Lage als Vegetarier
zu überleben, selbst wenn sie über genügend und geeignete
pflanzliche Nahrung verfügen würden. Es spricht jedoch nicht
ernsthaft etwas dagegen, dass Eskimos, obwohl sie i. A. sehr viel Fisch
und Fleisch essen und auch einige weitere Lebensgewohnheiten haben,
die kaum als sattwig im Yogasinne bezeichnet werden können, auch
samadhi oder einen vergleichbaren Zustand erreichen können. Vegetarier
essen nach eigener Aussage meist nichts vom toten Tier, aber
durchaus Milchprodukte und manchmal auch Eier. Traditionelle Lebkuchen,
Pfefferkuchen usw. mit Hirschhornsalz (Ammoniumhydrogencarbonat) aus
dem A-oder B-Sproß eines Hirschgeweihs als Treibmittel dürften
Vegetarier also nur dann essen, wenn es sich um Salz aus im Wald gefundenen
Stangen handelt und nicht um solches von gejagten und geschossenen Tieren.
Also müsste es aus Sicherheitsgründen eigentlich heißen:
Vegetarier essen keine Lebkuchen.
Das klingt sehr nach Haarspalterei, kommt aber möglicherweise einer
Grundidee der yogischen Ernährungsregeln ziemlich nahe: Vorsorge,
Sicherheit, Fürsorge. D a s vermeiden, von dem ich nicht mit letzter
Sicherheit sagen kann, dass es anderen Wesen und mir selbst nicht vielleicht
Schaden zufügen
könnte. Aber zurück zu den Milchprodukten für uns Lacto-Vegetarier.
Um Milchprodukte gewinnen zu können, müssen Kühe, Ziegen,
Stuten, Schafe etc. gehalten werden. Die zu knapp 50% männliche
Nachkommenschaft dieser Milchtiere, also Bullkälber, Böcklein,
Hengstfohlen etc., wurde und wird, um sie als Arbeitstiere einsetzen
zu können, frühzeitig kastriert oder unkastriert zum späteren
Verzehr gemästet, also irgendwann geschlachtet.
Die getöteten Tiere wurden und werden zum Nutzen des Menschen
u. a. in Form von Fleisch, Fett für Leuchten, Fell, Leder, Sehnen
für Musikinstrumente usw. „verwertet“. Vergleichbares
gilt für Hühner, Gänse, Enten (Daunen etc.).
Pferde, Rinder, Schafe etc. sind übrigens nicht, wie oft behauptet,
Vegetarier, sondern Pflanzenfresser. Sie nehmen zusammen mit Gras, Heu
usw. beträchtliche Mengen an Erde, Schnecken, Spinnen, Würmern,
Käfern usw. auf; alles hochwertigstes Tiereiweiss. Und sie leben
genau genommen nicht von Gras und Heu, sondern von tierischen Magenbakterien,
welche ihrerseits vom zugeführten Gras und Heu leben. Auch der
menschliche Vegetarier ist auf tierische Bakterien in seinem Darm angewiesen,
z. T. zur Vitaminsynthese, z.T werden diese wohl auch verstoffwechselt
als tierischer Eiweißträger. Die Haltung von Nutztieren als
solche ist sicher eine der entscheidenden Errungenschaften der menschlichen
Kultur. Wie ich die Tiere im einzelnen halte und welche Achtung ich
ihnen entgegenbringe ist eine Frage, auf die ich hier nicht näher
eingehe. Ich selbst z. B. war schon einige Jahre bevor ich Yoga begegnet
bin Vegetarier. Da ich die übliche landwirtschaftliche Praxis der
Tierhaltung kannte und kenne, gab und gibt es für mich zum Vegetarismus
schon alleine aus diesen Beweggründen bislang keine Alternative.
Aber: Ohne Arbeitskraft der Haustiere und tierische Produkte wäre
Sesshaftigkeit mit Ackerbau und damit „Freizeit“ auch für
Kunst, Kultur und Religion, für entwickelte Sprache und vielleicht
auch für die Entwicklung
komplexer Systeme wie das des Yoga historisch wohl zu kaum einer Zeit
möglich gewesen, sieht man von wenigen begünstigten Landstrichen
oder der kollektiven Rückerinnerung an ein golden age oder das
Paradies einmal ab.
Ganz sicher war den lebens- und naturverbundenen Kulturen des Altertums
dieser zwingende Zusammenhang zwischen Milchnutzung und Masttierhaltung
mit Notwendigkeit des Schlachtens/Tötens und der Nutzung
tierischer „Produkte“ wie Wolle und Leder bekannt.
Nur mit konsequent veganer Lebensweise, die in historischer Zeit zumindest
außerhalb der Tropen nicht möglich gewesen sein wird (und
auch heute nicht wirklich möglich ist, denn Ackerbau kann ich nur
betreiben, wenn ich Tiere halte, die mir den Dünger für die
Felder liefern), könnte mensch aus diesem Kreislauf der Tiernutzung
aussteigen, es sei denn er wäre Jäger, Sammler und Fischer.
Ansonsten ist es tatsächlich bis heute so, dass die „Nicht-Vegetarier“
das Fleisch essen (müssen?), welches für meinen Konsum von
Milchprodukten, aber auch von Feldfrüchten, Schuhleder, Schafwolldecken
usw. miterzeugt wurde und wird. Insofern könnte ich ohne sie und
ihren Fleischkonsum nicht Lacto-Vegetarier sein. Lacto-Vegetarismus
taugt also zum Glück nicht als bequemes moralischethisches Ruhekissen.
Vegetarier sind auch ganz sicher nicht von Hause aus die besseren Menschen
oder werden durch Vegetarismus alleine zu friedlichen, entwickelten
Wesen. Selbst Adolf Hitler soll Vegetarier gewesen sein. Dass eine rein
vegetarische Ernährungsweise quasi wie von selbst das persönliche
ethische Bewusstsein erhöht, das Feinstoffliche in uns klärt
und fördert, unsere negativen Begierden dämpft usw. kann also
zumindest bezweifelt werden.
Aus heutiger Sicht gibt es sicher viele sehr gute Gründe, die für
eine vegetarische Lebensweise sprechen: Ökologie, Mitverantwortung
gegenüber den Mitgeschöpfen usw. Genau besehen sollte es für
aufgeklärte Menschen eigentlich keine Alternative zu Vegetarismus
geben, möchte man fast meinen. Aber, siehe oben, so einfach ist
es dann doch nicht. Und da „alles eins ist“ und das eine
vom anderen nicht zu trennen, was auch den vedischen Sehern bewusst
gewesen sein wird, ist nicht unbedingt anzunehmen, dass unsere heutigen
Überlegungen auch diejenigen gewesen sind, welche die Rishis Vegetarismus
empfehlen ließen. Trotzdem haben sich die alten Rishis sicher
etwas sehr Wichtiges dabei gedacht, als sie den Yogis und Yoginis eine
strikt vegetarische Lebensweise anempfahlen. Das entscheidende Moment
dafür liegt, glaube ich, etwas verborgen hinter dem Vordergründigen
unserer abendländischen Denkweise. Doch dazu später etwas
mehr.
Stichwort Pilze Pilze gelten im Ayurveda als tamasig. Als langjähriger
Waldpilzsammler und -esser möchte ich anmerken, dass dies pauschal
so nicht zu sein scheint. Es kommt darauf an, um welche Pilze es sich
handelt, wo sie gestanden haben, wie sie zubereitet sind, wann sie gegessen
werden usw. Zudem verbindet einen die Pilzsuche im sonnigen Herbstwald
unmittelbar mit dem Göttlichen und der Schöpfung, was alleine
schon eine reinigende, fördernde Wirkung auf Körper, Geist
und Seele hat. Da ich auch sehr viel ohne Pilze zu sammeln im Wald spazierengehe
glaube ich sagen zu können, dass Pilzsuche und Waldspaziergang
Naturbegegnungen von völlig unterschiedlicher Qualität sind.
Damit meine ich, das eine kann das andere nicht wirklich
ersetzen.
Manche Pilze werden mehrere Hundert Jahre alt und können uns, wenn
wir ihre Fruchtkörper, also das, was gemeinhin als Pilz bezeichnet
wird, essen, mit diesem unglaublich reichen und im Wald oft über
diese ganze Zeit unverfälscht gebliebenen Natur-Erfahrungsschatz
verbinden. Dies wird heute gerne als „sich erden“ bezeichnet.
Es gibt meiner Erfahrung nichts vergleichbar „Erdendes“
und dabei gleichzeitig „Klärendes“ wie der Genuss einer
kleinen Menge frischer Waldpilze im Herbst. Wie es so schön heißt:
Die Füße fest verwurzelt in der Erde, aber den Kopf im Himmel.
Und vor diesem Hintergrund würde ich manche Pilze, richtig eingesetzt,
als rasayana bezeichnen. Aber irgend etwas haben sich die Weisen aus
dem alten Indien sicher dabei gedacht, als sie Pilze als eher ungünstig
beurteilten.
Auch im Buddhismus, der in gewisser Hinsicht ja auf dem Yoga aufbaut,
gibt es Hinweise auf schädliche Auswirkungen von Pilzen. U. a.
gibt es die Behauptung, der Buddha selbst habe sein irdisches Leben
wegen einer verdorbenen Pilzmahlzeit, also einer Lebensmittelvergiftung,
wie sie auch heute noch vorkommen kann, beenden müssen. Andererseits
weiss man inzwischen sehr viel über den historischen Gebrauch
von Pilzen als Halluzinogene. Und hier schließt sich womöglich
der Kreis zum
Stichwort Drogen
Die regelmäßige Nutzung halluzinogener Drogen ist, schenkt
man den Berichten Erfahrener Glauben, gerade im „Drogenparadies“
Indien bei Sadhus, Yogis und spirituell Suchenden sehr weit verbreitet.
Marihuana, Haschisch, Stechapfel u. v. a. mehr gehören quasi zur
Grundausstattung auf dem Weg zur Erkenntnis.
Umso erstaunlicher, dass sich z. B. im Integralen Yoga eine starke spirituelle
Strömung im Yoga herausgebildet hat, die (scheinbar) jeglichen
Gebrauch von Drogen ablehnt, um letzlich zum selben Ziel zu gelangen
wie der Drogennutzer. „Scheinbar“ deshalb, weil auch Kampfer,
Weihrauch und ähnliche, gerne und gezielt verwendete Substanzen
in hohem Maße psychoaktiv, also bewußtseinsverändernd
wirken können. Es ist, wie so oft, alles eine Frage der Dosierung.
Kampfer z. B. soll in schwacher Dosierung eine Läuterung des Ego
bewirken, kann aber bei Missbrauch ernsthafte Wahrnehmungsstörungen
bis hin zu Intelligenzverlust und Lähmungserscheinungen auslösen.
Auch im vedischen Indien war das Thema „Drogen“ hochaktuell.
Dort ist häufig von der Soma-Pflanze und dem göttlichen Soma,
einer mal milchartigen, mal klaren Flüssigkeit aus eben dieser
Pflanze, die Rede. Soma
wird u. a. mit dem göttlichen Nektar Amrita wie auch der griechischen
Götterspeise Ambrosia gleichgesetzt. Soma wird von den Priestern
verteilt und Soma-Genuss bewirkt bei den Konsumenten Wonne und Glückseligkeit.
„Der weiße Kelch, bis zum Rand mit Kuhmilch, feinstem Honig
und klarem Soma-Saft, wurde von den Preistern dargeboten - der großzügige
Indra soll ihn zum Trunk erheben, bis wir ekstatisch vom Soma werden“
(aus der Rigveda).
Bei der Soma-Pflanze hat es sich, so viel gilt als gesichert, um eine
Drogenpflanze gehandelt. Alle alten Kulturen waren nach heutigem Wissen,
was das Spirituelle angeht, Drogenkulturen und gerade Indien mit seinem
natürlichen Reichtum an bewusstseinsverändernden Pflanzen
hat da sicher keine Ausnahme gemacht.
Einige Forscher sind der Ansicht, die Soma-Pflanze sei der Indische
Hanf, gewesen, was von der Beschreibung in den alten Texten her allerdings
keinerlei Sinn ergibt. Andere verwiesen auf Himalaya-Meerträubel
mit Ephedrin als Haupt-Wirkkomponente, was auch keine wirklich überzeugende
Deutung ist. Auch Mutterkorn, ein sehr verbreiteter und gerne rituell
genutzter, LSD-haltiger Getreidepilz, kommt nicht wirklich als Soma-Pflanze
in Frage.
Wenn es sich bei der Soma-Pflanze nicht um eine inzwischen ausgestorbene
(oder durch übermäßige Nutzung durch die Soma-Trinker
ausgerottete!) Pflanzenart handelt, kommt am ehesten unser allseits
bekannter und
beliebter Fliegenpilz oder ein naher Verwandter desselben als „Urheber“
in Frage. Nahezu alle alten Hinweise (honigsüsser Saft (Soma),
weisses „Fleisch“ mit weissem Milchsaft, starke halluzinogene
Wirkung u. v.a.m.)
lassen bisher nur diese eine Deutung zu. Die Herrschaft über die
Soma- Pflanze wird traditionell Rudra, dem Gott der Tannenwälder,
zugesprochen. Und in eben diesen Tannenwäldern wächst und
gedeiht der Fliegenpilz auf das Prächtigste.
Der Fliegenpilz ist nicht wirklich giftig, aber in seiner Anwendung
als Halluzinogen wohl derart kapriziös, dass er bei unbedarfter
und nicht eingeweihter Anwendung eher die Hölle auf Erden als den
Himmel in einem selbst
hervorruft. Der dem Pilz innewohnende „Geist“ scheint sehr
mächtig zu sein und, dies ist sicher die überragende und bis
heute unverändert gültige Erkenntnis der vedischen Seher:
Man kann ihn sich nur im Einklang und in Verbindung mit dem Göttlichen
„dienstbar machen“. Zudem gibt es sehr bis tödlich
giftige, nahe verwandte und ähnliche Pilze, die oft in unmittelbarer
Nachbarschaft des Fliegenpilzes stehen. Also Hände weg von Selbstversuchen!
Das Wissen um die richtige Anwendung des Fliegenpilzes, der bei uns
auch
Giftblume (!) genannt wurde, obwohl Pilze keine Pflanzen, sondern eine
Art Mittlerwesen zwischen Pflanzen- und Tierreich sind, war in alten
Zeiten erstaunlicherweise (unabhängig voneinander?) von Süd-
und Mittelamerika über Europa bis hin nach Asien verbreitet, ist
aber wohl in Vergessenheit geraten. Bekannt ist eigentlich nur noch,
dass sich die halluzinogenen Inhaltstoffe des Pilzes im Urin des Konsumenten
konzentrieren und dass somit der Urin des Konsumenten ein probates Mittel
für einen noch stärkeren
Rausch darstellt. Die Praxis des rituellen Urintrinkens war, sicher
kein Zufall, in vielen alten Kulturen durchaus geläufig.
Lediglich in Sibirien und Mittelamerika spielt der Fliegenpilz heute
noch eine Rolle bei schamanischen Ritualen. Hinweise auf Art und Weise
des Pilzkonsums finden sich nicht nur in den Veden, sondern z. B. auch
im
Alten und Neuen Testament in ähnlich verschlüsselter Form.
Bestes Beispiel hierfür ist sicher das Hohelied Salomos, eine den
vedischen Hymnen vergleichbare, wohl eindeutige Lobpreisung des Fliegenpilzes
und seiner
im günstigsten Anwendungsfalle wohltuenden Wirkungen. R. Graves
geht sogar davon aus, dass die rituelle Anwendung des Fliegenpilzes
überhaupt Inhalt der ersten (nahezu Welt umspannenden) menschlichen
Religion gewesen ist.
Auf Fotos und Abbildungen sieht man manchmal große und verwirklichte
Yogis auf einem Rehkitz-Bambi-Fell sitzen. Soweit ich mich erinnere,
gibt es auch von Swami Sivananda ein entsprechendes Foto. Diese rotbraunen
Felle mit ihren weißen Tupfen haben eine geradezu irritierende
Ähnlichkeit mit einem trockenen (und damit anwendungsreifen) Fliegenpilzhut.
Mir erscheint dies wie ein schönes Symbol aus alter Zeit dafür,
dass man durch einen sattwigen Lebenswandel die Abhängigkeit von
der Droge Fliegenpilz
(und aller weiteren Drogen) überwindet und quasi „darüber
steht bzw. sitzt. Vergleichbar vielleicht dem „Reiten des Tigers“
im Kundalini-Yoga. Zu Krishnas Zeiten, der in der Überlieferung
gerne als Kuhhirte oder Milchdieb und damit in eindeutigem Bezug zur
Rinderhaltung verehrt wird, wurde in Mittelasien ein weiterer Pilz,
nämlich ein krishnafarbiger (blauer) Psilocybin-Pilz, der ausschließlich
auf (Rinder-) Kuhdung wächst, als Halluzinogen verwendet. Hiermit
schließt sich vielleicht der Kreis zum Ursprung der heiligen Kühen
Indiens und dem Gebot mancher Yoga-Richtungen, überhaupt keine
Pilze zu essen. Denn: Nach allem, was man bis heute weiß, lassen
sich die im Glücksfalle erhebenden Wirkungen des Pilz- (Drogen!)konsums
auch durch regelmäßige und intensive Yoga-Praxis und einen
sattwigen Lebenswandel eher und vor allem gefahrlos, dauerhaft und zum
Wohle unserer Mitgeschöpfe erreichen. Dies mag eine zweite große
Erkenntnis der vedischen Seher gewesen sein und sie veranlaßt
haben, förderliche Praktiken und Lebensregeln
zu entwickeln.
Stichwort eigene Erkenntnis
Ich denke, dass die Ratschläge und Empfehlungen alter Schriften
und Meister auch im Bereich Ernährung zumindest den Hintergrund
haben, den sie bei Asanas, Pranayama, Meditation usw. haben (ohne dass
wir sie vielleicht unmittelbar verstehen können):
Uns auf dem Weg zum Erwachen bestmöglich zu unterstützen,
ohne dabei anderen Wesen und uns selbst zu schaden. Und dazu sollte
uns jede Hilfe willkommen sein, ohne dass diese die eigene Praxis ersetzen
kann.
Und ich vermute, das Eigentliche unter der Oberfläche der Ernährungsregeln
im Yoga ist: Sie sind als Gesamtheit, also integral zu betrachten, also
im Gesamtsystem Yoga mit Asana, Pranayama etc., und dann, und nur dann
können sie ihren inneren Sinn entfalten. Und dann überzeugen
sie Ernährungsregeln im Yoga
quasi von alleine und durch die tägliche Beachtung. Das Ganze ist
etwas anderes als die Summe seiner Teile. Einzelne Punkte herauszunehmen
und gesondert zu prüfen ist spannend, lehrreich und interessant,
entfernt einen aber womöglich immer weiter von der ursprünglichen
Intention der vedischen Seher.
Was das System wohl nicht bietet (und vielleicht auch nie hat bieten
sollen?) ist eine einfache, in sich schlüssige Erklärung dafür,
warum ich z. B. kein Fleisch, keine Pilze oder keine Zwiebeln essen
sollte. Denn das, so weiß ich aus Erfahrung, kann man Dritten
nicht erklären, die regelmäßig Kaffee trinken, Fleisch
essen, keine Asanas, Pranayama etc. machen, ohne dabei selbst in einen
ernsthaften Erklärungsnotstand zu geraten, sich in in Dogmatismus
zu retten oder Ähnliches. Bloß: schlechtere, dumpfere, unaufmerksamere
Menschen als ich einer bin sind die Anderen meiner Überzeugung
nach trotz ihres Fleischkonsums etc. nicht, sie sind einfach nur anders.
Und ohne sie wäre ich nicht. Zudem sollte man immer bedenken, dass
die Menschen in vedischer Zeit möglicherweise ganz anders gefühlt,
sich ganz anders wahrgenommen und
vielleicht sehr viel feinfühliger auf Zwiebeln, Fleisch etc. reagiert
haben als wir dies in unserer an Attraktionen und Irritationen nicht
gerade armen Zeit tun (können).
Und deshalb ist ein gutes Stück Vertrauen in die Weisheit der vedischen
Seher durchaus angebracht, denke ich. Und für die Praxis sollte
ganz sicher gelten, worauf Sukadev immer wieder zu Recht geradezu drängt:
Wenn ihr intensiv praktiziert, haltet euch in jedem Fall an die überlieferten
Regeln, sie machen einfach Sinn. Ansonsten gibt es in der Praxis Energieungleichgewichte
u. v. a. m., die alles andere als erfreulich ausgehen können. Und
v. a. sagt dies in voller Deutlichkeit euren SchülerInnen, um eurer
Verantwortung ihnen gegenüber gerecht zu werden. Ich verneige mich
vor Sri Krishna, dem Beschützer der Kühe. Mögen sie und
alle anderen Wesen Glück und Harmonie erfahren. Mögen sie
frei sein von Leid. Om shanti! |
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