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Yoga Artikel | Artikel von Swami Sivananda

       

Bearing Witness (Zeugnis ablegen)

Bericht über das jährlich stattfindende „Bearing Witness Retreat“ 
in Ausschwitz im November 2000
Von Swami Saradananda

Englische Originalversion
Ich bin gerade von einem „Sprung“ ins Unbekannte zurückgekommen. Das "Bearing Witness Retreat“ in Ausschwitz, organisiert von der „Peacemaker-Gemeinschaft“, war für mich eine bedeutende Erfahrung, sowohl auf persönlicher als auch auf spiritueller Ebene. Auch in praktisch-organisatorischer Hinsicht habe ich noch neue Einsichten gewonnen, obwohl ich selbst schon seit mehr als 25 Jahren Veranstaltungen für die Sivananda Vereinigung organisiert habe. 

Hintergrund

Ich begegnete Bernie Glassman, dem Begründer der Peacemaker-Community, zum ersten Mal im Sommer 1999 im Yoga-Camp (spirituelle Lebensgemeinschaft) in Val Morin. Damals war er einer der Hauptredner auf dem Friedensfestival („Into the  21.century“). Die Abschrift seiner Rede erscheint in der Winter 2000 – Ausgabe des „Yoga Life Magazine“.

In dieser Rede erwähnte Bernie das jährlich stattfindende Ausschwitz-Retreat. Aus irgendeinem Grund fühlte ich mich sofort angesprochen und ich erwähnte ihm gegenüber, daß ich sehr gern an dieser Erfahrung teilnehmen würde. Seine Reaktion darauf war sehr offen und einladend. Das Retreat ist zwar als eine interreligiöse Veranstaltung angelegt, aber bisher war noch nie ein Hindu-Repräsentant dabei - oder gar ein Yogi.  Als ich die Termine erfuhr, ergab sich ein Problem – die Termine fielen genau mit den Treffen des „executive board“ im Himalaya zusammen. Es mußten erst größere Veränderungen in meinem Leben stattfinden, damit ich teilnehmen konnte.

Oft entwickeln sich die Dinge auf eine Weise, wie wir es am wenigsten erwarten. Als ich vom Berg Kailash zurückkehrte, erwartete mich ein e-mail von Genro von der Peacemaker-
Community. Er teilte mir mit, Bernie hätte vorgeschlagen, ich könnte doch als ein Mitglied des Klerus am Retreat teilnehmen.

Krakau

Nach unserem Zeitplan sollten wir uns am 13. November in Krakau/Polen treffen, aber viele Teilnehmer trafen schon einige Tage früher ein. Krakau ist eine erstaunlich schöne, alte Stadt. Es ist eine der wenigen europäischen Städte, die den zweiten Weltkrieg weitgehend unberührt überstanden haben. Meinem Reiseführer zufolge geschah dies, weil die Deutschen Krakau so sehr liebten, daß sie es nicht bombardieren mochten.

Es machte uns Freude durch die mittelalterlichen Straßen zu spazieren und in eleganten Cafes zu sitzen. Ich wunderte mich nur, was die Einwohner von Krakau wohl gedacht haben, als die Asche von Ausschwitz ihre Spitzenvorhänge verschmutzte. Die Schönheit der Stadt an diesem Wochenende zu erleben, machte es nur noch schwieriger, sich den Horror vorzustellen, mit dem wir ab Montag konfrontiert sein würden.

Das Retreat beginnt

Nach dem Frühstück am Montag gab es einen Spaziergang durch Kazimierz, das alte jüdische Viertel. Während des 19.Jahrhunderts war es das lebendige Zentrum der jüdischen Kultur. Da meine Familie aus Polen kommt, haben mich viele Leute gefragt, ob mein Interesse nach Ausschwitz zu gehen mit meiner jüdischen Herkunft zusammenhängt. Obwohl dies sicherlich eine Rolle gespielt hat, war es nicht mein wichtigstes Motiv.

Ich bin, wie viele andere auch, gekommen, um mich mit einer Situation zu konfrontieren, die den Geist schockiert. Wenn man dem Horror von Ausschwitz und dem Horror des ganzen Holocaust gegenübersteht, stellt sich immer wieder die Frage: „Wie konnte das passieren?“ Es ist eine Frage jenseits intellektueller Erklärung und rationalen Verstehens. 

Wenn wir nach Ausschwitz kommen, werden wir in einen Zustand des „Nichtwissens“ gestoßen – dies ist auch die erste Regel der Peacemaker-Communitiy. Dann folgt „Zeugnis ablegen“ - in der Yoga-Tradition sagen wir „ein schweigender Zeuge sein“. Wir beobachten einfach ohne zu urteilen – und was am wichtigsten ist, wir beobachten unseren eigenen Geisteszustand ohne Urteil. Und nur dann sind wir bereit, in Übereinstimmung mit unserer eigenen persönlichen Erfahrung zu handeln – und handeln müssen wir! Dies ist die Grundlage des buddhistischen Prinzips des „rechten Handelns“ – oder, wie es die Bhagavad Gita ausdrückt „Handeln im Nichthandeln“.

Viele Leute kamen aus den Vereinigten Staaten, manche Teilnehmer waren aus Deutschland und verschiedenen Teilen Europas und es gab eine Gruppe aus Japan. Wir waren eine ungewöhnliche Mischung unterschiedlicher Menschen, und wahrscheinlich hätten wir uns niemals getroffen, wenn uns dies Retreat nicht zusammengeführt hätte. Als wir zu den heute nicht mehr genutzten Synagogen und alten Friedhöfen von Kasimierz spazierten, hatten wir Gelegenheit, uns ein wenig kennenzulernen und Freundschaften zu schließen. Wir fragten einander immer die gleichen Fragen: „Warum bist du hier?“ „Warum hast du dich entschlossen, zu diesem Retreat zu kommen?“

Heute ist Kasimierz eine Geisterstadt, die sich langsam zu einer Touristenattraktion entwickelt. Die Nazis hatten es zum Ghetto gemacht und dann alle Einwohner vernichtet. In der sowjetischen Ära gab es laufend Pogrome und in den späten sechziger Jahren wurde allen polnischen Juden ein Einweg-Ticket nach Israel angeboten. Nur sehr wenige blieben, überwiegend ältere Leute. Heute wird das Viertel, vor allem mit amerikanischem Geld  neu aufgebaut. Jüdische Restaurants und Clubs, in denen jüdische Musik gespielt wird, sind entstanden und in jedem Sommer gibt es ein jüdisches Kulturfestival.

Ankunft in Ausschwitz – eine Höllenvision

Die Fahrt von Krakau nach Ausschwitz, durch die ruhige polnische Landschaft, war sehr angenehm. Wir dösten im Bus vor uns hin oder unterhielten uns mit unseren Nachbarn. Nach einer Stunde erreichten wir ein Franziskanerkloster, das direkt neben dem ehemaligen Konzentrationslager erbaut worden war. Die Sonne schien, als wir die Steinkapelle betraten und in einen kellerartigen Raum hinabstiegen, dessen Inneres man nur als „Höllenvision“ beschreiben kann. 

Der Künstler Marion Kolodziej ist ein Überlebender von Ausschwitz. Nach dem Krieg arbeitete er als Bühnenbildner im polnischen Theater. Viele Leute kannten ihn als einen liebevollen, freundlichen Menschen – und er sprach nie von seinen Erlebnissen. Dann tauchte er eines Tages, nach vielen Jahren, in dem Franziskanerkloster auf und begann zu malen. Man kann seine Bilder nicht mit Worten beschreiben – sie sind vollkommene Darstellungen der, irgendwie in physische Form gebrachten, schlimmsten Alpträume der Menschheit.

Marion selbst sprach mit Wärme und offensichtlich ohne Feindseligkeit gegenüber seinen ehemaligen Unterdrückern. Er sagte uns, „die einzige Möglichkeit am Leben zu bleiben, ist es zu handeln. Laß niemals das Feuer ausgehen. Bleib immer menschlich und arbeite für die Zukunft der Menschheit. Werde niemals zu einem Roboter." 
„Was ich gemalt habe, ist meine eigene innere Erfahrung. Diese Monster sind in jedem von uns. Deshalb ist es wichtig, einen inneren Maßstab zu haben und jede Handlung genau abzuwägen.“

Der erste Anblick von Ausschwitz

Das Konzentrationslager befand sich ursprünglich in dem polnischen Dorf Oswiecim. Es war eigentlich als Friedhof für polnische und russische politische Gefangene  gedacht. Die Ansässigen wurden evakuiert und ihre Häuser zerstört, um Platz für das Lager zu schaffen. Niemand sollte etwas davon erfahren und anderen weitersagen können – dann wuchs die Idee immer weiter...

Mein erster Eindruck des Lagers, es bestand eigentlich aus drei Teilen, war der von enormer Größe. Als wir weiterfuhren, schien es sich immer mehr auszudehnen. Am ersten Tag gingen wir nicht in das Lager hinein, sondern gingen in unsere Unterkünfte. Die Hälfte der Gruppe blieb im „Center for Dialogue“ und die übrigen von uns in der Jugendherberge. Die Umstände waren sehr einfach, aber wir hatten alles Nötige. Wir waren gehalten, unser Leben in den nächsten Tagen aus Respekt für die Menschen, die hier gelitten hatten, so einfach wie möglich zu gestalten.

Nach der Anmeldung, richteten wir uns ein und ruhten uns vor dem Essen noch ein bißchen aus. Das Essen während des Retreats war vegetarisch und einfach. Wir begannen jede Mahlzeit mit einem fünfminütigen Schweigen – und es gab einen Sondertisch für Leute, die die ganze Mahlzeit schweigend einnehmen wollten.

Die meisten Leute saßen zusammen und unterhielten sich. Hier war eine gute Gelegenheit, Verbindungen zu Mitpilgern zu knüpfen. Ich erkannte, daß dieses Retreat heilende Wirkung hatte. Wenn wir Gewalt erfahren, will ein Teil von uns gewöhnlich weglaufen. In vielen traditionellen Gemeinschaften gibt es Schamanen, die in diese „andere Welt“ hineingehen und den fehlenden Teil des Bewußtseins zurückbringen. Familie und Freunde warten dann schon, um diesen Geist in Empfang zu nehmen. Es ist wichtig, daß er in eine liebevolle Umgebung zurückkehrt. Sonst merkt er, daß sich nichts verändert hat und er entfernt sich wieder. In unserer modernen Welt haben wir diese Unterstützung oft nicht. Einer der schönsten Eindrücke dieses Ausschwitz-Retreats war das Gefühl von Gemeinschaft. Es wirkte wie ein Sicherheitsnetz, das es jedem Teilnehmer ermöglichte, sich ins „Unbekannte“ zu wagen und einige fehlende Teile von sich selbst zurückzugewinnen.
Dieses Gefühl von Sicherheit war ein Hauptbestandteil des für mein Gefühl außergewöhnlichsten Teils des Retreats. 

Wir waren insgesamt 141 Pilger, die zusammen reisten. Doch uns wurde gesagt, daß eigentlich 141 persönliche Retreats stattfanden. Um die Erfahrung jedes einzelnen noch zu vertiefen, wurden wir in kleine Gruppen aufgeteilt. Wir waren jeweils zehn Leute in einer Gruppe und arbeiteten mit der Technik der „Beratung“, wie sie die Ureinwohner Amerikas verwendeten. In jeder Gruppe gab es einen erfahrenen „Gesprächsleiter“ und einen Assistenten. Jeder hatte die Möglichkeit zu sprechen, aber nur jeweils die Person, die den „Sprech-Gegenstand“ in der Hand hatte. So konnte immer nur eine Person sprechen. Es gab kein Hin-und-Her-Reden und keine Unterbrechungen. Jeder war gehalten, vom Herzen her das auszudrücken was er (oder sie) gerade in dem Moment empfand. Die anderen Gruppenteilnehmer sollten mit dem Herzen zuhören. Intellektualisieren war nicht erlaubt – kein Reden über das, was wir gehört oder gelesen hatten. Wir sollten aus dem Herzen sprechen, nicht aus dem Kopf.
Für mich war diese Technik ungewohnt und ich war zunächst etwas gehemmt. Aber als das Retreat fortschritt und wir vertrauter miteinander wurden, war ich berührt von der Wahrhaftigkeit. Jede Person brachte ihre eigene Wahrheit zum Ausdruck, aber irgendwie fühlten wir alle, daß wir die Erfahrung miteinander teilten. Das war schon 
verblüffend an sich, denn wir waren alle so verschieden – so viele unterschiedliche Typen. Es gab Überlebende von Ausschwitz unter uns und Überlebende anderer Konzentrationslager. Es gab Leute, die ihre ganze Familie im Konzentrationslager verloren hatten und solche, deren Eltern SS-Offiziere waren. Es gab Leute, deren Eltern Ausschwitz überlebt hatten, bloß um dann viele Jahre später Selbstmord zu begehen, und Leute, deren Eltern von der SS erschossen worden waren, weil sie Juden Unterschlupf gewährt hatten. Und schließlich gab es Leute, deren ganze Familie den Krieg unter angenehmen Umständen einfach ausgesessen hatte.

An der Hinrichtungsmauer

Am Dienstagmorgen besuchten wir zuerst das Museum in Ausschwitz. Ich hatte viele Geschichten und Statistiken gehört, so wie die meisten anderen Leute. Aber es war eine ganz andere Sache dann mit der Wirklichkeit konfrontiert zu werden: den Räumen voller Menschenhaar, Räumen mit abgelegten Brillen, Räumen mit Koffern, Räumen mit Schuhen, Räumen mit Kinderspielzeug. Es gab gar kein Ende. Die Nazis, in ihrer „Effektivität“, waren bemüht, alles zu recyceln. Nichts wurde vergeudet. Menschenhaar wurde zu Stoff verarbeitet, Goldzähne gezogen und eingeschmolzen.  Alles mögliche wurde aussortiert und nach Deutschland zur weiteren Verwendung geschafft.

Wir betraten Ausschwitz durch das berühmte Tor, das mit der zynischen Aufschrift „Arbeit macht frei“ geschmückt war. Wir zogen durch die Barracken, sahen viele Karten und Aufzeichnungen und hörten die Geschichten. Schließlich standen wir vor der Hinrichtungsmauer. An diesem Platz, der eigentlich der Vernichtung des Andersartigen gewidmet war, feierten wir unsere Unterschiedlichkeit. In sechs religiösen Traditionen , der jüdischen, christlichen islamischen, hinduistischen, buddhistischen und indianischen, gab es Aufrufe zum Gebet. Die Nazis hatten Juden, Zigeuner, Homosexuelle, Jehovas Zeugen und Behinderte getötet – all jene, die in irgendeiner Weise von ihrem Ideal des Ariers abgewichen waren.

Polnische und russische Dissidenten waren zur Hinrichtungsmauer gebracht und getötet worden. Männer und Frauen, die im Untergrund Widerstand geleistet hatten, wurden gehängt. Neunzig Prozent der in Ausschwitz Getöteten, waren Juden – aber viele andere starben ebenfalls. An diesem Platz, der der Ausrottung der Juden gewidmet war, wurde nun der „Kaddish“ (Jüdisches Gebet für die Toten) in sechs verschiedenen Sprachen zelebriert.

Der Tagesablauf
 

  • 7  –  8.30 Uhr          Kleingruppen
  • 9  –  10 Uhr             Frühstück
  • 10.30 – 11.30 Uhr   Meditation am „Selektions-Platz“
  • 11.30 – 12.30 Uhr   Gottesdienste
  • 12.30 Uhr                Mittagessen
  • 13.30 – 14.30 Uhr   Meditation am „Selektions-Platz“
  • 15  -  16 Uhr            Kaddish (Jüdisches Gebet für die Toten)
  • 17.30 Uhr                Abendessen
  • 19.30 – 21 Uhr        Abendprogramm
Das Programm war eine gute Mischung aus Meditation, Gebet und persönlicher Aussprache. Jeden Morgen begannen wir mit der Kleingruppe um 7 Uhr. Das dauerte eineinhalb Stunden und danach war Frühstück. Dann gingen wir oder fuhren mit dem Bus nach Ausschwitz II, dem größten Teil des Konzentrationslagers. Wir saßen täglich auf dem Selektions-Platz und meditierten. Es ist nun mehr als fünfundfünfzig Jahre her, daß der letzte Viehwaggon hier ankam. Sie kamen aus ganz Europa, aus dem fernen Istanbul, aus Athen und aus Frankreich um Juden zu ihrer Vernichtung herbeizuschaffen. Die Deutschen hatten, auf ihre effektive Weise, eine Eisenbahnlinie direkt ins Lager gebaut. Das wurde in mehreren Filmen dargestellt, die bekanntesten sind "Schindlers Liste“ und „Sophies Wahl“.

Wenn die Züge ihr Ziel erreicht hatten, wurden die Menschen zu Tausenden hinausgetrieben und mußten sich aufstellen: Männer auf eine Seite, Frauen und Kinder auf die andere Seite. Sie wurden von den SS-Ärzten aussortiert. Alte und schwache Menschen und Kinder kamen sofort in die Gaskammer. Die Jungen und Gesunden mußten im Lager als Sklaven arbeiten; die meisten starben an Kälte, Hunger, Erschöpfung, Krankheit und durch nachfolgende „Selektionen“. 

Zu einer Zeit gab es 400000 Menschen in Ausschwitz II – die Einwohnerzahl einer mittelgroßen Stadt. Die Vernichtungskapazität der Gaskammern war vergrößert worden. In den Anfangszeiten konnten „nur“ siebenhundert Menschen auf einmal getötet werden. Das Problem war dabei auch: wohin mit den toten Menschen – es konnten „nur“ acht zur gleichen Zeit verbrannt werden und das dauerte pro Körper fast eine halbe Stunde.  Wir waren über die Statistiken informiert worden und stellten nun selbst Berechnungen an. Zum Zeitpunkt des Kriegsendes hatte die Effizienz der Vernichtung ein Höchstmaß erreicht; siebzigtausend Menschen wurden jeden Tag in Ausschwitz getötet. Bei Kriegsende haben die Nazis die meisten der Gaskammern gesprengt um ihre Greueltaten soweit wie möglich zu verschleiern.  Nur Ruinen blieben übrig.

Wir saßen jeden Tag am „Selektionsplatz“ und meditierten. Wir sangen die Namen vieler Menschen, die getötet worden waren. Dann gingen wir zu den Resten der Gaskammern. Es war eine Pilgerfahrt zu dem Wohnort  Gottes, der sich hier in seiner destruktiven Form zeigte, ein flüchtiger Blick auf das Gesicht von Lord Shiva, wie er am Boden des Verbrennungsortes tanzt.

Die Priester der sechs verschiedenen Religionen (jüdisch, christlich, moslemisch buddhistisch, indianisch und  hinduistisch) hielten Gottesdienste ab. Da die Peacemaker-Communitiy für die Gleichwertigkeit von Mann und Frau eintritt, wurden diese Gottesdienste gleichermaßen von beiden Geschlechtern durchgeführt.
Ich saß jeden Tag in den Ruinen des ehemaligen Krematoriums und veranstaltete eine Shiva Puja. Ich brachte dem wunderschönen kristallklaren Shiva-Lingam, den ich am Ende des Kailash-Yatra bekommen hatte,  meine Verehrung dar. Ich dankte jeden Tag, am Ende der Puja, für die vielen Segnungen in meinem eigenen Leben. Im Juni erlebte ich Darshan mit Lord Shiva an seinem Wohnort im Himalaya. Im November, gerade mal 5 Monate später, erlebte ich Darshan mit Ihm in Ausschwitz.

Wenn „alles Gott ist“, heißt das, daß wir lernen müssen, ihn nicht nur im blauen Himmel und in glücklichen Gesichtern zu sehen. Es ist leicht, Gott in denen zu „sehen“, die freundlich zu uns sind. Aber es ist wirklich eine spirituelle Herausforderung, Ihn in ALLEN Namen und Gestalten zu erblicken. 

Nachmittage... 

Wir waren gebeten worden, im Lager selbst nicht zu essen und zu trinken, aus Respekt vor den Menschen, die hier gelitten hatten. Außerdem waren wir gebeten worden, unseren Verzehr auf ein Minimum zu beschränken, uns mit dem einfachen Essen, das wir hier erhielten, zu begnügen. In der Hindu-Tradition wird jedoch keine religiöse Observanz beendet, ohne daß alle etwas zu essen erhalten haben. Die spirituelle Nahrung muß physische Form annehmen. Am Ende jeder Puja wird Prasad (gesegnete Nahrung) an alle verteilt. Ich erinnerte mich, daß Bernie mal gesagt hatte, daß was auch immer jemand in Ausschwitz getan hatte, in irgendeiner Weise immer jemand anderen verletzt hatte. Ich war deshalb besorgt, daß der simple 
Akt des Verteilens von Prasad falsch verstanden werden könnte. Alle schienen jedoch sehr glücklich, als ich jeden Tag nach der Puja aus dem Tor trat und so vielen Retreat-Teilnehmern wie möglich etwas Süßes oder einen Keks anbot.

Das Mittagessen fand immer außerhalb der Tore von Ausschwitz II (eigentlich Birkenau) statt. Wir erhielten Schalen, die wir gebrauchen, mitnehmen, spülen und am nächsten Tag wieder mitbringen mußten – sonst hätten wir nichts gehabt woraus wir hätten essen können. Jeden Tag kam ein Fahrzeug mit Suppe und Brot. Es war ein einfaches Essen, aber jeder von uns dachte während der Mahlzeiten an die „hungrigen Geister“, die immer noch das Lager bewohnten. Wir können ihnen keine materielle Nahrung mehr geben, aber unsere Gebete und guten Gedanken nähren ihre Seelen und helfen ihnen, ein wenig Frieden nach ihren endlosen Qualen zu finden.
Die Erfahrung so vieler ruheloser Geister ist deutlich spürbar. 

Nach dem Mittagessen gingen wir jeden Tag zu dem „Selektionsplatz“ um ein zweites Mal zu sitzen und Namen zu chanten. Dann gingen wir zu den Ruinen der ehemaligen Gaskammern für den Abend-Kaddish (Jüdisches Gebet für die Toten). Manche Leute sangen Lieder, andere weinten, viele erinnerten sich an Menschen, die hier verschwunden sind und/oder gelitten haben. Wir zündeten Kerzen rund um den Teich an, in dem die Asche versenkt wurde. An manchen Tagen gingen viele von uns nach dem „Kaddish“ zu dem Raum, wo die Entkleidung der Opfer stattfand, der sich direkt vor der Gaskammer befand. Die Menschen waren hier nach einer langen, qualvollen Bahnfahrt angelangt. Ihnen war gesagt worden, sie würden vor Betreten des Lagers duschen können. Ihnen wurde eine Dusche versprochen und stattdessen gab man ihnen einen grausamen Tod. Sie wurden gezwungen, sich auszuziehen und dann trieb man sie in die „Duschräume“. Um das Versprechen einer Dusche zu verstärken, waren diese Räume sogar mit Duschköpfen ausgestattet. Dann wurden die Türen verschlossen und Gaskügelchen fielen herunter. Ich habe gelesen, daß es oft bis zu fünfzehn Minuten dauerte bis alle tot waren. Es gab Panik und einen wilden Ansturm auf die Tür. Viele starben in diesem Gedränge.
Der Gang in diesen „Entkleidungs-Bereich“ war eine frostige, an den Nerven zerrende Erfahrung. Ich fand das Atmen schwierig. Die Luft war immer noch angefüllt mit der Panik der vielen Menschen, die hier starben.

.....und Abendprogramme

An den Abenden trafen wir alle zusammen – alle 141 Teilnehmer. Die Leute sprachen von ihrer persönlichen Erfahrung in diesem Retreat. Manchmal hörten wir von „Überlebenden“. Eines Abends brachte man uns zu einem Dachboden auf der obersten Etage der Barracke II. Er war als Folterkammer benutzt worden. August Kowalczyk, einer der polnischen Organisatoren dieses Retreats, gab uns einen erschütternden Bericht über seine Erfahrungen in diesem Raum in den Händen der SS-Offiziere. Er war in der Widerstandsbewegung gewesen, wurde gefangen und nach Ausschwitz gebracht. August versuchte mehrmals zu fliehen, wurde gefoltert, und versuchte es wieder bis er Erfolg hatte.

Sofia, eine zarte polnische Bildhauerin, hatte das wenig bekannte Lager Ravensbrück überlebt. Sie war, wie viele andere junge Frauen auch, für die furchtbaren medizinischen Experimente ausgewählt worden, konnte aber entkommen. Sie glaubte, daß „nur der, der liebte und wußte, daß er geliebt wurde, den Horror überleben konnte“.

An einem Nachmittag, gegen Ende des Retreats, fühlte ich mich irgendwie emotional erschöpft. Als wir die Kaddish-Zeremonie in der Nähe der Gaskammern beendet hatten, überfiel mich plötzlich eine Woge der Negativität. Was machte ich eigentlich hier? Wozu sollte das gut sein? Ich dachte daran, zum Zeichen der Rebellion ins Kino zu gehen. Stattdessen verließ ich die Gruppe und lief durch das Lager. Ich ging und ging, bestieg schließlich den Bus und schlief ein. Als wir die Jugendherberge erreichten, ging ich in mein Zimmer und schlief bis zum nächsten Morgen. Das war die Nacht, in der viele Leute in den Barracken der Frauen wachten; es war das einzige Programm, an dem ich nicht teilnahm. Die meisten Leute saßen, sangen und redeten bis gegen 21 Uhr, viele verbrachten aber auch die ganze Nacht um zu singen und zu meditieren.

The Experience

Die eigentliche Erfahrung des Retreats war die Erfahrung bedingungsloser Liebe. Ich erkannte, daß es ein natürlicher menschlicher Instinkt ist, zu lieben; daß es das ist, was uns menschlich macht. Wir fühlen uns mit anderen menschlichen Wesen verbunden und können einen anderen nicht bewußt und freiwillig verletzen – ES SEI DENN, wir selbst empfinden Schmerz. Je größer unser eigener Schmerz ist, desto mehr verletzen wir andere. Ich fühlte die große Qual der Folterer. Wie groß muß ihr Schmerz gewesen sein, daß sie fähig waren, dies alles zu vollbringen.

Ich war beeindruckt von der Arbeit, den Planungen, den Geldern, die in all diese Bauten und in die Instanthaltung dieses Ortes des Todes und der Folter gesteckt worden waren. Aus der Asche des Schmerzes kann jedoch große Freude erstehen, wenn wir es uns gestatten, dem Unbekannten ins Auge zu sehen und uns bemühen, nicht zu urteilen.

Das Schlußprogramm, das Sabbatessen, war ein Ausdruck dieser Freude. Wir waren nur fünf Tage zusammengewesen. Aber wir hatten viele Leben zusammen erlebt. Wir hatten zusammen gelacht und geweint. In meiner morgendlichen Gruppe hatte einer der Teilnehmer etwas sehr Schönes gesagt, das für mich viele der Offenbarungen, die ich gehabt hatte, zusammenfaßte. Ich hoffe, ich begehe keinen Vertrauensbruch, wenn ich diese Worte mitteile; sie sind so schön, daß ich sie aufschreiben mußte:

„Liebe bedeutet nicht nett sein. Liebe hat eine Kraft in sich, die nicht nur „süß“ ist. Die Wurzeln der Kraft der Liebe und des Hasses sind die gleichen. Haß ist nur pervertierte Liebe. Die Energie, die einem die Kraft gibt, Falschheit zu bekämpfen, kommt aus der Bereitschaft, die Wahrheit in sich selbst anzusehen. Wenn das geschieht, ist man frei zu tun und zu lassen, was man will. Man lebt vollkommen in dieser Energie der Liebe.“

Es ist für uns alle wichtig, uns an die negativen Handlungen zu erinnern, zu denen wir fähig sind – sowohl persönlich als auch als Kollektiv. Wenn wir wirklichen spirituellen Fortschritt machen wollen, müssen wir uns ehrlich unsere Fehler ansehen, um sie dann beseitigen zu können. Das ist ein immerwährender Prozess.

Ich möchte Bernie Glassman für seine unglaubliche, schöpferische Vision danken – so viele Leute erhielten dadurch das Werkzeug, sich in diesen Prozess einzubringen. Dank an Andrzej Krajewski, den polnischen Koordinator, der wirklich der Schlüssel zu diesem Retreat war. Meinen tiefsten Dank auch an Eve Marko, Genro, Teju und all die anderen, die so hart gearbeitet haben, daß dieses trasformierende Ereignis möglich wurde. Meine Liebe gilt auch meinen Mitpilgern. Möge Gott Euch mit großer Freude segnen.

Yours in His Service
Swami Saradananda
 

 

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