Das Geheimnis der Katha Upanishad

von Swami Krishnananda

Das Geheimnis der Katha Upanishad

Vortrag Nr. 4:

Das große Ziel, diese wundervolle Struktur des Universums, das Ziel des Lebens ist nicht leicht zu erreichen. Die Upanishad mahnt uns zur Vorsicht:

Utishthata, jagrata;
Prapya varan nibodhata.

Glaubt ja nicht, dass man diese segensreiche Erfahrung im Handumdrehen erreichen kann. Wacht auf! Erhebt euch! Hört damit solange nicht auf, bis ihr das Ziel erreicht habt. Indem ihr euch hingebt, werdet ihr Sein Wissen erlangen.

Kshurasya dhara nsita duratyaya,
Durgam pathas tat kavayo vadanti:

Schmal ist der Pfad, schwierig der Weg und schwer ist es, die Zitadelle dieses mysteriösen Yogas zu betreten. Der Weg ist unsichtbar und in jeder Beziehung schwierig. Wenn man den Pfad sieht, kann man ihm folgen. Doch man kann den Yogapfad nicht sehen. Wie will man da auf ihm wandeln? Dieser spirituelle Weg wird manchmal mit den Vogelfluglinien am Himmel oder den unsichtbaren Pfaden der Fische im Wasser verglichen. Die Wege sind unsichtbar. Man kann weder bei der Wanderung der Vögel noch bei den Fischen einen Weg ausmachen, der sich wie eine geschlagene Waldschneise offenbart. Darum ist es ein Pfad des Wissens. Man kann ihn nicht sehen, obwohl er da ist. Der Verlauf des Weges bleibt unsichtbar. Die Absolute Purusha, die jenseits von Avyakta und Mahat ist, kann nicht wie eine Stadt oder irgendein anderes festes Ziel in dieser Welt erreicht werden. Insoweit, wie es kein körperliches Ziel gibt, kann es auch keine Bewegung in eine bestimmte Richtung geben; darum gibt es auch keinen sichtbaren Pfad dorthin. Auf diese Weise tut sich vor uns die ganze Schwierigkeit auf. Wenn es keinen Weg dorthin gibt, wie sollte man dann das Absolute erreichen?

Wenn wir nicht vollkommen rein sind, scheint es schwierig, überhaupt eine Möglichkeit zur Verwirklichung des Zieles zu finden. Nur die moralische Verworfenheit des Geistes sieht die Schwierigkeiten des Weges. Zu diesem Punkt sagt uns die Upanishad:

Naisha tarkena matir apaneya:

Allein durch die Intelligenz kann das Ziel nicht erreicht werden. Durch menschliches Bemühen ist das Ziel auch nicht erreichbar. Manchmal schaut es so aus, dass die ganze Sache absolut unmöglich erscheint. Solch ein großer Meister, wie Dattatreya soll zu Anfang gesagt haben:
Ishvaranugrahad eva pumsam advaita-vasana;

„Allein durch die Gnade Gottes ist die Hinwendung zum Absoluten erklärbar.“ Der große Acharya Shankara konnte keine klare Antwort auf folgende Frage geben: „Wie kam dieser Wissensdurst in die individuelle Seele?“ Er sagte nur: „Es ist die Gnade Gottes.“ Man kann dem nichts hinzufügen. Je weniger man über diese Schwierigkeit, dieses Problem bzgl. des Weges usw. sagt, desto besser ist es. Mit den nebelhaften Emotionen kann man diesen Pfad nicht meistern. Üble Eigenschaften haben bei diesem schrecklichen Mysterium keinen Platz. Wer nicht gewohnt ist, immer wieder neue Wege in der Welt zu gehen, kann den Yogapfad nicht beschreiten. Unruhige, von innen her rastlose und durch jedes Ereignis aufgeschreckte Menschen können diesen Weg nicht gehen. Jegliche Störung des individuellen Willens hat eine Disqualifikation für den Pfad zur Folge. Jede Erregung / Erschütterung muss vermieden werden. In uns haben wir die verschiedensten Formen der Erregung. Wir kennen die verschiedensten Störfaktoren: energetische, sinnliche, mentale und intellektuelle Störeinflüsse. All diese inneren Dringlichkeiten müssen überwunden und gemeistert werden. Es gibt dafür ein einziges Wort: ‚Selbstkontrolle‘. Die Upanishad erklärt später, was Selbstkontrolle bedeutet.

Na avirato duscaritat na asanto na-asamahitah,
Na-asanta-manaso va-api prajnanenainam apnuyat.

Ein ungebildeter Geist kann nicht darauf hoffen, die niedrigste Schwelle dieser Praxis zu betreten. An dieser Stelle gilt es einen wichtigen Punkt zu betrachten. Sind wir für die Yogapraxis reif? Diese Frage muss sich jeder selbst beantworten. Es macht keinen Sinn, sich mit Yoga zu befassen, indem man ein Formular ausfüllt und das Eintrittsgeld entrichtet. Sind wir reif? Wie überprüft man seine Fitness? Der Reifegrad besteht nicht nur in dem Ansinnen, dass der Eintritt in den Ashram gewährt wird. Der Reifegrad wird auch nicht in Niedergeschlagenheit, Frustration oder häuslichem Kummer gemessen. Die Sorgen sind nicht unbedingt ein Hinweis, um nach dem Ziel des Yoga zu streben. Yoga ist die Höchste aller Wahrheiten. Jedwede negative Vorbedingung kann kein Anlass für eine Qualifikation ihrer Praxis sein. Häusliche Streitigkeiten, eine Degradierung im Büro, der Verlust von Besitz oder der Tod von Kindern darf kein Anlass sein, um die Yogapraxis aufzunehmen. Doch die meisten Menschen sind nur in diese Richtung qualifiziert. Aus diesem Grund haben sie keinen Frieden im Geist, selbst wenn sie vor einem großen Meister sitzen. Sie kommen mit einer inneren Störung, sitzen vor den Meistern mit einem unruhigen Geist, und sie haben auch keine klaren Vorstellungen über das Ziel. Eine gefasste Persönlichkeit ist der qualifizierte Schüler für den Yoga der Upanishad bzw. für jede Form des Yoga. Ein Mensch hat viele Eigenschaften. Durchsetzungsvermögen in jeglicher Form wird zur Disqualifikation. Niemand ist von der Selbstbehauptung frei. Wir kleben an unseren Pfeilspitzen der Argumente in den Diskussionen. Wir stimmen immer wieder zu, wenn wir uns unterscheiden wollen. Wir fühlen uns erhoben, wenn wir anderer Meinung sind und diese Meinung zum Ausdruck bringen, wobei unsere Betonung auf richtig und wahr liegt. Man sollte daran denken, dass jeder Standpunkt als völlig richtig angesehen werden kann. Darum ist es für jeden vergeblich und dumm, völlig und uneingeschränkt auf der eigenen Meinung zu beharren, ohne andere Auffassungen oder Gefühle zuzulassen. Wenn wir glauben, dass andere nicht ehrlich sind, so sind wir selbst keinen Deut besser. Alle Gesichtspunkte sind Ausdruck der vielfältigen Offenbarungen der Wahrheit. Jeder Ausdruck ist auf seine Weise wahr. Der innere Konflikt entsteht auf Grund differenzierter äußerer Umstände. Wir hassen die vorherrschenden Bedingungen in der Welt. Wir hassen Menschen, die anders denken als wir. Wir hegen einen tiefen Groll gegenüber allen Ereignissen, die stattfinden, und die nicht mit der Freude des eigenen Körpers in Verbindung gebracht werden können. Dieser Groll drückt sich manchmal in Gesprächen und in Handlungen aus, doch häufig ist er im Geist verborgen. Wir hegen ständig Groll auf irgendetwas. Wir haben kein Gefühl dafür, was nicht mit unserer Zufriedenheit vereinbar ist, und was auch nicht zur Freude anderer beiträgt. Wir setzen immer ein miesepetriges Gesicht auf, haben häufig eine saure Miene aufgesetzt. Wir können uns über nichts freuen. Wir haben immer etwas an dem auszusetzen, was gerade in der Welt stattfindet. Wenn es regnet: „Oh, dieser Regen. Muss es jetzt regnen?“ Wenn die Sonne vom Himmel brennt: „Oh, ist das heiß!“ man kommt weder vor noch zurück, oder man kann weder leise noch laut sprechen. Was auch immer getan wird, bietet immer einen Ansatz zur Kritik. Dieses ist ein kleines Fehlverhalten, das dem eigenen Zweck im Wege steht. Darum bleiben wir letztendlich, wer wir sind. In der Bibel heißt es, als Satan Gott fragt: ‚Vater, wann werde ich Erlösung erfahren?‘ Da Satan zur Hölle verdammt war, schien die Antwort Gottes zu sein: ‚Wenn die Menschen deinen Versuchungen standhalten, wirst du befreit.‘ Darum heißt es auch, dass Satan weint, wann immer ein Mensch seinen Versuchungen erliegt. ‚Oh, ich habe keine Hoffnung, denn die Menschen erliegen den Versuchungen, die ich vor ihnen ausgebreitet habe.‘ Die Arbeit Satans ist, ein Netz von Versuchungen auszubreiten, und seine Befreiung liegt in unserem Widerstand und in unserem Bewusstsein wachsam sein zu müssen. Doch unglücklicherweise ist die ganze Welt eine Versuchung, und darum ist die Welt ein einziges Trainingsfeld, denn Versuchungen sind Lehren. Satans Kräfte wirken nicht nur von außen, sondern auch von innen. Sie haben ihren Platz im Intellekt des Menschen. Der Aufstieg und Fall hängt davon ab, wie gut die Dinge verstanden werden. In der Mahabharata findet man folgende Sätze:

Na deva dandam udyamya rakshanti pasupalavat,
Yam tu rakshitum ichhanti buddhya samyojayanti tam.

„Wenn die Gottheiten uns helfen wollen, dann stehen sie nicht neben uns, um uns wie eine Hammelherde zu hüten. Die Gnade wird uns zuteil, wenn unser Intellekt richtig ausgerichtet ist.“ Und der Fluch ist nichts weiter, als ein Missverständnis über die richtige Richtung. Nicht richtig denken zu können, ist unser größtes Problem. Die Voreinstellung unserer Persönlichkeit kann als das Haupthindernis angesehen werden. Unser ganzes Leben beruht auf einer vorgefassten Einstellung. In Anbetracht des Erlernten und unserer Herkunft sind wir nicht und können wir nicht frei von dieser Schwäche sein, denn dieser Fehler ist tief in unsere Persönlichkeit verwurzelt. Wir sind damit zur Welt gekommen. Möglicherweise ist es das, was man den Sündenfall nennt, mit dem wir geboren wurden, und der uns die Beschränkung unseres Seins auferlegt. ‚Mögen‘ und ‚Nichtmögen‘ sind die gebräuchlichen Ausdrücke, die diesen Fehler beschreiben. Falsches Verstehen oder die Unkenntnis über die Wahrheit der Dinge stempelt uns zu Ajnana, wodurch wir die Unterscheidungsfähigkeit (Viveka) verloren haben und die Dinge falsch einschätzen. Aviveka oder die mangelnde Unterscheidungsfähigkeit führt zu Ahamkara oder Egoismus, der Überbetonung des eigenen Selbst. Auf Grund von Ahamkara entsteht Raga und Dvesha oder Liebe und Hass. Diese Gegensätze, wie Liebe und Hass, Mögen und Nichtmögen, veranlassen zum selbstsüchtigen Handeln oder Karma, um zu erreichen, was gewünscht wird, und um zu vermeiden, was nicht gewünscht wird. Dieses Karma, dieses selbstsüchtige Handeln, verursacht eine Vielzahl zukünftiger Geburten und Tode in einer Serie von Leben. Dieses ist die Sorge des Lebens. Dieses bezeichnet man als die Verkettung oder unendliche Bindung des Individuums.

Das Beherrschen dieser inneren Impulse, die auf den falschen Weg führen, wird als Selbstkontrolle bezeichnet. Dieses wird symbolisch und anschaulich in einer Passage der Katha Upanishad beschrieben. Hier erhalten wir eine Präsentation des gesamten Prozesses der Selbstkontrolle, die Vorbedingung zur höheren Yogapraxis.

Die innere Seele kann mit dem Passagier in der Kutsche verglichen werden. Der individuelle Körper wird als der Wagen betrachtet, in dem sich das seelische Bewusstsein befindet. Das Gefährt wird von einem Kutscher gelenkt. Der Intellekt ist dieser Wagenlenker. Die Zügel des Gespanns sind die Verlängerung des Willensausdruckes des Geistes. Die Pferde, die den Wagen ziehen, sind die Sinne, - die Augen, die Ohren usw. Die Wege, auf dem der Wagen mit Hilfe der Pferde entlang fährt, sind die Objekte. All dies wird erst durch die verbindende Aktivität des Atman, der Sinne und des Geistes ermöglicht. Dieses ist eine kurze, schöne, symbolische und dramatische Beschreibung, die eine tief greifende Bedeutung in sich trägt. Dieser Wagen soll direkt zur Heimstatt Vishnus gelenkt werden, - Tad vishnoh paramam padam. Wenn die Pferde störrisch, müde und unwillig werden, und sie die Straße nicht richtig sehen können, landet das Gefährt im Graben. Manchmal sehen wir Pferde, die sich mit ihrem Gefährt rückwärts bewegen. Sie wollen nicht vorwärts gehen. Dann steigt der Kutscher ab und nimmt seine Pferde direkt an die Zügel. Entweder sind die Pferde erschöpft oder verärgert. Manchmal verhalten sich die Pferde unserer Sinne ebenso. Der Wagen kann in einem guten Zustand sein; andererseits kann er auch durch dauernde Überbeanspruchung in einem schlechten Zustand sein. Der Wagenlenker hat bei der gesamten Aktivität des Wagens die wichtigste Aufgabe. Erinnert ihr euch an die Rolle Krishnas als er den Wagen Arjunas lenkte. Alles hing vom Wagenlenker ab. Der Autofahrer ist selbst heutzutage der wichtigste Mensch an Bord. Man sitzt im Fond eines Fahrzeugs, döst vor sich in, doch was ist mit der Verantwortung des Fahrers? Das Leben des Passagiers liegt in den Händen des Fahrers. Was geschieht, wenn auch er schläfrig wird? Auf diese Weise ist der Wagenlenker, der Intellekt, der Verstand bzw. die Vernunft das Wichtigste, was den Fortschritt dieser Bemühungen bestimmt, und was auch als Yogapraxis bekannt ist. Schaut auf die unterschiedlichen Aspekte dieser Fortbewegung, die in dieser Passage beschrieben werden. Die Wege sind die Objekte der Sinne. Die Sinne sind die Pferde. Der Intellekt oder der Verstand ist der Wagenlenker. Der Passagier ist die Seele. Der Körper ist der Wagen. Alles ist wichtig. Es gibt nichts Unwichtiges.

Wir wollen den Wagen zuerst betrachten. Welche Qualitäten sollte er haben? Er sollte kräftig gebaut sein; - Na ayam atma balahinenalabhyah. Ein Schwächling kann Atman nicht erreichen. Nun, es handelt sich bei der erforderlichen Kraft nicht um Muskelkraft oder den kräftigen Knochenbau eines Elefanten, anderseits wäre der Elefant wohl der beste Sucher des Yoga. Bei dem Sucher geht es um charakterliche Stärke und Redlichkeit. Man muss natürlich auch über genügend körperliche Kräfte verfügen, obwohl man kein Muskelprotz sein muss. Körperliche Kräfte haben nicht unbedingt etwas mit dem Körpergewicht zu tun. Hier geht es darum, Entbehrungen aushalten zu können. In wie weit kann man das Gegenteil vom ansonsten Üblichen (er)tragen? Von daher kann man die Stärke eines Menschen wirklich einschätzen. Nicht nur der Körperbau macht einen Menschen aus. Bei dem Körper, der in den Upanishads beschrieben wird, handelt sich nicht nur um den physischen Körper, sondern um die ganze Persönlichkeit, den Pancha-koshas-annamaya, pranamaya, manomaya, vijnanamaya und anandamaya. All diese Körperebenen machen den hier beschriebenen Körper aus. Diese Ebenen müssen zu einer Einheit zusammengewachsen und aus hartem Holz geschnitzt sein. Auch die verbindenden Stücke sollten harmonisch eingepasst sein. Angenommen die Räder wären nicht richtig miteinander verbunden, dann könnte sich das eine Rad in eine und ein anderes in eine andere Richtung bewegen, und es fände keine gleichmäßige Bewegung mehr statt. Der Wagenkörper sollte harmonisch konstruiert und systematisch zusammengebaut sein, damit er schwere Lasten fortbewegen und sein Lebensziel erreichen kann. Aus diesem Grunde müssen wir beim Lenken sorgfältig auf den goldenen Mittelweg achten, was sehr schön im sechsten Kapitel der Bhagavadgita beschrieben wird. Moderat in der Führung, im Verhalten ausbalanciert, harmonisch in der Handlungsweise sind die Vorbedingungen für den Yoga.

Alles Extreme steht dem Yoga entgegen. Yoga beschreibt den goldenen Mittelweg, der Madhyama-marga bzgl. aller Aktivitäten, seien es körperliche, verbale oder mentale. Man muss moderat voranschreiten. Man sollte in seinem Verhalten anderen und sich selbst gegenüber Exzesse vermeiden. Man sollte andere nicht mit seinem Wortschwall erschlagen. Dieses ist eine Schwäche. Man soll sagen, was notwendig ist, sich klar ausdrücken, deutlich sprechen, in angemessener Form artikulieren und sich kurz fassen. Dann wird man in kurzer Zeit Erfolg haben. Man sollte nicht die falschen Dinge am falschen Ort und zu falscher Zeit erzählen. Man sollte beim Sprechen nicht erregt sein oder mit aufgewühltem Geist sprechen. All dieses macht die Persönlichkeit aus. Nur von einer gefassten Persönlichkeit kann man sagen: hier wohnt ein gesunder Geist in einem gesunden Körper. Der ‚Wagen‘ Arjunas hatte etwas Besonderes. Er wurde von oben von Hanuman beschützt, Krishna und der Herr des Feuers (Agniveda), den Arjuna mit dem Gandiva-Bogen präsentierte, befanden sich vorn. Arjuna war auf verschiedene Weise gesegnet. Man kann es in der Mahabharata nachlesen. Auf so einem Wagen saß Arjuna, der beste Bogenschütze, mit dem besten Wagenlenker, der von höchster Weisheit und Macht war. Dieses wird in gewisser Weise auch in der Katha Upanishad und auch in anderen Zusammenhängen so beschrieben.

Die Objekte der Sinne werden als Wege angesehen, auf denen sich der Wagen bewegt. Dieses ist irgendwie mysteriös. Warum müssen wir uns mit diesem Wagen (Körper) entlang der Sinnesobjekte bewegen? Weisen die Objekte den Weg zum Lebensziel? Ja. Die Welt ist das Trainingsfeld im Yoga. Die Objekte müssen vielmehr zur Hilfestellung als zum Gegenteil werden. In einem besonderen Yogasystem, dem Tantra, folgt man einer fremdartigen Prinzip. Das Prinzip liegt darin, dass man durch die Dinge, durch die man normalerweise scheitern würde, erhoben werden soll. - Yair eva patanam dravyaih siddhis taireva. Das, was uns töten kann, kann uns auch lebendig machen, wenn richtig damit umgegangen wird. Dieses ist so etwas wie Homöopathie. Der Yoga der Upanishad ist ein gesunder Weg in der Auseinandersetzung mit den Sinnesobjekten und der übrigen Welt. In den Hymnen der Samhitas der Veden schaut man auf die Welt, als wäre sie eine Offenbarung zur Ehre und Fülle Gottes. Der Sonnenaufgang und der Sonnenuntergang, der Regen, das Leuchten des Mondes sind alles Objekte, die von den Rishis der Veden verehrt wurden. Die Objekte stellen eine Offenbarung göttlicher Herrlichkeit dar. Als sehr positiv wird die vorsichtige Annäherung der Seher der Veden gesehen. Sie sahen nichts Negatives bei ihrer Annäherung zu Gott. Die Upanishads bilden eine Zusammenfassung bzw. Quintessenz der Veden und geben uns einen positiven Ausblick auf das Leben. Wenn man die Haupt-Upanishads aufmerksam studiert, wird man die Aussichten im Leben als wunderschön ansehen. Sie führen den Sucher von einer Freude zur nächsten, von einem Ananda zum nächsten. Jede Erfahrungsebene stellt eine Ebene der Freude dar. Sorgen und Kümmernisse haben keinen Platz. Die Sinnesobjekte, scheinen wie Hindernisse eines falsch eingeschlagenen Weges zu sein. Der eigene Sohn wird zum Feind, wenn man nicht anständig mit ihm umgeht. Der eigene Ehemann oder die Ehefrau können zu Gegnern werden, wenn das Verhältnis gestört ist. Wir haben weder Freunde noch haben wir Gegner in dieser Welt. Ob wir Freunde oder Gegner haben, hängt davon ab, wie wir uns anderen gegenüber verhalten. Es gibt weder Erzfeinde noch Busenfreunde. Die gibt es einfach nicht! Man kann sich selbst Menschen zum Freund oder zum Feind machen, je nach belieben. So ist es auch in der engsten Familie. Väter kämpfen auf Grund von psychologisch bedingten Irrtümern gegen Söhne vor Gericht und umgekehrt. Die Sinnesobjekte sind unsere Gegner, wenn wir uns falsch verhalten. Sie werden zu Freunden, wenn wir sie richtig verstehen. Selbst Schlangen können wundervoll zu ihren Schlangenbeschwörern sein, wenn sie richtig kontrolliert werden. Selbst Löwen werden gezähmt. Was sollen wir also über andere Objekte in der Welt sprechen!

Der Yoga der Katha-Upanishad, die die Sinnesobjekte wie Wege betrachtet, an denen der Körper entlang geführt werden muss, hält darum zur Hilfestellung für die Yogapraxis an dieser Welt fest. Sie werden in früheren Stufen auch zu Versuchungen. Die verschiedenen großen Offenbarungen kommen ins Bild, um den Yogaschüler abzulenken. Wir lesen von diesen Offenbarungen, die scheinbar den Weg versperren, in den Puranas und anderen großen Werken, wie Rambha, Urvasi und Indra. All diese beschriebenen Reaktionen werden durch die Kräfte der Natur hervorgerufen, indem sie von den Voraussetzungen der individuellen Persönlichkeit sprechen. Die äußere und die innere Welt ist aus demselben Stoff. Es finden sich charakterliche Ähnlichkeiten in ihren Naturen. Aus diesem Grund können wir die Wahrnehmung der Welt nicht vermeiden. Sie sind tief in uns verwurzelt, ein Teil unseres Lebens, sie sind bei und in uns. Doch die Welt kann auch zum Hindernis werden, wie im sechsten Kapitel der Bhagavadgita erwähnt wird. Gott selbst kann für uns zum Hindernis werden, wenn wir Seine Gesetze nicht achten oder Ihn nicht verstehen. Der Atman kann entweder als Freund oder als Feind angesehen werden.

Atmaiva hyatmano bandhur atmaiva ripur atmanah.

Der Atman ist unser Freund und auch unser Gegner. Wie kann Atman unser Gegner sein? Doch dies sagt Bhagavan Sri Krishna. Alle Gesetz werden zum Terror, wenn wir sie nicht beachten. Doch Gesetze stellen auch einen Schutz dar, wenn wir ihren Anforderungen gerecht werden. Die Welt ist das Gesetz Gottes. Rita, als ein Prinzip der Wirklichkeit, offenbart sich selbst als diese Wirklichkeit. Gott spricht zu uns durch die verschiedenen Dinge der Welt. Er lächelt uns durch all diese Dinge an. Er runzelt gelegentlich, wenn es notwendig ist, auch Seine Stirn. Die unzähligen Objekte, Farben und Klänge, die wir in der Welt wahrnehmen, sind die verschiedenen Wege, auf denen wir Gott täglich begegnen. Dieses sind die Lehren, die uns von Gott gegeben werden, Seine Virat-Svarupa, - Seine kosmische Form. Wo auch immer wir hinschauen, wir schauen auf Gott. Es gibt keine Sinnesobjekte. Sie existieren nicht. Wenn sich die Sinne auf ihre Weise verhalten, wenn sich der Spirit durch die Aktivitäten der Sinne aus unserem Inneren nach außen bewegt, erscheint er wie eine Vielzahl von Objekten. Die Objekte sind nichts anderes als Spirit, der in Raum und Zeit projiziert wird. Gott ist die versinnlichte Welt. Diese Schöpfung ist das Absolute als etwas Räumliches und Vergängliches dargestellt. Es gibt keine separate Welt. Es existiert keine separate Schöpfung. Es gibt keine separaten Sinnesobjekte. Es handelt sich nur um Namen, die wir derselben Wahrheit gegeben haben, und die wir letztendlich durch die Yogapraxis verwirklichen. Wir verabscheuen die Welt, als würden wir einem Hund einen schlechten Ruf anhängen wollen. Wir verfluchen die Welt, weil wir sie als etwas ansehen, was sie in Wirklichkeit nicht ist. Die Sinnesobjekte bilden gemäß diesen Upanishads die Wege, auf denen wir uns auf Gott zubewegen, d.h., dass wir uns von den Objekten weder angewidert noch abgestoßen fühlen müssen. Wir sollten uns von der Welt weder angezogen noch abgestoßen fühlen. Darum sollten wir weder die Welt meiden noch sollte die Welt uns meiden. Dieser Punkt wird auch im zwölften Kapitel der Bhagavadgita betont. Doch es ist sehr schwer, dieses Verhalten zu entwickeln. Man sollte sich den Dingen nicht verschließen, und man sollte sich auch nicht so verhalten, dass sich die Welt vor uns verschließt. Dies allein ist Yoga; und dies ist nur möglich, wenn wir das Ziel klar vor Augen haben. Viele der Sucher haben in dieser Hinsicht kein klares Lebensziel. Wir wissen nicht, ob wir zuerst Gott verwirklichen oder erst der Welt dienen sollten, um nur ein Beispiel unseres Dilemmas zu geben. Viele Sucher glauben, dass man zuerst der Menschheit dienen sollte, und dass die Verwirklichung Gottes danach kommt. Manchmal glauben wir, die ganze Menschheit wäre Gott, und das Dienen des Menschen ist Gottesdienst, und so beginnen wir unser Lebensziel in unserem täglichen Einerlei zu sehen. Dieses ist ein wunderbares Verhalten, womit dieses Ziel auf geschickte Weise interpretiert wird, und wobei es so aussieht, als würden wir das Ziel verfolgen. Doch tatsächlich gehen wir unserem Vergnügen nach, was dazu führt, dass wir immer tiefer in die Nöte einer körperlichen und Ego getriebenen Persönlichkeit hineinschlittern. Niemand kann als Ganzes nach Gott streben. Es ist unmöglich, mit seinem ganzen Sein nach Gott zu streben. Obwohl wir uns vielleicht als ‚Sucher Gottes‘ bezeichnen, ausschließlich an Gott denken und Ihn ebenso lieben, tun sich vor uns andere Dinge auf, die den Platz des göttlichen Gedankens einnehmen, und sehen dann denselben Gedanken fälschlicherweise als göttlich an, spannen damit den Karren vor das Pferd und verhalten uns entsprechend, sodass andere Menschen und die Welt gegen unser Verhalten Einspruch erheben. Häufig beurteilen wir unseren Fortschritt aus einer Sicht der Bewunderung, die uns von anderen entgegengebracht wird. Wenn man von der ganzen Welt als etwas Großes angesehen wird, ist man in dem Glauben, man würde auf dem Yogapfad Fortschritte machen. Wenn man von einer Zeitung als Führer der Menschheit betrachtet wird, bekommt man vielleicht das Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein. Warum sollte man sonst von allen Menschen vergöttert werden? ‚Die Welt liebt mich, verehrt mich, schreibt über mich, d.h. Gott segnet mich, Gott ist mir gegenüber gnädig.‘ So denkt man dann. Doch um zu verstehen, was Gott ist, was die Liebe Gottes ist, bedarf es der Gnade Gottes. Dies zu akzeptieren und zu verstehen, erfordert große Mühe.

Die Vorstellung, die wir von Gott haben, und das vor uns liegende Lebensziel sind letztendlich die bestimmenden Faktoren im Erfolg unserer Yogapraxis. Die Kathopanishad macht uns in diesem Abschnitt über die Selbstkontrolle klar, dass dieser Körper (Wagen) hin und herdriftet, wenn der Wagenlenker nicht in die Zügel greifen und den Pferden erlauben würde, sich nach ihrem eigenen ‚Gutdünken‘ zu bewegen. Der Intellekt kann durch die Kräfte, die von den Sinnen auf ihm lasten, benebelt oder gar im Unklaren sein. Die Sinne können sehr machtvoll sein und Geist und Intellekt derart beeinflussen, sodass beide nur noch in der Lage sind, die Dinge im Sinne der Sinnesorgane zu verstehen. Die Upanishad warnen uns vor solch einem Fall. Der Atman, der Geist und die Sinne sollten im Einklang sein, - Atmendriyamanoyukta. Sie sollten nicht unabhängig voneinander jeder ihrer Wege gehen; die Aktivitäten der Sinne, die Gedanken und die Bedürfnisse des Spirits sollten im Einklang miteinander sein. Sie sollten sich in ihrer Richtung nicht voneinander unterscheiden. Wie ist das möglich? Dies genau ist Yogapraxis. Yoga ist nichts weiter, als den Gleichklang von Spirit, Geist und Sinne zu bewahren. Die Wahrnehmung der Sinne, die Gedanken des Geistes und die Merkmale des Spirit sollten sich decken. Worin liegen die Merkmale des Spirit? Unteilbar in der Substanz, universal im Charakter, frei von Objekten der Natur, absolut in Intelligenz und Subjektivität, und von Äußerem und Objektiven losgelöst, sind die wesentlichen Merkmale des absoluten Spirit, der die Gedanken des Geistes und die Aktivitäten der Sinne beeinflussen sollte. Dieses ist die Grundlage von Karma-Yoga und Bhagavadgita. Karma-Yoga oder spiritualisierte Aktivität ist die äußere Lebensführung, die von der Natur des inneren Atman, und nicht durch die Wünsche der Sinne, geleitet wird. Der Atman hat keine Wünsche. Er weiß alles. Irgendwelchen Dank auf Grund unserer Handlungen zu erwarten, stünde den Anforderung Atmans entgegen. Bzgl. der Handlungen gibt es nichts Falsches, doch wenn dahinter ein Motiv verborgen ist, dann ist damit wirklich etwas im Argen, denn Atman hat kein Motiv. Wenn der Atman die Grundlage unseres Handelns, das Ziel unserer Taten und Arbeiten ist, dann sollte es keine weiteren Hintergedanken geben. Auch wenn die Handlungen sich nach außen richten, so bleibt das Ziel eine innere Verwirklichung Atmans.

Dieser Yoga ist wundervoll! Die Bewegung der Handlung geht nach außen, doch das Ziel liegt im Inneren. Obwohl man draußen läuft, ist die tatsächliche Bewegung drinnen. Das ist Karma-Yoga. Wir arbeiten mit anderen Menschen, Dingen usw. in einer scheinbar räumlichen Welt, doch in Wirklichkeit läuft man auf Atman zu, der in allen Objekten verborgen ist. Der Atman ist nicht nur innerhalb. Er befindet sich auch außerhalb. Für den Atman gibt es weder das Innere noch das Äußere. Wenn es heißt, dass sich Atman auch außerhalb befindet, dann sieht man es nur in Verbindung mit Karma-Yoga, d.h., egal ob man vorwärts, rückwärts, sich nach innen oder nach außen zu den Objekten hinbewegt, man richtet sich immer auf denselben Punkt. Außergewöhnliches trifft sich am selben Ziel. Geowissenschaftler erzählen uns, dass sich parallele Linien im Unendlichen treffen. Parallele Linien treffen sich im Allgemeinen nicht, doch können sie sich treffen, wenn sie in die Unendlichkeit verlängert werden. Die Erfüllung von Karma-Yoga ist identisch mit einer erfüllten Meditation auf das Absolute. Doch er/sie sollte erfüllt sein. Dieses ist die entscheidende Frage und muss betont werden. Wenn man sich nach außen auf das Unendliche zubewegt, erreicht man auch das Unendliche, das innen ist. Bei diesem Teil des Yoga der Kathopanishad handelt es sich nicht um Jnana-Yoga, nicht um Bhakti-Yoga, nicht um Karma-Yoga und es ist auch nirgendwo als Yoga bekannt. Es ist der Yoga des Unendlichen, der geheime Weg, deren Aspekte hier behandelt werden. Die so genannten Yogawege, wie Karma, Bhakti, Jnana usw. sind Offenbarungen dieser mysteriösen Technik, die Yama Nachiketas anvertraut.

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