Erweiterte Formen des Pazifismus

Viele Menschen kennen das einfache spirituelle Gesetz, daß Böses nur durch Gutes überwunden werden kann. Pazifisten kennen es nicht nur, sie versuchen auch, es zu leben. In ihrem Versuch, es zu leben, verweigern sie die Anwendung und Billigung von physischer Gewalt. Wenn ein Mensch gegen den Krieg ist, aber in seinem persönlichen Leben physische Gewalt anwendet, dann würde ich ihn Kriegsgegner nennen, aber nicht Pazifist. Wenn ein Mensch gewaltlose Methoden nur deshalb anwendet, weil er sie für die wirkungsvollsten Methoden hält, würde ich das gewaltlosen Widerstand nennen, aber nicht Pazifismus. Pazifisten gehen den gewaltlosen Weg, weil sie glauben, daß es der richtige Weg ist, und unter keinen Umständen würden sie einen anderen Weg gehen oder billigen.
Die tierische Natur denkt in Kategorien der „Dschungelgesetze von Töten und getötet werden“, um jeden Widerstand auszumerzen. Aber dieses Gesetz löst keine Probleme der Menschen; es kann die Lösung nur hinausschieben und wird die Dinge letztlich verschlimmern.

Einige Nationen anerkennen sogar während sie die Dschungelgesetze in ihren Beziehungen mit anderen Nationen anwenden, also im Kriegszustand, daß Pazifisten sich nicht so verhalten können und befreien sie vom Militärdienst. Statt dessen leisten diese Menschen entweder Zivildienst oder gehen ins Gefängnis. Man nennt sie oft Verweigerer aus Gewissensgründen. Natürlich gibt es sehr wenig Kriegsdienstverweigerer, weil nur sehr wenige in diesem Alter genügend innere Wachheit erreicht haben.
Wenn ich über Ausweitungen des Pazifismus spreche, so weiß ich, daß ich nur zu Mit-Pazifisten spreche, einer sehr kleinen Gruppe in jeder modernen Gesellschaft. Mit dieser kleinen Gruppe, einer Gruppe, die ich sehr bewundere und achte, möchte ich gerne drei erweiterte Formen besprechen, die ich für mich entwickelt habe. Ich habe meinen Pazifismus soweit geführt, daß ich nicht nur den Verzicht auf physische Gewalt, sondern auch den Verzicht auf psychologische Gewalt mit einbeziehe. Deshalb ärgere ich mich auch über nichts mehr. Ich spreche keine ärgerlichen Worte und denke keine ärgerlichen Gedanken! Wenn mir jemand etwas Böses zufügt, so empfinde ich nur Mitleid anstelle von Ärger. Sogar jene, die Leiden verursachen, betrachte ich mit tiefem Mitleid, in dem Wissen um all das Leid, das sie dadurch auf sich häufen. Wenn mich jemand hassen würde, so würde ich ihn dafür lieben, in dem Bewußtsein, daß Haß nur durch Liebe überwunden wird, und daß es Gutes in jedem Menschen gibt, das durch liebende Zuwendung erreicht werden kann. Wenn jemand den gewaltlosen Weg ohne Liebe geht, dann wird er es schwer haben. Wenn du Menschen zwingst, es dir gleich zu tun, ohne ihnen zu helfen, sich zu ändern, dann ist das Problem nicht wirklich gelöst. Wenn du dich erinnerst, daß wir in Wirklichkeit alle eins sind, so verstärkt das vielleicht deinen Wunsch zu transformieren, statt zu unterwerfen; und deinen Pazifismus so zu vertiefen, daß du nicht nur auf physische, sondern auch auf psychische Gewalt verzichtest.

Meiner Meinung nach sollte ziviler Ungehorsam nur als letzter Ausweg gelten. Im allgemeinen kann ein Mensch in Freiheit viel mehr erreichen als hinter Gittern. Ebenso wenig unterstütze ich erpresserische Aktionen, die psychische Gewalt als Mittel der Problemlösung rechtfertigen. Was wir einem einzelnen Menschen zufügen, berührt uns alle.
Ich bin in meinem Pazifismus soweit gegangen, daß ich nicht nur die Teilnahme am Krieg, sondern auch die Mitfinanzierung eines Krieges verweigere. Deshalb zahle ich, zumindest wissentlich, keine Steuern mehr. Seit mehr als dreiundvierzig Jahren lebe ich unterhalb der Einkommensteuergrenze. Dabei muß ich natürlich zugeben, daß es dafür noch einen zweiten Grund gibt: Ich kann nicht mehr annehmen als ich brauche, während andere in der Welt weniger haben als sie brauchen. Natürlich habe ich auch nie Alkohol- oder Tabaksteuern gezahlt, weil ich beides nie gebraucht habe, aber ich zahle auch keine Luxussteuern, da ich keine Luxusgüter verwende, und ich zahle keine Vergnügungssteuern, weil ich nicht zur Kundschaft von Vergnügungen gehöre.
Die Regierung mag zwar auch Dinge unterstützen, die wir billigen, aber unglücklicherweise ist es zur Zeit nicht möglich, nur dafür und nicht für Kriegsvorbereitungen zu zahlen. Ein Pazifist würde mit nein antworten, wenn die Regierung ihm das Angebot machen würde: „Wenn Sie die Hälfte Ihrer Zeit für Kriegsvorbereitungen arbeiten, dann können sie die andere Hälfte mit Arbeit für das Gute verbringen.“ Es gibt aber Pazifisten, die darauf mit ja antworten, wenn es eine Frage des Geldes, nicht der Zeit ist. Es ist mir klar, daß die Menschen dazu neigen, in der einen oder anderen Weise inkonsequent zu sein, da ich aber meine, ich muß so konsequent sein wie ich nur kann, bin ich in meinem Pazifismus soweit gegangen, daß ich nicht nur die Teilnahme am Krieg, sondern auch die Mitfinanzierung eines Krieges verweigere.

Ich bin in meinem Pazifismus soweit gegangen, daß ich sowohl das Verletzen von Menschen als auch das Verletzen von Tieren ablehne. Deshalb habe ich seit Jahren kein Fleisch mehr gegessen, kein Fleisch, kein Geflügel, keinen Fisch. Ich verwende auch keine Pelze oder Federn, Leder oder Knochen. Ich weiß, daß einige Menschen nur aus Gesundheitsgründen Vegetarier sind und deshalb nicht unbedingt den Krieg ablehnen. Einigen Menschen mag es schwerfallen, kein Fleisch zu essen, mir nicht. Ich habe nach Fleisch von Tieren nicht mehr Verlangen, als es der normale Mensch nach Fleisch von Menschen hat. Ich glaube, die meisten Pazifisten – ja, die meisten modernen Menschen – würden kein Fleisch essen, wenn sie die Tiere selbst töten müßten. Ich glaube, wenn du ein Schlachthaus besichtigen müßtest, so würde dich das ermutigen, in deinem Pazifismus so weit zu gehen, das Verletzen von Tieren ebenso wie das Verletzen von Menschen abzulehnen.

Es findet heute ein Erwachen statt, das sehr wohl in eine neue Blütezeit münden kann. Vielleicht zwingt uns der Überlebenswille in diese Richtung ... vielleicht ist es die Erkenntnis, daß etwas getan werden muß, um aus der gegenwärtigen Misere herauszukommen, die uns antreibt. Gruppen, die traditionell Gewalt angewandt haben, sprechen heute über gewaltlosen Widerstand. Menschen, die früher begeistert an kriegerischen Aktivitäten teilgenommen haben, wandeln sich zu Kriegsgegnern. Immer mehr Menschen werden Pazifisten. Deshalb erwarte ich von Pazifisten, daß auch sie voranschreiten und ihren Pazifismus immer weiter ausdehnen.
Die folgenden Zitate fanden wir unter den wenigen Notizen, die Peace Pilgrim in den Taschen ihrer Tunika trug:
General Omar Bradley: „So wie Kriege sicherlich provoziert werden können, so können sie auch verhindert werden, und wir, die wir dabei versagen, sie zu verhindern, tragen Mitschuld an den Toten.“

General Douglas MacArthur: „Ich habe den Krieg kennengelernt, wie ihn wenige heute lebende Menschen kennen. Gerade seine große zerstörerische Gewalt für Freund wie Feind hat ihn als Mittel zur Schlichtung internationaler Streitigkeiten nutzlos gemacht.“
Papst Johannes XXIII: „Wenn Verwaltungsbehörden etwas, das im Widerspruch zum Willen Gottes steht, gesetzlich vorschreiben oder erlauben, so sind weder die geschaffenen Gesetze noch die übertragene Vollmacht für das Gewissen der Bürger bindend, denn Gott hat mehr Anspruch auf Gehorsam als die Menschen.“
Dwight D. Eisenhower: „Jedes Gewehr, das hergestellt wird, jedes Kriegsschiff das vom Stapel gelassen wird, jede Rakete, die abgefeuert wird, bedeutet letztlich einen Diebstahl von den Hungrigen, die nichts zu essen haben, von den Frierenden, die nichts anzuziehen haben.“ Als „Zeuge des Grauens und des lange andauernden Kriegsleids – als einer, der weiß, daß ein weiterer Krieg diese Zivilisation gänzlich auslöschen könnte“, warnte er vor dem militärisch-industriellen Komplex.

John F Kennedy: „Die Menschheit muß dem Krieg ein Ende setzen, sonst wird der Krieg der Menschheit ein Ende setzen ... Kriege wird es bis zu jenem fernen Tag geben, an dem der Kriegsdienstverweigerer dasselbe Ansehen genießt, wie der Kriegsdienende heute.“ Lyndon B. Johnson: „Gewehre und Bomben, Raketen und Kriegsschiffe sind alles Symbole des menschlichen Versagens.“
Papst Johannes Paul II: „Angesichts des vom Menschen geschaffenen Elends, das jeder Krieg darstellt, muß man sich immer wieder versichern, daß Kriege nicht unvermeidbar oder unabänderlich sind. Die Menschheit ist nicht zur Selbstzerstörung bestimmt. Zusammenstöße von verschiedenen Ideologien, Bestrebungen und Bedürfnissen können und müssen durch andere Mittel als durch Krieg und Gewalt geregelt und gelöst werden.“

Hermann Göring, während des Nürnberger Prozesses: „Nun, natürlich wollen die Menschen keinen Krieg. Warum sollte ein armer Teufel von einem Bauern sein Leben in einem Krieg aufs Spiel setzen wollen, wenn das Beste, was ihm passieren kann, ist, daß er unversehrt auf seinen Bauernhof zurückkehrt. Natürlich will das einfache Volk keinen Krieg: weder in Rußland, noch in England, noch in Deutschland, was das betrifft. Das ist klar. Aber schließlich wird die Politik von den Führern eines Landes bestimmt, und es ist immer ein leichtes, die Leute mitzureißen, ob in einer Demokratie, ob in einer faschistischen Diktatur, ob in einem Parlament oder in einer kommunistischen Diktatur. Ob Stimmrecht oder nicht, der Führer kann sich die Menschen immer gefügig machen. Das ist leicht. Man muß ihnen nur vormachen, sie seien angegriffen, und die Pazifisten anklagen, daß sie keinen Patriotismus hätten und das Land einer Gefahr aussetzten. Das funktioniert gleichermaßen in jedem Land.“
Ich habe noch nie jemanden getroffen, der einen Bunker gebaut hat und sich dadurch geschützt gefühlt hätte. Ich habe nie einen modernen Militär getroffen, der nicht erkannt hätte, daß militärischer Sieg im Atomzeitalter eine veraltete Vorstellung ist, und die meisten Zivilisten wissen das ebenso.
Die Einsicht verlangt, daß wir aufhören mit den Vorbereitungen für einen Krieg, der die ganze Menschheit zerstören würde, und anfangen, die Samen des Krieges auszurotten.