Yoga Artikel

Swami Sivananda

Sadhana in der Bhagavad Gita


Die Bhagavad Gita ist ein Lehrbuch praktischen Sadhanas für jeden, vom Bauern, der sein Feld pflügt, bis zum Philosophen der Advaita Vedanta. Sie läßt keinen Aspekt des Menschen aus, sie zieht die unterschiedlichen Aspekte von Handlung, Emotion, Wille und Verstehen, die den Menschen ausmachen, in Betracht. Sie ist Brahmavidya und Yoga Sastra, eine Theorie und auch deren Praxis. Sie ist Krishnarjuna Samvada, die Begegnung des Individuums mit dem Höchsten. Die Gita ist kein Buch metaphysischer Theorie, sondern ein Leitfaden für den spirituellen Menschen in seinem täglichen Leben der bewußten eigenen Anstrengung zur Erlangung von Vollkommenheit. Während der Pfad reinen Wissens nur hochgebildeten Menschen offensteht, ist die Methode der Gita einfach und jedem zugänglich, nämlich die Hingabe an Gott.
Die Gita betont Pflichterfüllung ohne Widerstand. Es besteht keine Notwendigkeit, von einer Handlung, die man in Angriff genommen hat, Abstand zu nehmen. Handlung bindet die Seele nicht, und die Seele wird nicht berührt von äußeren Modifikationen, denn das Selbst ist ewig. Der Tod ist nur eine Veränderung des Körpers, und es gibt keinen Anlaß, sich um den Verlust eines solchen Körpers zu grämen. Die Seele existiert in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft im selben Zustand. Wer das weiß, sorgt sich um nichts. Niemand kann die Seele zerstören. Sie ist unsterblich und unzerstörbar. Die Seele tötet niemanden, und sie wird von niemandem getötet. Selbsterkenntnis ist eine wundervolle Leistung.
Sei gleichmütig in Freude und Leid. Dann sündigst du nicht. Die einzige Pflicht des Menschen ist es zu handeln, nicht Früchte zu ersehnen. Durch Verhaftungslosigkeit festigt man sich im Yoga des Handelns. Nur der Törichte hängt an den Früchten des Handelns.
Ein Sthitaprajna ist ein Mensch, der in seinem Selbst ruht und damit zufrieden ist. Er liebt nichts; er haßt niemanden; er fürchtet niemanden. Die Sehnsucht nach Objekten verschwindet, wenn man des Höchsten gewahr wird. Die Sinne sind sehr mächtig; sie täuschen sogar den, der unaufhörlich danach trachtet, sie zu kontrollieren. Aber ein Sthitaprajna hat alle Sinne in seiner Gewalt. Anziehung durch Objekte führt letztlich zu Selbstzerstörung. Derjenige erlangt Frieden, der egolos und im Zustand des Ewigen gefestigt ist.
Niemand kann auch nur eine Sekunde lang leben ohne zu handeln. Prakriti treibt den Menschen zu Handlung, auch gegen seinen Willen. Er ist ein Heuchler, der über Objekte meditiert, körperlich jedoch ruhig ist. Derjenige ist ein Mensch wahrer Entsagung, der im Geist unverhaftet ist. Leben kann nicht gelebt werden ohne Handeln. Aber es gibt kein Handeln für den, der im Selbst beschäftigt und mit dem Selbst zufrieden ist. Er hat keine Pflicht zu erfüllen.
Wenn der höchste Herr nicht handelt, verschwindet die ganze Welt in einem einzigen Augenblick. Der überlegene Mensch handelt so, daß andere ihm folgen können. So wie unwissende Menschen mit Verhaftung handeln, dasselbe muß der Weise ohne Verhaftung zum Wohle der Welt tun. Der Weise schaffe keine Verwirrung im Geist des Unwissenden. Gunas bewegen sich als Sinne zwischen den Gunas als Sinnesobjekten. Da er dies erkennt, ist der Weise nicht verhaftet. Es ist schwierig, gegen die Natur zu gehen. Sogar ein Jnani wird durch die Macht von Prakriti gezerrt. Die größten Feinde des Menschen sind Kama und Krodha, geboren aus Rajas. Sie zerstören Güte und fressen Reinheit auf. Sie sind Quellen großer Sünden. Erkenntnis ist von Kama, dem Wunsch, verhüllt. Deshalb vernichte Kama, den mächtigen Feind des Menschen.
Derjenige ist ein weiser Mensch, der Handeln im Nichthandeln findet und Nichthandeln im Handeln. Derjenige wird ein Weiser genannt, der alle seine Handlungen durch seine Weisheit verbrannt hat. Er ist unerschüttert von dem, was sich als Frucht seiner Handlungen ergibt. Für ihn ist alles nichts als Brahman. Seine Handlungen haben keine Bedeutung, denn er sieht nur Brahman in allem. Ein solches Wissen von Brahman kommt durch Dienen, Hingabe und Fragen. Erkenntnis zerstört auch die größten Sünden, und selbst der größte Sünder kann höchste Weisheit erlangen. Erkenntnis verbrennt alle Handlungen, so wie Feuer Öl verbrennt. Erkenntnis kommt im Lauf der Zeit.
Erkenntnis und Handlung unterscheiden sind nicht, denn beide führen zu Befreiung. Handlung ohne Verhaftung ist höherwertig als vollständiger Verzicht auf jegliches Handeln. Es ist schwierig, auf Handlung zu verzichten. Brahman ist leicht durch Handeln ohne Verhaftung zu erreichen. Er ist unverhaftet auch während aller Handlungen. Er ist wie ein Lotusblatt im Wasser.
Der höchste Herr erteilt weder gute noch schlechte Noten. Prakriti wirkt so. Erkenntnis ist verhüllt von Unwissenheit, und so werden die Lebewesen getäuscht. Denen jedoch enthüllt sich das Höchste, die Unwissenheit durch Selbsterkenntnis beseitigt haben. Sie sind für immer aufgegangen in und eins mit Dem. Sie sehen dasselbe Ewige in allem. Sie haben Geburt und Tod schon hier besiegt.
Das Vergnügen, das aus dem Kontakt mit Objekten entsteht, ist der Schoß zukünftigen Leidens. Der Weise ergeht sich nicht darin. Wer im Selbst gefestigt ist, wer sich im Selbst erfreut, wer friedvoll im Selbst ruht, wer das Licht des Selbst erschaut, erlangt das höchste Brahman.
Ein wahrer Yogi ist ein Mensch, der den Gedanken entsagt hat. Dieser Yoga wird durch Meditation über das Selbst erreicht. Die Wonne, die durch diese Meditation erreicht wird, ist unzerstörbar, unübertroffen, ewig, voll Bewußtsein und geht über die Reichweite der Sinne hinaus. Wer dies erreicht hat, betrachtet nichts anderes mehr als erstrebenswert. Ist man darin gefestigt, wird man auch von den schwersten Sorgen nicht erschüttert. Das ist Yoga, der alle Leiden zerstört. Dies gilt es zu praktizieren. Man wird fest im Yoga durch Abhyasa und Vairagya. Auch wenn man das Ziel in diesem Leben verfehlt, wird man eine weitere geeignete Geburt annehmen, um die Praxis fortzusetzen, unter günstigen Umständen. Man wird geführt von seinen früheren Samskaras und erlangt dadurch das Höchste.
Der höchste Herr ist die Quelle aller Welten. Er ist der Schöpfer, Bewahrer und Zerstörer. Er ist alles in allem. Die drei Gunas haben die ganze Welt getäuscht, und so erkennt sie den höchsten Herrn nicht. Diese Maya kann nicht überwunden werden außer durch Hingabe an den Herrn. Solche Menschen sind dem Herrn sehr lieb. Unter ihnen ist der Jnani der beste Gläubige. Denn er hat keine selbstsüchtigen Wünsche. Erst nach sehr vielen Geburten erkennt man, daß alles Gott ist. Alle sind getäuscht durch verschiedenste Wünsche. Sie können den Herrn nicht erreichen, außer durch viele Zyklen von Geburten und Toden, die das Ergebnis ihrer Wünsche sind.
Wer über den Herrn meditiert und zum Zeitpunkt des Todes Om singt, erlangt den höchsten Zustand. Wenn er erreicht ist, gibt es keine Furcht vor Samsara mehr. Sogar Brahma Loka ist vergänglich, und von dort muß man auf diese sterbliche Welt zurückkehren. Aber nachdem der höchste Herr erlangt wurde, gibt es keine Wiedergeburt mehr.
Himmlische Freuden sind nicht erstrebenswert. Wenn die Verdienste zu Ende gehen, fällt der Genießende vom Himmel zurück auf diese sterbliche Welt. Wer aber stets an den Herrn als seine einzige Zuflucht denkt, für den sorgt der Herr aufs Beste. Auch der, der andere Gottheiten verehrt, verehrt unbewußt und falsch den höchsten Herrn, und alle derartigen Sühneübungen erreichen nur Ihn. Er ist der absolute Herr von allem. Er nimmt auch ein dürres Blatt an, wenn es mit Hingabe geopfert wird. Wer Ihn verehrt, geht nie zugrunde.

Auch Frauen und Sudras steht die Rettung offen, vorausgesetzt, sie geben sich dem Herrn hin. Diese Welt ist unbeständig, und so nehme man seine Zuflucht allein zum ewigen Herrn. Der Herr durchdringt die ganze Welt. Es gibt nichts, worin Er nicht ist. Das ganze Universum wird durch einen Teil von Ihm Selbst getragen.
Bhakti ist die zentrale Methode, um sich dem Herrn zu nähern. Nur ein Bhakta, ein Gläubiger, kann Gott schauen. Ohne selbstlose Liebe können nicht einmal die Götter das Höchste erschauen. Solch ein reiner Gläubiger haßt niemanden und ist ausgewogen in Freude und Schmerz. Er genießt nicht und haßt auch nicht, er ist auch nicht bekümmert und wünscht nichts. Er fürchtet sich nicht vor der Welt, und die Welt fürchtet sich nicht vor ihm. Für ihn sind Lob und Tadel gleich. Er ist Freund und Feind gegenüber derselbe. Er hat alle Unternehmungen aufgegeben. Er ist über die Gunas hinausgegangen.
Das höchste Brahman ist unbeschreiblich. Es ist das Licht der Lichter und jenseits der Dunkelheit. Es ist weder seiend noch nicht-seiend. Es durchdringt alles. Es ist nah und fern, fein und grob. Es sitzt im Herzen der Wesen als ihr eigenes Selbst. Wenn ein Mensch erkennt, daß alle Verschiedenheit in diesem Einen wurzelt, wird er fähig, Brahman zu werden.
Sattva erleuchtet den Menschen, Rajas lenkt ihn ab, und Tamas macht ihn träge. Der Mensch ist eine Mischung von Leidenschaft und Trägheit. Er erfährt selten den Zustand reinen Sattvas. Wenn man wahrnimmt, daß es keinen anderen Handelnden gibt außer den Gunas, transzendiert man diese Eigenschaften und wird unsterblich.
Samsara ist wie ein Baum mit den Wurzeln nach oben und den Schößlingen nach unten. Die Wurzeln dieses Baumes müssen mit der Axt der Verhaftungslosigkeit abgehauen werden. Dann wird der Zustand des Höchsten erreicht, wo Sonne und Mond nicht scheinen, wo Feuer keine Helligkeit hat. Das größte Licht der Welt ist nur ein Bruchteil des höchsten Lichts. Alles in der Welt ist nur eine Reflexion oder ein schwacher Ersatz für das Höchste. Er transzendiert alles Irdische. Er steht über Jiva und Maya. Das ist Purushottama, von dem die Veden singen. Wer dies erkannt hat, hat alle seine Pflichten erfüllt. Er ist der weiseste Mensch, allwissend.
Menschen mit dämonischen Eigenschaften lieben den Herrn nicht. Sie bezweifeln die Existenz Gottes und sagen, daß die Welt nur ein Produkt von Leidenschaft ist. Sie sind stolz und egoistisch. Sie sind grausam und voll Zorn. Sie sind gebunden durch Hunderte von Wünschen und leben um zu genießen. Sie beharren auf dem Stolz auf ihren Reichtum und fallen nach dem Tod in die tiefe Hölle. Sie erreichen das Höchste nicht. Lust, Zorn, Gier sind die drei Tore zur Hölle.
Wer seinen Körper ohne geistige Disziplin kasteit, ist ein glatter Heuchler. Physisches, verbales und geistiges Tapas, Disziplin, muß vorhanden sein. Man muß rein sein in Gedanke, Wort und Tat. Eine selbstsüchtige Handlung ist unmoralisch. Selbstlosigkeit schafft Moral und Ethik. Jede Handlung muß im Gedanken an das höchste Wesen getan werden. Ohne das Bewußtsein des Ewigen, werden alle Handlungen wertlos.
Sannyasa ist der Verzicht auf selbstsüchtige Handlungen. Aber man kann nicht der eigenen Pflicht entsagen. Die eigene Pflicht ist heilig. Alle Handlungen müssen ohne die geringste Verhaftung getan werden. Man entsage nicht einer Handlung, weil sie schwierig auszuführen ist. Man handle nicht zum Vergnügen. Sinnenfreuden sind im Anfang süß, werden am Ende aber bitter. Ihnen muß entsagt werden. Varnashrama Dharma ist ein vollkommenes System und muß strikt befolgt werden.
Um Brahman zu verwirklichen, ziehe man sich zurück und meditiere über das Selbst. Man muß sich von Äußerlichkeit lösen und im höchsten Ideal festigen. Man muß alle irdischen Pflichten aufgeben und Zuflucht beim Ewigen suchen. So wird man befreit von den Banden der Sünde.

Die Gita zielt darauf ab, daß der Mensch Vollendung findet, damit er das Göttliche wird. Das Leben Krishnas selbst ist das beste Beispiel des idealen Lebens nach der Gita. Sein Leben selbst ist der beste und zufriedenstellendste Kommentar zur Gita. Zu sein wie Krishna, heißt ein vollkommener Mensch nach dem Ideal der Gita zu sein. Um so zu sein, wählt man nicht, ein Gläubiger, ein Philosoph, ein Mystiker oder ein Mann der Tat zu sein. Man muß all dies gleichzeitig sein. Man beginnt vielleicht damit, eines davon zu werden, je nach der eigenen vorherrschenden Natur, aber mit der Zeit wird man feststellen, daß ein Fortschritt auf irgendeinem dieser sogenannten Pfade eines parallelen Fortschritts auf allen anderen bedarf. Es kann keine einseitige Ausdehnung des Individuums geben. Damit Vollendung wirklich und dauerhaft ist, muß sie vielseitig sein. Das Absolute verwirklichen heißt, das Absolute werden, das, das Alles ist. Man muß das Unendliche sein, und dazu muß das ganze Wesen entwickelt werden.
Unser Geist ist die Arena, das innere Schlachtfeld des täglichen Mahabharata, wo wir uns in jedem Augenblick im Kriegszustand befinden, wo ein Komplex von Gedanken mit dem anderen kämpft. Wir alle brauchen daher das Licht, die Weisheit und die Unterweisung, die Krishna Arjuna gab. Während der höchste Herr mit Arjuna die wichtigsten Themen des Lebens besprach, ging er bis an die Wurzel der Rätsel des Universums, und er enthüllte Wahrheiten von universeller Gültigkeit. Krishna sprach zu Arjuna stellvertretend für die ganze Menschheit über die ewigen Wahrheiten des Seins. Krishna symbolisiert das Ewige, und Arjuna symbolisiert den Menschen in seinen Unvollkommenheiten. Die Lehre der Gita richten sich an den Menschen im allgemeinen und nicht an ein spezielles Individuum.
Sei in der Welt. Diene den Menschen. Liebe alle gleich. Aber sei nicht daran verhaftet. Sei unverhaftet. Lebe im Selbst. Ruhe zufrieden im Selbst. Habe keinen bindenden Ehrgeiz im Leben. Diene, liebe, gib, reinige dich, meditiere und verwirkliche. Überlasse dich Gott. Das ist der Kern der Gita.
Handle im Bewußtsein, daß alles das Selbst ist, alles Gott ist. Gott ist Mann und Frau und der alte Mann, der auf der Straße torkelt. Es gibt keinen Grund für Verhaftung an Objekte. Alles ist bloßes Selbst. Sieh dich in jedem Lebewesen. Liebe die anderen wie dich selbst. Sieh keine Unterschiede des Körpers. Sieh die gemeinsame innere Essenz. Habe Akartri-Shava, Narayana-Bhava, wenn du handelst. Man muß solange handeln, solange man sich bewußt ist, daß man einen Körper hat. Es ist die eigentliche Natur des Körpers, aktiv zu sein. Der Geist treibt dich zum Handeln. Prakriti ist mächtig. Auch kluge Menschen fallen ihr zum Opfer. Hingabe an den Herrn ist die einzige Möglichkeit, um der Bindung an Prakriti oder Maya zu entkommen.
Sei Beobachter aller Ereignisse im Leben. Tue deine Pflicht. Diene ohne Erwartung von Früchten. Das ist die Essenz von Karma Yoga.
Der Herr hat seinen Sitz im Herzen aller Wesen. Er ist der innere Herrscher, der Unsterbliche. Laufe nur zu Ihm allein und suche Schutz bei Ihm. Es gibt keinen anderen Weg zur Befreiung. Alle deine Pflichten werden verschwinden, alle Sünden werden verbrannt und alle Zweifel beseitigt, wenn du selbstlos Hingabe an den Herrn hast.
Beherrsche die Schwankungen des Geistes. Sitze an einem einsamen Platz und konzentriere dich auf das Selbst. Weisheit wird dann aufdämmern und alle Unwissenheit zerstören. Das Ergebnis ist Unsterblichkeit. Höchste Wonne ohne Verfall ist die Frucht. Ewige Zufriedenheit ist das Ziel allen Strebens. Sie wird erreicht durch den Yoga der Synthese, wie er oben erklärt wurde. Das ist es, was die Gita der Menschenwelt zu sagen hat.

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