Jede Aktivität hat einen statischen Hintergrund.
Hinter jeder Energie ist Bewußtsein. Hinter Shakti ist Shiva.
Shakti selbst hat zwei polare Aspekte, statisch und dynamisch. Es kann
nicht Shakti in dynamischer Form geben, ohne daß sie gleichzeitig
in statischer Form vorläge, so wie die Pole eines Magneten.
Die Kosmische Shakti manifestiert sich im menschlichen Körper als
Kundalini und Prana. Kundalini ist der statische Träger für
die sich bewegenden Prana-Kräfte.
Der Mensch ist ein Mikrokosmos, Kshudra Brahmanda. Alles, was im äußeren
Universum existiert, existiert in ihm. Alle im Universum sichtbaren
Dinge, Berge, Flüsse usw. gibt es auch im Körper. Alle Tattwas
(Elemente) und Lokas (Ebenen) sind im Körper und genauso die erhabene
Shiva-Shakti.
Im menschlichen Körper weilt Shiva als unveränderliches Bewußtsein
im Sahasrara Chakra im Scheitel. Die Kundalini ruht im Muladhara Chakra
an der Basis der Wirbelsäule. ‘Muladhara’ bedeutet ‘Wurzelstütze’.
Die Kundalini ist die Kraft, die dem ganzen Körper und all seinen
sich bewegenden Prana-Kräften Halt bietet.
Kundalini ist die Urenergie, die im an der Basis befindlichen
Muladhara Chakra in einem schlummernden potentiellen Zustand liegt.
Sie ist die kosmische Kraft in individuellen Körpern. Sie ist eine
elektrische, feurige, okkulte Kraft, die mächtige Urkraft, die
jeder organischen und anorganischen Materie zugrunde liegt. ‘Kundala’
heißt ‘aufgerollt’. Sie hat die Form einer aufgerollten Schlange.
Daher der Name Kundalini.
Kundalini ist keine materielle Kraft wie Elektrizität oder Magnetismus.
Sie ist eine spirituelle potentielle Kraft. Sie hat in Wirklichkeit
keine Form. Der grobstoffliche Verstand und der Geist müssen am
Anfang einer bestimmten Form folgen. Von dieser groben Form aus kann
die subtile formlose Kundalini leicht verstanden werden.
Die Kundalini wird auch Bhujangini, die Schlangenkraft,
genannt, weil sie im Körper des Yogi, der die Kraft in sich entwickelt,
spiralförmig wirkt. Wenn sie erweckt wird, macht sie einen zischenden
Laut, wie den Laut einer Schlange, die man mit einem Stock schlägt,
und geht durch Brahma Nadi in der Sushumna nach oben.
Im Kundalini Yoga wird die schaffende und erhaltende Shakti des ganzen
Körpers mit Shiva, dem kosmischen Bewußtsein, vereint. Der
Yogi bringt sie dazu, ihn zu Gott Shiva zu führen. Das Sich-Erheben
der Kundalini Shakti und ihre Vereinigung mit Gott Shiva im Sahasrara
führt zum Zustand von Samadhi und bringt spirituelles Anubhava.
Der Yogaschüler trinkt den Nektar der Unsterblichkeit.
Kundalini Yoga ist eine exakte Wissenschaft.
Eine genaue Kenntnis von Nadis und Chakras ist für
alle Schüler des Kundalini Yoga von unbedingter Notwendigkeit.
Der physische Körper formt sich nach dem Astralkörper. Der
physische Körper ist in gewisser Weise wie Wasser. Er ist die grobe
Form. Der Astralkörper entspricht dem Wasserdampf. Er ist die subtile
Form. Genauso ist der Astralkörper, Sukshma Sharira, im grobstofflichen,
physischen Körper. Der grobstoffliche Körper kann ohne den
Astralkörper nichts tun. Jedes grobstoffliche Zentrum des Körpers
hat sein Astralzentrum.
Nadis sind psychische Nerven, Astralkanäle, um das
Prana zu leiten. Sie bestehen aus Astralmaterie und leiten psychische
Ströme. Durch diese subtilen Wege bewegt sich oder fließt
die Lebenskraft. Da die Nadis aus subtiler Materie gebildet sind, können
sie mit dem bloßen physischen Auge nicht wahrgenommen werden,
und man kann am physischen Bereich keine Labortests machen. Diese Yoga
Nadis sind nicht die normalen Nerven, Arterien und Venen, wie sie die
Vaidya Shastra (indische medizinische Schrift) kennt. Yoga Nadis sind
ganz anders.
Der Körper ist voll von unzähligen Nadis. So wie das Blatt
des Ashwattha (indische Feige) Baumes von winzigen Fasern durchzogen
ist, so ist auch dieser Körper durchzogen von Tausenden von Nadis.
Alle Nadis des Körpers entspringen aus dem Kanda.
Kanda heißt Knolle. Kanda ist die Wurzel aller Nadis. Zwei Finger
breit oberhalb des Anus und zwei Fingerbreit unterhalb des Geschlechtsorgans
befindet sich das Kanda. Es hat die Form eines Vogeleis und ist etwa
vier Finger breit. Zweiundsiebzigtausend Nadis kommen aus diesem Kanda.
Kanda ist das Zentrum des Astralkörpers. Diesem Zentrum entspricht
die Cauda Equina im grobstofflichen, physischen Körper.
Von allen aus dem Kanda kommenden Nadis sind die wichtigsten Ida, Pingala
und Sushumna. Und die Sushumna ist das Allerwichtigste. Die Sushumna
geht vom Muladhara Chakra zu Brahmarandhra. Sie ist das höchste
und von den Yogis am meisten erstrebte. Andere Nadis sind ihr untergeordnet.
Die westliche Anatomie anerkennt die Existenz eines Zentralkanals im
Rückenmark, genannt Canalis Centralis, und die Zusammensetzung
des Marks aus weißer und grauer Hirnmasse. Das Rückenmark
selbst läuft im Hohlraum der Wirbelsäule. Ebenso läuft
die Sushumna im Spinalkanal und hat subtile Teile. Sie ist rot wie Feuer.
In dieser Sushumna ist ein Nadi namens Vajra, das so strahlend ist wie
die Sonne und rajasige Eigenschaften hat. In diesem Vajra Nadi wiederum
ist ein weiteres Nadi, namens Chitra. Es ist sattwig und von blasser
Farbe. Hier im Chitra ist ein ganz feiner winziger Kanal. Dieser Kanal
heißt Brahma Nadi, durch den die Kundalini, wenn sie erwacht,
vom Muladhara zum Sahasrara Chakra geht. In diesem Nadi sind alle sechs
Chakras oder Lotusse.
Chakras sind Plexi oder Zentren von Sukshma Prana im Sushumna
Nadi. Alle Körperfunktionen stehen unter der Kontrolle dieser Zentren.
Chakras sind subtile Zentren der Lebensenergie. Sie sind die Zentren
von Chaitanya, Bewußtsein. Die Chakras sind im Astralkörper
auch nach der Auflösung des physischen Organismus beim Tod.
Diese Chakras oder feinstofflichen Zentren haben entsprechende Zentren
im Rückenmark und den Nervenplexi im grobstofflichen physischen
Körper. Das Anahata Chakra zum Beispiel hat sein entsprechendes
Zentrum im physischen Körper beim Herzgeflecht. Jedes Chakra kontrolliert
und stimuliert ein bestimmtes Zentrum im grobstofflichen Körper.
Die grobstofflichen Nerven und Plexi haben eine enge Beziehung zu den
feinstofflichen. Da die körperlichen Zentren eine enge Beziehung
zu den Astralzentren haben, haben die Schwingungen, die in den körperlichen
Zentren durch die vorgeschriebenen Methoden erzeugt werden, die gewünschten
Auswirkungen in den Astralzentren.
Das erste Bestreben des Kundalini Yogi ist die Reinigung der Nadis,
was zur Öffnung der Sushumna führt, die bei weltlichen Menschen
normalerweise geschlossen ist.
Vor dem Erwecken der Kundalini muß man Deha Shuddhi, Nadi Shuddhi, Manas Shuddhi, Buddhi Shuddhi, Bhuta Shuddhi und Adhara Shuddhi haben. Deha Shuddhi ist Reinheit des Körpers. Nadi Shuddhi ist Reinheit der Astralkanäle. Manas Shuddhi ist Reinheit des Geistes. Buddhi Shuddhi ist Reinheit des Verstandes. Bhuta Shuddhi ist Reinheit der Elemente. Adhara Shuddhi ist Reinheit des Adhara. Wenn Shuddhi, Reinheit, vorhanden ist, kommt Siddhi, Vollkommenheit, von selbst. Siddhi ist ohne Shuddhi nicht möglich.
Man sollte wunschlos werden und Vairagya (Leidenschaftslosigkeit) sein, bevor man den Versuch unternimmt, die Kundalini zu erwecken. Wenn ein Mensch mit vielen Unreinheiten im Geist die Shakti einfach nur gewaltsam durch Asanas, Pranayamas und Mudras erweckt, wird er sich (im übertragenen Sinne) die Beine brechen und stürzen. Er wird die yogische Leiter nicht erklimmen können. Das ist der Hauptgrund, warum Menschen vom Weg abkommen oder in Probleme kommen. Am Yoga ist nichts falsch. Die Menschen müssen zuerst rein sein; dann eine gründliche Kenntnis des Sadhana haben, einen richtigen Lehrer finden und beständig, schrittweise praktizieren. Wenn die Kundalini erweckt wird, gibt es viele Versuchungen auf dem Weg, und ein Sadhaka, der nicht rein ist, hat nicht die Kraft, Widerstand zu leisten.
Ein Lehrer ist äußerst wichtig. Zur Praxis
von Bhakti Yoga oder Vedanta braucht der Guru nicht an Deiner Seite
zu sein. Nachdem Du die Shrutis einige Zeit lang vom Guru gelernt hast,
mußt Du alleine in vollkommener Zurückgezogenheit reflektieren
und meditieren, wohingegen Du im Kundalini Yoga den Sitz der Nadis und
der Chakras und die genaue Technik der einzelnen Yoga Kriyas verstehen
mußt. Das alles sind schwierige Unterfangen. Du mußt ziemlich
lange Zeit mit Deinem Lehrer verbringen und ihn bei jeder Unklarkeit
um Rat fragen.
Die Kundalini kann von Hatha Yogis durch Pranayama, Asanas und Mudras
erweckt werden; durch Konzentration und Übung des Geistes von Raja
Yogis; durch Hingabe und vollkommene Selbstaufgabe von Bhaktas; durch
analytischen Willen von Jnanis; durch Mantras von Tantrikern; und durch
die Gnade des Guru, durch Berührung, Blick und bloßes Sankalpa
(Gedanke).
Für einige Auserwählte ist eine der oben erwähnten Methoden
ganz ausreichend, um die Kundalini zu erwecken. Die große Mehrheit
kombiniert am besten die verschiedenen Methoden.
Sobald die Kundalini erweckt ist, durchstößt
sie das Muladhara Chakra. Der Aspirant singt und gibt eigenartige Laute
von sich, wenn die Kundalini erwacht. Er hat verschiedene Visionen und
Divya Gandha (göttlicher Duft). Er entwickelt übersinnliche
Kräfte. Er sieht strahlende Jyotis (Lichter), so als schienen zehntausend
Sonnen gleichzeitig im Muladhara Chakra.
Nachdem die Kundalini erwacht ist, bewegen sich Geist, Prana, Jiva und
Kundalini gemeinsam nach oben. Das Prana steigt durch Brahma Nadi zusammen
mit Geist und Agni (inneres Feuer) nach oben. Der Yogi ist befreit vom
physischen Bewußtsein. Man ist von der äußeren gegenständlichen
Welt abgehoben.
In der Meditation hat man göttliche Visionen, erfährt göttlichen Geruch, göttlichen Geschmack, göttliche Berührung und hört göttliche Anahata Klänge. Man erhält Unterweisungen von Gott. Das deutet darauf hin, daß die Kundalini Shakti erweckt worden ist. Wenn im Muladhara ein Pochen auftritt, wenn die Haare zu Berge stehen, wenn Uddhiyana, Jalandhara und Mula Bandha unwillkürlich auftreten, dann wisse, daß die Kundalini erwacht ist.
Wenn der Atem ohne Mühe stillsteht, wenn Kevala Kumbhaka
von selbst kommt, wisse, daß Kundalini Shakti aktiv geworden ist.
Wenn Du Pranaströme zum Sahasrara steigen fühlst, wenn Du
Wonne erfährst, wenn Du ganz automatisch Om wiederholst, wenn keine
Gedanken an die Welt im Geist sind, wisse, daß Kundalini Shakti
erwacht ist.
Wenn sich in der Meditation die Augen auf das Trikuti in der Mitte der
Augenbrauen heften, wenn das Shambhavi Mudra eintritt, wisse, daß
die Kundalini aktiv geworden ist. Wenn Du in verschiedenen Körperteilen
Prana-Schwingungen spürst, wenn Du Erschütterungen wie elektrische
Schläge spürst, wisse, daß die Kundalini aktiv geworden
ist. Wenn Du in der Meditation das Gefühl hast, daß kein
Körper da ist, wenn sich die Augenlider schließen und trotz
Anstrengung nicht öffnen, wenn Ströme wie elektrischer Strom
entlang der Nerven auf und ab fließen, wisse, daß die Kundalini
erwacht ist.
Wenn Du in der Meditation Einsicht und Inspiration erfährst,
wenn die Natur Dir ihre Geheimnisse enthüllt, alle Zweifel verschwinden
und Du klar die Bedeutung der vedischen Texte verstehst, wisse, daß
die Kundalini aktiv geworden ist. Wenn Dein Körper so leicht wird
wie Luft, wenn Dein Geist in schwierigen Situationen ausgewogen bleibt
und wenn Du unerschöpfliche Energie zur Arbeit hast, wisse, daß
die Kundalini aktiv geworden ist.
Wenn Du göttlichen Rausch erfährst, wenn Du Rednerkraft entwickelst,
wisse, daß die Kundalini erwacht ist. Wenn Du unwillkürlich
Asanas oder Yogastellungen ohne den geringsten Schmerz und ohne Mühe
ausführst, wisse, daß die Kundalini aktiv geworden ist. Wenn
Du unwillkürlich herrliche erhabene Lobgesänge und Gedichte
verfaßt, wisse, daß die Kundalini aktiv geworden ist.
Wenn die Kundalini erwacht ist, geht sie nicht direkt
und ganz plötzlich zum Sahasrara Chakra. Sie muß von Chakra
zu Chakra geführt werden.
In der Sushumna sind sechs Chakras. Das Muladhara, Swadhishthana, Manipura,
Anahata, Vishuddha und Ajna. Über ihnen allen liegt das Sahasrara,
das Hauptzentrum. Alle Chakras stehen in enger Verbindung mit dem Sahasrara
Chakra. Daher ist es kein Chakra wie die sechs anderen.
Das Muladhara Chakra liegt am unteren Ende der Wirbelsäule. Das
Swadhishthana ist an der Wurzel der Genitalien. Das Manipura ist in
der Nabelgegend. Das Anahata ist im Herzen. Das Vishuddha ist im Kehlkopf.
Das Ajna ist im Trikuti, der Stelle zwischen den Augenbrauen.
Die sieben Chakras entsprechen den sieben Lokas (Ebenen des Seins).
Die fünf Chakras vom Muladhara zum Vishuddha sind die Zentren der
fünf Elemente. Das Ajna ist der Sitz des Geistes.
Wenn der Yogaschüler das Muladhara durchstößt,
hat er die Erde bezwungen. Die Erde kann ihm nichts mehr anhaben. Wenn
er über das Swadhishthana hinausgeht, hat er das Element Wasser
bezwungen. Er ist in Verbindung mit Bhuvarloka. Wenn er das Manipura
überschritten hat, hat er das Element Feuer bezwungen. Das Feuer
kann ihm nichts anhaben. Er ist in Verbindung mit Swargaloka. Wenn er
das Anahata Chakra überschritten hat, hat er das Element Luft bezwungen.
Die Luft kann ihm nichts anhaben. Er ist in Verbindung mit Maharloka.
Wenn er das Vishuddha Chakra überschritten hat, hat er das Element
Äther bezwungen. Äther kann ihm nichts anhaben. Er ist in
Verbindung mit Jnanaloka. Wenn er das Ajna Chakra überschritten
hat, ist er in Verbindung mit Tapoloka. Dann betritt er Satyaloka.
Die Kundalini kann über vier Wege zum Sahasrara gelangen. Der längste
Weg geht vom Muladhara zum Sahasrara entlang des Rückens. Der Yogi,
der die Kundalini diesen Weg entlang führt, ist sehr stark. Das
ist der schwierigste Weg. Bei Shri Shankaracharya nahm die Kundalini
diesen Weg. Der kürzeste Weg geht vom Ajna Chakra zum Sahasrara.
Der dritte geht vom Herzen zum Sahasrara. Der vierte geht vom Muladhara
vorne zum Sahasrara.
Wenn sich der Yogi auf das Ajna Chakra konzentriert, öffnen
sich die unteren Chakras automatisch und werden überwunden.
Der Kundalinistrom steigt durch die Wirbelsäule und kribbelt manchmal
wie eine Ameise. Manchmal, wenn der Yogi rein ist, hüpft sie wie
ein Affe und erreicht das Sahasrara. Manchmal erhebt sie sich wie ein
Vogel, der von einem Zweig zum anderen hüpft. Manchmal steigt der
spirituelle Strom auf wie eine Schlange und bewegt sich Zick- Zack.
Manchmal schwimmt der Yogi glücklich wie ein Fisch im Ozean göttlicher
Wonne.
Der Yoga Übende erhält Hilfe von innen, wenn er sich von Chakra
zu Chakra bewegt. Eine mysteriöse Kraft, eine mysteriöse Stimme
wird ihn bei jedem Schritt führen. Er muß unerschütterliches
vollkommenes Vertrauen zur Göttlichen Mutter haben. Sie führt
den Sadhaka. Sie führt Ihr Kind von Chakra zu Chakra. Sie gibt
ihm unsichtbar jede Hilfe. Ohne Ihre Gnade kann man kein Zoll in der
Sushumna steigen.
Die Kundalini bleibt nicht lange im Sahasrara. Die Dauer
des Verweilens hängt ab von der Reinheit, dem Grad des Sadhana
und der inneren spirituellen Stärke des Yoga Übenden. Viele
Schüler bleiben nur in den niederen Chakras. Sie werden vom Glück
mitgerissen, das sie in den niederen Chakras erfahren und machen, bedingt
durch ihre mißverstandene Zufriedenheit, nicht den Versuch, das
Sahasrara zu erreichen.
Der Yogi erfährt Versuchungen in den niederen Chakras, den Ruheplätzen.
Er muß alle Siddhis (übersinnliche Kräfte) meiden. Siddhis
sind Hindernisse am Weg. Wenn er beginnt, mit den Siddhis zu spielen,
wird er das Ziel verfehlen und einen Rückschlag erleiden.
Die Kundalini kann leicht erweckt werden, aber es ist sehr schwierig,
sie zum Manipura, zum Ajna Chakra und von dort zum Sahasrara im Kopf
zu bringen. Es verlangt sehr viel Geduld und Ausdauer von Seiten des
Übenden. Es ist sehr schwierig, das Manipura Chakra zu durchstoßen.
Der Yogi muß in diesem Zentrum sehr viel üben.
Der Körper wird weiterbestehen, auch nachdem die
Kundalini das Sahasrara Chakra erreicht hat, aber der Yogi wird kein
Körperbewußtsein haben, solange die Kundalini im Sahasrara
verweilt. Erst wenn Kaivalya (endgültige Befreiung, Erleuchtung)
erreicht ist, wird der Körper leblos.
Man lebt sicherlich weiter, nachdem die Kundalini ins Sahasrara gebracht
worden ist. Aber denke daran, daß sie, auch nachdem das Sahasrasa
erreicht worden ist, in einem Moment wieder ins Muladhara zurückfallen
kann! Erst wenn man in Samadhi fest verwurzelt ist, wenn man Kaivalya
erlangt hat, kann und wird die Kundalini nicht mehr fallen.
Das Erwachen der Kundalini Shakti, ihre Vereinigung mit
Shiva, der Genuß des Nektars und andere Funktionen des Kundalini
Yoga, die in den Yoga Shastras beschrieben werden, werden falsch interpretiert
und von vielen wörtlich verstanden. Männer halten sich für
Shiva und meinen, die Frauen wären Shakti, und daß bloße
sexuelle Vereinigung das Ziel des Kundalini Yoga sei. Das ist natürlich
Unsinn. Diese Art der Vereinigung ist keinesfalls Kundalini Yoga.
Manche törichte junge Männer und Frauen machen ein paar Tagelang
ein, zwei Asanas, Mudras und auch ein wenig Pranayama, so, wie es ihnen
angenehm ist, und stellen sich vor, die Kundalini sei bis zu ihrem Hals
gelangt. Sie stellen sich als große Yogis dar. Sie sind bedauernswerte
Seelen, die sich selbst täuschen.
Manche Yogaschüler fragen mich: “Wie lange muß
man Shirshasana, Paschimottanasana, Kumbhaka oder Maha Mudra praktizieren,
um die Kundalini zu erwecken? Keine Yogaschrift spricht über diesen
Punkt.”
Ein Schüler beginnt sein Sadhana an dem Punkt oder in der Phase,
wo er es in seiner letzten Geburt verlassen hat. Daher kommt es völlig
auf den Grad der Reinheit an, auf den Entwicklungsstand, das Ausmaß
der Reinheit der Nadis und der Pranamaya Kosha und vor allem den Grad
von Vairagya und Sehnsucht nach Befreiung. Nur Yoga Kriyas alleine helfen
nicht viel. Reinigung des Herzens ist sehr notwendig.
Mache Selbstanalyse und entwurzle Deine Fehler und schlechten Angewohnheiten. Bereinige Deine Fehler wie Selbstsucht, Stolz, Eifersucht, Haß usw. Entwickle Dein Herz. Teile das, was Du hast, mit anderen. Übe selbstlosen Dienst. Dann wirst Du zu Reinheit des Geistes gelangen.
Heutzue vernachlässigen Aspiranten diese Dinge und
machen nur Yoga-Übungen, um Siddhis zu bekommen. Das ist ein gewichtiger
himalajagroßer Irrtum. Früher oder später erleben sie
dann große Rückschläge.
Ich rate: mache Dir nicht zuviel Gedanken um Siddhis oder ein rasches
Erwecken der Kundalini. Entwickle Hingabe zu Gott. Habe vollkommenes
Vertrauen zu Ihm. Entwickle den Geist des Dienstes an der Menschheit.
Die Kundalini wird von selbst erwachen.
Das Erwecken der Kundalini ist nicht so einfach, wie man meinen könnte.
Es ist äußerst schwierig. Wenn alle Wünsche verschwinden,
wenn der Geist absolut rein wird, wenn alle Sinne bezwungen sind, wenn
Du Einpünktigkeit des Geistes in einem erwünschten Ausmaß
erlangst, und wenn alle Gedanken des Egoimus und des ‘Mein’ dahinschmelzen,
wird die Kundalini von selbst erwachen. Nur dann ist das Erwachen der
Kundalini auch nutzbringend.
Ein vorzeitiges Erwecken ist nicht wünschenswert.
Der Aspirant, der die Kundalini ohne die nötigen geistigen und
spirituellen Vorbereitungen erweckt hat, wird nicht viel Nutzen davon
haben. Es kann all den Nutzen, den das Erwachen der Kundalini bringt,
weder spüren noch zeigen.
Nur die Frucht, der es gestattet ist, am Baum zu reifen, wird gut schmecken.
Aber das dauert lange. Das beste Holz kommt von den Bäumen, die
am langsamsten wachsen. Genauso wird der Aspirant, der geduldig und
über eine lange Zeit hin mit Ausdauer und Eifer intensives Sadhana
übt, der trotz verschiedenster Hindernisse auf seinem Weg hartnäckig
bei den spirituellen Praktiken bleibt, der seine Fehler und Schwächen
eingesteht und versucht, sie mit den geeigneten Mitteln zu beseitigen,
in der Lage sein, seine Kundalini zu erwecken und ein dynamischer und
vollkommener Yogi werden.
Oh rührende, begeisterte, junge Aspiranten! Haltet
nicht die Bewegungen von rheumatischen Winden im Rücken, die von
einem chronischen Lumbago kommen, für das Aufsteigen der Kundalini.
Mache Dein Sadhana mit Geduld und Ausdauer, bis Du Samadhi erreichst.
Beherrsche jede Phase im Yoga. Mache keine schwierigeren Kurse, bevor
Du nicht die niederen Schritte vollständig beherrschst.
Sorgt Euch nicht. Seid nicht beunruhigt, meine lieben Freunde, Brüder
und Schwestern! Ein strahlender wartet darauf, für Euch anzubrechen.
Ihr werdet voller Kraft erstrahlen, ja, Ihr werdet Gott Selbst werden.
Lacht über alle Sorgen und Hindernisse und haltet die Augen alle
vierundzwanzig Stunden lang auf die Kundalini Shakti gerichtet. Macht,
was Ihr könnt, um sie zum Aufsteigen zu bringen. Wenn man Euch
Reinigung verordnet, müßt Ihr Euch reinigen. Welche Alternative
gäbe es? Daher reinigt Euch.