Swami Sivananda

Zerstörung des Ego

78.  Verneine dein Ego; negiere dein Getrenntsein; lösche dich aus; ertrage Schmerz und opfere Freude.
79.  Negiere deine Wünsche; du verlangst nach vielen Bechern Gift. Du bist eine Motte, die ins Feuer fällt und meint, es sei angenehm. Du bist ein Kind, das in den Brunnen fällt.
80.  Sei demütig, lösche dich aus, wenn du LEBEN möchtest.
81.  Schande über den Menschen der nichts hat als trockenen Verstand! Er kann Unehrlichkeit und Schurkerei nicht vermeiden. Er täuscht sich selbst und ist mit dauerndem Leid vermählt. Er ist weit entfernt vom Wahren. Er hat die Sünde geheiratet.
82.  Wirf deine Bildung weg, Oh Korb der Eitelkeit. Gib alles auf, was dir lieb ist und sieh das Licht in dir.
83.  Das Ego zerspringt in Unendlichkeit oder versinkt im Nichts. Das sind die beiden Wege, auf denen sich das Ego vollständig verliert.
84.  Verwirklichung des höchsten Zustandes kann nur entstehen, wenn man ehrlich und aufrichtig im praktischen Sadhana ist. Je geringer die Bindung an das Ego und je größer die Loslösung vom objektiven Bewußtsein ist, desto rascher erfolgt die Verwirklichung des Absoluten.
85.  Je mehr das Ichbewußtsein unterdrückt wird, desto näher sind wir der Ewigkeit. Das zerstörte Ego wird durch die Offenbarung der absoluten Wirklichkeit ersetzt.

 

Inneres Sadhana

86.  Je mehr du die Welt aufgibst, desto voller wirst du, und desto näher bist du der absoluten Freiheit.
87.  Das Selbst allein ist lieb. Wenn etwas anderes lieb ist, wird es zweifellos bald vergehen.
88.  Wenn du alles sehen möchtest, nimm die Augen des Bewußtseins heraus. Wenn du überall hin willst, brich die Beine des Bewußtseins. Wenn du alles ergreifen willst, schneide die Hände des Bewußtseins ab. Wenn du alles werden willst, töte das Bewußtsein. Wenn du unsterblich werden willst, erschlage das Bewußtsein mit der Axt der Weisheit.  Wenn du das Ganze bekommst, hängst du nicht am Teil.
89. Klammere dich leidenschaftlich an das unendliche Wesen; nichts wird dir fehlen; du wirst bis zum Rande erfüllt sein.
90.  Schließe alle Türen der Sinne; sitze im Raum des Herzens; meditiere über die glorreiche Wahrheit.  Ertrinke und löse dich im Ozean dieser Wahrheit auf.
91.  Je mehr wir uns der Wahrheit nähern, desto glücklicher werden wir, denn die eigentliche Natur der Wahrheit ist positive absolute Wonne.
92.  Liebe zu etwas Einzelnem muß abgelegt und Liebe zum unendlichen Ganzen entwickelt werden. Es ist nicht möglich, an der Freude der Vollheit des Seins teilzuhaben in einem Anschein davon, der sich in einem Punkt des Raumes zu reflektieren scheint. Verhaftung an das einzelne beraubt uns Menschen der Intelligenz; Liebe zum Absoluten läßt uns die unsterbliche Essenz trinken, wonach es keine Sorge und kein Weinen mehr gibt.
93. Das Kind wird nicht aufhören zu jammern und Tränen zu vergießen, solange es nicht von der Mutterbrust trinkt. Genauso, Oh Freude meiner Seele! kann ich nicht aufhören, Sorgentränen zu vergießen in dieser Wüste brennenden Sands, solange ich nicht deine Milch unsterblicher Süße gekostet habe.
94.  Der Sieg wird nicht durch Gewalt und Tapferkeit erlangt, sondern durch Wahrheit, Barmherzigkeit, Frömmigkeit und Rechtschaffenheit.
95. Sattva ist Licht und Reinheit; Rajas ist Aktivität und Leidenschaft; Tamas ist Dunkelheit und Trägheit.
96.  Zurschaustellung von Fähigkeiten bringt körperliche Bequemlichkeit durch Berührung mit Objekten, steigert das Ego und stärkt den Sinn für Individualität. Diese Annehmlichkeiten stellen ein gewaltiges Hindernis für das höhere Streben der Seele dar. Deshalb nütze man seine Weisheit zum Zweck der inneren Meditation und für spirituelle Ziele und niemals für äußeres Streben in der Welt. Schande über die Weisheit, die dazu benutzt wird, um das Ego zu erfreuen! Wahre Weisheit ist diejenige, die die Tür zum unsterblichen Leben öffnet!
97.  Unsere Fähigkeit, unsere Großartigkeit, unser Ruhm und unsere Ehre, unsere Wünsche und Ambitionen müssen in der Welt des ewigen Absoluten verbreitet werden, nicht in dieser Welt der Sterblichen, nicht einmal in der Welt der Götter! Solche Versuchungen müssen erkannt und in eine Kraft verwandelt werden, die die innere Essenz des Lebens offenbart!
98.  Es ist ein Jammer, die Menschen zu sehen, die, bevor sie in die Tiefen des Geistes eintauchen, denken, daß sie geboren wurden, um der Welt zu helfen. Sie meinen, sie könnten den Himmel auf die Erde bringen, anstatt das Bewußtsein in höhere Zustände zu erheben. Sie haben kein Verlangen nach Weisheit. Sie sind irregeführt.
99.  Dienen, das „selbst-los“ ist, bringt den Menschen der Einheit näher, und der größte Dienst ist die wahrhaft „selbstlose“, jedoch „Selbsterfüllte“, Vereinigung der Seele mit der einen Masse des Bewußtseins.
100. Ein Körper kann einem anderen dienen. Ein Geist kann einem anderen Geist dienen. Aber ein Atman kann nicht einem anderen Atman dienen, denn Atman ist eins. Wenn der Atman die Gemeinsamkeit allen Seins mit seinem Selbst verwirklicht, ist das der größte Dienst, den ein Individuum leisten kann. Wenn diese Seele in der universellen Seele verschmilzt, ist das der größte Dienst, den dieser Mensch der Welt leistet. Selbstverwirklichung ist Dienen, Gebet, Gottesdienst, und all das ist gut. Sonst nichts.
101. Man trage den Panzer der Weisheit, wenn man das Schlachtfeld des Lebens betritt. Man schütze sich mit dem Schild der Unterscheidung und erschlage den Feind der Unwissenheit mit dem Schwert der Erfahrung.
102. Kopf und Herz müssen sich treffen, bevor die absolute Wahrheit verwirklicht wird. Der ganze Mensch muß verwandelt werden, nicht nur ein Aspekt von ihm.
103. Die größte Beleidigung, die man angesichts geachteter Menschen erfährt, ist der Beginn von Vollkommenheit. Der größte Schmerz, der größte Kummer und die größte Sorge sind der Beginn von Heiligkeit.
104. Versuche, öfter beleidigt zu werden. Wenn die Menschen denken, du seist gut, lasse sie fühlen, daß du ein Schurke bist, und entledige dich so ihrer Liebe zu dir. Die ganze Welt muß sich gegen dich richten. Nur dann wirst du Erfolg haben. Die ganze Welt muß dich im Stich lassen und verstoßen. Kein irdisches Glück kann wahre Verwirklichung bringen. Jeder muß dich hassen. Nur dann wird die Seele geschult.  Es darf keine Hilfe aus der Welt der Sterblichen geben.
105. Möge man mit Schande überschüttet werden! Man halte dennoch am Ideal fest. Man bleibe beim höchsten Ideal von Vedanta, sogar am Rande des Verhängnisses.
106. Die Zeit, die es braucht, um etwas Gewünschtes zu bekommen, ist proportional zur Intensität des Gefühls der Identifikation der Person mit dem unendlichen Absoluten. Jemand, der fühlt, daß Dreiviertel der gesamten Existenz er selbst sind und ein Viertel nicht sein Wesen ist, verwirklicht ein Objekt rascher als jemand, der fühlt, daß nur die Hälfte der gesamten Existenz er selbst ist. Menschen, die fühlen, daß ihre individuellen Körper sie selbst sind, und daß alles andere im Universum etwas anderes ist als sie, können niemals glücklich leben. Der glücklichste Mensch ist also der, der seine Persönlichkeit in der Verwirklichung der Tatsache verloren hat, daß die gesamte Existenz sein eigenes Wesen ist, und daß es nichts zweites neben ihm gibt. Er ist der Unsterbliche, der Mächtige, der Wonnevolle, der Ozean wahrer Weisheit.
107. Brahmabhavana ist die Bemühung des Einzelnen seitens des subjektiven Egos, um den Zustand von Brahmanubhava, die absolute Erfahrung zu verwirklichen, seine Auflösung im Ewigen, Reinen, Vollkommenen, Allwissenden, Freien, Allkennenden, Alldurchdringenden, Allmächtigen, Friedvollen, Gesegneten, Nichtdualen, in der Masse ungeteilter Essenz von Sein-Wissen-Wonne, im Absoluten, das dies Alles ist; hier gibt es nichts anderes.
108. Höre auf zu planen, Oh Geist! Genug, genug der Sehnsüchte von Körper und Verstand. Nutze jede Minute, die dir zur Verfügung steht. Die Zeit ist eine Ratte, die langsam den Faden der Zeit durchbeißt. Er kann jeden Augenblick reißen. Glaube nicht, daß du leben wirst, um die Dinge des Lebens zu genießen. Jederzeit kann der Tod seine eisigen Hände auf diesen Körper legen und ihn zerstören. Halte an keinen Objekten der Welt fest. Wünsche keinen Ruhm im Leben. Plane nicht, deinen Namen in der Welt unsterblich zu machen, damit du ihn nicht im Vakuum unsterblich machst. Sprich nicht zu Menschen, damit du nicht zum Himmel sprichst. Schlage nicht den Raum in der Meinung, es wäre eine Trommel. Beende die Vorstellung. Höre auf zu planen.
109. Es ist unmöglich, endliche Freude und unendliche Zufriedenheit gleichzeitig zu haben. Wo das eine ist, ist das andere nicht. Das Sterbliche und das Unsterbliche sind die größten Widersprüche.
110. Zu sagen: „Ich bin das Unendliche.“, ist nicht Abhimana. Zu fühlen: „Ich bin das Ewige.“, ist nicht Ego. Solches Abhimana, solches Ichdenken ist für die höchste Verwirklichung notwendig.
111. Herr! Können Sie mir sagen, wie ich vollkommenen Frieden erlangen kann? Schließe alle Fenster und Türen und schlafe in der innersten Kammer.
112. Der Geist des wahren Philosophen ist wie ein leuchtender Kristall. Er ist fähig, das Wesen der Wirklichkeit unmittelbar zu verstehen. In dem Augenblick, in dem sich ein solcher Mensch zur Meditation setzt, fliegt sein Geist in die Tiefen des Seins. Er wird kein Umherschwanken des Geistes und nichts Störendes erleben, denn sein Geist ist bereits gereinigt durch das Feuer philosophischen Denkens.
113. Man muß entweder einen scharfen Intellekt besitzen, um die metaphysische Wahrheit zu erfassen, oder intensiven Glauben und Hingabe an die einzige Wirklichkeit. Wenn diese beide Qualitäten in einem Menschen fehlen, kann er den spirituellen Weg nicht gehen.
114. Im Jnana Sadhana (Vedanta oder Advaita) gibt es keine „Meditation auf ein Objekt“. Es gibt nur intellektuelle Analyse, Innenschau und eindeutiges Verstehen, mit dem Ziel der Zerstörung des Ego und der Vernichtung des Intellekts selbst. Es beginnt mit dem Intellekt und endet mit der Zerstörung desselben, was der Erfahrung Platz macht, unmittelbar und direkt, wobei die Beziehung von Subjekt-Objekt transzendiert wird. Wenn es nichts gibt wie Omkara oder etwas Ähnliches im Jnana Sadhana, der metaphysischen Praxis, gibt es keine Handhabung von Wort oder Klang im tatsächlichen Advaita. Es gibt nur Ringen mit der Essenz des Seins durch Überlegung und Schlußfolgerung.
115. Das Aussprechen des Wortes „OM“ schließt alle Prozesse von Klangproduktion und Wortbildung ein. Daher heißt es, dieses Wortsymbol ist der höchste Ausdruck des Klanges und die Basis aller Sprachen, auch der Veden! Alle Worte und alle Sprachen sind also aus dem ewigen „OM“ entstanden.
116. Die höchste Freiheit erhebt den größten Anspruch, die vollste Erfahrung fordert den höchsten Preis. Das Liebste und Schönste auf der Welt muß hingegeben und das Süßeste verlassen werden, um der Freude der Seele willen.
117. Es stellt sich heraus, daß das wertvollste Objekt unserer Liebe der Preis ist, den der unsterbliche Ladenbesitzer für den Verkauf der Wonne von Ewigkeit und Unendlichkeit verlangt. Wir selbst, unser getrenntes Sein, müssen aufgegeben werden, um die Freude des unsterblichen Geistes zu erlangen!
118. Liebe wird verdorben, wenn sie sich auf ein räumlich begrenztes Objekt richtet. Liebe nur das Grenzenlose, das Unendliche.
119. Mögest du das ungeheure Verlangen nach Eingliederung besitzen, das lodernde Feuer der Liebe zu Bhuma! Nur dann wirst du gerettet!

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