Die
Geschichte vom Fleischer
Es war einmal ein junger
Aspirant, der unbedingt die Gotteserfahrung haben
wollte. Er zog sich
in den Wald zurück und praktizierte intensiv Pranayama
(Atemübungen).
Eines Tages, während er Pranayama übte, saß ein Vogel auf
einem Zweig oberhalb
von ihm und ließ etwas fallen, was auf den Kopf des
Yogis fiel. Der
Yogi ärgerte sich über diesen Vogel, schaute ihn an. Durch
die Kraft seiner
Praxis war sein drittes Auge geöffnet, ein Feuerstrahl trat
hinaus und verbrannte
den Vogel.
Zufrieden mit seinen
erreichten Kräften ging der Aspirant in das nächste
Dorf, um Nahrung
zu erbetteln. Bei einem Haus öffnete eine Frau die Tür. Sie
versprach ihm, ihm
gleich etwas zu essen zu bringen und bat ihn, etwas zu
warten. Nach einigen
Minuten ärgerte der Aspirant sich, daß er solange
warten mußte,
und dachte: "Diese Frau hat keinen Respekt, ich sollte meinen
Feuerstrahl auch
auf sie richten, um ihr Respekt beizubringen". Im nächsten
Moment hörte
er die Frau sprechen: "Oh Yogi, ich komme gleich, ich muß mich
erst noch etwas
um meinen pflegebedürftigen Mann kümmern. Ich bin nicht wie
dieser Vogel. Dein
Feuer kann mir nichts anhaben". Schockiert und doch
neugierig wartete
der Yogi.
"Nach ein paar Minuten
kam die Frau mit etwas Nahrung. Nach dem Essen fragte
der Yogi: "Bitte
sage mir, woher kanntest Du meine Gedanken? Welche
Yoga-Übungen
praktizierst Du, um solch hohe Kräfte erreicht zu haben? Die
Frau antwortete:
"Ich habe nicht viel Zeit für Pranayama und Meditation. Ich
übe jeden Tag
ein paar Minuten Meditation. Ich diene meinem
pflegebedürftigen
Mann, opfere alle Handlungen Gott und versuche in jedem
Menschen Gott zu
sehen. So hat mich Gott mit vielerlei Erkenntnisen
gesegnet. Aber gehe
in das Nachbardorf. Da wirst Du einen Fleischer auf dem
Marktplatz sehen.
Der wird Dir erklären, was wirkliche Spiritualität ist."
Der Aspirant ging
sofort los. Auf dem Marktplatz fand er den Fleischer. Als
der ihn sah, sagte
er: "Bist Du derjenige, den die Frau aus dem Nachbardorf
geschickt hat? Bitte
warte bis heute Abend, wenn ich mit meiner Arbeit
fertig bin". Der
Aspirant, beeindruckt von den telepathischen Fähigkeiten
des Fleischers,
wartete geduldig und beobachtete, was der Fleischer so
machte. Er sah,
daß der Fleischer stets gleichmütig, liebevoll und
freudevoll war.
Am Abend folgte er dem Fleischer nach Hause, sah wie er sich
liebevoll um Frau,
Kinder und die kranken pflegebedürftigen Eltern kümmerte.
Schließlich
fragte er ihn: "Welche Praktiken hast du gemacht, um soviel
Gleichmut und telepathischen
Kräfte zu bekommen? Noch dazu wo Du einen
solchen Beruf hast?"
Der Fleischer antwortete: "Ich mache nicht viele
Praktiken. Ich meditiere
jeden Tag etwas und mache ein paar Runden Pranayama
und Asanas, so wie
es mein Tagesablauf zuläßt. Ansonsten denke ich stets an
Gott und opfere
jede Handlung Gott. Ich diene Gott in meinen Eltern, meiner
Familie und überall.
Meinen Beruf konnte ich mir nicht aussuchen. Ich wurde
in die Fleischerkaste
hereingeboren. So versuche ich sogar zu den Tieren
freundlich zu sein,
auch wenn ich meine Pflicht tun muß. Und Gott hat mir in
seiner Gnade wahres
Wissen und bestimmte Fähigkeiten gegeben. So solltest
auch Du das tun,
was zu tun ist. Du solltest mittels Dienen und Liebe Dein
Herz öffnen,
all Deine selbstsüchtigen Ideen überwinden und so die Einheit
mit Gott verwirklichen.
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Diese Geschichte
soll zeigen, daß man in allen Lebensumständen Gott
erreichen kann.
Und daß das Erfüllen der Pflichten im rechten Geist besser
sein kann als stundenlange
spirituelle Praktiken. Natürlich muß man
verstehen, daß
im alten Indien keine freie Berufswahl bestand, daß also ein
Sohn eines Fleischers
nur Fleischer werden konnte.
In unserer heutigen
Zeit ist es sicherlich am besten, auf unethische Berufe
zu verzichten. Aber
ansonsten kann man alles, was man macht, Gott widmen und
so Gott näher
kommen.
Om Shanti
Herzliche Grüße
Sukadev |
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