Am Samstag, den 14. August, hatte ich das Glück, einen Vortrag
von Swami Atma im Haus Yoga Vidya im Westerwald zu hören, der
mich sehr inspiriert hat und den ich hier mit euch teilen möchte.
Da ich für Swami Atma übersetzen durfte, habe ich sehr aufmerksam
und konzentriert gelauscht, hoffe also, das meiste sinn- und wortgetreu
für euch wiederzugeben. Vielleicht könnt ihr aus seinen
Worten genau soviel gewinnen wie ich, die ich immer wieder staune,
welche Schönheit Yoga besitzt und die es immer wieder braucht,
an ihr Bhava erinnert zu werden.
„Manchmal, wenn wir schon eine ganze Weile meditieren und unsere
Techniken kennen, tritt ein neues Gefühl in unsere Praxis ein:
LANGEWEILE. Wir wissen wie es geht: Aufrecht hinsetzen, Beine kreuzen,
Atem regulieren, Mantra wiederholen etc. Oder wir machen Asanas: Oh
nein, schon wieder Sonnengruß. Na ja, morgens schnell auf die
Matte, drei, vier Runden, Kopfstand, Schulterstand...wir kennen die
Routine. Die Übung wird mechanisch und dann kann es vorkommen,
dass wir einen Punkt erreichen, an dem wir wie auf eine Mauer stoßen,
nichts bewegt sich mehr, keine Fortschritte – Routine.
Ein Weg aus dieser Routine heraus heißt „BHAVA“
– ein Weg, der auch deiner fortgeschrittenen Praxis neue Tiefe
verleihen kann.
Bhava heißt soviel wie „Innere Haltung“, „Inneres
Gefühl“.
Im Yoga gibt es immer zwei Aspekte, einmal die äußere Handlung
und zum anderen die innere Einstellung oder Haltung.
Es heißt, beides muss da sein, aber die innere Haltung ist das
wichtigere von beidem.
Zum Beispiel Asanas: Du kannst Deine Stellungen üben, sie regelmäßig
und technisch fein ausführen, aber mit deinem Geist woanders
sein, den Tag planen, innere Dialoge mit deinem Chef führen,
einkaufen...Man kann Asanas so machen und wird sicher eine ganze Reihe
guter Wirkungen erfahren.
Wichtiger noch ist aber die innere Einstellung, mit der du die Asanas
ausführst. Allein schon konzentriert im Hier und Jetzt zu sein,
bei deinem Atem, deinem Körper, bei dir selbst, wird die Wirkung
deiner Übung um das Vielfache verstärken. Oder du kannst
dein Bhava noch weiter entwickeln, indem du dir vorstellst, wie du
jede einzelne Stellung Gott darbietest oder wie du Körper, Prana und Geist fit hältst, um ein guter Beitrag für diese Welt,
ein gutes Instrument in Gottes Händen zu sein. Du wirst sofort
spüren, dass dies deiner Praxis eine neue Dimension hinzufügt.
Bhava!
Bei der Meditation ist es ähnlich. Yoga sagt, über die Technik
hinaus ist es Bhava, das wichtig ist und unserem Bewusstsein neue
Horizonte erschließt.
Du kannst sitzen und einfach deiner Technik nachgehen, oder du bringst
gleichzeitig mit der Übung auch Bhava hinein. Wie kannst du das
tun?
Nehmen wir zum Beispiel an, du benutzt für deine Meditation das
Mantra „Om“. Du kannst einfach „Om Om Om…“
sagen und versuchen, deinen Geist zu konzentrieren. Du kannst dir
aber auch der Bedeutung des Klanges „Om“ bewusst sein.
In der Yoga Philosophie, spezifisch in Vedanta, gibt es eine höchste
göttliche Realität, ein kosmisches Bewusstsein. Dieses Bewusstsein
in uns (Atman) ist eins mit dem kosmischen Bewusstsein (Brahman),
und Ziel allen Yogas ist es, diese Einheit für uns erfahrbar
zu machen. „Om“ ist ein Symbol für die Verwirklichung
dieses Bewusstseins. Du kannst dich also, während du das „Om“
wiederholst, erinnern: „Ich bin der unsterbliche Atman. Ich
bin dieses ‚Om’, unendlich, unbegrenzt.“ Du kannst
dir z.B. auch vorstellen, wie du dich immer weiter ausdehnst, über
deinen Körper hinaus, über den Raum in dem du sitzt, über
die Stadt, das ganze Land, diesen Planeten, Galaxien, das ganze Universum.
Du entwickelst ein Gefühl für die Bedeutung von „Om“.
Bhava!
Übrigens sind die Mantras, die wir in unserer Tradition für
die Meditation verwenden, alle Moksha Mantras, das heißt allein
durch ihre Wiederholung kann der Aspirant Moksha erreichen. Nicht
alle Mantras - es gibt unendlich viele - sind Moksha Mantras.
Dazu gehören auch Saguna Mantras, Mantras „mit Eigenschaften“.
Sie enthalten einen Aspekt des Göttlichen in einer bestimmten
Form.
Um Bhava zu entwickeln, kannst du nun versuchen, dich mit dieser Form
vertraut zu machen. So kann es z.B. helfen, erst einmal ein Bild von
dieser Form zu bekommen. Meditierst du mit dem Mantra „Om Namah
Shivaya“ ist die Form Shiva. Schau dir Bilder oder Statuen an
und präge dir die Einzelheiten ein. Während du meditierst,
kannst du dieses Bild in dir lebendig machen – dreidimensional
sogar –, dich darauf konzentrieren und dir vorstellen, Lord
Shiva sitzt dir direkt gegenüber. Du kannst dir auch vorstellen,
du nimmst jedes einzelne „Om Namah Shivaya“ und opferst
es direkt an Lord Shiva. (Eine sehr schöne Technik ist es auch,
sich die jeweilige Form im eigenen Herzen vorzustellen – Anmerkung
der Verfasserin).
Eine weitere Hilfe ist es, sich mit den Eigenschaften und Attributen
von Shiva zu beschäftigen: Was für Qualitäten zeichnen
ihn aus? Hierzu kannst du Schriften zu Rate ziehen. Zu jeder Gottheit
gibt es z.B. sechs Puranas, die alle Geschichten und Mythen erzählen,
die sich um die jeweilige Gottheit ranken, und wie sie verehrt werden
sollte.
Swami Sivananda hat sehr schöne Zusammenfassungen dieser Werke
geschrieben, wie z.B. „Lord Siva and His Worship“. Auch
das hilft Bhava, dein inneres Gefühl zu deinem Mantra zu entwickeln.
Letztendlich kann Bhava in allen Yoga Praktiken angewendet werden.
Wie gesagt, wir brauchen beides, aber die innere Haltung ist noch
entscheidender für unseren Fortschritt als die äußere
Handlung.
Nehmen wir als letztes Beispiel das Karma Yoga:
Im Karma Yoga können wir auch verschiedene Bhavas entwickeln.
Wir können zum Beispiel eine Raja Yoga Einstellung in unser Karma
Yoga hinein tragen, indem wir alles, was wir tun, in gleichmütigem
Geist und unabhängig von den Ergebnissen unserer Handlung tun.
Wir können Bhakti Yoga Bhava hineintragen und all unser Tun als
Dienst, als ein „Love Offering“ sehen, denn wir sehen
Gott in allen und allem, was uns begegnet. Wir können die innere
Einstellung hervorbringen, dass nicht wir handeln, sondern Gott durch
uns – wir sind ein Instrument in den Händen Gottes oder
unseres Meisters.
Mit einer Jnana Yoga Einstellung versuchen wir das Selbst, und damit
uns selbst, in allen anderen zu erkennen.
Bhava hilft, jeder Praxis immer wieder neue Bedeutung und neue Tiefe
zu verleihen!“
Dann war es leider Zeit für Arati und Bett. More to come......hoffen
wir, lieber Swami Atma. Von Herzen Dank!
Hari Om Tat Sat
Shakti Lehner ist Diplom-Biologin, Heilpraktikerin, Ayurveda-Masseurin
und Yogalehrerin (BYV, ISYVC) mit Ausbildung in Deutschland und Indien.
Swami Atma Swaruparamananda ist ein langjähriger Schüler
von Swami Vishnu-devananda. Gebürtiger Franzose, lebt seit 15
Jahren in Amerika. Begründer und Leiter von AYA (Advaita Yoga
Ashram) in den USA.
Swami Atma Swaruparamananda leitet u.a. die „Yogalehrer Ausbildung
English“ vom 24.07. bis 21.08.2005 im Haus Yoga Vidya Bad Meinberg,
Tel. 05234/87-0.