Vers 43

Thoosaa Maniyum Thugilum Punaivaal
Nesaa Murugaa Ninathu Anbu-arulaal
Aasaa Nigalam Thugalaayina Pin
Pesaa Anubhuti Pirandhadhuve


Sie, die reine Edelsteine und Kleider trägt,
Ihr Geliebter, O Muruga, durch Deine Liebes-Gnade
Wurde die Kette der Wünsche zu Staub zertrümmert,
Wurde die sprachlose Erfahrung geboren, die wahrhaft großartigste.


„O Herr Muruga, Geliebter von ihr (Valli) die reine (Girlanden oder Schmuckstücke aus) Edelsteine und Kleider trägt! Durch Deine Liebes-Gnade wurde die Kette der Wünsche zu Staub zertrümmert (d.h. zerstört) und dann wurde die Erfahrung ohne Sprache (d.h. direkte Erfahrung oder Sakshatkara) geboren.“

Erklärung:

Dies ist ein sehr schöner, süßer Vers, in dem Arunagiri den ganzen Prozess des Sadhana sowie das Erreichen des Ziels zusammenfasst. Die Art und Weise wie Skanda angesprochen wird, ist jeweils besonders bedeutungsvoll, je nach Kontext. Hier wird Gott als der Geliebte von Valli bezeichnet, die reine Edelsteine (Schmuck) und Kleider trägt.

Die Mädchen aus dem Jägerstamm tragen Edelsteine und Kleider, die gewöhn lich schmutzig sind. Sie halten ihre Kleider und ihren Schmuck nicht besonders sauber und rein. Aber Valli trug reine Kleider, obwohl sie im Jägerstamm aufwuchs. Jivas sind ein Produkt von Avidya und daher Malina Sattva (getrübtes Sattwa; Sattwa = Reinheit) – Sattva gemischt mit Rajas (Unruhe) und Tamas (Trägheit), was gewissermaßen durch die normalen Jägersfrauen repräsentiert wird.

Aber strebende Seelen, die nach Gott verlangen und intensiv praktizieren, meiden die Unreinheiten (Rajas und Tamas) und entwickeln reines Sattwa wie Valli mit ihren sauberen Kleidern. Das scheint Arunagiri ausdrücken zu wollen, wenn er sagt: „Sie, die reine Edelsteine und Kleider trägt.“ Diese Beschreibung von Valli ist sehr ungewöhnlich, ganz anders als sonst in diesem Buch und steht symbolisch für den Zustand vollständiger Reinheit (Shuddha Sattwa), den der Jiva im Samadhi (des vorhergehenden Verses) erreichen wird, wenn Gott der wahre Geliebte des Jivas wird. Gott ist der Geliebte solcher gereinigter Seelen, die dank ihrer durch intensives Sadhana und Meditation entwickelten Reinheit bereit sind, die göttliche Gnade in vollem Maß zu empfangen und zu erfahren.

Warum ist Gott der Geliebte von Valli? Oder was zog Gott so sehr zu ihr hin und machte sie ihm teuer, dass er ihr Geliebter wurde? Sind es ihre Reichtümer, ihre Belesenheit, ihre hohe Geburt oder ihr sozialer Status? Nein, nichts dergleichen. Ihre reine Liebe zog Ihn an. Als er von Rishi Narada von ihrer ungeteilten Hingabe an ihn schon in ihrem vorherigen Leben erfuhr, machte Skanda sich auf den Weg nach Vallimalai, wo sie auf den Feldern das Korn bewachte. Er liebte nicht in ihren Wohlstand oder ähnliches, denn all das ist bedeutungslos für Gott. Was Valli Ruhm brachte und sie für Gott liebenswert machte, waren nicht Schätze wie Edelsteine, Perlen, adlige Herkunft usw., sondern einfache Hingabe, reine Liebe zu Gott. Wohlstand, Position etc. sind bedeutend in den Augen der Welt, aber nicht in Gottes Sicht. Seine Weise, jemandes Größe und Wert zu beurteilen, unterscheidet sich erheblich vom menschlichen und gesellschaftlichen Urteil.

Je „kleiner“ man wird, d.h. einfach, bescheiden und demütig, desto „größer“ wird man in den Augen Gottes. Nur wahre, ungeteilte, reine Hingabe des Jivas kann Gottes Aufmerksamkeit und Gnade anziehen und Er wird der Geliebte solcher Seelen. Dies drückt Arunagiri sehr schön und tiefsinnig aus, indem er sagt, Gott sei der „Geliebte“ von Valli, die saubere Kleider und Edelsteine trägt. Das weißt ausdrücklich darauf hin, dass Hingabe mit ganzer Seele seitens des Jiva nötig ist, um die Gnade Gottes anzuziehen und Ihn als Seinen Geliebten zu haben. Obwohl Gott alle gleichermaßen liebt und Seine Gnade auf allen im gleichen Maße ruht, wird er der Geliebte nur der Jivas, die rein sind.

Ist Gott nicht eine Verkörperung von Gnade? Warum schenkt er dann Seine Gnade nur Valli, d.h. reinen Seelen? Es ist wahr, Gott ist ein Ozean der Gnade und des Mitgefühls. Seine Gnade ist mit allen Wesen und immer. Aber was ist mit der eigenen Bereitschaft, sie zu empfangen und erfahren? Die Sonne scheint und bescheint alle gleichmäßig mit ihrem Licht. Aber reflektieren alle Gegenstände sie in gleichem Masse? Nein. Jedes Objekt reflektiert das Lich gemäß seiner Kapazität. Ein Stein- oder Holzblock reflektiert praktisch nichts während poliertes Metall oder ein Silbergefäß es teilweise reflektieren; ein sauberer Spiegel reflektiert das Licht vollständig und strahlend. Genaus empfängt ein Jiva, der sein Antahkarana (inneres Organ) vollständig rein ge macht hat, die Göttliche Gnade in ihrer Vollständigkeit und erstrahlt. Man sag deswegen, Gott ist der Geliebte solcher reiner Seelen. Das meint Arunagiri mit „Geliebter von ihr, die reine Edelsteine und Kleider trägt.“

Valli ist der Jivatman. Dass sie saubere Kleider trägt, repräsentiert das tiefe Streben des reinen Individuums, Gott zu erreichen. Valli ist Iccha Sakti – reine, edle Gefühle – die alles verzehrende göttliche Liebe ist (Anbu). Sie ist eine Personifizierung von Anbu. Anbu umfasst alles, wofür sie steht – durch intensives Sadhana entwickelte absolute Reinheit, einpünktige Hingabe und feste Entschlossenheit, Gott zu erreichen, all das geduldig und beständig, mit großem Enthusiasmus, in Erwartung der Gnade Gottes. Anbu, diese eigene Anstrengung des Jivas, zieht Göttliche Gnade (Arul) an, je nach ihrer Intensität. In dem Ausmass, in dem der Jiva rein ist und Liebe zu Gott bekundet, manifestiert sich die Göttliche Gnade, d.h. in diesem Ausmaß wird Gott der Geliebte des Jivas. Die durch Liebe angezogene Gnade hilft wiederum dem Jiva, noch größere Anstrengung zu unternehmen und so mehr Gnade anzuziehen. Liebe zieht Gnade an und Gnade bereichert die Liebe. Wenn dieser freudevolle Prozess beständig weitergeht und seinen Zenit erreicht, verschmelzen Liebe und Gnade miteinander und werden „Liebe-Gnade“ (Anbarul).

„O Muruga, Geliebter von Valli, die reine Edelsteine und Kleider trägt, durch Deine Liebes-Gnade wurde die Kette der Wünsche zerstört und die sprachlose Erfahrung geboren“, sagt Arunagiri. Diese Liebe-Gnade hat eine mystische Bedeutung. Weder die Liebe oder Anstrengung des Jiva alleine, noch die Gnade Gottes alleine bewirken sie. Anstrengung und Gnade müssen parallel da sein, miteinander verschmelzen und eins werden, damit die Wünsche überwunden werden und Göttliche Erfahrung entstehen kann. Man kann die Sinne beherrschen, den Geist reinigen, intensives Sadhana üben und Gott von ganzem Herzen lieben. Aber die endgültige Befreiung aus den Fesseln der Wünsche ist nur möglich, wenn Göttliche Gnade dazu kommt. Die feinstofflichen Wünsche in Form von Samskaras (Eindrücke im Geist) und Vasanas (subtile Wurzeln von Wünschen), die im Unterbewussten und Unbewussten ruhen und Avidya sind, werden nicht so einfach durch bloße Anstrengung vernichtet. Sie werden ausgerottet, wenn Gott beschließt, sich zu offenbaren, wenn also seine Gnade dämmert.

Die Bhagavad Gita sagt: „Die Sinnesobjekte wenden sich vom genügsamen Menschen ab und lassen die Sehnsucht (zurück); aber auch diese Sehnsucht wendet sich ab, wenn man das Höchste erblickt“ (II, 59). Dies ist ein Aspekt der ganzen Sache, nämlich dass Gnade der Anstrengung folgen sollte. Der andere Aspekt ist: Ist Anstrengung überhaupt notwendig? Reicht nicht Gnade alleine schon? Nein. Gott und Seine Gnade sind eins – sie sind untrennbar wie die Sonne und ihr Licht – und weil Gott überall und immer gegenwärtig ist, ist auch Seine Gnade immer und überall, mit allen. Aber Gnade kann sich nur in einem gereinigten Herzen manifestieren, so wie Sonnenlicht nur von einem sauberen Spiegel reflektiert werden kann. Darum ist Anstrengung notwendig, um Göttliche Gnade anzuziehen und zu manifestieren.

Jetzt stellt sich eine andere interessante Frage. Selbst nachdem der Jiva sich angestrengt hat und obwohl die Gnade immer gegenwärtig ist, warum verbinden sie sich nicht und bringen die Göttliche Erfahrung? Dies ist wiederum ein Geheimnis! Wir wissen nicht, wann und wie die beiden sich verbinden und die Erfahrung bringen. Nur Gott weiß es. Daher sagt die Kathopanishad: „Er, den das Selbst (Gott) erwählt, erkennt Ihn. Ihm offenbart er Seine wahre Natur.“ Darum begegnen wir oft aufrichtigen Suchern, die sich seit Jahren um Gottesverwirklichung bemühen, aber das Ziel noch nicht erreichen. Denn Anstrengung ist da, aber die Gnade ist dem noch nicht gefolgt, d.h. Gott hat sie noch nicht erwählt. Darum sollte man nicht mutlos werden, nicht die Hoffnung verlieren und sein Sadhana aufgeben, sondern geduldig abwarten, bis Gnade heraufdämmert. Wiederum gibt es viele Beispiele, wo scheinbar wertlose Seelen, die jedem spirituellen Wachstum abhold sind, die einmalige Segnung plötzlicher Göttlicher Erleuchtung hatten. Wer kann Gottes Wege verstehen!

Während die Gnade Gottes Angelegenheit ist, ist die Liebe Sache des Jiva. Aber Arunagiri sagt: „Durch Deine Liebes-Gnade“, d.h. nicht nur die Gnade ist Sein, sondern die Liebe und Anstrengung des Jiva ist auch Sein. Wie kann das sein? Der Jiva ist Teil von Ishwara (Gott); er hat keine eigene Existenz. Darum kommt bei einer tieferen Analyse die Anstrengung des Individuums auch von Gott; sie ist eine Weise, wie Sein Wille oder Seine Gnade wirkt. Göttliche Gnade drückt sich im Individuum als eigenes Bemühen oder Liebe aus; durch den Jiva wirkendes Arul ist Anbu. Es wird Liebe genannt, wenn es durch den Jiva ausgedrückt wird; es wird Gnade genannt, wenn es vom Jiva empfangen oder erfahren wird. Tatsächlich gehören die beiden von Beginn des Sadhana an zusammen. Erfahrungen kommen auf jeder Stufe der Entwicklung der Seele in unterschiedlichem Ausmass. Im Höhepunkt von Samadhi verschmelzen sie vollständig miteinander und führen zur Gotteserfahrung.

Obwohl der Jiva sich selbst als den Praktizierenden betrachten mag, ist sein Bemühen schon ganz zu Beginn des Sadhanas nichts anderes als Gott selbst; aber dass es so ist, erfährt er erst im Samadhi-Zustand. Weise Menschen sagen daher oft: „Es ist Gott, der gebunden zu sein scheint, der Sadhana zu üben scheint, der Gnade herabregnen lässt und empfängt, der Freiheit, Verwirklichung erfährt. Alles scheint ein Spiel Gottes zu sein, höchst wunderbar und geheimnisvoll, unfassbar für das menschliche Verständnis, wie Krishna sagt: „Einer sieht dies (das Selbst oder Gott) als ein Wunder, andere sprechen davon als von einem Wunder, andere hören davon als von einem Wunder; und obwohl sie es gehört haben, versteht es niemand“ (Gita II,29). Dies ist das Geheimnis von „Deiner Liebes-Gnade“ (Anbarul); es erklärt die Verschmelzung von Beidem als Mittel, die Kette der Wünsche zu sprengen und die Erfahrung ohne Worte herbeizuführen.

Arunagiri nennt Wünsche eine Kette. Eine Kette hat einen zweifachen Aspekt. Sie ist zum einen eine Fessel, um die Seele zu binden. Zum anderen besteht sie aus Ringen, die miteinander verbunden sind. Es ist der Wunsch, der dem Erreichen von Anubhuti im Wege steht. Wünsche binden die Seele an die irdische Existenz und unterwerfen sie Geburt und Tod, wieder und wieder. Wunsch ist Bindung und Freiheit von Wünschen bildet wahrlich Befreiung. Dies stellt die Kathopanishad schön dar mit der Aussage: „Wenn alle im Herzen wohnenden Wünsche ausgetrieben wurden, wird der Sterbliche hier und jetzt unsterblich.“ Je geringer die Anzahl oder die Intensität der Wünsche ist, umso größer ist das Glück, Gott näher zu sein; und je mehr Begierden, desto größer ist das Unglück, von Gott entfernt zu sein. Wie weit man von Gott entfernt ist, kann man also durch die Anzahl an Wünschen, die man hegt oder an ihrer Intensität, erkennen.

Wünsche können grobstofflich, feinstofflich oder sogar nur latent (kausal) vorhanden sein. Sie sind uns oft nicht bewusst, sondern oft tief im Unterbewusstsein, in den Tiefen unseres Herzens verborgen. Unsere Persönlichkeit ist nichts anderes als unsere Wünsche. Wir sind nichts als ein Bündel aus Wünschen auf verschiedenen Ebenen. Man könnte daher sagen, wir bestehen aus Wünschen und wir sind unsere Wünsche. Sie herrschen über unseren Körper, unseren Geist und unsere Psyche und dehnen sich selbst bis zu den unter bewussten und unbewussten Ebenen aus. Darum werden sie mit einer Kette verglichen. Die Wünsche, die sich durch unseren Körper ausdrücken, haben ihre Verbindungen tief im Unbewussten, wie eine Kette. Die ganze Kette der Wünsche muss zerstört werden, wenn Gotteserfahrung möglich werden soll.

Darum spricht Arunagiri von der Kette der Wünsche und nicht nur von Wünschen: „Diese Kette der Wünsche zerfiel durch die Liebes-Gnade Gottes zu Staub und dann folgte die Erfahrung jenseits aller Worte.“ Wortloses Anubhuti, Maha-Mouna, absolute Erfahrung, Seligkeitsbewusstsein sind verschiedene Begriffe, dieser großartigen spirituellen Verwirklichung des nondualen Bewusstseins. Dieses Bewusstsein, Anubhuti, „wurde geboren“, sagt Arunagiri. Es wurde nicht gegeben, weil Geben einen Geber voraussetzt, d.h. eine andere Person – Dualität. Gott selbst ist dieses Bewusstsein, diese Erfahrung. Wer sollte es geben? Wenn der Vel sich selbst offenbart, wenn die Intuition dämmert, wenn Gottesbewusstsein auftaucht, wie im vorherigen Vers gesagt, geht das Jiva-Bewusstsein im Absoluten Bewusstsein auf und Letzteres alleine bleibt übrig.

Eine großartige Erfahrung, die Worte nicht erklären können, wird geboren wenn die Kette der Wünsche durch die Liebes-Gnade Gottes zerstört wird. Wenn Anstrengung mit Gnade zusammentrifft, wenn Anbu und Arul eins werden, was an sich schon ein Geheimnis ist, dann geschieht etwas noch Geheimnisvolleres. Die Vereinigung von Jiva und Ishwara führt zur Erfahrung des Absoluten, Brahman, was die Konzepte von Jiva und Ishwara transzendiert.

Die Verschmelzung der Beiden gibt etwas Drittem Geburt. Es ist nicht ein Drittes in dem Sinne, dass es zusätzlich zu den Beiden kommt, wie im Falle der Geburt eines Kindes, das zusätzlich zu seinen Eltern da ist, sondern es ist ein Drittes, weil es keines der beiden ist. Beide vergehen und an ihrer Stelle ist etwas Unbekanntes. Dieses Unbekannte umfasst und transzendiert beide, welche seine scheinbaren Phasen sind. Dies ist Mouna-Anubhuti (Verschmelzung in Stille), das „geboren wird“ und in dem die gängigen Vorstellungen vom Jiva als einem Individuum, das sich bemüht und Ishwara als dem Gewährer von Gnade und Zerstörer von Wünschen transzendiert werden. Alle Konzepte, welche es auch sein mögen, sind nur Erscheinungen und werden als solche transzendiert. „Peesa Anubhuti“, sprachlose Erfahrung, entsteht oder „wird geboren“.

Es ist „sprachlos“ vom Standpunkt des Jiva aus, weil all seine Fähigkeiten dann aufhören, wie es im vorhergehenden Vers erklärt wurde. Es ist Erfahrung vom Standpunkt Ishwaras aus, weil selbst die Handlungen des Zerstörens und Gewährens aufhören. Es ist reine Erfahrung, Peesa Anubhuti, über die man nichts weiter sagen kann. Das Zusammenkommen von Anbu und Arul lässt die sprachlose Erfahrung entstehen. Aufgrund von Anbu, äußerster Liebe, verliert sich der Jiva in Gott und wird so „sprachlos“. Aufgrund von Arul, der Gnade Gottes, wird die Erfahrung geboren. Anbarul ist Peesa Anubhuti; Liebes-Gnade ist „sprachlose“ Erfahrung. Wie wundervoll verpackt und vermittelt Arunagiri höchste Ideen! Selbst die höchste Erfahrung vermittelt er in einem großen Umfang, soweit Sprache sie erfassen und beschreiben kann.

Im gesamten Werk Kandar Anubhuti taucht der Begriff „Anubhuti“ nur in diesem Vers auf, in diesem wunderbaren bedeutsamen Vers. Hier erklärt Arunagiri kühn, dass die Gnade Gottes ihm sprachloses Anubhuti gebracht hat – diesen höchsten Zustand spiritueller Verwirklichung des nondualen Bewusstseins, der Seligkeitserfahrung, die auch Maha-Mouna, höchste Stille, genannt wird. Er verrät auch – wenn auch verborgen – das Sadhana, das erforderlich ist, um die Gnade zu erlangen, die dieses Anubhuti bringt. Dieser Vers schildert sowohl das Erreichen als auch die Mittel schön und bedeutungsvoll. Er schildert nicht nur die Erfahrung Arunagiris oder ist ein Gebet, wie es oberflächlich erscheinen mag, sondern verweist auch auf die Übungen, die zu dieser Erfahrung führen.

Das Herz spielt die Hauptrolle im Sadhana und bei der Verwirklichung Reinheit, Liebe, Gnade, Überwindung von Wünschen, Erfahrung von Anubhut –sind gemäß diesem Vers die entscheidenden Punkte und zwar in diese Reihenfolge. Reinheit meint Reinheit des Herzens. Das Herz wird durch di Überwindung von Rajas und Tamas und die Entwicklung von Sattva rein gemacht. Hingabe und Liebe gehen von einem reinen Herzen aus.

Liebe zieh Gnade an, was im Herzen gefühlt wird. Beide vermischen sich im Herzen und führen zum Aufhören von Begierden. Wünsche wohnen im Herzen und „ Anubhuti“ wird dann im Herzen geboren. Daher ist das Herz die Arena von Sadhana und Sakshatkara. Hier treffen Anstrengung und Gnade, das Einzelne und da Universale, von Mensch und Gott, Jiva und Ishwara zusammen. Daher sagt di Maha-Narayana-Upanishad: „Im Zentrum des Körpers ist der makellos Lotus des Herzens, die Wohnstatt des Höchsten Wesens. Noch innerlicher is der sorgenfreie Äther. Darüber sollte meditiert werden.“ Folglich wird jed spirituelle Praxis, die nicht vom Herzen ausgeht oder damit zu tun hat, meh mechanisch als lebendig, mehr heuchlerisch als echt, mehr für andere als fü einen selbst; solch ein Sadhana ist fruchtlos. Das Herz ist der Prüfstein de Spiritualität.

 

Man sieht in diesem Vers, dass der Schrei der Seele aus Vers 39 erfüllt wurde. In Vers 39 betete die Seele: „O Gott, so wie Du Valli umarmt hast, komme und umarme (sei gnädig mit) meine Seele; nur dann werden die drei Eshanas (die mich ergriffen haben) zu einem Ende kommen, wodurch meine sieben großen Geburten alle enden werden.“ Jeder Punkt wird hier in diesem Vers erfüllt. „Wann werden die drei Eshanas enden?“, hieß es in Vers 39. „Die Kette der Wünsche wurde zerbrochen“, ist jetzt die Antwort. („Maayaividaa Moovedanai Enru Mudindhidum?“ „ Aasaa Nigalam Tugal Aayina“) – Die drei Eshanas sind nichts anderes als die Kette der Wünsche mit Verbindungen in die physische, feinstoffliche und kausale Ebene der Persönlichkeit; beide binden die Seele an die phänomenale Existenz. Vers 39: „Um die sieben großen Geburten zu zerstören“ wird „Sprachlose Erfahrung geboren.“ („Maavezh Sananam Keda“ „Pesaa Anubhuti Pirandhadhu“) – Den „sieben großen Geburten“ wird mit der „Geburt von Anubhuti“ ein Ende gesetzt. Die Geburt des Einen hebt die anderen Geburten auf. Was für ein Mysterium!

 

„ Anbarul“ ist, wie wir gesehen haben, Murugas Gnade, die sich mit Vallis Liebe paart. Es ist die Verbindung Göttlicher Gnade mit der Anstrengung des Jivas. Es ist Gott, der den Jiva umarmt, worum in Vers 39 gebetet wurde, was sich jetzt erfüllt. Darum wird in beiden Versen Valli erwähnt. So folgte dem Gebet aus Vers 39 die entschlossene Anstrengung (Vers 40), verlieh die Überzeugung, dass der Tod die Seele nicht berühren kann (Vers 41), offenbarte den Vel, der sofort den Jiva absorbierte (Vers 42) und seine Erfüllung in dieser sprachlosen Erfahrung und der Zerstörung der äußeren Wünsche durch die Liebes-Gnade in diesem Anubhuti Vers fand. Dieser Vers ist auch die Erfüllung des Gebets aus Vers 2: „O Muruga, bitte gewähre mir dieses alles beendende, die Individualität auflösende Gute.“

Das „ Aufhören von allem“ findet statt, wenn „die Kette der Wünsche aufgelöst wird.“ („ Aasaa Nigalam Tugal Aayina“, „Ellaam Attradhu“). „Sich zu verlieren“ kommt mit „Sprachlos(igkeit)“: „Peesa (mai)“ „Yennai Ezhandhen“. Das “Gute” erlangt man in “Anubhuti”. „Gewähre mir“ war das Gebet und „wird geboren“ ist die Erfüllung („Sollaai“ findet seine Antwort in „Pirandhadhu“). Das Gebet in Vers 2 richtete sich an Muruga. Und in diesem Vers ist es wiederum Muruga, durch dessen Liebes-Gnade die Gotteserfahrung geboren wird. Gebet und Erfüllung entsprechen sich aufeinander folgend: Ellaam Ara; ennai Ezhandha; Nalam; Sollaai – Aasaa Nigalam Thugal Aayina (Oin); Peesa; Anubhuti; Pirandhadhu.

So fasst dieser Vers das ganze Sadhana zusammen, die Essenz dieses Werkes, Abhandlung, die in dieser Verwirklichung gipfeln. Wie wunderschön doch Arunagiri in einem einzigen Vers das Wesentliche des Sadhana und der Verwirklichung erklärt: Die Sehnsucht der Seele nach Gott, vollständige Reinheit, spirituelle Praxis über längere Zeit mit Liebe bis die Gnade dem folgt, Gottes Liebe für die Seele, die Dämmerung Seiner Gnade, die die Kette der Wünsche auflöst und die Geburt der großartigen Gotteserfahrung in Maha-Mouna. Der Vers endet mit „Pesaa Anubhuti Pirandhadhuve“ – „die sprachlose Erfahrung war geboren“. Einige Kommentatoren gehen daher davon aus, dass das Werk Kandar Anubhuti mit diesem Vers endet und die übrigen 8 Verse nicht von Arunagiri sind. Andere meinen, dass alle 51 Verse von Arunagiri stammen, da bestimmte Hinweise dafür sprechen und die restlichen Verse von besonderer Art sind.

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Das vollständig gereinigte Herz des Sadhaka, das mit Sehnsucht (Liebe) nach Gott bzw. Mumukshutva (Befreiung) erfüllt ist, zieht Göttliche Gnade an. Die Verschmelzung beider zerbricht die Kausalkette, die ursächliche Avidya (Unwissenheit) und Pesaa Anubhuti, Gotteserfahrung, erblüht. Das am Anfang der spirituellen Praxis gesetzte Ziel, um welches gebetet wurde (Vers 2) und für dessen Verwirklichung so viele Prüfungen durchstanden wurden, wird jetzt verwirklicht. Dieses „alles beendende und sich selbst verlierende Gute“ ist erreicht worden. Dieser Vers scheint vor allem eine Erinnerung an die aus der unendlichen Gnade geborene Göttliche Erfahrung zu sein, nach dem Herauskommen aus dieser Erfahrung. Er ist offensichtlich auch eine Zusammenfassung des gesamten Prozesses, da die Erfahrung nichts anderes als der Höhepunkt dieses gesamten Prozesses ist.

Die Verse 42 und 43 sind praktisch Ergänzungen dazu: Der eine führt zu Samadhi und der andere geht daraus hervor. Der Erfolg der Meditation, der im Überbewusstsein gipfelt und das gleichzeitige Aufhören aller individuellen Tätigkeiten werden in Vers 42 beschrieben. Vers 43 gibt die Erinnerung an die Seligkeitserfahrung des Samadhi wieder, nachdem man aus dem Samadhi-Zustand herauskommt. So wie man beim Aufwachen sagt: „Ich habe selig geschlafen; ich wusste von nichts“ und man während des Schlafs sich dieser Erfahrung nicht bewusst war, so behält man beim Emportauchen aus Samadhi (der in Vers 42 erreicht wurde) eine lebendige Erinnerung an diese Seligkeitserfahrung. Sie hinterlässt bleibende Eindrücke in dem gereinigten Gemüt. Dies wird in diesem Vers so leben dig beschrieben. Diese wonnevolle Erfahrung ist dauerhaft. Sie bleibt auch bestehen, nachdem man aus dem überbewussten Zustand wieder herauskommt, dank der vorhergehenden intensiven Praxis und Göttlicher Gnade.

Jetzt wird der Sadhaka zum Siddha Purusha, ein Jivanmukta Purusha, ein Weiser und „lebendig Befreiter“. Er ist kein Jiva mehr, ein individuelles Bewusstseinszentrum. Es gibt für ihn keine Notwendigkeit mehr, bewusstes Sadhana zu machen. Sein Sadhana wird natürlich, weil sein Bewusstsein der Wirklichkeit ununterbrochen und stetig ist. Das ist offensichtlich der Grund, warum Valli ab Vers 44 nicht mehr erwähnt wird. Es ist selten, dass mit Peesa Anubhuti beschenkte Seelen ganz in Samadhi bleiben und nie mehr daraus hervorgehen. Normalerweise kommen sie wieder aus Samadhi heraus und beschäftigen sich mit Lokasangraha – Dienst in der Welt aus Mitgefühl heraus. Da ihr inneres Bewusstsein Gottes stetig ist, strahlen sie Freude und Seligkeit aus, sie sind Gott auf Erden und ihre Handlungen sind wahrlich Gottes Handlungen.

Solch große Seelen (Mahatmas) zu treffen, die Gelegenheit zu bekommen, ihnen zu dienen, ihnen zuzuhören und von ihnen geführt zu werden, ist tatsächlich ein seltenes Privileg. So wie Gott am Anfang der Übungen als der Guru des Sadhakas kam und ihn führte, macht Gott ihn jetzt zum Führer anderer suchender Seelen. Darum wäre es nicht korrekt anzunehmen, das Kandar Anubhuti ende mit diesem Vers. Die befreite Seele bewegt sich frei, gibt hungrigen Seelen spirituelle Nahrung, entsprechend ihren Bedürfnissen. Das beschreiben die Verse 45-51, die deshalb einmalig und von unterschiedlicher Natur sind. So gibt es in der Welt immer verwirklichte Seelen als Gurus, die strebenden Seelen die nötige Führung geben.