Yoga Vidya Journal Nr. 11, Sommer 2004
Innere und äußere Reinheit
Die sanfte Kunst, transzendental zu meditieren
von Rupendra Michael Dreyer,
Einst fragte ein Schüler seinen Lehrer, wie er denn meditieren
solle. Der Lehrer überlegte einen Augenblick und antwortete schließlich:“
Wenn du einen Gedanken zu Ende gedacht hast und der nächste noch
nicht begonnen hat, gibt es da nicht eine ganz kleine Lücke?“
„Ja“, erwiderte der Schüler.“ Dann geh und
verlängere sie“, entgegnete sein Lehrer.
Da diese Lücke zu jeder Zeit erfahrbar ist, ist sie allgegenwärtig.
Das was allgegenwärtig ist, besitzt einen Ewigkeitscharakter,
ist transzendental. Die Natur dieser Lücke wird in der Mandukya
Upanishad, benannt nach dem Rishi Mandukya, als „Turiya“,
der Vierte oder der transzendentale Zustand des Bewusstseins verherrlicht.
Als ein Aspekt vedischer Literatur richten die Upanishaden den Blick
auf die letzte Wirklichkeit des Lebens, sie präsentieren die
transzendentale Qualität des Bewusstseins. Upa – ni –
shad bedeutet „sich setzen, nahe bei“. Alles befindet
sich nahe beim Selbst. Der Verwirklichte erkennt die gesamte Welt
als ein Ausdruck dieser allem zugrunde liegenden transzendentalen
Wirklichkeit.
„Ohne Teil der Vierte,
Mit nichts zu vergleichen
In dem es keine Vielfalt gibt
Freude, Nicht-Zweiheit.........
Wer solches erkennt
geht durch das Selbst ein in das Selbst“.
(Mandukya Upanishad, 12)
In der berühmten Gaudapada Karika beschreibt Gaudapada, der Lehrer
von Shankaras Lehrer, Turiya als reines Bewusstsein, das sich als
die drei relativen Bewusstseinszustände Wachen, Träumen
und Schlafen manifestiert und als die Essenz der phänomenalen
Welt. „Es ist Frieden, Wonne und nicht-dual. Dies ist als der
Vierte bekannt. Dies ist Atma, das es gilt zu verwirklichen“.
Laut Shankara enthalten die Upanishad und Gaudapadas Kommentar, die
Zusammenfassung des Inhalts und der Bedeutung des Vedanta.
Nun kennt fast jeder, der sich mit Meditation beschäftigt, dass
der Öffnung gegenüber dem Atma, dem Selbst, oftmals Wort-,
Bild- oder Empfindungsaktivitäten des Geistes entgegen zu wirken
scheinen. Der Meditierende bleibt letztendlich im subtilen Bereich
der Dualität der Wechselwirkung stecken und das Eintauchen in
die Einheit transzendentalen Bewusstseins bleibt verwehrt. Turiya
verweigert sich der Logik, dem Verstand, der Kontrolle. Der Aktivität
des Denkens, ist nicht mit dem Denken bei zu kommen. Der Philosoph
Erich Bloch sagte einmal: “ Denken heißt überschreiten“.
Die sanfte Kunst, die Aktivität des eigenen Geistes und Empfindens
während des Meditationsvorganges zu transzendieren, die Lücke
zwischen den Gedanken oder den Denker hinter dem Denkprozess zu erschließen
und damit die Grenzen der Konzepte, Gewohnheiten und Konditionierungen,
Grenzen von Zweifel, Furcht, Vorurteilen, Sozialisation und kollektiven
Aberglauben zu überschreiten, verlangt ein unschuldiges Öffnen
und spontanes, bewusstes Fließen der Aufmerksamkeit in Richtung
Atma. Wenn sich alle Wogen des Geistes und Gemüts (Meister Eckehard
nennt es „das ledige Gemüt“) geglättet haben,
spiegelt sich auf der kristallklaren Oberfläche das universelle,
göttliche Sein.
Jene wunderschöne Rezitation, die zum Anlass der Mantra Diksha,
der feierlichen Vergabe eines Mantras und die Technik, wie wir es
sanft im Geiste gebrauchen, betont ebenfalls die Öffnung des
Bewusstseins.
Diese Technik hat den Effekt, dass dabei die geistige und körperliche
Aktivität zur Ruhe kommen, während der Geist bei vollem
Bewusstsein bleibt. Dieses Nach-Hause-Zurück-Kommen gleicht einer
Oase des Friedens ruhevoller Wachheit. Die Erfahrung von Wonne, innerem
Frieden und spiritueller Essenz bringt man dann aus der Meditationssitzung
mit in die täglichen Aktivitäten.
Transzendental bedeutet, diese Meditation trägt uns jenseits
der Grenzen des eigenen Denkens und Empfindens.
Apavitrah Pavitro Va Sarva Vastan Gatopi Va
Yah Smaret Pundari Kaksham Sa Bahya Bhyantarah Shuchih
(http://www.rudraksha-ratna.com/yantra.htm)
Ob ein Mensch nun rein oder unrein ist (ist egal), ob er sich in einer
reiner oder unreinen Situation befindet (ist egal), wer immer sich
der unendlichen Ebene unbegrenzten Bewusstseins öffnet (Anmerk.:
an der Quelle der Gedanken), erlangt innere und äußere
Reinheit.
Die Wiederentdeckung, wer wir eigentlich wirklich sind, öffnet
eine Tür zu einer unendlichen Welt gekennzeichnet von besserer
Gesundheit, liebevolleren Beziehungen, Erfolg und Kreativität,
Glück und Erfüllung im Leben und Frieden zwischen den Völkern
und Nationen.
Transzendental zu meditieren ist ein neuer Name für eine Methode,
deren Jahrtausende altes Prinzip schon in den alten Yogaschriften
und verwandten Disziplinen erwähnt wird (dhyana). Die altindische
Ayurveda Medizin (svastha), die seit ca. 15 Jahren im Westen eine
Renaissance erfährt, ist heute – ebenso wie Yoga –
in der wissenschaftlichen Welt klar, spannend und genau dokumentiert
und erforscht, mit deutlichen und überprüfbaren Resultaten.
Auf der internationalen Website der medizinischen Datensammlung „PubMed“
findet man über 200 internationale Forschungsprojekte zum Stichwort
„Transzendentale Meditation“ (ebenso wie Yoga), die in
verschiedenen Zusammenhängen die messbaren Auswirkungen auf Bluthochdruck,
Stressmanagement, Stoffwechsel, EEG, Allergien, soziales Verhalten,
Depressionen und anderes zeigen. Insgesamt gibt es weltweit mehr als
500 wissenschaftliche Untersuchungen, die von unabhängigen Forschern
internationaler Journale wie Scientific American nachgeprüft
und dann veröffentlicht wurden. Unter dem Stichwort Yoga erhält
man ebenfalls ca. 500 Forschungsarbeiten.
Alle Systeme der Psychologie, Philosophie und Religion haben ein bestimmtes
Menschenbild als Grundlage. Darin enthalten sind Beschreibungen wer
wir sind, wie wir sind, woher wir kommen und wohin wir gehen.
Das nicht-duale Menschenbild der östlichen Psychologie stellt
ein sehr umfassendes Konzept dar, das alle Aspekte des Menschen umfasst,
die als miteinander verbundene Facetten einer zugrunde liegenden Wirklichkeit
von Mensch und Kosmos betrachtet wird. In der Taitiriya Upanishad, III.I.1.
bittet Bhrigu seinen Vater Varuna, ihm die Ganzheit des Lebens zu enthüllen.
“Adhihi bhagavah brahma“ – Bitte lehre mich Brahman.
Dabei führt ihn Varuna durch die 5 Koshas, die Hüllen des
grobstofflichen, feinstofflichen und Kausal-Körpers (Sharira),
alle ein Ausdruck von Sat-Chid-Ananda, reines Glückseligkeitsbewusstsein:
Annamayakosha (Sthula Sharira), Materie
Pranamayakosha (Sukshma Sharira), Energie, Prana, Nadis, Chakras, Karma
Indriyas
Manomayakosha (Sukshma Sharira), Geist und Empfindungen
Vijnanamayakosha (Sukshma Sharira), Unterscheidungsfähigkeit
Anandamayakosha (Karana Sharira), Wonne
Das harmonische Schwingen der Koshas und Reinigung der verschiedenen
Ebenen obliegt den unterschiedlichen Methoden wie Yoga Asanas, Pranayama,
Rezitation von Mantras, Bhajans etc. Eine Ausnahme macht dabei die Anandamayakosha,
sie bleibt der Logik, der Kontrolle des Geistes, jeglicher Absicht verschlossen.
Nur ein vollständiges, bewusstes Zur-Ruhe-Kommen der geistigen
Aktivität, so wie Patanjali es in seinen Yoga Sutras postuliert,
dem Transzendieren aller Objektbezogenheit bis zum Punkt eines vollkommenen
Selbstrückbezuges, das keine Dualität, sondern Einheit darstellt,
ermöglicht den Zugang zum Kausalkörper (Karana Sharira), wo
unser Karma und das Lager für die tiefsten Muster und Informationen
über uns, die unser Verhalten in den anderen Shariras bestimmen,
angesiedelt sind.
Der vedische Gelehrte und Meditationsmeister Maharishi Mahesh Yogi prägte
einmal den Spruch: “Eine gute Meditation löst die bitteren
Leiden vieler langer Leben“.
Dazu ist es nötig in der Meditationssitzung auch die feinste Hülle,
Anandamayakosha zu transzendieren, sodass die Samen des Karmas im Feuer
des reinen Bewusstseins geröstet werden können. Anandamayakosha
ist sehr leicht zu identifizieren, weil es von Wonne, Glück jenseits
von Kausalität durchdrungen ist.
Die Frage, ob diese Praxis nun allein oder in der Gemeinschaft mehr
Kraft entwickelt, beschäftigte schon die Rishis Vishvamitra und
Vasishta, den Lehrer von Rama. Vasishtha vertrat die Meinung, die Kraft
sei größer durch die Gemeinschaft. Vishvamitra war anderer
Meinung. So trugen sie ihre Frage Brahma vor, der sie zu Mahasesha schickte,
der großen Schlange, die nach alter Auffassung diese Erdkugel
auf ihrem Haupt trägt.
Mahasesha sagte. “Ich habe diese schwere Bürde der Erde auf
meinem Haupt. Wenn ihr sie mir für einen Augenblick abnehmt, bin
ich frei und kann euch die Antwort geben“. Vishvamitra schlug
vor, dass er die Kraft, die er durch seine Einzel-Meditationen erlangt
hatte, anwenden wolle, um die Erde hochzuheben. Er tat es auch, aber
die Erde war dadurch nicht zu bewegen. Dann trat Vasishta hervor, wandte
die Kraft an, die er erlangt hatte, durch nur eine Minute in der Gemeinschaft
der Erleuchteten und hob die Erde hoch. Da sagte Mahasesha: “Eure
Frage ist damit beantwortet worden.“
Da wir fast täglich erleben, dass Verhandlungen, Verträge,
Embargos, Drohungen bis zu konkreten Kriegshandlungen nicht in der Lage
sind, dauerhaften Frieden zu schaffen und keine Nation angesichts weltweiten
Terrorismus wirklich in der Lage ist, sich zu schützen, bedarf
es einer neuen Saat für eine neue Ernte, einen völlig neuer
Ansatz, Frieden zu schaffen – nur mit friedlichen Mitteln. Frieden
ist eben nicht logisch, sonst bräuchte man nur darüber reden.
Die moderne Quantenphysik erklärt, dass in der Natur auf der allerfeinsten
Ebene, noch tiefer als die Ebene des elektromagnetischen Feldes (das
wir für den Handygebrauch wie selbstverständlich nutzen),
auf der Ebene des einheitlichen Feldes aller Naturgesetze, eine Ebene
dauerhaften Friedens bereits existiert in Form einer Supersymmetrie,
vollkommener Geordnetheit. Wir müssen sie nur nutzen und in unserem
Leben zum Ausdruck bringen mit Hilfe von Meditation. Solange das Bewusstsein
des Menschen die Größe eines Golfballs besitzt, entspricht
das, was nach dem Lesen eines Buches behalten wird, nur der Größe
eines Golfballs. Der Blick aus dem Fenster, hinterlässt eine Wahrnehmung,
die auch nur golfballgroß ist. Mit dem Frieden verhält es
sich nicht anders.
Schon in alten Yogaschriften (Yoga Sutras) wurde der Ansatz, Frieden
zu schaffen, bereits erwähnt. „In der Gegenwart des Yogi,
der in der Gewaltlosigkeit des Seins gegründet ist, verschwindet
alle Feindseligkeit unter den Lebewesen.“
Warum nicht einen Tempel des Friedens in jeder Großstadt einrichten
für gemeinsame Meditationen, für innere und äußere
Reinheit?
OM SHANTI SHANTI SHANTI
Der Autor, Rupendra Michael Dreyer, ist Hatha-Yoga Lehrer (BYV),Trainer
und Coach für Transzendentale Meditation und Business Yoga.
(Anschrift: Georg-Gröning-Str. 135, 28209 Bremen, Tel. 0421 3467117,
www.kraft-der-stille.de)
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