Tägliche
Inspiration aus der Feder Swami Sivanandas für den 26. Dezember
YOGA UND CHRISTENTUM
von Swami Chidananda
Ich möchte heute
etwas ausführlicher zu euch über das Thema `Yoga und
Christentum´
sprechen, weil die meisten von euch einen christlichen
Hintergrund haben
und sehr fromm und sehr religiös sind. Manche sind nur
Christen, weil sie
als Christen geboren wurden, manche gehen halbwegs in die
Kirche, einmal in
zwei Monaten, aber alle entstammen der christlichen
Tradition, vielleicht
der Römisch-Katholischen, vielleicht auch nicht,
vielleicht der Protestantischen,
vielleicht der Methodistischen, vielleicht
irgendeiner anderen
Richtung. Manche von euch sind Juden. Welcher Religion
auch immer ihr angehört,
wenn ich über Yoga und die christliche Religion
spreche, könnt
ihr es auch gleichermaßen auf Yoga und jede andere Religion
übertragen.
So, was also ist die Beziehung zwischen Yoga und der eigenen
Religion? Man sieht
es für gegeben an, dass Yoga zu der hinduistischen
Religion gehört
und fragt sich: "Was ist die Beziehung zwischen dieser
Hindu-Sache und
meiner Religion?" Jeder, der einer anderen Religion angehört,
muss sich wundern.
Deshalb ist es gut zu wissen, wie sich Yoga zur Religion
verhält. Ist
es wie andere Religionen, oder gibt es starke Abweichungen
zwischen Yoga und
anderen Religionen? Wenn diese Dinge nicht klar sind, kann
es sein, dass ihr
ein Gefühl der Schuld bekommt. "Oh, ich bin ein Christ;
mache ich das richtige,
wenn ich hingehe und mich mit Yoga beschäftige?
Möglicherweise
bin ich ein wenig ungläubig in diesem meinem Interesse für den
Yoga." Dadurch kann
man eventuell eine vages Gefühl des Unwohlseins empfinden.
Zuallererst muss
man wissen, dass Yoga vor dem Hintergrund oder auf der
Grundlage der Hindu-Religion
entstanden ist. Es hat seinen Ursprung in Indien
und es ist ein Teil
der Hindu-Religion. Aber es ist nicht hinduistisch. Es
ist eine universelle
Wissenschaft, die aus dem hinduistisch-religiösen Boden
erwuchs - eine Wissenschaft,
die über die Religion hinauswuchs. Es ist eine
universelle Technik.
Im Yoga, wie es in dem Yoga-Darsana von Patanjali, einem
der sechs Systeme
des Yoga, niedergelegt wurde, gibt es nämlich kein
spezielles Dogma
und kein spezieller Gott wird für eure Verehrung
ausgedeutet. Yoga
sagt nicht, dass ihr Rama oder Siva verehren müsst, oder
über Krishna
meditieren müsst, oder Kali, Durga oder Hanuman verehren müsst;
Yoga sagt nichts
über all diese DInge. Yoga sagt nicht, dass ihr einen
bestimmten Namen
Gottes wiederholen müsst. Yoga sagt nur, dass die
Wiederholung eines
der göttlichen Namen einer der Wege ist, um den Geist zu
konzentrieren. Es
sagt: Wiederholung des göttlichen Namens. Ihr könnt den
göttlichen
Namen wiederholen, ihr könnt das Jesus-Gebet sprechen, ihr könnt
Allah sagen, ihr
könnt Rama sagen, ihr könnt den Namen von Siva sagen, oder
ihr könnt einen
anderen Namen sagen, wenn ihr einer anderen Religion
angehört. Der
Yoga spezifiziert diesen Namen nicht und auch nicht, wen man
verehren soll. Das
all-vollkommene göttliche Wesen, welches immer frei, immer
vollkommen, frei
von allen Unvollkommenheiten und immer frei und jenseits der
Maya ist, der höchste
Purusha, das heißt das höchste Wesen, der allmächtige
Vater im Himmel,
Allah, Jehovah, ihr könnt es bei jedem Namen nennen, es
macht nichts, dieses
immer freie Wesen, das nicht durch Maya gebunden und
frei von jeder Art
von Beschwerden ist, das von der Eigenschaft vollkommener
Glückseligkeit
ist, vollkommenen Bewusstseins; das ist das Objekt der
Meditation, das
erreicht werden soll, das ist das Ziel vom Yoga. Deshalb gibt
er euch kein anderes
Ziel, als das Ziel des Yoga; er gibt euch kein anderes
Ziel, als das Ziel
eurer Religion. Er verweist nicht auf einen Gott, der von
dem Gott verschieden
ist, auf den eure Religion verweist - Christentum,
Islam, usw. - und
er gibt diesem Gott keinen bestimmten Namen, so dass ihr
euren Gott wechseln
müsst. Er gibt diesem einen Gott keinen bestimmten Namen.
Aus dem Boden des
Hinduismus entsteigend, geht er über die Religion hinaus.
Der Yoga ist eine
religiöse Wissenschaft, was bedeutet, dass er über die
Religion hinausgeht
und so einen universellen Charakter annimmt.
Zweitens ist Yoga
eine Wissenschaft für die Menschen. Er ist keine
Wissenschaft, die
entweder für einen Menschen aus dem Osten, oder einen aus
dem Westen ist,
für einen Orientalen oder einen Occidentalen. Yoga ist für
die Menschen auf
der Erde. Er wurde den sterblichen Menschen auf dieser Erde
der Geburt, des
Schmerzes und des Todes gegeben. Er wurde dem Menschen auf
der Erde gegeben,
egal wer er ist oder wo er ist; er wurde den Menschen für
alle Zeiten gegeben.
Er wurde nicht einem Menschen aus dem Altertum gegeben,
oder einem Menschen
aus dem Mittelalter, oder einem modernen Menschen, oder
einem, der noch
kommen mag und der wünscht, über Sorgen, Schmerz und Leiden
hinauszugehen, über
Knechtschaft und Täuschung hinauszugehen. Wer diesen Weg
aber begeht, wird
zu dem Ort der höchsten Erfahrung gebracht. Deshalb ist er
die Antwort auf
die Nöte des sterblichen Menschen, auf dieser weltlichen
Ebene. Deshalb ist
er etwas, das das Eigentum, die Erbschaft der Menschheit
ist - der Yoga ist
das Erbe der Menschheit. Er mischt sich nicht störend in
die Religion ein.
Was macht Yoga? Yoga ergänzt das Leben der Menschen und
ergänzt gewisse
Mängel, hervorgerufen durch der Religion mangelnden Menschen
oder der Menschen
mangelnden Religion. Es gibt einen Zustand, der durch das
Versagen der Religion
bezüglich der höchsten Nöte der Menschen hervorgerufen
wurde, oder durch
das Versagen der Menschen, Nutzen aus der Religion zu
ziehen oder seine
Religion, so wie sie ist, richtig zu nutzen; wir können es
nicht sagen.
Manche sagen, dass
die Religionen versagt haben. Ich sage: Nein. Die Menschen
haben versäumt,
der Religion zu folgen. Es ist nicht aufgrund der Religion,
dass der Mensch
leidet. Es ist aufgrund der Vernachlässigung der Religion,
des Ignorierens
der Religion und ihrer Lehren und ihrer Weisheit. Meistens
ist das der Fall.
Manchenorts aber, wo die Religion vollkommen
institutionalisiert
wurde, bekam sie eine stark unpersönliche Struktur und
verlor den lebendigen
Kontakt zu dem Einzelnen. Solchermaßen wird sie
unfruchtbar für
den wahren Geist. Sie wird dann lediglich zu einer Schablone
für Dogmen
und Rituale, für Zeremonien und Glaubensbekenntnisse. Du bist ein
Christ, wenn du
sagst: `Ich glaube an die Erlösung durch das Blut Christi´.
Ja, ich glaube,
dann bist du ein guter Christ. Du bist ein sehr guter Christ;
also gehst du deinen
Weg. Du machst, was du willst, trinken, rauchen, alle
zehn Gebote brechen,
aber du bist ein Christ. Die Religion verbreitet die
Lehre, dass es genügt,
gewisse Dinge zu akzeptieren, die eine Institution als
das Herz, die wesentliche
Botschaft der Religion aufgestellt hat - eine
Kollektion von Dogmen,
und wenn ihr sagt, dass ihr diese akzeptiert, dann
seid ihr ein religiöser
Mensch. Aber dann ist das nicht Religion. In jeder
Religion gibt es
einen gewissen spirituellen Inhalt, der eine direkte
Relevanz zu diesem
Teil von euch hat, der euer innerstes, essentielles Wesen
ist, der eure innerste
Wirklichkeit ist, eine wahre, essentielle
Wirklichkeit, und
einen Teil, wo die Religion fehlt, diesen Teil eures Seins
zu berühren
und damit seinen Bezug dazu verliert und sich nur noch damit
beschäftigt,
auf welche Weise ihr zu leben habt, wo sie sich mit eurem
sozialen Leben und
den Schablonen eures sozialen Lebens und eures
Familienlebens auseinandersetzt
und ob ihr euren Zehnt bezahlt und ob ihr
regelmäßig
einmal in der Woche die Kirche besucht und ob ihr durch die
verschiedenen Sakramente
geht. Ihr werdet getauft und dann seid ihr ein
Christ. Dieser Teil
der Religion ist nur daran interessiert, aber nicht an
diesem höchsten
Teil in euch. Hier werdet ihr niemals aufgefordert, euch
selbst zu hinterfragen
oder euch die Frage zu stellen: "Was ist der Zweck
meines Lebens? Warum
bin ich hierher gekommen? Was habe ich zu erreichen? Was
ist die wahre Bedeutung
meines Lebens? Was ist mein Ziel?" In organisierten
Religionen ermutigt
euch die Struktur nicht, euch diese Fragen zu stellen,
besteht nicht darauf,
dass ihr diese Fragen stellt, Antworten sucht und das
Leben zu einem Trachten
nach diesem großen Ziel macht, welches ihr durch die
Antworten, die ihr
auf die Fragen findet, ermitteln werdet. In einem solchen
Fall ist euch die
Religion nicht in der Tiefe dienlich, sondern nur an der
Oberfläche.
Sie fehlt darin, sich mit euch mit dieser Dimension eures Seins
zu beschäftigen,
wo ihr das wahre Wesen seid. Andere Dimensionen werden
berührt und
beeinflusst, aber diese Dimension bleibt unangetastet.
Wenn also der spirituelle
Inhalt einer Religion nicht länger aktiv ist, nicht
länger vorwärtsschreitend
ist, dann ist diese Religion erstarrt. In einem
solchen Fall ist
sie nicht lebendig. Yoga ist eine wundervolle Lösung, weil
das Hauptinteresse
des Yoga die spirituelle Wirklichkeit in euch ist; das
Erlangen des spirituellen
Zieles, für welche ihr dieses menschliche Leben
angenommen habt,
ist das Hauptinterrese von Yoga. Yoga ist der Weg zur
Gottverwirklichung.
Yoga ist der Weg der göttlichen Erfahrung und die
göttliche Erfahrung
ist das Herz der Religion. Der Versuch,
Gottverwirklichung
zu erlangen, ist eben das Herz, ist eben die Essenz von
Religion. Das ist
der innere spirituelle Kern der Religion und wenn dieser
spirituelle Kern
missachtet, weggeworfen und vergessen wird, dann ist
Religion nur noch
ein großes Forum; dann ist da ein großes Gebäude, aber
in
diesem lebt niemand.
Dort sind hundert Häuser, nur ein Palast ist dort
erbaut, niemand
lebt dort. Es ist ein verlassener Palast. Ebenso wird
Religion zu einem
gewaltigen, imponierenden Gebäude ohne Leben; und wenn das
religiöse Leben
einer Person sich derart gestaltet, sei er ein Christ, ein
Katholik, ein Protestant,
ein Jude, ein Parse, oder ein Muslim, wenn es sich
derart gestaltet,
dann kommt Yoga als lebensspendendes Wasser, als lebendes
Wasser, um diesen
ausgedörrten, dahinsiechenden inneren spirituellen Kern
wiederzubeleben,
diesen innersten spirituellen Weg, der vernachlässigt wurde
und weggetrocknet
ist. Yoga kommt als diese lebensspendende Kraft. Er lässt
Leben in das spirituelle
Zentrum eurer Religion eeinfließen. Er macht eure
Religion für
euch lebendig. Er kann Religion für jeden lebendig machen, sei
es ein Christ oder
ein Muslim, und er gibt euch das Leben innnerhalb eurer
Religion zurück.
Es ist die gemeinsame Erfahrung vieler Menschen, dass,
nachdem Yoga zu
ihnen kam, sie anfingen, wirklich religiös zu werden. Nachdem
Yoga zu ihnen kam,
wurde der Christ zu einem wirklich hingebungsvollen
Christen, begann
damit, in die Kirche zu gehen, begann damit, die Bibel zu
lesen und versuchte,
sich mehr für die Worte Jesu zu interessieren, begann
die Bedeutung vieler
Dinge zu verstehen, die er jetzt im Namen des
Christentums tut,
womit er sonst aber aufgehört hätte, weil er es
bedeutungslos fand
- "Ich sehe darin keinen Sinn, ich mache es mechanisch".
Es hat keine Bedeutung
und hat er die Bedeutung jetzt endlich gefunden,
beginnt er sich
dafür zu interessieren. Er beginnt, die Lehren auszuüben.
Viele Dinge, die
einmal sinnlos waren, werden jetzt sinnvoll. So wird man zu
einem besseren Christen.
In vielen Fällen hat Yoga einer Person geholfen, den
wahren Sinn seiner
Religion zu entdecken. Er fängt an, den Grund hinter der
Praxis zu entdecken
und dann beginnt er, sich mehr für seine eigene Religion
zu interessieren
und versteht sie besser, als er sie zuvor verstand. Yoga
bringt den Leuten
den inneren spirituellen Gehalt ihrer Religion zurück,
welcher Religion
auch immer sie angehören. Er bringt den Leuten das
spirituelle Leben
zurück, welches das Zentrum jeder wahren Religion ist und
ohne welches Religion
zu einer bloßen Fassade wird. Yoga erneuert sie, macht
sie lebendig, macht
sie grün, bringt sie ins Leben hinein. Yoga kann im
Christentum und
jeder anderen Religion angewendet werden.
Auf welche Weise
unterscheidet er sich? Auch das sollten wir sehen. Er
unterscheidet sich
darin, dass er sich weigert, die Lehre der `Erbsünde´ zu
akzeptieren. Er
nennt den Menschen keinen Sünder. Er mag den Menschen einen
Narren nennen, aber
er nennt ihn keinen Sünder. Der Mensch ist Gott, der
einen Narren spielt,
oder der Mensch ist Gott, der seinen Weg nachhause
verloren hat, weggelaufen
ist, stolpert und in Kreisen herumrennt. Yoga
erläutert den
Weg, spendet Licht und stellt den Menschen zurück auf den Weg
und sagt: "Geh jetzt
voran, gehe direkt zu deinem Zuhause". Er möchte nicht,
dass ihr euch selbst
als einen Sünder betrachtet. Und die andere Sache ist
die: Unglücklicherweise
beschäftigt sich das Christentum in gewissen
Bereichen hauptsächlich
mit dem Thema, wie man die Hölle vermeidet und auf
die eine oder andere
Weise hinter die Türen des Himmels schlüpfen kann; auf
irgeneine Weise,
selbst wenn ihr dafür nicht voll qualifiziert seid. Yoga
sagt: "Das ist ein
wenig kindisch, ihr habt etwas viel herrlicheres bekommen.
Warum spielt ihr
dieses Spiel mit Himmel und Hölle?" Yoga verwirft die Hölle
und Yoga verwirft
auch den Himmel. Geht zum Schöpfer des Himmels, dem Meister
des Himmels. Warum
Himmel? Der Himmel ist auch nur ein kleinliches Verlangen.
Besser ist es, ihr
möchtet nicht in den Himmel. "Ich will Gott. Ich möchte
Gott erfahren, das
höchste Wesen, den Meister des Himmels." Yoga beschäftigt
sich mit Gott und
nicht mit dem Himmel oder der Hölle. Man kann sagen, dass
das ein paar der
Unterschiede sind, in denen der Weg des Yoga sich vom
Christentum unterscheidet.
Es sind die Punkte, in denen sich die orthodoxen
christlichen Doktrine
vom Yoga unterscheiden.
Yoga stellt den kostbarsten
Teil der Religion wieder her, welcher
unglücklicherweise
im Großen und Ganzen nicht vorhanden ist. In den meisten
der Haupt-Religionen
der Welt, ausgenommen in einem mikroskopisch kleinen
Teil der Leute,
die sich lebenslang in das klösterliche Leben begeben, den
Mönchen und
Nonnen, die sich während ihres ganzen Lebens auf die eine oder
andere Weise mit
diesem spirituellen Inhalt beschäftigen, diese Leute
ausgenommen, scheint
es am spirituellen Gehalt der Religionen zu mangeln.
Aber seit der Yoga
in den vergangegnen fünfzig Jahren allmählich zu wirken
begann, sehen wir
ein wunderschönes Phänomen, nämlich, dass eine
Wiederbelebung in
der christlichen Welt stattfindet, die den inneren
spirituellen Aspekt
hervorhebt, eurer Verbindung mit dieser Gottheit. Es gibt
viele Vorbilder
hierfür. Manche von ihnen arbeiten wie die Apostel. In der
Anfangszeit wurden
viele von ihnen tatsächlich gefeuert, wie pfingstliche
Inspirationen. Sie
alle wirken als gute Zeichen. Yoga tut dies gegenwärtig,
bringt innerhalb
der Religion das religiöse Leben jedes einzelnen Wesens
zurück. Yoga
bringt ihm die spirituelle Eigenschaft zurück, den spirituellen
Faktor und das ist
die großartigste Sache, die er tut. Er stört nicht eure
Religion. Er widerspricht
nicht eurer Religion. In keinster Weise
widerspricht er
irgendetwas. Er sagt: "Wo auch immer ihr seid, wer auch immer
ihr seid, versucht
Gott zu finden, versucht ein nobles Leben zu leben.
Reinigt euch selbst
von eurer niederen Natur. Leuchtet voller Tugenden.
Erzeugt in euch
heilige Eigenschaften, erweckt das Göttliche in euch und
bewegt euch auf
Gott zu." Das ist die zentrale Botschaft des Yoga. Er kann
harmonisch in jede
Religion und das religiöse Leben jeden Wesens, in jeden
Glauben, eingefügt
werden, um diese Religion zu bereichern und lebendig zu
machen und um euch
eurem wahren Ziel zuzuführen, welches das Ziel jeder
Religion ist.