Vorwort von Sri Gopinath Kaviraj

Das vorliegende Büchlein beinhaltet Teile von persönlichen Ratschlägen und Empfehlungen, die Sri Anandamayi Ma einigen Ihrer Devotees zu unterschiedlichen Zeiten erteilt hat. Da diese Ratschläge zu Briefen gehören, die Ma in Bengali als Antwort auf die Fragen Ihrer Devotees diktierte, schwingt in ihrer Sprache die ursprüngliche Einfachheit und Frische der tatsächlichen Botschaften, ohne dass durch die Weitergabe ein Qualitätsverlust entstanden ist.
      Eine Analyse des Büchleins würde zeigen, dass Ma’s Worte sich mit verschiedenen Situationen befassen, in denen sich ein Mensch unter dem Druck von Umständen äußerst hilflos, hoffnungslos und verloren fühlt. Todesfälle, Enttäuschungen und ein Gefühl von Frustration im Leben, Angriffe von feindlichen Kräften im Innern, nachlassender Glaube, Verwirrungen eines ungezügelten und sprunghaften Geistes, langwierige körperliche Leiden – diese sind einige der unumgänglichen Übel, die im normalen menschlichen Dasein auf Erden auftreten. Jedes Mal wird man feststellen, dass Ma im Grunde immer dasselbe höchste Heilmittel empfiehlt – d.h., man sollte die Gewohnheit entwickeln, sich an Gott zu erinnern und Seinen Heiligen Namen zu wiederholen und gleichzeitig bedingungslose Hingabe an Seinen Willen üben und einen unerschütterlichen Glauben, dass Seine Arrangierungen weise und zu unserem Wohl sind. Es ist wahr, dass die Anweisungen, die in dieser Sammlung weitergegeben werden, bestimmten Einzelpersonen unter bestimmten Umständen gegeben wurden; dennoch erklingt in ihnen auch ein ewiger und universeller Appell an die Menschheit, unabhängig von Kaste, Glaubensbekenntnis, Geschlecht, Alter oder Nationalität. Diejenigen, die das große Glück hatten, Ma näher zu kennen, wissen, dass Sie für Ihren Teil keinerlei persönliche Vorlieben für einen besonderen Weg der Annäherung vor allen anderen hatte, doch wenn es im Fall eines Sadhakas die Anforderungen individueller Veranlagung und Kompetenz die ausschließliche Ausrichtung auf eine spezielle Richtung nahelegten, zögerte Sie niemals, diese zu empfehlen.

Für Ma gibt es nur ein Höchstes Ideal des Menschen. Aber Sie sagt, dass die Wege zur Verwirklichung aufgrund von verschiedenen Ansichten, Vorlieben, Fähigkeiten, Umständen und Denkweisen notwendigerweise unterschiedlich geworden sind. All diese Unterschiede sind wahr; aber sie sind nur oberflächlich. Entscheidend ist die Aufrichtigkeit des Herzens ein wahrheitssuchender Geist und ein echter Durst der Seele, gekoppelt mit unaufhörlicher Aktivität, unbeirrbarem Glauben und einem makellosen moralischen Charakter. Abstand von weltlichen Angelegenheiten und Hingabe zum Göttlichen Ideal sind die maßgeblichen Tugenden für einen Pilger auf dem Pfad zum Unendlichen.
      In jedem Alter, zu jeder Gelegenheit, zu jeder Schicksalswende, in Aktivität und in der Stille der Einsamkeit sollte ein Mensch deshalb ein einziges Ziel vor sich haben, auf welches das Auge seines Geistes gerichtet ist; und das sollte strahlen, als wäre es der Polarstern an seinem geistigen Himmelszelt. Es sollte für ihn wie die majestätische Herrschaft des Höchsten Vaters sein, wie die überfließende Gnade der Großen Mutter, wie der ständige Strom der süßen Quelle des Ewigen Geliebten. Es mag auch wie die unpersönliche und doch des Selbst bewusste Glückseligkeit des Göttlichen Seins sein; es kann sogar mit der verborgenen Essenz unserer eigenen Seele verglichen werden. Ein Mensch sollte ständig nach diesem Höchsten Ziel mittels Handlung, Wissen und Liebe streben. Egal in welchen Umständen sich ein Mensch im Moment des Aufwachens befindet, er sollte sich darüber bewusst sein, dass sich sein Weg wirklich von dort aus vor ihm ausbreitet; er muss sich nur nach besten Kräften bemühen und den Weg voran schreiten. Wenn es wahr ist, dass ein Mensch durch sein begrenztes Handeln das Ziel nicht erreichen kann, so ist es ebenso wahr, dass keine Bemühung, wie unbedeutend sie auch sein mag, vergeblich ist, wenn sie aufrichtig ist. Jede echte Bemühung, wie unscheinbar sie auch sein mag, hat ihren eigenen Wert als Mittel zum Ziel; und wenn es richtig eingesetzt wird, muss dieses Ziel zu seiner Zeit erreicht werden. Aber das Höchste Ziel steht jenseits aller Mittel. Wir müssen uns auf dem Weg voranbewegen und die Fähigkeiten nutzen, die uns gegeben sind. Wer weiß, in welchem großartigen Augenblick sich die Höchste Wirklichkeit in all ihrer strahlenden Herrlichkeit offenbaren wird? Wenn der Seele einmal die Erkenntnis aufgeht, werden die Makel und Unreinheiten, die ihr aus undenklicher Vergangenheit anhaften, in einem einzigen Moment aufgelöst, wie Morgendunst vor den Strahlen der aufgehenden Sonne. Das Begrenzte nimmt die Rolle des Unbegrenzten an, wenn das Unbegrenzte ihm zulächelt und es beginnt zu leben, nachdem es von allen Begrenzungen und Unfähigkeiten des weltlichen Lebens befreit ist. Man muss natürlich mit einem konkreten Plan an Selbstdisziplin beginnen, der den eigenen Neigungen und Fähigkeiten entspricht und der in einer gewissen zeitlichen und logischen Abfolge steht. Doch sobald sich Seine Gnade zeigt, werden die steifen Formalitäten strenger Konvention unwesentlich. Alle Fesseln werden dann gesprengt und das „Unmögliche“ wird nicht nur möglich, sondern manifestiert sich tatsächlich in allen Fasern unseres Wesens. Frieden und Freiheit werden der Seele aufs Neue ewig geschenkt und der Mensch verwirklicht das Höchste Ziel seiner Existenz.
      Dieses Büchlein ist tatsächlich ein strahlendes Band kostbarer Perlen, das jedes hingegebene Kind von Ma immer tragen sollte. Herzlich heiße ich diese Veröffentlichung willkommen und gratuliere sowohl dem Herausgeber als auch der Übersetzerin zu ihrem ausgeprägten Sinn für Genauigkeit, den sie bei der Auswahl und Übertragung der Abschnitte bewiesen haben.

12. April 1959
Gopinath Kaviraj