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(05.01.2005 )

Der Om-Effekt

Meditation schaltet das Gehirn nicht etwa ab – im Gegenteil: Sie regt unser Denkorgan dauerhaft an Von Bas Kast

Die acht Mönche, Meister der Meditation, gehören zum engsten Kreis des Dalai Lama. Für gewöhnlich verlassen sie das Kloster nur selten. Jetzt haben sie eine Ausnahme gemacht und sich an ein neues, zehn Millionen Dollar teures Labor für Hirnforschung an der Universität Madison-Wisconsin begeben, in das Labor von Richard Davidson. Der US-Wissenschaftler untersucht, wie sich das Gehirn der Mönche von der grauen Masse Normalsterblicher unterscheidet. Erster Befund: Meditation geht mit tief greifenden Veränderungen des Gehirns einher.

Bereits bei einem Probeversuch vor einigen Jahren machte Davidson eine erstaunliche Entdeckung. Damals hatte er den Abt eines Klosters in Indien in sein High-Tech-Labor einfliegen lassen und mit Messfühlern am Schädel dessen Hirnwellen (EEG, Elektroenzephalogramm) angezapft. Der Mann hatte über 10000 Stunden Meditation hinter sich. Nie zuvor in zwei Jahrzehnten Forschung hatte Davidson bei einem Menschen eine so hohe Aktivität im linken Stirnhirn gemessen. Aus anderen Versuchen weiß man, dass eine solche Erregung mit guten Gefühlen einhergeht. Wie es scheint, hält das linke Stirnhirn negative Emotionen in Schach – und hebt so unsere Stimmung. „Glück ist eine Fertigkeit, die sich lernen lässt, ähnlich wie ein Musikinstrument oder eine Sportart“, sagt Davidson. „Wenn Sie üben, werden Sie immer besser.“

Einige der Mönche, die der Hirnforscher nun näher unter die Lupe genommen hat, meditieren bereits seit 40 Jahren täglich – manche kommen auf ein Pensum von insgesamt 50000 Stunden. Davidson legte ihnen eine leichte Kappe auf den Kopf, bestückt mit 256 elektrischen Messfühlern. So registrierte er die Hirnwellen der Mönche, während diese sich in den Zustand des „vorbehaltlosen Mitgefühls“ versetzten – einer Form der Meditation, bei der man zur bedingungslosen Bereitschaft gelangt, seinen Mitmenschen zu helfen. Zum Vergleich bat Davidson eine Gruppe von Meditationsanfängern das Gleiche zu tun.

Zwischen den beiden Gruppen ergaben sich gravierende Unterschiede. Insbesondere ließ sich bei den Meditationsmeistern eine stark erhöhte Gamma-Aktivität beobachten. „Ein erstaunliches Resultat“, wie die Hirnforscherin Petra Ritter vom Berliner Neuroimaging Center kommentiert. „Hirnwellen dieses Frequensbereichs gehen normalerweise mit einer hohen geistigen Aktivität einher.“ Die Meditation schaltete die graue Masse der Mönche nicht etwa ab, sondern im Gegenteil: Sie regte das Hirn zu höchster Aufmerksamkeit an.

Je nach Zustand, in dem wir uns befinden, lassen sich Hirnwellen unterschiedlicher Frequenzen messen. Dämmern wir entspannt, mit geschlossenen Augen vor uns hin, tauchen Alpha-Wellen mit einer Frequenz von etwa zehn Hertz auf. Das Gehirn ist zwar nicht abgeschaltet – aber es ruht. Sobald wir uns konzentrieren müssen, geht unser Denkorgan in einen anderen Zustand über. Nun zeigen sich Wellen in einem Frequenzbereich von über 30 Hertz, die Gamma-Wellen. „Obwohl diese Hirnwellen seit Jahrzehnten untersucht werden, wissen wir immer noch nicht genau, was sie im Einzelnen bedeuten“, sagt Ritter. Versuche jedoch legen nahe, dass Gamma-Aktivität mit einem Konzentrationsschub einhergeht.

Manche Wissenschaftler sehen in den geheimnisvollen Wellen sogar ein elektrisches Korrelat des Bewusstseins. Wenn wir etwas wahrnehmen, etwa ein fahrendes, gelbes Taxi, dann werden die unterschiedlichen Aspekte des Taxis in verschiedenen Hirnarealen verarbeitet – ein Areal übernimmt die gelbe Farbe, ein anderes die Bewegung, wieder ein anderes kodiert die Form des Taxis. Erstaunlicherweise gibt es kein Hirngebiet, in dem alle diese Informationen zu dem fahrenden, gelben Taxi verschmelzen, das wir sehen. Wenn es also keinen Ort gibt, an dem die Informationen zu einem Ganzen integriert werden, dann ist das bindende Element vielleicht die Zeit: Sobald das Hirnareal, das die Farbe gelb kodiert mit der gleichen Frequenz „schwingt“ wie das Teil, welches die Bewegung des Taxis verarbeitet, könnten die beiden Eigenschaften vor dem geistigen Auge zu einem Bild zusammengeschnürt werden. Experimente deuten darauf hin, dass sich die synchrone Aktivität bei bewusster Wahrnehmung tatsächlich einstellt – und sie liegt im Gamma-Bereich.

Wie Meditation unsere Aufmerksamkeit fokussiert und das Bewusstsein ändert, ist noch unklar. Aber sie tut dies offenbar nicht nur kurzfristig, sondern dauerhaft. So hatte sich bei den Mönchen bereits eine leicht erhöhte Gamma-Aktivität gezeigt, bevor sie überhaupt mit der Meditation begonnen hatten – der Om-Effekt ist allgegenwärtig.

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