Swami Sivananda

Glaube, Bemühen und Selbstaufgabe

Glaube ist Sraddha. Glaube ist das Größte auf der Welt. Selbst höchste Rationalität hat Glauben zum Hintergrund. Man kann nicht rational über Dinge nachsinnen, an die man nicht glaubt. Auch des größten Philosophen Festung ist Glauben. Kein Intellektualismus kann sich als richtig erweisen, wenn er nicht von Glauben gestützt ist. Die ganze Welt beruht auf Glauben und wird durch Glauben geleitet. Religion hat Glauben als Wurzel. Man kann nicht Gott beweisen, wenn man nicht an Gott glaubt. Gott ist ausschließlich Glaubenssache. Dieser Glaube ist das Ergebnis früherer Samskaras. Manche Menschen sind geborenene Philosophen, andere wieder können die Grundlagen der Religion auch mit siebzig Jahren nicht erfassen. All das hat seine Ursache in Samskaras oder Eindrücken von früher. Der Glaube wird durch die Eindrücke von Handlungen, die in früheren Geburten geschahen, gelenkt, und der gegenwärtige Glaube ist näher oder ferner zur Wahrheit, je nach dem Fortschritt der spirituellen Evolution.
Blinder Glaube muß in vernunftgelenkten Glauben verwandelt werden. Glaube ohne Verstehen ist blinder Glaube. Bhakti ist Entwickeln von Glauben. Jnana ist Entwickeln von Bhakti. Glaube führt zur letztendlichen Erfahrung. Alles, was ein Mensch fest glaubt, das erfährt er, zu dem wird er. Die ganze Welt ist ein Produkt gläubiger Vorstellung. Wenn man nicht an die Welt glaubt, gibt es sie nicht. Wenn man nicht an Sinnesobjekte glaubt, spenden sie keine Freude. Wenn man nicht an Gott glaubt, erlangt man nie Vollendung. Falscher Glaube verwandelt sogar Sein in Nichtsein. „Wer glaubt, daß Brahman nicht existiert, wird selbst nicht-existent.“, sagt die Taittiriyopanishad. Glaube ist die grundlegende Notwendigkeit für spirituelles Sadhana.
Bemühen ist eine Weiterentwicklung von Glauben. Es ist ein Schritt weiter als Glauben. Die Flamme des Glaubens lodert hoch als das spirituelle Streben nach Moksha. Der Suchende sehnt sich nach göttlicher Erfahrung. Es ist nicht mehr länger bloßer Glaube, sondern ein starkes Gefühl, das nicht so leicht von äußeren Gegebenheiten erschüttert werden kann. Der Gläubige sehnt sich nach Vereinigung mit dem Geliebten. Er findet keinen Schlaf, keine Ruhe. Er sinnt ständig darüber nach, wie er den Gegenstand seiner Liebe erlangen kann. Er betet, singt und wird verrückt nach seinem Herrn. Göttliche Verrücktheit überkommt den Gläubigen, und er verliert sich völlig in dem Bestreben, Gott zu erfahren. Das heißt Selbstaufgabe.
Selbstaufgabe ist das Ende von Bhakti Yoga. Das Selbst oder Ego wird hingegeben, man trennt sich endgültig davon und opfert es dem Herrn. Der Gläubige verliert sich im göttlichen Bewußtsein. Er ist in den Ozean der Wonne getaucht. Er hat im Meer göttlichen Nektars gebadet. Er hat die Essenz der Unsterblichkeit bis zur Neige getrunken. Er ist Apta Kama geworden, denn er hat Gott erreicht, die Wurzel des Universums.

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