Swami Sivananda

Innere Yoga Disziplin

I

Yoga ist Schulung von Geist, Sinnen und physischem Körper. Yoga trägt zu Koordination und Kontrolle der subtilen Kräfte im Körper bei. Yoga führt zu Vollkommenheit, Frieden und immerwährendem Glück. Yoga kann im Berufsleben und im Alltag hilfreich sein. Durch Yogapraxis ist es möglich, jederzeit Ruhe im Geist zu finden. Der Schlaf kann erholsam sein. Man kann mehr Energie, Kraft, Vitalität, Langlebigkeit und ein hohes Niveau an Gesundheit besitzen. In einem kurzen Zeitraum kann sehr effiziente Arbeit geleistet werden. Man kann in jedem Lebensbereich erfolgreich sein. Yoga schenkt neue Kraft, Vertrauen und Selbstsicherheit. Durch Yoga kann vollständige Kontrolle über Geist, Leidenschaften, Gefühle, Impulse, Launen, Zunge, usw. erlangt werden. Körper und Geist gehorchen dem kleinsten Zeichen.
Gottesbewußtsein oder Gemeinschaft mit dem Herrn ist der Höhepunkt der ethisch religiösen Yogadisziplin. Dies wird begleitet von einem bemerkenswerten Gefühl von Freiheit und moralischer Erhebung als Folge des Zusammenbrechens des falschen illusionären klei  ( Weiche zehn oder zwölf Mandeln über Nacht in kaltem Wasser ein. Schäle sie am nächsten Morgen und iß sie mit Kandiszucker.)und moralischer Erhebung als Folge des Zusammenbrechens des falschen illusionären kleinen „Ich“. Der Yogi besitzt nun alle göttlichen Kräfte. Er genießt ungetrübte ewige Wonne.
Duldungsfähigkeit ist eine Tugend, die ein Yogi, ein Jnani und ein Bhakta besitzen muß. Der Suchende muß sich vielen Härten und Entbehrungen stellen, wenn er erfolgreich Yoga praktizieren möchte. Titiksha entwickelt Willenskraft. Darum sagt Sri Krishna zu Arjuna: „Die Kontakte mit der Materie, Oh Sohn Kuntis! die heiß und kalt, Freude und Schmerz entstehen lassen, kommen und gehen, sind unbeständig, ertrage sie tapfer, Oh Bharata! Der Mensch, den sie nicht quälen, Oh Erster der Menschen, der in Schmerz und Freude ausgeglichen und standhaft ist, ist bereit für die Unsterblichkeit.“ (Bhagavad Gita, Kap.II, 14, 15).
Moralische Vortrefflichkeit und ethische Vollendung sind jedoch nicht das letzte Ziel des Yogi. Sie sind nur ein Mittel, um das Ziel des Lebens zu erreichen. Ethische Entwicklung ist schwieriger als das Erlangen intellektueller Größe, denn die Wahrheit kann nur von dem Yogi erfaßt werden, dessen Herz rein und makellos ist.
Die wesentlichsten Voraussetzungen für ein moralisches Leben sind Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, Mitgefühl, Demut, Respekt vor dem Leben bzw. zarte Rücksichtnahme auf jedes atmende Geschöpf, absolute Selbstlosigkeit, Wahrhaftigkeit, Zölibat, Nichtbegehrlichkeit, Fehlen von Eitelkeit und Heuchelei und kosmische Liebe.
Der Yogaschüler muß Mäßigung in seiner Ernährung pflegen. Er vermeide Faulheit, Bequemlichkeit, Behäbigkeit und zuviel Schlaf. Er schweige, und um einer guten Verdauung willen faste er gelegentlich leicht. Er entwickle gute Gewohnheiten. Er halte jeden Ehrgeiz und die Gegenströmungen weltlicher Wünsche durch Analyse, Nachdenken und Unterscheidung im Zaum. Er sage dem täuschenden Geist: „Oh Geist! Ich kenne deine Tricks. Ich verfüge jetzt über Leidenschaftslosigkeit und Unterscheidung. Wedle jetzt nicht mit dem Schwanz. Ich werde ihn an der Wurzel abtrennen. Ich habe viele Lektionen gelernt. Nur Unwissenheit bringt den Menschen dazu, vergänglichen Gewinn dauerhaftem Nutzen vorzuziehen. Ich möchte nicht wieder diese Sinnenfreuden. Sie sind für mich wie Erbrochenes. Ich habe beschlossen, die freien, immerwährenden Früchte von Yoga zu erlangen, nämlich immerwährenden Frieden, unendliche Wonne und höchste Freude.“
Yoga vertritt die völlige Verhaftungslosigkeit gegenüber weltlichen Interessen, um ununterbrochene Meditation zu praktizieren. Meditation über das innere Licht des Herzens oder etwas Angenehmes wird empfohlen. Es heißt, man müsse sich zum Zweck der Praxis fortgesetzter Meditation von den normalen Angelegenheiten des Lebens zurückziehen. Yoga kann auch zu Hause praktiziert werden, wenn das Leben sehr geordnet ist.
Ein Yogi behauptet, er könne durch Beherrschung der Leidenschaften und Gelüste und durch die Praxis von Yama und Niyama und Samyama (die gleichzeitige Praxis von Konzentration, Meditation und Samadhi) außergewöhnliche Kräfte und Erkenntnis erlangen. Patanjali Maharishi, der Autor der Yoga Sutras, warnt die Schüler ganz klar, sich nicht von den Versuchung der Kräfte mitreißen zu lassen. Die Götter selbst führen den nicht achtsamen Schüler in Versuchung, indem sie ihm eine Position anbieten, die der ihren gleichkommt. Schüler suchen mehr die Siddhis als die Wahrheit, trotz dieser deutlichen Warnung.
Der Wunsch nach Macht hat die Wirkung von Luftstößen, die das wohlgehütete Licht des Yoga ausblasen könnten. Jede Nachlässigkeit darin, sie zu speisen, aus Sorglosigkeit oder Selbstsucht nach Siddhis wird das kleine spirituelle Licht ausblasen, das der Yogi nach soviel Kämpfen entzündet hat, und wird ihn in die tiefe Schlucht der Unwissenheit hinabreißen. Er kann nicht wieder zu der ursprünglichen Höhe aufsteigen, die er auf dem Hügel des Yoga erklommen hatte. Versuchungen warten einfach wie Geier, um den unachtsamen Schüler zu überwältigen. Versuchungen der astralen, geistigen und Gandharva Welten sind stärker als irdische Versuchungen.
Erfolg im Yoga ist nur möglich, wenn der Schüler tiefe und beständige Meditation übt. Er muß jederzeit Selbstbeherrschung üben, denn ganz plötzlich könnten die Sinne ungestüm werden. Darum rät Sri Krishna Arjuna: „Oh Sohn Kuntis! Die aufgewühlte Sinne reißen sogar den Geist eines Weisen mit, obwohl er sich sehr bemüht. Wenn der Geist den so wandernden Sinnen nachgibt, vertreiben sie im Nu jedes Verstehen, so wie der Sturm ein Schiff  auf dem Wasser dahinpeitscht.“ (Bhagavad Gita, Kap.II, 60, 67).
Sehr oft stellen sich dem Yogi diverse Hindernisse in den Weg. Enttäuschung, Verzweiflung, Krankheit, Depression, Zweifel, Unentschlossenheit, Mangel an körperlicher und geistiger Energie, Trägheit, Unbeständigkeit, Sehnsucht nach Sinnesobjekten und Fehler sind Stolpersteine. Er darf nicht den Mut verlieren. Patanjali Maharshi schreibt Eka-Tattwabhyasa vor, die Praxis von Konzentration auf ein Objekt, um sie zu überwinden. Das gibt ihm Beständigkeit und Kraft. Weiters befürwortet er Freundschaft unter Gleichgestellten, Barmherzigkeit gegenüber Unterstellten, Selbstzufriedenheit gegenüber Höherrangigen und Unberührtheit gegenüber schlechten Menschen. Diese Übung läßt geistigen Frieden und Gemütsruhe entstehen und zerstört Haß, Eifersucht, usw. Ein neues Leben wird in ihm aufdämmern, wenn er diese Tugenden pflegt. Ausdauer ist notwendig. Das ist der Schlüsselpunkt im Yoga. Der Yogi wird reich belohnt, wenn er volle Beherrschung des Geistes erlangt. Er genießt die höchste Wonne von Asamprajnata Samadhi.

II

Bewahre stets Ausgewogenheit des Geistes. Das ist eine sehr wichtige Praxis. Das ist zweifellos eine schwierige Praxis, sie muß aber um jeden Preis getan werden. Nur dann kannst du wirklich glücklich sein. Nur dann alleine kannst du wirklichen geistigen Frieden genießen. Den Geist in Freude und Schmerz, Hitze und Kälte, Gewinn und Verlust, Erfolg und Mißerfolg, Lob und Tadel und Ehre und Schmach ausgewogen zu halten, ist Weisheit. Diese Praxis ist in der Tat eine anstrengende Disziplin, aber sie bringt innere spirituelle Kraft. Wer in der Lage ist, jederzeit unter allen Umständen, selbst bei äußerster Provokation geistige Ausgewogenheit zu bewahren, ist ein überaus mächtiger Mensch auf der Erde. Er verdient Verehrung. Er ist der reichste Mensch, auch wenn er in Lumpen gekleidet ist, und obwohl er nichts zu essen hat. Er ist der stärkste Mensch, auch wenn sein physisches Äußeres in beklagenswertem Zustand ist. Weltliche Menschen verlieren das Gleichgewicht schon aus geringstem Anlaß. Sie sind gereizt und geraten leicht in Zorn. Energie geht verloren, wenn man in Zorn gerät. Ein reizbarer Mensch ist ein sehr schwacher Mensch, auch wenn er über ungeheure körperliche Kraft und einen feinen, muskulösen und wohlgeformten Körper verfügt. Wer geistige Ausgewogenheit zu praktizieren wünscht, muß Unterscheidung entwickeln und Enthaltsamkeit und Meditation praktizieren. Wer seine sexuelle Energie stark verschwendet hat, wird sehr häufig gereizt sein.
Gereiztheit zeigt sich als Zornausbruch bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Man muß sehr sorgfältig sein. Die Reizbarkeit muß im Keim erstickt werden. Lasse sie nicht die Gestalt einer großen Zornwelle annehmen. Jedesmal, wenn du irgendeiner Leidenschaft zum Opfer fällst, wird es wieder etwas schwieriger, dem nächsten Angriff zu widerstehen; im Gegenteil, wenn es dir gelingt, sie zu überwinden, wird es dir sehr leicht fallen, das nächste Mal über sie zu triumphieren. Das ist ein unumstößliches Naturgesetz.
Der Zornanfall geht vorbei, läßt jedoch einen deutlichen Eindruck im Astralkörper zurück. Der Mensch ist für weitere Angriffe von Reizbarkeit immer anfälliger. Jeder Wutausbruch steigert die Zornbereitschaft und die Möglichkeit der Reizbarkeit. Der Astralkörper reagiert rascher als zuvor auf diese unangenehmen Wutausbrüche. Der Mensch verliert völlig die Selbstbeherrschung. Jeden Augenblick kann er irgendein abscheuliches Verbrechen begehen. Er begeht vielleicht einen Mord oder eine andere abscheuliche Grausamkeit. Er verschmutzt die Gedankenwelt und verletzt jeden in seiner Umgebung durch seine üblen Schwingungen. Es ist also die Pflicht jedes Menschen, größte Sorge dafür zu tragen, diese Zornausbrüche zu vermeiden. Er muß vorsichtig sein, wenn er mit anderen Kontakt hat und spricht.
Die Sinne sind Feinde. Sie ziehen nach außen und stören den geistigen Frieden. Halte dich von ihnen fern. Unterwirf sie. Halte sie zurück. Zügle sie wie ein widerspenstiges Pferd. Disziplin der Sinne gibt spirituelle Kraft und geistigen Frieden. Disziplin der Sinne kann nicht an einem einzigen Tag erreicht werden. Sie erfordert fortwährende und geduldige Praxis über eine sehr lange Zeit hinweg. Sinneskontrolle ist tatsächlich Geisteskontrolle. Alle zehn Indriyas müssen beherrscht werden. Hungere sie aus. Gib ihnen nicht das, was sie wollen. Dann werden sie langsam schwächer werden. Sie werden deinen Befehlen aufs Wort gehorchen. Weltliche Menschen sind bloße Sklaven ihrer Indriyas, auch wenn sie gebildet sind, auch wenn sie großen Reichtum besitzen oder über richterliche und vollstreckende Macht verfügen. Wenn du Sklave des Fleischgenußes bist, beginne Kontrolle über die Zunge auszuüben, indem du sechs Monate lang kein Fleisch ißt. Du wirst bewußt spüren, daß du ein wenig Herrschaft über dieses lästige Indriya gewonnen hast, das früher einmal so rebellisch war.
Sei vorsichtig, wachsam und umsichtig. Beobachte Geist und Vrittis. Jesus sagt: „Wacht und betet.“ Den Geist zu beobachten ist Innenschau. Einer unter einer Million übt diese nutzbringende, die Seele erhebende Praxis oder Disziplin. Die Menschen sind in Weltlichkeit versunken. Sie laufen hinter Geld und Frauen her. Sie haben keine Zeit, um an die Seele oder höhere spirituelle Dinge zu denken. Die Sonne geht auf, und der Geist läuft in seine alten gewohnten sinnlichen Furchen von essen, trinken, sich vergnügen und schlafen. Der Tag ist vergangen. So vergeht das ganze Leben. Es gibt keine moralische Entwicklung, keinen spirituellen Fortschritt. Die sogenannten gebildeten, kultivierten Menschen haben keine Ahnung von Innenschau. Sie entwickeln nur ihren Intellekt, verdienen ein bißchen Geld, haben eine Position oder Stellung inne, bekommen ein paar unnützen und leere Titel und Ehren und treten dann von der Bühne ab, ohne Selbsterkenntnis oder das Ziel des Lebens erreicht zu haben. Ist das nicht wirklich traurig? Ist das nicht überaus beklagenswert? Wer täglich Innenschau hält, kann seine Fehler ausfindig machen, sie durch geeignete Methoden ablegen und vollkommene Kontrolle über seinen Geist erlangen. Er kann den Eindringlingen - Lust, Ärger, Habgier, Täuschung und Stolz - den Eintritt in die Geistfabrik verwehren. Er kann göttliche Tugenden wie Barmherzigkeit, Vergebung, Reinheit, Mut, usw. entwickeln.
Tägliche Selbstanalyse und Selbstbefragung sind unverzichtbar. Nur dann kann der Yogaschüler seinen Mängeln vorbeugen und kann rasch spirituell wachsen. Was tut ein Gärtner? Er kümmert sich sehr sorgfältig um seine jungen Pflanzen. Täglich jätet er das Unkraut. Er bringt einen schönen starken Zaun um sie herum an. Er gießt sie täglich zur richtigen Zeit. Nur dann wachsen sie wunderbar und tragen bald Früchte. Genauso muß der Yogaschüler seine Schwächen durch tägliche Selbstanalyse feststellen und sie dann mit den entsprechenden Mitteln beseitigen. Wenn eine Methode versagt, muß er sich einer kombinierten Methode bedienen. Wenn Beten versagt, muß er Satsang, Pranayama, Meditation, Ernährungsregeln, Analyse, usw. anwenden. Er muß nicht nur die starken Wellen von Stolz, Heuchelei, Lust, Zorn, usw. zerstören, die sich an der Oberfläche des bewußten Geistes manifestieren, sondern auch ihre feinen Eindrücke, die in den Winkeln des unterbewußten Geistes lauern. Nur dann ist er vollkommen sicher. Diese feinen Eindrücke sind sehr gefährlich. Sie halten sich verborgen wie Diebe und greifen den Suchenden an, wenn er ein wenig sorglos ist, wenn er seine tägliche spirituelle Praxis ein wenig vernachlässigt, oder wenn er provoziert wird. Wenn sich diese Mängel selbst unter extremer Provokation bei wiederholten Gelegenheiten nicht zeigen, auch wenn man nicht tägliche Innenschau und Selbstanalyse übt, kann man sicher sein, daß auch die feinen Eindrücke getilgt sind. Nun ist man sicher. Die Praxis von Innenschau und Selbstanalyse erfordert Geduld, Ausdauer, klettenhafte Hartnäckigkeit, Einsatz, einen eisernen Willen, eiserne Entschlossenheit, einen feinen Verstand, Mut, usw. Aber der Ertrag wird von unschätzbarem Wert sein. Dieser Ertrag ist Unsterblichkeit, höchster Frieden und unendliche Wonne. Der Preis dafür ist sehr hoch. Daher murre nicht angesichts deiner täglichen Praxis. Setze den ganzen Geist, das ganze Herz, den ganzen Verstand und die ganze Seele ein. Nur dann ist rascher Erfolg möglich.
Jeder Suchende auf dem Pfad des Yoga muß versuchen, einen gelassenen Geist zu haben. Ein Suchender mit einem ruhelosen Geist kann nicht den geringsten Fortschritt im Yoga machen. Die erste Voraussetzung für einen Yogaschüler ist Gelassenheit des Geistes. Stille Meditation am Morgen, das Aufgeben von Wünschen, sattvige Ernährung, Sinneskontrolle und täglich eine Stunde Praxis von Mauna ebnen den Weg zu festem geistigen Frieden. Alle unnötigen gewohnheitsmäßigen Gedanken, Gefühle, Sorgen, Beunruhigungen, verwirrten Vorstellungen und diverse eingebildete Ängste müssen beseitigt werden. Nur dann wird der Geist friedvoll sein. Die Grundlage von Yoga kann dann gut und wirklich gelegt werden, wenn der Suchende in höchstem Maße Gelassenheit des Geistes besitzt. Nur ein ruhiger Geist kann die Wahrheit erfassen. Nur ein stiller Geist kann das göttliche Licht empfangen. Nur ein friedvoller Geist ist ein geeignetes Gefäß, um das spirituelle Licht zu beinhalten. Spirituelle Erfahrungen sind nur dann von Dauer, wenn der Geist ruhig ist. Ansonsten kommen und gehen sie.
Übe morgens nach dem Aufstehen Gebet, Japa und Meditation von 4.00 bis 6.00. Dann fasse den festen Vorsatz: „Ich werde heute enthaltsam sein. Ich werde heute die Wahrheit sprechen. Ich werde heute nicht die Gefühle anderer verletzen. Ich werde heute nicht in Zorn geraten.“ Beobachte den Geist. Habe einen eisernen Willen. Sei entschlossen. Du wirst an dem Tag ganz sicher erfolgreich sein. Dann kannst du das Gelübde auf die ganze Woche ausdehnen. Du wirst allmählich Kraft entwickeln. Deine Willenskraft wird sich steigern. Dann dehne das Gelübde auf den ganzen Monat aus. Auch wenn dir anfänglich Fehler unterlaufen, sei nicht unnötig beunruhigt. Fehler sind die besten Lehrer. Du wirst dieselben Fehler nicht noch einmal machen. Wenn du aufrichtig und ernsthaft bist, wird sich die göttliche Gnade auf dein Haupt herabsenken. Der Herr wird dir die Kraft geben, Schwierigkeiten und Problemen zu begegnen.
Wer den Geist kontrolliert hat, ist wirklich glücklich und frei. Körperliche Freiheit ist keine Freiheit. Wenn sich ein Mensch leicht von seinen Gefühlen und Impulsen hinreißen läßt, wenn er seinen Stimmungen, Sehnsüchten und Leidenschaften ausgeliefert ist, wie kann er dann wirklich glücklich sein? Er ist wie ein Boot ohne Ruder. Er wird hin und hergeschleudert wie ein Strohhalm im Fluß. Er lacht fünf Minuten und weint fünf Stunden. Was helfen ihm Frau, Sohn, Freunde, Geld, Ruhm, Titel und Macht, wenn er so von den Impulsen des Geistes beherrscht wird? Ein wahrer Held ist derjenige, der seinen Geist beherrscht. Es gibt ein Sprichwort: „Wer seinen Geist beherrscht, beherrscht die Welt.“ Der wahre Sieg ist der Sieg über den Geist. Nur dann kann wahre Freiheit genossen werden. Durch strenge Disziplin und selbstauferlegte Einschränkung müssen alle Wünsche, Gedanken, Impulse, Sehnsüchte, usw. beseitigt werden. Nur dann ist es möglich, sich aus der Knechtschaft des Geistes zu befreien. Übe keine Nachsicht mit dem Geist. Der Geist ist ein durchtriebener Wicht. Er muß mit drastischen Mitteln gezügelt werden. Nur dann ist es möglich, ein vollendeter Yogi zu werden. Geld kann keine Freiheit geben. Freiheit gibt es nicht auf dem Crawford Market zu kaufen! Sie ist ein seltener verborgener Schatz, der von einer fünfköpfigen Schlange bewacht wird. Solange die Schlange nicht getötet ist, kann man nicht an den Schatz kommen. Dieser Schatz ist der spirituelle Reichtum. Die Schlange ist der Geist. Die fünf Köpfe sind die fünf Sinne, die den Geist zischen lassen.
Ein rajasiger Geist möchte immer Neues. Er will Abwechslung. Er verabscheut Monotonie. Er liebt Ortswechsel, Abwechslung im Essen, kurz Veränderung in allem. Der Yogaschüler jedoch muß den Geist darin schulen, bei einer Sache zu bleiben. Er darf Monotonie nicht scheuen. Er muß äußerste Geduld, einen eisernen Willen und unermüdliche Ausdauer besitzen. Nur dann kann er im Yoga erfolgreich sein. Wer ständig etwas Neues will, ist ungeeignet für Yoga. Bleibe an einem Ort, bei einem Lehrer, einer Methode, einem Yogasystem. Nur dann ist rascher Fortschritt möglich. Es muß tatsächlich der Durst nach Gottverwirklichung vorhanden sein. Dann werden alle Hindernisse beseitigt. Nur dann kann man auf dem Yogaweg bleiben. Bloßes emotionales Übersprudeln aus zeitweiliger Neugier, oder um Kräfte und Siddhis zu erwerben, kann keine greifbaren Ergebnisse bringen.
Wenn Fortschritte in der Meditation gemacht wurden, kann man nicht von aufkommenden Gefühlen mitgerissen werden. Gelegentliche Reizbarkeit und unerwünschte Sehnsüchte unterschiedlichster Art zeigen sich vielleicht, man hat jedoch die Kraft, sie zu beherrschen oder zu unterdrücken. Man gibt ihnen nicht nach. Allmählich werden diese Sehnsüchte vollständig im Feuer der Meditation aufgezehrt.
Wenn du sorglos bist, wenn du in den Yoga Praktiken unregelmäßig bist, wenn die Leidenschaftslosigkeit schwächer wird, oder wenn das Sadhana aus Faulheit ein paar Tage aussetzt, werden dich die entgegengesetzten Kräfte vom wahren Yogaweg abbringen. Du wirst stranden. Es wird sehr schwierig sein, zum ursprünglichen Gipfel zurückzukehren. Sei also sehr regelmäßig in den Praktiken.
Der ruhelose Geist wird zum Schweigen gebracht, wenn die Bedürfnisse reduziert und die nutzlosen irdischen Wünsche vernichtet werden. Habe einen einzigen starken Wunsch nach Befreiung. Dann kann der Geist für höhere spirituelle Einflüsse geöffnet werden. Das göttliche Licht wird langsam herabkommen. Die innere Wandlung und spirituelle Erhebung wird tatsächlich fühlbar. Allmählich wird sich das persönliche Bewußtsein im kosmischen Bewußtsein auflösen, der individuelle Wille wird im göttlichen Willen oder kosmischen Willen aufgehen. Das ist der Zustand von Samadhi, der überbewußte Zustand. Der Mensch ist jetzt Gott geworden. Nach vielen Zeitaltern ist er zu seiner ursprünglichen Heimat, zum Sitz von Unsterblichkeit und ewiger Wonne zurückgekehrt.
Alles Rajas muß aus dem Geist ausgequetscht werden. Rajas ist Leidenschaft. Jeder weltliche Ehrgeiz ist das Produkt von Rajas. Ehrgeiz macht den Geist ruhelos. Wenn Ehrgeiz nicht befriedigt wird, ist der Geist voll Depression und Ängsten. Der ehrgeizige Mensch hat keinen Frieden im Geist. Er sorgt sich: „Wird mein Vorhaben gelingen? Und falls ich Erfolg habe, werde ich dieselbe Macht und denselben Einfluß haben, wie Herr Soundso?“ Ehrgeiz ist ein großes Hindernis im Yoga. Versuche zuerst, Frieden im Geist zu erlangen. Erst dann kann der Überbau von Yoga rasch errichtet werden. Das göttliche Licht kann sich nur auf einen friedvollen Geist herabsenken. Wenn der Geist friedvoll ist, wirst du Blitze höherer Einsichten erhalten.
Ein trübsinniger Mensch verbreitet unangenehme und morbide Schwingungen. Nichts ist ansteckender als Depression. Verlasse dein Zimmer nicht, wenn du deprimiert bist, denn du wirst Freunde und Nachbarn anstecken. Depression verzehrt dein Innerstes. Sie wütet wie ein Krebsgeschwür. Sie ist eine tödliche Seuche. Sie kann auf eine Enttäuschung, einen Mißerfolg, eine schwere Verdauungsstörung, einen hitzigen Streit, schlechte Gedanken, schlechte Gefühle usw. zurückzuführen sein. Trenne dich von diesen negativen Gefühlen und identifiziere dich mit dem höchsten Purusha. Habe ein inneres Leben. Kein äußerer Einfluß kann dich berühren. Du wirst unverwundbar sein. Du wirst gefeit sein gegen Depression und jede dunkle feindliche Macht. Vertreibe sofort das Gefühl von Depression durch Analyse, das Singen des Namens des Herrn, Gebete, Singen von OM, Pranayama, einen raschen Spaziergang an der frischen Luft oder Denken an das Gegenteil, nämlich das Gefühl von Freude, usw. Versuche in jeder Situation glücklich zu sein und verbreite Freude in deiner Umgebung.
Diese Welt ist nichts anderes als die Manifestation der Gedankenformen von Hiranyagarbha oder Gott. In der Wissenschaft gibt es Hitze-, Licht- und Elektrizitätswellen. Es gibt auch Gedankenwellen im Yoga. Der Gedanke hat eine enorme Kraft. Jeder bedient sich dieser Kraft unbewußt bis zu einem bestimmten Grad. Wenn du ein umfassendes Verständnis vom Wirken der Gedankenschwingungen besitzt, wenn dir die Technik der Gedankenkontrolle bekannt ist, wenn dir die Methode vertraut ist, nutzbringende Gedanken auf andere über eine Entfernung hinweg zu übertragen, durch Schaffung von sehr klaren, wohldefinierten und starken Gedankenbildern, kann diese Gedankenkraft tausendmal wirksamer eingesetzt werden. Gedanken bewegen. Gedanken wirken Wunder. Gedanken heilen. Ein Gedanke hat ein Gewicht, eine Form, eine Größe und eine Farbe. Ein falscher Gedanke bindet; ein guter Gedanke befreit. Deshalb denke richtig und erlange Freiheit.
Nicht der Gedanke allein bestimmt eine Handlung. Es gibt intelligente Menschen, die klug über Pro und Kontra einer Sache nachdenken, doch wenn die Zeit gekommen ist, werden sie durch die Versuchung in die Irre geführt. Sie handeln falsch und bereuen bitter. Das Gefühl treibt den Menschen zum Handeln. Manche Psychologen betonen die Vorstellung sehr stark und sagen, daß es in der Tat die Vorstellung ist, die eine Handlung bestimmt. Mit folgender Illustration stützen sie ihre Behauptung: - Angenommen eine lange 30 cm breite Planke wird auf zwei Türmchen gelegt, die etwa 6 m hoch sind. Wenn man über diese Planke geht, stellt man sich vor, man fällt hinunter, und fällt auch tatsächlich; man kann hingegen sehr gut über dieselbe Planke gehen, wenn sie auf dem Boden liegt. Oder angenommen, man fährt mit dem Rad auf einem schmalen Weg. Auf dem Weg liegt ein großer Stein. Man stellt sich vor, man fährt mit dem Rad gegen den Stein, und fährt wegen der falschen Vorstellung auch tatsächlich gegen den Stein. Andere Psychologen sagen, der Wille bestimmt eine Handlung, und der Wille kann alles bewirken. Für sie ist Wille eine Seelenkraft. Vedantins sind ebenfalls dieser Ansicht.
Der Mensch ist ein komplexes Sozialtier mit einer Vielzahl von Interessen. Er ist ein biologischer Organismus, und ist daher ganz sicher gekennzeichnet durch den Besitz bestimmter physiologischer Funktionen wie Blutkreislauf, Verdauung, Atmung, Ausscheidung, usw. Er ist ebenso ganz sicher gekennzeichnet durch den Besitz bestimmter psychologischer Funktionen wie Denken, Wahrnehmung, Erinnerung, Vorstellung, usw. Er sieht, denkt, schmeckt, riecht und fühlt. Philosophisch gesehen ist er das Ebenbild Gottes, ja sogar Brahman Selbst. Er verlor seine göttliche Herrlichkeit, als er von der Frucht des „Verbotenen Baumes“ kostete. Er kann seine verlorene Göttlichkeit wiedergewinnen durch geistige Disziplin und die Praxis von Yoga.
Warum weinst du mein Kind? Nimm die Binde von den Augen und sieh. Lüfte den Schleier der Maya. Du bist umgeben von nichts anderem als Wahrheit und Wahrheit alleine. Öffne die Augen und sieh nun klar. Überall, wohin du siehst, ist nichts als das allerfüllende Licht und Wonne. Der Star der Unwissenheit hat deine Sicht getrübt. Lasse den Star sofort beseitigen. Setze eine neue Brille auf, indem du das innere Auge der Weisheit durch regelmäßige Meditation entwickelst.

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