Vers 50

Madhikettu Aravaadi Mayangi Arak
Gadhikettu Avame Kedavo Kadaveen
Nadhiputthira Jnaanasukhaadhipa Ath
Dhithi Putthirar Veeradu Sevagane


Die Vernunft verloren, entnervt und am stärksten getäuscht,
Das Ziel des tugendhaften Lebens verlierend, soll ich umsonst verloren sein?
O Sohn von Ganga, Herr von Weisheit und Wonne, O Großartiger!
Zerstörer der Tapferkeit der Söhne von Diti, O mächtiger Herr!


„O Sohn des Flusses (Ganga)! O Herr von Weisheit und Wonne! O Held, der die
Tapferkeit der Söhne von Diti besiegt hat! Mit verwirrtem Verstand, gequält (im
Geist) und getäuscht, die große Segnung (von Anubhuti) verlierend, die aus
einem tugendhaften, rechtschaffenen Leben entsteht, soll ich umsonst verloren sein? (Nein, das kann nicht passieren.)“

Erklärung:

Wir nähern uns jetzt dem Höhepunkt des Werks Kandar Anubhuti und fast alles über das spirituelle Leben und Sadhana ist von dem Heiligen gesagt worden. Bevor sein Werk im nächsten und letzten Vers mit einer großartigen Beschreibung des Sahaja Samadhi Avastha, des natürlichen überbewussten Zustands eines Jivanmuktas schließt, stellt Arunagiri in diesem Vers einen seltsamen Zustand dar, den unweigerlich jeder Sadhaka irgendwann auf seinem spirituellen Weg erfährt. Und er lehrt uns ein machtvolles Mittel, eine solche missliche Lage zu vermeiden oder zu überwinden, wenn wir darin stecken. Das macht er auf seine eigene unnachahmliche Weise, indem er sich in die Lage des Suchers versetzt. Trotz ausgedehnter Studien, langer Jahre der Übung und beträchtlichen Fortschritts auf dem spirituellen Pfad kommen Momente, wo das Verständnis des Suchers getäuscht und verwirrt wird und er seine Kraft des logischen Denkens verliert. Wir mögen uns fragen, wie das kommt. Aber das ist ganz natürlich. Es gibt verschiedene Faktoren, die dazu führen können. Wir wollen ein paar der wichtigsten betrachten.

Verschiedenste Zweifel kommen manchmal selbst nach Jahren der Übung. „Ich habe jetzt so lange Sadhana gemacht, aber ich scheine nichts Substantielles erreicht zu haben! Ist der Weg, den ich gehe, wirklich der Richtige für mich oder ist etwas mit meiner Übung falsch? Habe ich einen richtigen Guru gewählt und ist er fähig, mich zum Ziel zu führen? Mache ich wirklich Fortschritte oder täusche ich mich selbst mit falscher Zufriedenheit?“ Solche kritischen Momente sind ganz normal im Leben spiritueller Aspiranten. Zum anderen, wenn man Bücher verschiedener Autoren liest, die verschiedene Techniken befürworten oder auf die verschiedenen Lehren von Predigern mit verschiedensten Interessen hört oder unterschiedliche Übungsmethoden ausprobiert, wird man, wenn auch unbewusst, durch die eigenen latenten Wünsche, die im passenden Moment an die Oberfläche kommen, verwirrt und weiß nicht mehr, was man tun soll.

Zum Dritten, wenn ein Sucher mit schwierigen Hindernissen konfrontiert, schweren Prüfungen unterzogen oder in ungünstige Umstände gestellt oder von Krankheiten angegriffen wird o.ä., wird sein Intellekt verwirrt und er versteht nicht, was ihm geschieht. Genau dann wird sein Vertrauen in die Wirksamkeit seiner Übung, in die Kompetenz seines Gurus und seine eigene Eignung für den spirituellen Weg unsanft erschüttert. Dann verliert er leicht seine logische Denkkraft. Es gibt also mehrere Gründe, warum der Verstand des Suchers verwirrt werden kann. Das Ergebnis ist immer dasselbe, nämlich der Verlust der Vernunft, die Verwirrung des Intellekts.

Das Wort „Madhikettu“, mit dem Arunagiri diesen Vers beginnt und das „verlorene Vernunft“ bedeutet, schließt sozusagen die verschiedenen Faktoren mit ein, die zum Verlust des logischen Denkenvermögens führen. Was passiert, wenn der Verstand verwirrt wird? Alle Übel, die damit einhergehen, befallen den Sucher auf einmal. Wenn der Intellekt als höchste Fähigkeit des Individuums verwirrt ist, wird auch die Psyche geschwächt und düster. Man kann nicht richtig denken. Der verwirrte Intellekt und der getäuschte instink tive Geist, die die Kraft der Vernunft verloren haben, halten das Falsche für das Richtige, das Angenehme für das Gute, verfolgen das, was ihrem tatsächlichen Guten diametral entgegengesetzt ist, bringen unlogische Argumente vor, um ihre falschen Bestrebungen zu rechtfertigen und verfehlen so das gewählte Ziel. Was ist das Ergebnis davon? Man verliert sich in Verwirrung und geht am Ende unter. All dies geschieht aufgrund der Verwirrung des Intellekts, die auf unterschiedliche Ursachen zurückzuführen ist.

Dies sind die entscheidenden Stunden, wo der Sadhaka besondere Stärke von innen braucht, die ihn davor retten kann, auseinandergerissen zu werden. Dieser Vers dient dazu, uns über solche Umstände hinwegzuhelfen und uns vor einer solchen Notlage zu bewahren. Er gibt uns die notwendige innere Stärke und den Enthusiasmus, die vorübergehenden Schwierigkeiten zu überwinden, die, wenn sie nicht richtig angepackt werden, unseren Untergang zur Folge hätten. Was ist das für eine Stärke? Es ist nicht die eigene Kraft des Verstehens des Sadhakas, sondern sie stammt aus einer ganz anderen Quelle. Sie liegt in der intrinsischen, essentiellen Natur Gottes – dem Gegenstand seiner Hingabe und Meditation. Wie kann man die Vernunft verlieren, wenn man Lord Skanda oder einem anderen persönlichen Gott vertrauensvoll hingegeben ist? Das kann niemals geschehen, verspricht Arunagiri. Warum? Weil Gott so ist. Er ist der „Sohn des Flusses“. Er ist absolute Weisheit-Wonne (Jnana-Sukha). Und er ist der Bezwinger der Tapferkeit der Asuras. Lord Skanda ist der Nadi-Putra. Er wurde als Avatar im heiligen Fluss Ganges geboren. Er ist der Herr von Jnana und Sukha – Weisheit und Wonne. Er ist der Zerstörer der Tapferkeit der Diti-Putras, der Söhne von Diti.

Der Dämon Surapadma und seine Brüder wurden dem Weisen Kasyapa von Diti geboren. Was für ein großartiges Konzept! Der Gott des Jnana-Sukha manifestiert sich als Nadi-Putra („Sohn des Flusses“), um die Diti-Putras („Söhne von Diti“) zu zerstören. Die Wasser des Ganges strömen von den hohen Gipfeln der Himalayas herab; ihr Fluss ist ewig. Ebenso kommt Skandas Gnade auf seine Verehrer herab, spontan und unaufhörlich. Und so wie der „Sohn des Flusses“ die Söhne Ditis zerstört hat, vernichtet die göttliche Gnade die Übel, die dem Verlust der Vernunft folgen. Als Antwort auf die tiefen Gebete der Devas erschien Gott, dessen essentielle Natur Jnana-Sukha ist, als Sohn des Ganges, vernichtete die Söhne der Diti und brachte den Devas Freiheit und Glück. Ebenso manifestiert sich Gott bzw. das höhere Selbst, dessen eigentliche Natur Satchidananda ist, als innere göttliche Gnade, die alle Schwierigkeiten des Sadhakas auflöst und ihn mit Stärke und Freude erfüllt.

Wenn man daher über den Weisheit-Wonne- Aspekt von Lord Skanda meditiert, wie könnte dann Verwirrung des Intellekts entstehen? Und selbst wenn sie aufkommt, wie könnte sie vor dieser Verkörperung von Wissen und Glückseligkeit bestehen, dessen Gnade sofort in das Herz des Sadhakas strömt und sie auflöst? Wenn das Ideal, das Wonne- Bewusstsein, das höhere Selbst ist, das unsere wahre Natur ist, wie können Verwirrung oder Finsternis sich in einem Sucher zeigen? Solange man sich bewusst ist, dass der Atman unser wirkliches Wesen ist, kann man nicht von den vergänglichen Stimmungen des Geistes und des Intellekts beeinflusst werden.

So schließt Arunagiri mit dieser kraftvollen Weise, sich an Gott zu wenden, die Möglichkeit von Verwirrung eines Sadhaka aus, was auch die Versicherung beinhaltet, dass er nie davon betroffen wird. Tiefes Nachdenken über die volle Bedeutung des Verses flößt dem Suchenden eine solche Stärke ein, dass er jedes Hindernis in seinem Sadhana überwinden kann. Es ist wie ein Stärkungs mittel in entscheidenden Momenten. „Die Vernunft verloren, verwirrt, getäuscht und der Befreiung (Moksha) beraubt, muss ich vergehen! Kann ich in einem solchen Zustand geraten! Nein, das kann niemals geschehen. Denn Du, o Gott, dem ich hingegeben bin und der Du der Gegenstand meiner Meditation bist, Du bist der Gnade ausschüttende „Sohn des Flusses“; die Verkörperung von Weisheit und Glück (Jnana-Sukha) und der Bezwinger der Tapferkeit von Ditis Söhnen.“

So versichert Arunagiri einem wahren Sucher, dessen Ziel klar und richtig verstanden ist, dass er niemals von Verwirrung usw. heimgesucht werden kann. Alle Sadhakas sollten sich deshalb zu Herzen nehmen, dass Göttliche Gnade ihrer Natur nach unfehlbar ist, und dass göttliche Gnade sie beschützen wird und sie niemals untergehen werden, solange sie das Ziel nicht aus den Augen verlieren. Man kann den Vers auch als Bitte an Gott verstehen, einen davor zu bewahren, dass man das Ziel, Gott zu erreichen (Anubhutis) aufgrund des Verlustes der Vernunft, Verwirrung des Intellekts, Täuschung usw. verliert „Ist es mir bestimmt unterzugehen? O Gott! Lass es nicht geschehen. Rette mich!“, ist die Anrufung eines hilflosen Verehrers oder Suchers. Arunagiri hat den Vers mit so mächtigen Worten komponiert, dass seine aufrichtige Rezitation einem Tränen in die Augen treibt, welche die immer herabströmende Gnade Gottes ins Herz zieht. Dieser Vers ist eine Gabe an spirituelle Sucher in den Stunden der Verwirrung. Ihn täglich als Gebet zu wiederholen, schützt einen vor jeglichen solchen Eventualitäten.

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Das große Werk Kandar Anubhuti nähert sich seinem Höhepunkt im nächsten Vers mit einer großartigen Beschreibung des erhabenen Zustands eines Jivanmuktas, der immer in Gott begründet ist. Vorher gibt der heilige Arunagiri eine abschließende, feierliche Versicherung, dass ein ernsthafter Strebender niemals in Verwirrung o.ä. untergehen kann, solange sein Ideal Gott ist, dessen Natur Gnade verströmt, Weisheit und Glück ist und das Negative überwindet. Ein wahrer Gottesverehrer und ehrlicher Wahrheitssucher kann niemals untergehen oder sein Ziel verfehlen. Wir haben schon in Vers 43 gesehen, dass die befreite Seele sich ungehindert bewegt und spirituelle Nahrung an hungrige Seelen gemäß deren Bedürfnissen verteilt.

Solche Nahrung sind die Verse 45 bis 50, wovon die Ratschläge in den Versen 45 bis 49 von spezifischer Natur sind. In diesem Vers gibt er einen allgemeinen Rat und eine allgemeine Versicherung, die jedem Suchenden hilfreich sein wird, ungeachtet des Weges, dem man folgt, da jeder im Laufe seiner spirituellen Karriere früher oder später aus dem einen oder anderen Grund mit dieser Situation konfrontiert ist . Dass dieser Vers als Vorletzter kommt, legt nahe, dass er wie der Phalasruti („die Frucht der Schrift und ihrer Rezitation“) ist – der Vers, der den Nutzen einer hingebungsvollen, regelmäßigen Rezitation des Werkes anpreist. In diesem Fall die Versicherung, dass diejenigen, die das Kandar Anubhuti rezitieren und seinen Lehren folgen, unfehlbar die Gnade des alles reinigenden Herrn von Weisheit und Wonne empfangen, die alle Verwirrung, Täuschung und andere Hindernisse hinwegfegen wird, die dem Erreichen des Ziels, nämlich Anubhuti, Gotteserfahrung, im Weg stehen könnten.