Der Weg des Gebetes

Jeden Tag kannst du dir Gottes Licht vor Augen führen und es jemandem schicken, der Hilfe benötigt. Deine göttliche Natur muß sich ausrichten und die göttliche Natur der anderen berühren. In dir ist das Licht der Welt, du mußt es der Welt weitergeben.
Stelle dir ein goldenes Licht in dir vor und sende seine Strahlen aus. Zuerst an jene, die um dich sind – dein Freundeskreis und deine Verwandten – und dann allmählich an die ganze Welt. Stell dir immer vor, daß Gottes goldenes Licht unsere Erde umgibt. Wenn du ein Problem hast, so bringe die Angelegenheit im Gebet vor Gott, und stelle es dir in Gottes Händen vor. Dann lasse es los, in dem Wissen, daß es in den bestmöglichen Händen ist, und wende deine Aufmerksamkeit anderen Dingen zu.
Das ist nicht die einzige Art und Weise zu beten, aber ich habe entdeckt, daß manchen Menschen, die in sehr großen Schwierigkeiten waren, dieses Gebet der Vorstellung sehr geholfen hat. Später habe ich erfahren, daß es gewirkt hat; deshalb wende ich es gelegentlich an.

Es gibt auch das ständige Gebet der Dankbarkeit – ich bin immerzu dankbar. Die Welt ist so schön, dafür bin ich dankbar. Ich habe grenzenlose Energie, dafür bin ich dankbar. Ich bin an die Quelle der universalen Wahrheit angeschlossen, dafür bin ich dankbar. Ich habe ein ständiges Gefühl der Dankbarkeit, und das ist Gebet.
Wenn man noch lernt, so mag es sicherlich wertvoll sein, besondere Zeiten oder sogar besondere Formen für das Gebet zu wählen ... ich kann das verstehen.
Manchmal bekam ich Briefe, worin ich gebeten wurde: „Peace, könntest Du mit mir um vier Uhr nachmittags oder um neun Uhr abends beten, einer Zeit, die folgender lokaler Zeit für Dich entspricht ?“ Ich schreibe ihnen: „Ihr müßt das nicht alles für mich ausrechnen – schließt euch an, wann immer ihr wollt, und ihr betet mit mir, und ich bete mit euch, denn ich bete ohne Unterlaß.“
Beim Beten ohne Unterlaß gibt es kein Ritual, es gibt nicht einmal Worte. Es ist ein Zustand ständigen Bewußtseins der Einheit mit Gott. Es ist die aufrichtige Suche nach dem Guten, und es ist eine Konzentration auf das Gesuchte, in dem Vertrauen, daß man es auch findet. Jedes richtige Gebet hat eine Wirkung, aber wenn man sein ganzes Leben dem Gebet widmet, so vervielfacht man seine Kraft... Niemand kennt die ganze Kraft des Gebetes genau. Natürlich gibt es einen Zusammenhang zwischen Beten und Tun.

Empfängliches Beten bewirkt ein inneres Öffnen, das zu richtigem Tun führt.
Ich will eine Geschichte von der Antwort auf ein Gebet erzählen. Einmal wurde ich spät in der Nacht von einem jungen Polizisten aufgelesen, als ich auf einer einsamen Landstraße ging. Ich glaube, er wollte mich in Schutzhaft nehmen. Er sagte zu mir: „Niemand in dieser Stadt würde zu so später Stunde auf dieser Landstraße gehen.“
Ich sagte: „Sehen Sie, ich gehe ohne jegliche Angst. Deshalb ziehe ich das Schlechte nicht an. Es heißt: Das, was man fürchtet, kommt über einen. Aber ich fürchte nichts und erwarte nur Gutes.“
Er sperrte mich trotzdem ein, und ich fand mich in einer Zelle wieder. Der Fußboden war bedeckt mit alten Zeitungen, Zigarettenstummeln und allem möglichem Abfall. Die Unterkunft bestand aus einer einzigen Matratze auf dem Fußboden und vier zerlumpten Decken. Zwei Frauen versuchten zusammen auf dieser einen Matratze zu schlafen. Sie sagten mir, die Nacht vorher hätten acht Frauen in dieser Zelle unter diesen Bedingungen geschlafen. Unter den Gefangenen war im allgemeinen eine recht freundliche Atmosphäre. Sie sagten: „Du wirst zwei Decken brauchen, weil Du auf dem Fußboden schläfst.“ So nahm ich eine Zeitung und machte mir einen Platz auf dem Fußboden sauber, dann legte ich eine Decke darauf und die andere Decke über mich und schlief recht bequem. Es war nicht das erste Mal, daß ich auf einem Zementboden schlief, und auch nicht das letzte Mal. Wenn man entspannt ist, kann man überall schlafen. Als ich am Morgen aufwachte, sah ich einen Mann durch die Gitter starren. Ich fragte ihn: „Wann tritt das Gericht zusammen?“ Er antwortete: „Ich weiß nicht.“ Ich sagte: „Sind Sie denn kein Polizist?“ „Nein“, entgegnete er, „ich sehe mir nur gern die Mädchen an.“ Man machte sich in dieser Stadt einen Zeitvertreib daraus. Jeder, der vorbeikam, konnte hereinkommen und sehen, was heute geboten war: „Laßt uns die Mädchen anschauen!“

Eine der Frauen, ich schätzte sie auf etwa vierzig Jahre, war wegen Trunkenheit und ungebührlicher Aufführung festgenommen worden. Es war ihr siebtes Mal, sagte sie mir, deshalb empfand sie es als nicht so schlimm. Aber die andere war ein achtzehnjähriges Mädchen. Sie glaubte, daß wegen dieses Vorfalls ihr ganzes Leben ruiniert sei. Ich sagte: „Bei mir ist es das zweite Mal, und ich denke bestimmt nicht, daß damit mein Leben ruiniert ist!“ Ich heiterte sie richtig auf, und wir redeten darüber, was sie nach ihrer Entlassung tun würde. Sie sollte an diesem oder am nächsten Tag entlassen werden.
Dann wurden die Wachen abgelöst. Ich sah keine einzige weibliche Wache. Der neue Wachmann sah mich und sagte: „Was tun Sie denn hier? Ich habe Ihr Bild in der Zeitung gesehen. Ich habe Sie im Rundfunk gehört.“ Dann ließ man mich einfach gehen.
Aber bevor ich ging, beschaffte ich mir einen Besen von dem Mann, der hier saubermachte, und gab ihn den Mädchen, damit sie ihre Zelle ausfegen konnten. Ich besorgte ihnen auch einen Kamm; ihre Haare waren ganz verfilzt. Sie hausten schon seit einer Woche dort ohne Kamm.

Was ich eigentlich sagen wollte – das achtzehnjährige Mädchen war ein tiefreligiöser Mensch. Sie hatte verzweifelt um Hilfe gebetet. Ich glaube, daß ich in dieser Nacht als Antwort auf ihre Gebete von der Straße aufgelesen und hinter Gitter gebracht wurde.
Das wichtigste am Gebet ist das, was wir fühlen, und nicht das, was wir sagen. Wir verbringen zuviel Zeit damit, Gott zu sagen, was unserer Meinung nach getan werden müßte, und nicht genug Zeit, in der Stille abzuwarten, daß Gott uns sagt, was wir tun sollen. Außer Gottes Gesetzen, die für uns alle gleich sind, gibt es auch Gottes Führung, und die ist für jede menschliche Seele einzigartig. Wenn man nicht weiß, was Gottes Führung in seinem Leben bedeutet, so sollte man versuchen, in empfänglicher Stille zu suchen. Ich wanderte aufmerksam und still durch die schöne Natur. Wundervolle Einsichten empfing ich auf diese Weise, die ich dann in meinem Leben in die Tat umsetzte.
Vielleicht hörst du lieber schöne, erhebende Musik oder liest poetische Worte, über die du dann nachsinnst. Mich hat die Schönheit der Natur immer am meisten inspiriert, und so war das eigentlich die Zeit, in der ich alleine mit Gott war. Es dauerte nicht länger als eine Stunde, wenn überhaupt, doch es gab mir so viel.

Heutzutage erzählen mir die jungen Leute über Atemtechniken und Meditationsübungen, die in manchen Kulturen sicherlich religiöse Praktiken sind. Aber ich sage dann, schaut, was mir meine Zeit alleine mit Gott gibt: Von der Schönheit um mich kommt die Inspiration; meine Aufmerksamkeit in der Stille ist meine Meditation; und mein Wandern ist nicht nur Leibes- sondern auch Atemübung. Vier Dinge auf einmal! Mir ist es wichtig, meine Zeit sehr gut zu nützen. Man kann dann auch nicht zu ungeduldig sein, wenn man vier Dinge auf einmal erledigt.
Unverständige Leute haben manchmal sehr anstrengende Atem- oder Meditationstechniken angewendet, durch die sie innerlich gespalten und in einen unerwünschten Zustand versetzt wurden, statt zu einem spirituellen Bewußtsein aufzusteigen. (Ja, das gab es lange vor den psychedelischen Drogen!) Ich denke immer an die Blütenknospe. Wenn man sie guten Bedingungen aussetzt, so wird sie sich zu einer wunderschönen Blüte entwickeln, aber wenn man ungeduldig ist und versucht, ihre Blätter aufzureißen, so ist das für die Blume eine bleibende Verletzung in diesem irdischen Leben. Die Blume kann man mit dem irdischen menschlichen Leben vergleichen. Gib dem spirituellen Wachstum die geeigneten Wachstumsbedingungen, und es wird sich in Schönheit entfalten.

Wenn du den Drang zu spiritueller Erhebung verspürst, so geh früh zu Bett und steh früh auf, um eine ruhige Zeit in der Morgendämmerung zu haben. Dann nimm das klare heitere Gefühl, das sich bei dir einstellt, mit in den Tag hinein, was immer du auch tun wirst.
Für jene unter euch, die das spirituelle Leben suchen, schlage ich diese vier täglichen Übungen vor: Verbringe jeden Tag eine gewisse Zeit in aufmerksamer Stille. Wenn du verärgert bist, oder wenn dich irgendein negatives Gefühl plagt, dann nimm dir Zeit, mit Gott allein zusein. (Sprich nicht mit Leuten, die verärgert sind; sie sind irrational und man kann nicht mit ihnen argumentieren. Wenn einer von euch verärgert ist, so ist es am besten, allein zu sein und zu beten.) Halte dir jeden Tag Gottes Licht vor Augen, und sende es an jemanden, der Hilfe braucht. Trainiere deinen Körper, er ist der Tempel der Seele.