Swami Sivananda

Die Notwendigkeit spiritueller Führung

F:  Ist ein Guru zur Selbstverwirklichung notwendig?
A: Zweifellos. Ein spiritueller Lehrer ist für jeden absolut notwendig. In den Anfangsphasen muß sich der Suchende mit vielen Schwierigkeiten und Zweifeln auf seinem Weg auseinandersetzen. Er muß jemanden haben, der viel erfahrener im Umgang mit dem Thema seiner Suche ist als er, und zu dem er gehen kann, um seine Zweifel zu klären. Auch normale weltliche Wissenschaften müssen von einem Lehrer gelernt werden. Ein Student im Anfang  würde in seiner Prüfung nicht gut abschneiden, wenn er nur alleine ohne Hilfe eines Lehrers seine Lektionen erarbeitet, oder ohne in die Schule zu gehen. Um die Wissenschaft der Selbsterkenntnis zu erlernen, muß man einen zuverlässigen Lehrer haben. Er muß das Beste der erhältlichen Literatur über das jeweilige Thema studieren, um so in wirksamer Weise seine Gedanken und seine intellektuelle Überzeugung zu formen, zusammen mit der Unterweisung des Lehrers, durch Glaube, Frömmigkeit, Ausdauer und praktisches Engagement zur Verfolgung seines Zieles, sowie durch Beobachtung und Gesellschaft heiliger Menschen. Nur der Guru kann Fehler feststellen. Es liegt in der Natur des Egoismus, daß Fehler nicht festgestellt werden können und man nicht von ihrer verderblichen Wirkung überzeugt ist. Einige wenige emotional reife, intellektuell genaue, entschlossene und erleuchtete und spirituell hohe Seelen können ihre eigenen Führer sein, und die Reinheit ihres Herzens wird es ihnen ermöglichen, die von innen kommende Stimme Gottes zu vernehmen und sich entsprechend von ihr führen zu lassen.
F: Ist es wesentlich, Yoga von einem Guru zu lernen, der selbst Yoga Sadhana gemacht hat und Erfolg darin erlangt hat?
A: Ja. Man braucht die Führung eines Gurus. Man kann aber auch eine Menge alleine zu Hause machen und sich allmählich entwickeln. Die Welt ist ein großartiger Lehrer. Man kann so viele wertvolle Lektionen von ihr lernen. Während man in der Familie lebt, kann man viele Tugenden entwickeln. Selbstbeherrschung muß praktiziert werden, während man in der Welt der Versuchungen lebt. Man kann zu Hause Japa, Asanas, Pranayama und Meditation praktizieren. Führe ein einfaches und strenges Leben.  Sei ehrlich und mildtätig. Veranlasse deine Frau, religiöse Bücher wie Ramayana, Gita, usw. zu lesen. So kannst du dich allmählich auf das harte Leben eines Sannyasin vorbereiten. Führe ein spirituelles Tagebuch und sende es mir zur Durchsicht. Verbringe deine Ferien hier und unterziehe dich der nötigen Ausbildung und Disziplin. Wenn du deine Familie plötzlich verläßt, versetzt du ihr damit einen Schock. Mache es allmählich: im Laufe einiger Jahre werden alle Bindungen zerbrechen, und du kannst dich vollständig dem Sadhana widmen.
F: Was sind die Voraussetzungen und die wesentlichen Eigenschaften eines wahren Gurus, Lehrers oder eines wirklichen Führers? Ist es einem normalen Menschen möglich, einen wirklichen Führer auszuwählen? Wenn ja, wie?
A: Ein wirklicher Guru ist ein Srotriya und ein Brahmanishtha, ein Schriftgelehrter, der fest in Brahman wurzelt. Wer weise, wunschlos und ohne Sünde ist, kann ein wirklicher Lehrer und Führer sein. Der Guru zieht Kraft seiner Weisheit und Fähigkeit Seelen an, die geeignet sind, von ihm geführt zu werden. Wenn jemand fühlt, daß er sich auf diese Weise spontan zu einem Mahapurusha hingezogen fühlt und gar nicht anders kann, als ihn lieben, bewundern und ihm dienen, der eine Verkörperung unerschütterlicher Ruhe, Barmherzigkeit und spiritueller Erfahrung ist, ein so großartiger Mensch kann als Guru angenommen werden. Ein Guru ist frei von Lust, Zorn, Habgier, Egoismus, Haß, Eifersucht und Selbstsucht. Er besitzt Selbstbeherrschung, Frieden, vollkommenes Wissen in den Techniken aller Yogapraktiken, einen ausgewogenen Geist, er sieht in allem dasselbe, ist großzügig, tolerant, nachsichtig und geduldig. Er hat die Fähigkeit, die Zweifel der Suchenden zu beseitigen. In seiner Gegenwart verschwinden Zweifel von selbst. Durch Nirvikalpa Samadhi ist er im Besitz von göttlicher Erkenntnis. In seiner Gegenwart genießt man Frieden, ist inspiriert und erhoben. In seiner Gegenwart erlebt man einen eigenartigen Schauer von Freude, Frieden und Erhobenwerden. Ein Guru ist ein Mensch, an dem der Schüler keinen Fehler finden kann, und der als das Ideal dient, das der Schüler erreichen möchte. Kurz, der Guru ist Gott in manifester Form, und wenn Göttlichkeit in einem Menschen gesehen wird, kann er als Guru gewählt werden. Die Beziehung zwischen Guru und Sishya ist echt und unzerbrechlich, ebenso wie die zwischen Gott und Mensch. Es ist ein Naturgesetz, daß, wenn ein bestimmtes Ereignis im Universum stattfinden muß, die dazu notwendigen Bedingungen genau zur richtigen Zeit geschaffen werden. Wenn der Schüler bereit ist, das höhere Licht zu empfangen, wird er durch höchste göttliche Fügung mit dem geeigneten Guru in Kontakt gebracht.

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