Vers 39

Maaveezh Sananam Keda Maayaividaa
Mooveedanai Enru Mudinthidumo
Koovee Kuramin Kodithol Punarum
Dhevee Sivasankara Dhesikane


Damit die sieben großen Geburten zu einem Ende kommen.
Wann sollen die drei großen Eshanas, die untrennbar von der Maya sind, enden?
O König! O Umarmer von Valli, der zarten Jägerin!
O großartiger Guru von Shankara, von glücksverheißender Gestalt!


„O König (des Universums)! O Gott, der die Schultern der strahlenden Jägerin Valli Devi umarmt! O Guru von Shivashankara! Damit die sieben (Arten von) großen Geburten zerstört werden, wann werden die drei Eshanas (Wünsche), die von der Maya untrennbar sind, zu einem Ende kommen?“

Erklärung:

Der Kreis von Geburt und Tod ist endlos. Der Jiva, die Seele, nimmt immer wieder neue Geburten verschiedener Gattungen an, entsprechend seiner Wünsche und Karmas. Dieser Kreislauf endet nie, bis er von allen Wünschen vollständig frei ist. Es heißt, dass es 8.400.000 Tierarten gibt, bis die Seele schließlich eine menschliche Geburt erreicht, welche die Schwelle zur Befreiung ist. Die 8.400.000 Yonis (Arten, wörtlich Schöße) werden in sieben Kategorien unterteilt, nämlich Pflanzen, Wassertiere, Reptilien, Vögel, Tiere, menschliche Wesen und Devas. Diese sieben Arten von Geburt (Yonis) werden die „großen“ genannt, weil jede von ihnen zahllose Unterarten und Variationen hat. Man sagt, dass sich die 8.400.000 Yonis wie folgt auf diese sieben Arten verteilen: Devas - 1.400.000 Yonis, menschliche Wesen - 900.000, Tiere -1.000.000, Vögel - 1.000.000, Reptilien - 1.100.000, Wassertiere - 1.000.000 und Pflanzen 2.000.000. Diese sieben großen Geburten sind im Bereich der Maya.

Wenn man von Geburt und Tod frei werden will, müssen die drei Eshanas (Wünsche) aufhören. Die drei Eshanas bilden die Essenz der Maya; sie sind so untrennbar von Maya, dass sie selbst wahrlich Maya sind. Von den Eshanas frei zu sein, heißt, von Maya frei zu sein. Eshana heißt Wunsch. Es ist nicht Wunsch in seiner groben Form nach diesem oder jenem Objekt, sondern es ist das grundlegende Verlangen oder der Drang der Seele nach Externalisierung. Obwohl es unzählige Wünsche gibt, werden sie auf drei grundlegende heruntergebrochen.

Die drei Eshanas sind die Ursachen für die Geburt des Jiva in unterschiedlichen Schößen – die sieben großen Geburten. Ehe sie nicht aufgegeben werden, gibt es keine Chance für Freiheit von Geburt und Tod. Die drei Eshanas sind Arthaishana, Putraishana und Lokaishana. Arthaishana, auch Vittaishana genannt, ist der Wunsch nach Reichtum. Man denkt, wenn man viel Geld hat, kann man über alles gebieten und das Leben voll genießen. Darum streben Menschen nach Reichtümern. Putraishana ist der Wunsch nach Nachkommen, besonders nach Söhnen, also der Wunsch nach Glück in dieser und der jenseitigen Welt. Traditionell denkt man, wenn man einen Sohn hat, genießt man Freuden sowohl in dieser als auch in der anderen Welt; denn ein Sohn entspringt der Vereinigung mit einer Frau und man erwartet von ihm, dass er sich im Alter um seinen Vater kümmert und auch nach dessen Tod die vorgeschriebenen religiösen Riten vollzieht, die den Vorfahren den Genuss der höheren Regionen wie dem Himmel etc. ermöglichen. Putraishana wird manchmal auch Daraishana genannt.

Lokaishana ist der Wunsch nach Name und Ruhm in der Welt und auch nach den Vergnügungen der Himmel. Man wünscht sich, der berühmteste Mensch an seinem Ort (Land) zu sein, in seinem Tätigkeitsbereich (Kunst, Spiele etc.) und selbst im religiösen und spirituellen Bereich möchte man weit bekannt und geehrt sein. Kurzum, wo immer man ist, was immer man macht oder wie auch immer man ist, man möchte berühmt und bekannt sein.

Diese Eshanas sind die einzigen Hindernisse für die Befreiung, obwohl sie auf der Erde Glück bringen und einen in den Himmel bringen mögen. Sie sind die Knoten des Herzens, die Wurzel des Samsara und sehr schwierig zu brechen. Sie beschränken das eigentliche universale Bewusstsein auf einen bestimmten Körper oder einen Erfahrungsbereich. Wäre es nicht wegen dieser Wünsche, wer würde nicht Befreiung erlangen! Während also die Wünsche die direkten Hindernisse für Anubhuti – Verwirklichung, Erfahrung des Absoluten – sind, ist die Gnade Gottes das direkte Mittel, um Anubhuti zu erlangen. Der Heilige ruft deshalb die Gnade Gottes an, dass die drei Eshanas bald zerstört werden mögen und spricht ihn auf drei Arten an, als „O König des Universums“, „O Herr, der Valli Devi umarmt“ und „O Guru von Shivashankara“.

Wenn die Bürger eines Landes ein Problem haben, müssen sie den König dieses Landes um Beseitigung ihrer Nöte bitten. Genauso nimmt Arunagiri für die Entfernung der Eshanas Zuflucht bei Gott, der der „König des Universums“ ist.

Skanda ging zu den Feldern, wo Valli Devi war, umarmte sie und nahm sie als Seine Gefährtin an, wodurch Er sie für immer von der Herrschaft der grausamen Jäger befreite. Ähnlich kann der Jiva, wenn die Gnade Gottes ihn umhüllt, aus dem Griff der Eshanas befreit werden. Darum ruft Arunagiri die Gnade Gottes an als „dem Umarmer der Schultern der strahlenden, von den Jägern aufgezogenen Valli Devi“.

Der verzweifelte Schrei der Seele, die sich nach endgültiger Befreiung aus dem Griff der drei Eshanas sehnt, die sie unterdrücken, hallt in diesem Vers wieder. Eigentlich enthüllt er folgendes Geheimnis: „Meine Seele ist von den drei Eshanas umklammert. Wenn Du kommst und meine Seele umarmst, so wie Du Valli umarmt hast, nur dann kann ich aus dem Griff der Eshanas befreit werden und von Geburt und Tod. O Gott, wann wird es Dir gefallen, dies zu tun? Es gibt kein anderes Mittel. Also geruhe bitte, es bald zu tun.“ Die Maya Gottes, die aus den drei Eshanas besteht und die den Jiva in den sieben Arten von Geburten versengt, kann man nur durch die Gnade Gottes überwinden. „Wahrlich, diese Meine göttliche Illusion, die aus den (drei) Eigenschaften (der Natur) besteht, ist schwierig zu überwinden. Wer nur bei mir Zuflucht nimmt, überwindet diese Illusion“, sagt Krishna (Bhagavad Gita VII-14).

Die Zuordnung der 84.000 Yonis zu den sieben Gruppen, von den Pflanzen bis zu den Devas, scheint nahezulegen, dass die Seele auf der menschlichen Ebene Gott nicht direkt erreichen kann, ehe sie nicht durch die verbleibenden 14.000 Deva Yonis gegangen ist, da jede Seele die Erfahrungen aller 84.000 Yonis durchleben muss. Aber die Schriften verkünden, dass die menschliche Geburt ein seltenes Geschenk sei mit dem einzigen Zweck, Gott zu erreichen, d.h. menschliche Wesen können Gott direkt erreichen. Die Entwicklung der Seele von ihren frühesten Stadien der Pflanzen, Reptilien, Vögeln, Tieren etc. bis sie die menschliche Ebene erreicht, erfolgt automatisch; das Gesetz des Karmas kommt bis dahin nicht ins Spiel. Erst auf der menschlichen Ebene hat die Seele Freiheit – Freiheit tugendhafte Taten zu vollbringen und Geburten in höheren Reichen zu erlangen oder schlechte Taten zu begehen und in niederen Yonis oder sogar niederen Welten wiedergeboren zu werden; oder spirituell zu praktizieren und Gott zu erlangen, ohne in niedrigere oder höhere Regionen zu gehen, d.h. Jivanmukti (Befreiung noch in diesem Körper) zu erreichen.

Mit den „sieben Geburten“ auf die sich Arunagiri in diesem Vers bezieht, scheinen Geburten in den sieben höheren Welten gemeint zu sein, weil ihnen das Adjektiv „Maa“ (von „maha“ = groß) beigeordnet ist.

Man sagt, es gibt 14 Welten – sieben niedere und sieben höhere. Die sieben höheren Welten oder Lokas sind Bhurloka, Bhuvarloka, Svarloka, Maharloka, Janarloka, Taparloka und Satyaloka oder Brahmaloka, die übergeordneten, höheren Regionen. Das Wort „Maa“ bedeutet im allgemeinen „groß“ oder „übergeordnet“ –„groß“ bezieht sich auf ihre Anzahl, „übergeordnet“ auf ihren Inhalt, Aufbau, die Erfahrung der Freude und die Menge an Verdienst, die man braucht, um sie zu erlangen. Obwohl diese sieben höheren Welten höher sind, sind auch sie innerhalb der Grenzen von Maya und die (Reste der) Eshanas sind die Ursache der Geburt in diesen Lokas. Das Adjektiv „Maa“ (übergeordnet) für die „sieben Geburten“ und der Hinweis auf die drei Eshanas, die die Ursache für die Geburt in ihnen sind, scheinen darum eher auf diese höheren sieben Lokas hinzuweisen als auf die sieben Arten von Geburt, in die die 8.400.000 Yonis unterteilt werden, weil die letzteren gewöhnlich als „die sieben Geburten“ ohne das Adjektiv „Maa“ genannt werden.

Es ist selten, eine menschliche Geburt zu bekommen, die gewöhnlich erst als letzte der 8.400.000 Yonis kommt und die für die Erreichung Gottes gedacht ist. Obwohl die menschliche Geburt selbst selten und auch schon höher ist, sind die Freuden der höheren Reiche verfeinerter, subtiler und unvermischt. Ein subtiler Wunsch könnte deshalb im Geist spiritueller Aspiranten aufsteigen, diese höheren Freuden zu genießen, was ein Hindernis für die Gottesverwirklichung ist. Ein Sucher nach der Wahrheit muss noch jenseits dieser sieben Welten gehen, da auch sie im Bereich der Maya sind. Gott, Brahman ist absolute Seligkeit, was das Ziel des spirituell Strebenden ist. Er muss deshalb von den drei Eshanas befreit werden, damit er nicht von den Freuden der übergeordne ten Geburten in den höheren Reichen verlockt wird. Darum das Gebet um eine völlige Freiheit von den drei Eshanas!

Die Maya, von der die drei Eshanas untrennbar sind, auf die sich dieser Vers bezieht, bezeichnet den Kausalzustand, weil sie die Ursache der „sieben Geburten“ ist. Dieser Kausalzustand ist zu unterscheiden von „Jaganmaya“ (Weltentäuschung, Illusion), die aus „Heim, Wohlstand und Frauen“ besteht (Ahamaadai Madanthaiyar) (Vers 5), was ein grobstofflicher Zustand ist, ebenso von „Illeyenum Mayai“ (Vers 29) und „Padu Mayai“ (Vers 31), die feinstoffliche Zustände sind. Zu Beginn des Sadhanas stört die Maya den Sucher in Form grobstofflicher Objekte, als die vielen Dinge, die außerhalb von ihm sind. Dies wurde in Vers 5 beschrieben, wo der Sadhaka auf den Anfangsstufen seiner Reise zur Unsterblichkeit ist.

Aber nach richtiger Unterweisung in die Techniken der Meditation durch den Guru und nachdem er einen kurzen Blick auf das kosmische Bewusstsein hatte, wird Maya zu etwas Unbeschreiblichem, „Illeyenum Mayai“ – Maya, von der man sagt, sie sei nichtexistent. Obwohl sie als die sichtbare Welt erfahren wird, verschwindet sie als nichtexistenter Bewusstseinszustand. Dennoch muss man in ihr leben und sie erfahren, wenn auch mit einer verwandelten Sicht, die die Überzeugung gibt, dass sie letzten Endes vergänglich ist – „Padu Mayai“. Dann sind es nicht die einzelnen Objekte außerhalb sondern die Welt als solche, die Maya ist.

Der Begriff „Welt“ umfasst auch den eigenen Körper, der in der Meditation ebenfalls verschwindet, obwohl er zu anderen Zeiten erfahren wird. Aber in diesem Vers erstreckt sich Maya über die gesamte Schöpfung, d.h. die sieben (großen oder höheren) Geburten – entweder die sieben Arten von Geburten auf die die 84.000 Yonis verteilt sind oder die sieben höheren Regionen; von beiden hat man nur gehört; sie ist nicht sichtbar und dennoch sitzt sie im Herzen in Form der Eshanas (Urwünsche). Wie seltsam diese Maya ist! In ihrer grobstofflichsten Form nimmt man sie als isolierte Objekte außerhalb von sich selbst wahr – begrenzt und von einem entfernt.

In ihrer subtilen Form dehnt sie sich einerseits von den einzelnen Objekten zur Welt aus, während sie andererseits von äußeren Objekten den eigenen Körper erreicht – ausgedehnter und gleichzeitig höher. In ihrem kausalen Zustand dehnt sie sich einerseits von den Objekten der Welt auf die ganze Schöpfung aus, während sie sich gleichzeitig in den Sucher zurückzieht und sich als die Eshanas in seinem Herzen einnistet – sie ist am weitesten und am nächsten. Dies ist das Geheimnis der Maya.

Obwohl die Ablehnung äußerer Objekte (grobstofflicher Zustand) gut ist, reicht das alleine nicht aus. Obwohl die Negierung der Welt und des Körpers in der Meditation eine fortgeschrittenere Form ist (subtiler Zustand), ist auch das nicht genug. Die sieben großen Geburten müssen durch das Aufhören des Verlangens im Herzen (Kausalzustand) enden, wenn Befreiung erreicht werden soll. Wie markant übermittelt Arunagiri subtile Geheimnisse!

Man kann sagen, dass dieser Kausalzustand der Maya, auf den sich dieser Vers bezieht und in dem die drei Eshanas eins mit ihr sind, „Mahamaya“ (die große Täuschung) ist, die nur Gott alleine zerstören kann, was in der ersten Hälfte von Vers 5 erwähnt wurde. Und die Seele sehnt sich stark nach der Gnade Gottes, damit die Mahamaya bzw. die Eshanas vernichtet werden.

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Der Familie und dem Zuhause wurde entsagt. Sannyasa wurde genommen. Mahavakya Upadesa wurde erlangt (Vers 37). Nur das letzte Gewand der Maya in ihrer kausalen Form, der Zustand in dem die drei Eshanas untrennbar von ihr sind, muss noch zerrissen werden. Der Sadhaka schmachtet nun danach, es auch loszuwerden. Diese extreme Sehnsucht, vom Samsara befreit zu werden, ist ein Vorläufer für den letzten Schlag des Sadhaka, den er unternehmen muss (wie wir im nächsten Vers sehen werden). Vorher ruft er im Gebet Gott an, ihn in Besitz zu nehmen, so wie Er Valli umarmt, sie angenommen und sich zu eigen gemacht hat.