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Der
Kopfstand (Shirshasana)
von
Hanspeter Sperzel, Frankfurt Blutkreislauf Der Kopfstand, häufig auch als König oder Königin der Asanas bezeichnet, ist die wohl bekannteste wie auch spektakulärste Übung der Rishikeshreihe des Yoga. Sie vermittelt den Eindruck von akrobatischem Können und Körperbeherrschung. Warum wird dieser Übung eine so hohe Bedeutung zugemessen? Der
aufrechte Gang ist die Erwerbung, die innerhalb der Evolution den Menschen
geschaffen hat, gewinnt er doch durch diesen seine Hände als Werkzeug.
Doch diese Erwerbung ist noch, auf die gesamte Geschichte der Entwicklung
bezogen, sehr jung. Unser Körper ist von seiner Anlage her noch für
den Vierfüßlergang geschaffen. Dies bedeutet, daß die
Einwirkung der Schwerkraft auf die Systeme des Körpers heute anders
sind, als Statik und Kreisläufe dies vorsahen. Anders ausgedrückt.
Wir sind für den aufrechten Gang noch nicht optimal ausgerüstet.
Durch das „Auf den Kopf stellen“ gleichen wir diese Unzulänglichkeiten
aus. Die Blutzirkulation wird durch Muskelkontraktionen gewährleistet, wobei Klappen in den Venen wie Ventile dafür sorgen, daß das Blut nicht zurückfließt. Für einen natürlich lebenden Menschen, der sich viel bewegt, genügt diese Lösung. In unserer zivilisierten Welt sind die Muskelkontraktionen oft ungenügend, so das sich das venöse Blut in Beinen und Unterleib staut. Der Blutkreislauf stagniert und verändert seine Funktion zum Schlechten hin. Regelmäßiges „Sich auf den Kopf stellen“ gleicht diesen Mangel augenblicklich aus. Venöses Blut wird zurückgeführt und durch arterielles Blut ersetzt. Der Kopf mit Gehirn und Gesicht (Sinnesorgane) wird stark durchblutet. Die Plätze der Organe im Bauchraum sind für eine Vierfüßlerhaltung vorgesehen, nicht für eine aufrechte Haltung. Sie sind ungenügend befestigt und neigen dazu, nach unten zu sacken, sich gegenseitig zu verdrängen und rufen so funktionale Störungen hervor. Auch hier wird durch die Umkehrung ein Ausgleich geschaffen. Geschlechtsorgane und Eingeweide erfahren eine augenblickliche Entlastung. Der Kopfstand fördert eine optimale Haltung der Wirbelsäule, was sich in Eleganz und Elastizität im Gehen schnell bemerkbar macht. Der fünfte Lendenwirbel, der normalerweise die ganze Last der aufrechten Haltung trägt, wird kurzzeitig entlastet, was den Bandscheiben Gelegenheit gibt, sich auszudehnen und damit zu ernähren. Durch die Stärkung der Haltemuskulatur der Wirbelsäule und der damit verbundenen Entlastung werden Rückenbeschwerden dauerhaft verhindert. Daß die Halswirbel für die Zeit der Übung einen Teil der Körperlast tragen – das Hauptgewicht ruht jedoch auf Unterarmen und Ellenbogen -, bringt für einen gesunden Menschen keinerlei Risiko, wenn der Nacken gestreckt und das Kinn Richtung Brustbein gezogen wird. In der Umkehrhaltung drücken die Bauchorgane mit ihrem Gewicht auf das Zwergfell, so daß die Atmungsart in dieser Haltung sich radikal verändert. Die eingeatmete Luft erfährt eine leichte Kompression und bewirkt eine harmonischere Entfaltung der Lungenbläschen und damit einen begünstigten Gasaustausch. Eine starke und tiefe Atmung innerhalb der Asana durchlüftet die Lunge sehr stark. Viele Bakterien, die sich in ungelüfteten Regionen der Lunge festsetzen, sterben hierbei ab. Die Umkehrung aktiviert Sonnen- und Mondenergie im Sonnengeflecht und der Stirn, kehrt ihre normale Bewegungsrichtung um und verhindert damit, daß sie sich neutralisieren. Apana und damit die sexuellen Energien werden sublimiert. Angesprochen werden das Augenbraunzentrum (Ajna Chakra) und das Scheitelzentrum (Sahasrara Chakra). Die Asana entwickelt Mut und Konzentration.. Der Kopfstand verlangt eine gesunde Halswirbelkonstruktion und ausreichend Muskelkraft, vor allem in den Armen, um kontrolliert gehalten werden zu können. Neun von zehn Übenden erfüllen diese Voraussetzungen leicht. Weiterhin gibt der Körper eindeutige Warnzeichen, wenn die Übung nicht angebracht ist. Bei Kopfschmerzen, Ohrensaußen und Schwindelgefühl sollte die Übung abgebrochen werden. Meist sind hoher oder zu geringer Blutdruck Auslöser dieser Phänomene. Bei zu hohem Blutdruck sollte man auf Umkehrstellungen verzichten oder zumindest mit einem Arzt oder Heilpraktiker Rücksprache nehmen. Erfahrungsgemäß normalisieren sich aber Kreislauf und Blutdruck bei regelmäßiger Übung von Asanas, Pranayama, Meditation und Tiefenentspannung relativ rasch. Ausführung und Lernen der Haltung Das Erlernen der Haltung erfordern einen kompetenten Lehrer. Die Beschreibungen in Büchern und Veröffentlichungen können helfen, allgemeine Fehler zu vermeiden, aber das sichere Auge eines Lehrers ist so nicht zu ersetzen. Ich verzichte daher hier auf eine Beschreibung der Übung. In der Regel sollte die Asana zwischen drei und fünf Minuten gehalten werden, wobei eine vollständige Yogaatmung und möglichst geschlossene Augen angestrebt werden. Für die Arbeit mit einem Mantra empfiehlt sich „Om“, da das Ajna Chakra besonders angesprochen wird. Als Hilfestellung ist eine Wand nicht zu empfehlen, da sie dauerhaft die Ausbildung des notwendigen Gleichgewichtsgefühls verhindert. Nach dem Verlassen der Stellung ist es sinnvoll, einige Atemzüge in der Stellung des Kindes zu verweilen. Literaturnachweis |
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