Stressmanagement
- 7. Abschließende Gedanken -
„Die schwarzen Felder auf einem Schachbrett wechseln ab mit den
weißen. Ebenso wechselt jede Dunkelheit im Leben mit Helle ab, jeder
Kummer mit einer Freude, jeder Fehlschlag mit einem Erfolg. Wandel und
Gegensatz sind unvermeidlich; sie sind es ja, die das große Spiel
ermöglichen. Nimm sie leidenschaftslos in Augenschein, und laß
niemals zu, daß sie bestimmen, wer du im Innern bist“ (Riemann
1996, S. 51; Hervorhebung: E. K.). Diese Weisheit stammt von Yogananda
Paramahansa, im Rahmen einer Interpretation der Rubaijat des Omar Chajjam
(1048-1131). Sie beschreibt zum einen die Gegensätze im Leben, sie
sind natürliche Prinzipien und gehören insofern zum Leben dazu.
Auch das Gegensatzpaar Anspannung und Entspannung stellt wie schon erwähnt
ein natürliches Lebensprinzip dar. Der ausgewogene Wechsel zwischen
Anspannung und Entspannung ist sogar lebenswichtig, er trägt zur
Gesunderhaltung einer Person bei.
Zum anderen spricht diese Spruchweisheit meiner Meinung nach die Fähigkeit
der Selbstbeobachtung und Selbstreflexion einer Person an. Das Leben besteht
nun mal aus Höhen und Tiefen, viele unterschiedliche Anforderungen
gilt es im Lebenslauf zu bewältigen. Dabei scheint es von großer
Bedeutung zu sein, diesen Herausforderungen mit der nötigen Gelassenheit
zu begegnen, sie eben leidenschaftslos, als der stille Beobachter (sakshin
) zu betrachten.
Selbstwahrnehmung, sei es bezogen auf körperliche, seelische oder
geistige Vorgänge, spielt eine zentrale Rolle in den vorgestellten
Entspannungsverfahren. Verbunden mit einer Reflexion dessen, was wahrgenommen
wurde, kann es meiner Meinung nach früher oder später zu einer
Änderung im Verhalten einer Person kommen. Sie wird also in die Lage
versetzt, aus ihren Beobachtungen zu lernen, sich damit weiter zu entwickeln
und folglich auch Stress besser zu bewältigen.
Entspannung auf den drei Ebenen (körperlich, seelisch, geistig) führt
dazu, keine Wünsche mehr zu haben, nichts mehr zu begehren und damit
weniger zu leiden, eine Person ist sozusagen „wunschlos glücklich“
und damit natürlich weniger gestresst. Demnach findet die Person
das Glück in sich. „Außerhalb unserer selbst nach Glück
zu trachten, das ist so, als wollte man eine Wolke mit dem Lasso fangen.
Glück ist keine Sache: Es ist ein Gemütszustand. Man muß
es leben“ (Riemann 1996, S. 19). Eine Person soll niemals zulassen,
dass die Wirbel des Lebens sie aus ihrer Mitte herausreißen, dass
sie bestimmen, wer sie im Innersten ist. Denn „indem ein Mensch
duldet, daß er sich zu seiner leiblichen, seelischen und geistigen
Erhaltung immer von Umständen außerhalb seiner selbst abhängig
macht, und dabei niemals den Blick nach innen wendet, hin zu seinem eigenen
Kraftquell, erschöpft er nach und nach seine Vorräte an Energie“
(ebd., S. 81).
Aus diesem Grund plädiere ich mit den Worten von Vaitl; Peterman
(20022) für eine „Kultur der Entspannung“, die alle Lebensbereiche
umfasst, also ihren „Sitz im Leben“ hat (S. 21). An dieser
Stelle sei erwähnt, dass der gegenwärtige Wellnesstrend (s.2.3),
diesem Anliegen entgegenkommt. Die Idee dabei das Angenehme mit dem Nützlichen
zu verbinden, lässt sich meiner Meinung nach auch auf den Bereich
der Entspannungsverfahren übertragen. Entspannung betrachte ich als
Mittel zum Zweck, als Methode, um Stress besser bewältigen zu können
und sich damit gesund zu erhalten, aber auch um gleichzeitig dauerhaftes
Glück und Wohlbefinden zu erlangen.
Auf einen weiteren, meiner Meinung nach aufschlussreichen Aspekt, in Zusammenhang
mit dem Thema Entspannung, auf den ich bei der Anfertigung der vorliegenden
Arbeit gestoßen bin, gehe ich im folgenden ein. Im Zuge der Literaturrecherche
, habe ich zu meinem großen Interesse festgestellt, dass die Mehrzahl
der Literatur, die ich unter dem Stichwort Entspannung gefunden habe,
das Thema Entspannungspolitik behandelt. Selbst die Herausgeber des „Brockhaus
in einem Band“ (20029) haben sich dafür entschieden, Entspannung
ausschließlich als „internat. Bemühungen, durch Maßnahmen
der Abrüstung sowie Vereinbarungen Konflikte zu entschärfen
oder zu vermeiden“ (Brockhaus, S. 242) zu definieren. Im Bereich
der Politik, speziell der Konfliktlösung, das gleiche Wort zu wählen
wie im Bereich der dargestellten Aspekte der Entspannung, scheint mir
naheliegend. Das was sich auf der Mikroebene, (das Individuum als System
betreffend) abspielt, gilt genauso für die Makroebene (die Gesellschaft
und deren politische Regelungen betreffend).
Dass diese Verbindung zwischen Individuum und Gesellschaft hinsichtlich
der beiden Wortbedeutungen der Entspannung im idealen Fall zusammentrifft,
und dann von großem Nutzen für die Menschheit ist, verdeutlicht
folgendes Beispiel.
Mohandas Karamchand Gandhi (1869-1948), der Führer der indischen
Unabhängigkeitsbewegung, setzte sich für die Gleichberechtigung
seiner Landsleute in Südafrika, für die Unabhängigkeit
Indiens und für die Beseitigung der Gegensätze zwischen Muslimen
und Hindus ein. Sein hohes Ansehen und seine Erfolge gründeten sich
auf die Methode der Gewaltlosigkeit. Gleichzeitig ist Gandhi für
seine „yogische Lebensweise“ bekannt. Er ging den Weg des
Karma- und des Bhakti-Yoga (s.5.3.2) „mit dem Ziel an der eigenen
Vollkommenheit zu arbeiten“ (Berufsverband Deutscher Yogalehrer
20003, S. 57). Auf diesem Weg integrierte er verschiedene Yogarichtungen.
Er lebte beispielsweise ein sittlich orientiertes Leben, in dem die yamas
und nyamas (s.5.3.1) eine bedeutende Stellung innehatten. Ferner übte
er das tantrisch beeinflusste Hatha-Yoga aus, da ihm die Gesundheit seines
Körpers viel bedeutete (vgl. ebd., S. 57). Insofern gelang es Gandhi
meiner Meinung nach, die aus dieser Lebensweise folgende eigene Entspanntheit
auf körperlicher, seelischer und geistiger Ebene in ein gesellschaftlich-politisch
wirkendes Leben einzubinden.
Im Rahmen eines umfassenden Stressmanagements sehe ich Entspannungsverfahren
als eine bedeutende Bewältigungsmaßnahme von Stress an. Ich
komme zu dem Schluss, dass Entspannungsverfahren, wie beispielsweise die
in dieser Arbeit Vorgestellten (Progressive Muskelentspannung, Autogenes
Training und Yoga), notwendige Elemente im Prozess des lebenslangen Lernens
darstellen. Sie tragen wesentlich dazu bei, eine umfassende Bildung der
Person anzuregen. Entspannungsverfahren zeigen ihre Wirkungen durch das
Wechselspiel zwischen Körper, Geist, Seele auf den Menschen als System,
selbst wenn sie zunächst auf der Ebene des Körpers ansetzen.
Dies gleicht der Forderung von Johann Heinrich Pestalozzi (1746-1827)
im Jahre 1802 nach einer „Elementarbildung [seines] Geschlechts“
(Rutt 1961, S. 211; Anpassung: E. K.). Er unterteilt sie in intellektuelle,
sittliche und physische Elementarbildung und meint damit die harmonische
Ausbildung von „Kopf, Herz und Hand“, (Keller; Novak 19932,
S. 281), also eine ganzheitliche Menschenbildung. Insofern haben Entspannungsverfahren
einen berechtigten Platz in der Pädagogik. Sowohl in erziehungswissenschaftlichen
Theorien als auch in der pädagogischen Praxis ist es daher in meinen
Augen erstrebenswert, den Einzug von Entspannungsmethoden zu fördern.
Es ist wünschenswert, dass auf diesem Gebiet gerade in einem pädagogischen
Zusammenhang geforscht, gelehrt, aber auch praktisch gearbeitet wird.
Etablierten sich Entspannungsverfahren in der Pädagogik, wäre
es gewiss möglich, in einem Erziehungs- und Bildungsprozess Personen
ein Werkzeug in die Hand zu geben, mit dem sie auf ihrem Lebensweg ausgerüstet
sind. Damit sie sich selbst helfen können, den Anforderungen einer
Risikogesellschaft , in einem Zeitalter der Globalisierung, Technisierung,
Individualisierung, des schnellen Wandels entspannt und gelassen zu begegnen
und somit glücklich zu sein.
Denn nach Wilhelm von Humboldt (1767-1835) ist „Glücklich sein,
das innerliche Sich-glücklich-Fühlen [...] eine Gabe des Schicksals.
Sie kommt nicht von außen. Man muß sie sich, wenn sie dauernd
sein soll, immer selbst erkämpfen. Zum Glück kann man es. Es
kommt nur auf die Kraft des Entschlusses und einige Gewöhnung zur
Selbstüberwindung an’“ (zitiert nach Schmidt 19906, S.
9; Auslassung: E. K.).
In diesem Sinne hoffe ich, dass sich immer mehr Personen dazu entschließen,
ein Entspannungsverfahren zu erlernen, um so zu dem natürlichen Lebensprinzip
des Wechsels von An- und Entspannungsphasen zurückzukommen und in
der Ruhe die Kraft zu finden.
46.) Rubaijat: „Vierzeiler [...] des persischen Mathematikers,
Physikers, Astronomen, Philosophen und Dichters Omar Chajjam“
(vgl. Riemann 1996, S. 5; Auslassung: E. K.).
47.)sakshin (sanskrit): wörtl.: der Zuschauer; die Vedanta-Lehre
spricht vom „Sakshin-Chaitanya, dem unbeteiligten Zuschauer-Bewusstsein.
Je mehr ein Mensch sich, meist durch spirituelle Übung (Sadhana),
von der Identifikation mit seinem Körper, seinen Gedanken und Gefühlen
löst, desto klarer verwirklicht er das grundlegende Zuschauer-Bewußtsein
(oft auch „Zeugen“-Bewusstsein genannt), das alles, was
dem Individuum widerfährt (Freude ebenso wie Leid, Glück ebenso
wie Trauer) zwar wahrnimmt, es jedoch als Spiel der Maya (Täuschung,
Illusion, Schein) durchschaut und davon nicht berührt oder gar
verblendet wird. Das Zuschauer-Bewusstsein bleibt von diesen Vorgängen
genauso unbefleckt wie die weiße Leinwand durch den Film, der
auf sie projiziert wird“ (Fischer-Schreiber et al. 19942, S. 314).
48.) Literaturrecherche: Hauptsächlich im webOPAC der Universitätsbibliothek
Augsburg und im WWW-OPAC des Bayerischen Bibliotheksverbunds (BVB).
49.) Mohandas Karamchand: genannt Mahatma (große Seele).
50.) Risikogesellschaft: der Sozialwissenschaftler U. Beck prägte
Ende der 1980er diesen Begriff. Demnach leben wir „in der fortgeschrittenen
technischen Zivilisation der Spätmoderne in einer Epoche verschärfter
Krisen und Gefährdungen“ (Weber 19958, S. 126).
51.) Wilhelm von Humboldt: Vertreter des Neuhumanismus, Bildungstheoretiker
und –reformator. Das Humboldt’sche 51.) Bildungsideal gilt
für das gesamte Schulwesen. Kennzeichnend ist beispielsweise der
Begriff des Individualismus, mit dem Programm „Bilde Dich selbst“
(Keller; Novak 19942, S. 186).
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