Parabeln

von Swami Sivananda

8. Kapitel: Der Weg des Weisen

Gleichnis vom Korn und vom Stroh

 Der Sohn eines Landwirts begleitete seinen Vater aufs Feld. Der Vater schnitt das reife Korn, trug es zusammen und brachte es hinüber zum Hinterhof des Hauses. Dort drosch er das Getreide gut, bis sich alle Körner lösten. Sorgfältig sammelte er die Körner und bewahrte sie sicher im Haus auf.

 „Vater, was geschieht mit dem Stroh? Du hast es vom Feld in den Hof gebracht, aber nicht ins Haus.“ fragte der Junge. „Sohn, das Stroh hat seinen Zweck erfüllt. Es trägt das Korn, bis es reif ist. Sobald wir es gedroschen haben, hat das Stroh keinen Nutzen mehr für uns. Es dient jetzt nur noch als Futter für das Vieh.“

 Wie der Vater an den Sohn, geben die Schriften (Shastras) das Wissen über das Selbst an den Schüler (Sadhaka) weiter. Ist Jnana, Weisheit, erst erreicht, sind die Schriften für den Meister (Siddha) nicht mehr von Nutzen. Er bewahrt das Wissen sorgfältig im Herzen und nutzt es zum Wohl, zur Aufklärung, für andere.
 
 

Gleichnis von den vier Gelehrten

 Einst mußten vier Gelehrte – ein ayurvedischer Arzt, ein Astrologe, ein Musiker und ein Logiker – einen Tag in einem Dorf verbringen. Jeder von ihnen war eine Kapazität auf seinem Wissenschaftsgebiet, aber ohne jegliche praktische Lebenserfahrung.

 Nun ging es darum, Lebensmittel zu besorgen. Der Arzt wollte Gemüse kaufen. Bald kam er mit leeren Händen zurück, denn sein Wissen über die einzelnen Gemüsesorten hinderte ihn daran, eine davon auszuwählen. Die Kartoffel zum Beispiel war schädlich, weil sie Blähungen verursachen könnte, die Zwiebel machte eher träge usw. In ähnlicher Weise erwies sich jedes Gemüse als mangelhaft und keines schien als Nahrungsmittel geeignet.

 Der Astrologe kletterte auf eine Kokospalme, um eine Kokosnuß zu pflücken. Während er wieder nach unten kletterte, schrie ein Esel. Er hielt sofort in halber Höhe inne, um die astrologischen Konsequenzen dieses Eselschreies zu erarbeiten.

 Der Musiker kümmerte sich um den Reis. Von dem kochenden Wasser im Topf ging ein rhythmischer Klang aus. Der Musiker begann sofort, den Takt dazu zu schlagen und den Rhythmus festzulegen. Doch der Klang des kochenden Wassers wollte sich nicht an die anerkannten Gesetze der Musik anpassen. Wütend schlug er nach dem Topf. Dieser zerbrach und der Reis fiel auf den Boden.

 Der Logiker war in seiner Gelehrsamkeit nicht besser. Er hatte eine Tasse voll Ghee (gereinigte Butter) besorgt. Unterwegs überlegte er, ob nun die Tasse das Ghee trage oder das Ghee die Tasse und er begann, diese Frage zu untersuchen. Im Laufe dieser Überprüfung drehte er die Tasse um. Natürlich ergoß sich das Ghee sofort auf den Boden. Trotz seines Kummers über den Verlust gratulierte er sich zu dem, was er über Tasse und Ghee herausgefunden hatte und ging, in logische Überlegungen versunken, zurück.

 Sei nicht nur gelehrt, sondern werde weise. Zusätzliches Schulwissen bringt dir kein Gramm mehr Glück. Weisheit ist Glückseligkeit. Reines Bücherwissen ist leblos. Erfahrung und wirkliche Weisheit erwirbt man durch Dienst am Guru, Studium unter seiner Führung und Befolgen seiner Anweisungen in ihrem wahren Geist.
 
 

Gleichnis vom Jungen und der Kerze

 Vater und Sohn saßen in einem dunklen Raum. Der Sohn sagte: „Vater, ich fürchte mich im Dunkeln. Wie können wir die Dunkelheit beseitigen?“ „Zünde die Kerze an, Sohn.“ Der Sohn zündete die Kerze an. „Ah, jetzt ist die Dunkelheit verschwunden, nicht wahr, Vater?“ .„Ja mein Sohn,“ antwortete der Vater. Der Sohn blies die Kerze wieder aus. „Oh, es ist wieder dunkel! Vater, ich fürchte mich.“„Zünde die Kerze an, Sohn.“ Der Junge zündete die Kerze wieder an. „Ah, jetzt ist die Dunkelheit verschwunden.“ So ging es mehrmals.

Schließlich sagte der Vater: „Sohn, solange Dunkelheit herrscht, solltest du die Kerze brennen lassen. Sobald du die Kerze ausbläst, hüllt dich die Dunkelheit wieder ein. Wenn die Sonne aufgeht, brauchst du die Kerze nicht mehr. Dann hast du den ganzen Tag Licht vom höchsten Licht des Universums.“

Der Schüler kommt zum Guru, um sich im Yoga unterweisen zu lassen und eingeweiht zu werden. Der Schüler praktiziert eine Weile lang und macht ein paar spirituelle Fortschritte. Zufrieden, scheinbar das Höchste bereits erreicht und Maya, die Täuschung, überwunden zu haben, hört er mit dem Sadhana (spirituelle Praxis) auf. Dunkelheit umgibt ihn wieder. Dies geht so weiter – Yoga kommt und geht –, bis er lernt, in seinem Sadhana unerschütterlich zu sein. Dadurch hält er die Dunkelheit von Maya fern, bis die Sonne des Atma-jnana, des Wissens um das Selbst, in ihm aufgeht. Mit dem Aufgehen der Sonne der höchsten Weisheit schwindet die Dunkelheit der Unwissenheit für immer und er sonnt sich im Schein von Samadhi (überbewußter Zustand).
 
 

Gleichnis von den Menschen, die vor Angst starben

Ein Reisender im mittleren Osten traf einen merkwürdigen Gesellen. „Wer bist du?“ fragte er, „und wohin gehst du?“ „Ich bin die Cholera. Ich werde in Ägypten fünftausend Menschen töten“, sagte dieser und setzte seine Reise fort. Einige Jahre später trafen sie sich wieder. Der Reisende sagte: „Du hast mir seinerzeit erzählt, du würdest fünftausend Menschen töten. Statt dessen hast du fünfzigtausend getötet, denn es starben viel mehr.“ „Nein, nein“, antwortete die Cholera, „ich habe nur fünftausend Menschen getötet. Die anderen starben aus Angst.“

 Dieses Gleichnis zeigt, wie sehr Angst ein Todfeind des Menschen ist. Neunzig Prozent unserer Sorgen und unseres Unglücks entstehen aus Angst und falscher Vorstellung. Obwohl das, was man befürchtet, sehr wahrscheinlich nie eintreten wird, raubt einem die Sorge darüber, was geschehen könnte, die Vitalität. Nur ein Brahmavit (ein Kenner Brahmans, des Absoluten) ist vollkommen frei von Furcht.

Angst ist ein Produkt der Unwissenheit. Der Atman (das Selbst) in seiner wahren Natur ist immer frei von Furcht, Krankheit und Bindung. Verwirkliche dein wahres Selbst und überwinde so Furcht, Krankheit und Leid.

Erschrocken rannte er nach Hause, so schnell er konnte. Als der Mann endlich auch zu Hause ankam, war er bis auf die Haut durchnäßt.

Der Mensch (Jiva, die individuelle Seele), geblendet von Stolz und Unwissenheit, vertraut sein spirituelles Bewußtsein dem Geist an. Eine Weile scheint es so, als ginge der Geist voraus und führe den Menschen. Der Geist beherrscht das Bewußtsein und der Mensch hat das Gefühl, sicher zu sein. Dann kommt ein heftiger Schauer des Leides des weltlichen Lebens und der Versuchung der Sinnesobjekte. Der Hunde-Geist mit dem Regenschirm des spirituellen Bewußtseins entfernt sich immer weiter.

Wenn das Bewußtsein nicht dem Geist anvertraut wird, der, nebenbei gesagt, ohnehin nicht wirklich Gebrauch davon machen kann, dann kann sich der Mensch selbst vor dem Regen des Elends und der Versuchungen schützen. Ansonsten entfernt sich die Befreiung von Leid und Ablenkungen immer mehr, je schneller der Mensch vorwärts stürmt.

Darum begehe nicht die Dummheit, dem unzulänglichen Geist deinen spirituellen Reichtum und dein spirituelles Wohlergehen anzuvertrauen. Er ist höchst unzuverlässig und wird dir im Ernstfalls nichts nützen. Lerne, auf Gott allein zu vertrauen. Mache Ihn zu deiner alleinigen Stütze.
 
 

Gleichnis vom Großgrundbesitzer und seinem Verwalter

Ein Zamindar (Grundbesitzer) beauftragte einen Verwalter mit der Beaufsichtigung seiner Ländereien. Der Verwalter erhielt weitreichende Vollmachten über die Besitztümer. Die Angestellten wurden dazu angehalten, seine Anweisungen zu befolgen. Sie gingen davon aus, der Verwalter habe die Macht, sie zu kontrollieren, sie einzustellen oder zu entlassen. Der Besitzer beobachtete den Agenten und seine Aktivitäten aus dem Hintergrund. Nach und nach wurde der Verwalter immer hochmütiger und arroganter und maßte sich mehr und mehr die Macht des Besitzers an. Eines Tages kam ein Sadhu (Weiser, Heiliger; Mönch) und wollte den Zamindar besuchen. Der Verwalter wies den Sadhu streng zurecht: „Wo soll hier ein Zamindar sein? Hier gibt es keinen Zamindar. Ich bestimme hier alles. Was immer du willst, frage mich danach.” Der Sadhu, der über besondere Kräfte verfügte, rief aus: „Oh Zamindar, bitte komme und kläre diesen Mann auf!” Der Zamindar kam sofort herein, als ob er auf diesen Ruf gewartet hätte. Der Verwalter senkte beschämt seinen Kopf und fiel dem Besitzer und dem Sadhu demütig zu Füßen. Der Zamindar enthob ihn sofort aller Ämter und stellte ihn erst wieder ein, nachdem er seinen Fehler vollständig erkannt und aufrichtig gelobt hatte, niemals mehr die Souveränität des Zamindars in Frage zu stellen, sondern seine Herrlichkeit gegenüber allen zu preisen.

Der Großgrundbesitzer steht für das Höchste, für Gott. Der Verwalter ist der Geist. Der Geist ist aus Gott entstanden; er strahlt nur durch Sein Licht und hat in Wahrheit keine unabhängige Existenz. Aber es scheint so, als seien seine Kräfte unbegrenzt, weil das Selbst den Geist als seinen Verwalter eingesetzt hat, um das Spiel (Lila) der Welt fortzuführen. Der Geist meint, er sei Herr der Sinne, und habe die Macht, die Sinne einzusetzen oder zurückzuziehen. Der irregeleitete Geist verleugnet die ihm übergeordnete Kraft. Dann kommt der gottverwirklichte Heilige, der den Geist an das Selbst erinnert. Aber der weltliche Mensch leugnet die Existenz des Selbst: „Wo soll das Selbst oder Gott sein? Ich bin alles!” Aber der Guru oder verwirklichte Heilige ist nicht so leicht zu besiegen. Er ruft den Menschen den Namen Gottes in Erinnerung. Nun erkennt der Mensch die höhere Macht. Er anerkennt die alldurchdringende und allgegenwärtige Natur Gottes und übergibt sich Ihm ganz. Gott entläßt sofort den Geist. Wenn der Geist zur Ruhe kommt, dann geht der Sadhaka (spirituelle Sucher) in Samadhi (überbewußter Zustand) ein und genießt Glückseligkeit. Wenn er aus Samadhi zurückkehrt, ist er ein vollständig veränderter und gereinigter Mensch. Er schwört, Gott niemals mehr zu verleugnen, sondern immer seine Herrlichkeit zu preisen.
 
 

Gleichnis von der verlorenen Armbanduhr

Ein Mann suchte wie wahnsinnig etwas in einem dunklen Raum. Er tobte, schrie und veranstaltete ein riesiges Durcheinander. Dabei zerbrach er so manches und stolperte über anderes, ohne indes zu finden, was er suchte.

Ein Freund schaute zur Tür herein und fragte nach dem Grund seiner Aufregung. Der Mann antwortete: „Oh mein Freund, ich habe meine Armbanduhr verloren. Sie ist weg.”

Der Freund sagte: „Wie kann sie hier verschwinden? Was für ein Narr du bist, daß du in der Dunkelheit nach der Uhr suchst! Ich habe Licht mitgebracht. Nun beruhige dich erst mal. Denke nach und versuche, dich zu erinnern, wo die Uhr sein könnte. Dann wirst du sie bald finden.”

Der Mann hielt sich an diesen Rat und fand die Uhr. Sein Freund erklärte: „ Die Uhr war weder verloren noch hast du sie wiedergewonnen. Sie war die ganze Zeit hier. Aber aufgrund der Dunkelheit im Raum und weil du an der falschen Stelle gesucht hast, hast du sie nicht gefunden. Jetzt, wo die Unwissenheit beseitigt ist, denkst du, du hast sie wieder. Sie war jedoch immer dein und nicht wirklich verloren.”

Im tiefsten Inneren jedes Menschen befindet sich das Selbst, voll Wonne und Frieden. Blind durch die Dunkelheit der Unwissenheit ist der Mensch unfähig, das Selbst zu sehen und die Wonne und den Frieden zu erfahren. Auf der Suche nach Glück und Frieden streift er zwischen den Objekten der Welt umher, bringt sich selbst und die Dinge durcheinander, verursacht Unglück für sich und andere, weint und klagt. Aber das Gesuchte findet er nicht. Zuletzt erscheint der Guru (Lehrer) mit der Lampe der Weisheit. Er erklärt dem Menschen: „Beseitige die Dunkelheit der Unwissenheit mit der Lampe der Weisheit. Beruhige dich. Bringe alle Gedankenwellen zur Ruhe. Dann analysiere alle Erfahrungen und meditiere darüber. Du wirst das Selbst entdecken. Du hast es niemals verloren, noch jetzt wiedergefunden. Es ist immer da gewesen. Du wußtest es nur nicht. Jetzt, wo in deinem reinen Herzen und ruhigen Geist das leuchtende Selbst erstrahlt, hast du das Gefühl, es wiedergefunden zu haben.”
 

Gleichnis von der Fußmatte

Ein Mann betrat eilig das Haus seines Nachbarn. Vor der Türschwelle befand sich eine farbenfrohe Fußmatte mit der Aufschrift „Willkommen”. Ohne sie weiter zu beachten, trat er auf die Matte. Sie rutschte weg und der Mann stürzte auf den Rücken. Dabei wurde die Matte so hochgeschleudert, daß sie mit der Rückseite nach oben wieder herunterfiel. Der Mann verfluchte die Fußmatte und das Wort „Willkommen” darauf, und stand auf. Sein Blick fiel wieder auf die Matte, auf deren Rückseite er jetzt las: „Vorsicht: Gefahr!”. Die Aufschrift auf der Rückseite war extra für die bestimmt, die unachtsam auf die Matte traten!

Ein Mann liest in den Schriften: ‘Maya Tatam Idam Sarvam’ (Alles ist durchdrungen von Mir), ‘Isavasyam Idam Sarvam’ (Alles ist wahrhaftig Gott), ‘Sarvam Khalvidam Brahma’ (Alles ist wahrhaftig Brahman). Da ja alles von Gott durchdrungen ist, glaubt er, es bestehe keine Notwendigkeit zu Wachsamkeit, Vairagya (Leidenschaftslosigkeit) und Sadhana (spirituelle Praxis). Er rutscht aus und stürzt. Wie kann Gott ihn so fallen lassen? Sind die Schriften falsch, die sagen: „Alles ist durchdrungen von Mir“? Nein. Der Mann schaut sich nochmals die Schriften an. Nun entdeckt er eine weitere Aussage: ‘Anityam Asukham Lokam Imam Prapya Bhajasva Mam’ (Wenn du in die unbeständige Welt voller Leid kommst, dann verehre Mich). Jetzt erkennt er: Wenn man nachlässig ist und zu sehr an weltlichen Dingen hängt, rutscht man bei jedem Schritt aus. Obwohl die Welt von Gott durchdrungen ist, muß man seinen Weg achtsam gehen, wachsam und frei von Wünschen.
 
 

Gleichnis vom zufriedenen Kamel

Ein Kaufmann mußte eine Wüste durchqueren. Er mietete ein Kamel und lud ihm das gesamte schwere Gepäck sowie eine kleine leere Büchse auf den Rücken. Das Kamel brach unter dieser Last zusammen und bewegte sich nicht vom Fleck. Der Kaufmann nahm die leere Büchse herunter und warf sie weg. Das Kamel fand nun, das Gewicht auf seinem Rücken sei stark vermindert und brach auf. Ohne weitere Unzufriedenheit durchquerte es den heißen Sand der Wüste.

Diese Welt - die Wüste des Samsara (Kreislauf von Geburt und Tod) - ist ein Platz, wo Maya (Täuschung) ihr Geschäft betreibt. Sie wirft die arme Seele (Jiva) in die Wüste mit ihrem brennenden Sand endlosen Schmerzes und Leidens. Der Mensch ist schwer beladen mit Krankheit und Leid, Sorgen, Ängsten und Schmerzen. Gelegentlich erleichtert Maya, die Täuschung, die Last um ein geringfügiges Leidenspäckchen. Dadurch erfährt man ein wenig Freude. Nun glaubt man, vollständig von allem Leid der Welt befreit zu sein und eilt Kopf voraus in die Wüste des Kreislaufs von Geburt und Tod (Samsara). Armer, irregeleiteter Mensch! Die ganze Zeit trägt er das volle Gewicht und läßt sich von der List der Maya täuschen.
 
 

Gleichnis vom Reisenden und seinem Gepäck

Ein Dorfbewohner erhielt ein dringendes Telegramm von seiner Frau, die in einem entfernten Dorf wohnte. Sie sei sehr krank und wünsche, ihn zu sehen und zu sprechen. Der Dorfbewohner, der noch nie Zug gefahren war, eilte zur Bahnstation und kaufte eine Fahrkarte. Unmittelbar hinter der Bahnstation wurden Reparaturarbeiten an den Gleisen ausgeführt, so daß der Zug sehr langsam fuhr. Der Dorfbewohner verstand nicht, warum der Zug sich so kriechend vorwärts bewegte. Er war auch ungeduldig, das Dorf seiner Frau zu erreichen. So begann er nachzudenken, und meinte zuletzt: „Was für ein Narr ich bin! Nicht nur ich bin eine Last für den Zug, sondern ich habe auch noch mein Bettzeug und meinen Koffer als zusätzliches Gewicht bei mir. Wegen dieses Gewichts fährt der Zug so langsam.“ Sofort hob er den Koffer und das Bettzeug auf und trug sie auf dem Kopf – sehr zum Vergnügen seiner Mitreisenden.

Der Mensch besteigt den Zug des Lebens auf der Erde. Er wird von unsichtbaren Kräften getragen. Aber sein Glück (seine Frau) ist in ernster Gefahr. Er möchte es schnell erreichen. Die Dinge ereignen sich nicht immer so, wie man es wünscht. Der Ungeduldige meint, wenn er die Verantwortung für Familie und Kinder, Geschäftsangelegenheiten und häusliche Angelegenheiten selbst trägt, wird er sein Ziel – das Glück - schneller erreichen. Er weiß nicht oder vergißt, daß es in jedem Fall der Zug ist, der ihn und sein ganzes Gepäck trägt, ob er es nun auf dem Kopf hat oder auf dem Boden des Abteils. Gott ist letztlich der Schirmherr, die Kraft hinter allem.
 
 

Gleichnis vom Mann, der sein Gedächtnis verlor

Beim Kricketspielen wurde ein Mann von der Kugel am Hinterkopf getroffen. In seinem Kopf wirbelte es. Ihm wurde schwarz vor Augen und er fiel in tiefe Ohnmacht. Man brachte ihn ins Krankenhaus. Nach verschiedenen Operationen kam er wieder zu Bewußtsein. Er fragte zuerst nach etwas zu essen. Als er sich umsah, bekam er Angst. Er fragte: „Wer seid ihr?” „Was ist das?” Die Krankenschwestern merkten, daß er sein Gedächtnis verloren hatte. Er konnte sich weder an seine Verwandten noch an seinen eigenen Namen erinnern. Die älteste Krankenschwester, die ihn zum Bewußtsein zurückgebracht hatte, übernahm die Rolle einer Mutter und adoptierte ihn. Der Mann hielt sie für seine richtige Mutter. Er pflegte neue Beziehungen und fand neue Freunde. Es war kaum ein Jahr vergangen, als es ihn unwiderstehlich zum Kricketplatz zog. Er spielte so gut wie früher, erkannte jedoch keinen seiner ehemaligen Mitspieler wieder. Diese wunderten sich über seine seltsame Veränderung.

Genauso spielt der Mensch das Spiel des Lebens auf der Erdebene. Der Tod ergreift ihn. Es wird dunkel um ihn. Er verliert das Bewußtsein. Boten aus der anderen Welt bringen ihn fort. Seine schlechten Taten martern ihn. Bei der nächsten Geburt kehrt sein Normalbewußtsein langsam zurück. Er weint angesichts der seltsamen Dinge um ihn herum. Er sucht instinktiv die Mutterbrust und saugt die Muttermilch. Wenn sein Bewußtsein gegenüber der Welt sich mehr und mehr entwickelt, beginnt er zu fragen: „Wer ist das?” Er hat seinen wahren Vater und seine wahre Mutter – nämlich Gott - vergessen. Die Frau, die ihn zur Welt brachte, sagt: „Ich bin deine Mutter.” Er akzeptiert sie als solche. Dann findet er sich in einem neuen Kreis von Verwandten und Freunden. Bald beginnt er das gleiche gewohnte Spiel des Lebens, getrieben von den Samskaras (Eindrücken im Unterbewußtsein) aus früheren Leben. Weise Menschen wundern sich über dieses Geheimnis der Seelenwanderung. Obwohl die Erinnerung an frühere Geburten verloren ist, bleiben die Samskaras und Vasanas (Neigungen) erhalten und lenken den Menschen.
 
 

Gleichnis vom gierigen Pilger

Ein Mann, der auf eine Pilgerreise gehen wollte, lieh sich hundert Rupien von einem Freund. Nachdem er verschiedene Orte besucht hatte, kehrte er in seinen Heimatort zurück. Als er den Freund traf, von dem er sich das Geld geliehen hatte, erinnerte dieser ihn daran. Der Pilger fragte: „Wieviel soll ich dir bezahlen?” „100 Rupien natürlich!” „Oh, du willst alles zurück?” - Was für eine sonderbare Frage!

Genauso merkwürdig ist das menschliche Verhalten. Das Individuum betritt das Riesenreich des Samsara (Geburt und Tod) und wandert dank dem von Gott verliehenen Bewußtsein durch verschiedene Daseinsebenen - als Mineral, als Pflanze, als Tier und als Mensch. Als Mensch kommt die individuelle Seele ihrem Ursprung, Gott, wieder sehr nahe. Nun, da die Reise fast zu Ende ist, verlangt Gott das geliehene Bewußtsein wieder zurück. Der Mensch soll erkennen, daß seine Seele Gott gehört. Das ganze Herz sollte Gott dargebracht werden. Aber dem unwissenden Menschen, der voll Verlangen und Wünschen ist, der Täuschung unterliegt und an weltlichen Dingen hängt, widerstrebt das. Wie machtvoll Maya, die Täuschung, doch ist!

 

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