Vers 36

Naathaa Kumaraa Namaenru Aranaar
Oodhaai Yena Oodhiyadhu Epporulthaan
Vedhaamudhal Vinnavar Soodumalarap
Paadhaa Kuramin Padhasekharane


„Ich verneige mich vor Dir, O Kumara“ – sagte Shiva, der Großartige,
als er Dich um Upadesa bat. Welches Geheimnis lehrtest Du?
Brahma und die Götter tragen Deine Lotus-Füße auf ihren Köpfen!
O Gott, Deinen Kopf schmückst Du mit den Füßen der Jägerin!


„O Gott, mit dessen Lotus-Füßen Brahma und andere Götter ihre Köpfe schmücken, der auf Seinen Kopf die himmlischen Füße der strahlenden Jägerin (Valli Devi) stellt! Als Shiva sich vor Dir verneigte und sagte: „O Gott, Kumaraya Namah“ und um Upadesa bat, was ist das Upadesa, (geheime Lehre) das Du ihm gegeben hast?“

Erklärung:

Shiva verneigte sich vor Lord Skanda und bekam Upadesa über Pranava (das MantraOm). Und Arunagiri betet zu Lord Skanda, ihm dieses geheime Upadesa zu offenbaren, das er Shiva gab. Die Geschichte über die Belehrung Shivas wird wie folgt in der Skanda Purana (Schrift über Lord Skanda) erzählt:

Einmal ging Brahma zusammen mit den anderen Göttern zum Berg Kailasa, um Shiva zu huldigen. Nachdem sie Shiva gehuldigt und wieder verlassen hatten, kamen sie auf dem Rückweg an Lord Skandas Wohnstätte vorbei. Lord Skanda war noch ein kleiner Junge und spielte mit anderen Jungen. Brahma, stolz darauf der Schöpfer zu sein, schenkte ihm keine Beachtung und ging an ihm vorbei. Lord Skanda wollte ihm eine Lektion erteilen und rief ihn zu sich. Brahma kam, verneigte sich vor Lord Skanda und blieb mit gefalteten Händen vor ihm stehen.

„Was ist Deine Aufgabe?“, fragte Skanda.

„Schöpfung“, antwortete Brahma.

„Wie verrichtest Du die Aufgabe der Schöpfung?“

„Mit Hilfe der Veden.“

„Kennst Du die Veden?“

„Ja.“

„Dann rezitiere sie“, sagte Skanda.

Brahma begann den Rig-Veda zu rezitieren, der mit „OM“ beginnt. „Stop“, sagte Skanda, „kennst Du die Bedeutung von OM?“ Brahma versuchte Om zu erklären, was ihm aber nicht zufriedenstellend gelang. Skanda befahl daher, Brahma einzusperren und übernahm selbst die Aufgabe der Schöpfung mit der Begründung, dass jemand, der die volle Bedeutung von Pranava (Om) nicht gut kennt, nicht geeignet ist, für die Schöpfungstätigkeit. Die Götter, die Brahma begleitet hatten, gingen zu Shiva, berichteten die Sache und baten um die Freilassung Brahmas aus seiner Gefangenschaft. Shiva kam zu Lord Skanda und befahl ihm, Brahma freizulassen. Widerstrebend ließ Lord Skanda Brahma frei, um dem Wunsch seines Vaters zu gehorchen. Als Brahma und die anderen Devas die Größe von Lord Skanda erkannten, setzten sie Seine Füße auf ihre Köpfe und mit Seiner Erlaubnis gingen sie zu ihren jeweiligen Wohnstätten zurück.

Zufällig fragte Shiva, während er Lord Skanda auf dem Schoß hielt, ob er die Bedeutung von Om kenne und wenn ja, ob er sie ihm offenbaren würde. Lord Skanda sagte, dass das Geheimnis von Pranava nicht öffentlich mitgeteilt, sondern nur im Geheimen offenbart werden dürfe, wenn man sich mit der Haltung eines Schülers nähert. Obwohl Er selbst das Svarupa, die Essenz von Om ist und auch Lord Skanda nichts anderes als Er selbst in einer anderen Gestalt, nahm Shiva dennoch, weil er gern die Darlegung von Om von den kindlichen Lippen seines Sohns hören wollte, die Haltung eines Schülers an, verneigte sich vor ihm und sagte: „Natha! Kumara! Namah!“ (Ich verneige mich vor Dir, o Gott, o Kumara) und bat um Upadesa. Lord Skanda flüsterte das Upadesa über die Bedeutung von Pranava in Shivas Ohr. Shiva war sehr damit zufrieden, die geheime Darlegung von Lord Skanda zu hören, weil er es genauso erklärte, wie Shiva es ihm früher offenbart hatte. Shiva sagte bewundernd: „Ja, du hast recht. Die Bedeutung von Pranava ist genau das. So wie die Veden mit „Subrahmanyom“ und „Sadashivom“ schließen, sind beide die Bedeutung von Pranava. Wer seine Bedeutung so versteht, wird Mir gleich, d.h. erreicht mich. Die Bedeutung von Pranava zu kennen, ist das wichtigste Sadhana, um Brahman zu erreichen für versierte Sadhus (Mönche), die in ihrem Verständnis gefestigt sind und für Sannyasins, die von Shuddha-Sattva (Reinheit) erfüllt sind. Wie kann Brahma, der voller Stolz über seine Position ist, die Bedeutung kennen? Selbst Yogis, die sich in der Meditation von ihren Fehlern gereinigt haben, kennen sie nicht; nur meine Verehrer kennen sie aus Meiner Gnade heraus.

Liebes Kind, da Du wahrlich Ich bist, kennst Du dieses geheimnisvolle Pranava. Von allen Yogis ist keiner außer dem Weisen Agastya in der Lage, das Pranava zu verstehen. Deshalb gib das Upadesa über Om an Agastya, der Dein erster Schüler werden wird. Lass diese Parampara (Überlieferung der Lehre vom Lehrer zum Schüler) so weitergehen.“ Aus der Geschichte ist ersichtlich, dass Shiva das Upadesa über Om von Lord Skanda nicht deshalb erhielt, weil Er es nicht wusste, sondern um der Welt zu offenbaren, dass Lord Skanda in jeder Hinsicht nichts anderes ist als Er selbst. Die Geschichte zeigt uns auch, wie man sich einem Guru nähert und von ihm spirituelle Weisheit empfängt. Und wenn Shiva die Erklärung nicht von Lord Skanda bekommen hätte, könnten Menschen daran zweifeln, dass Lord Skanda die Bedeutung von Pranava überhaupt kannte. Also birgt das Pranava-Upadesa- Ereignis viele Geheimnisse in sich.

Arunagiri bittet Gott, ihm zu enthüllen, was Lord Skanda Shiva offenbart hat. Und Gott hat es Arunagiri offenbart, aber natürlich auf die gleiche Weise, wie bei Shiva, nämlich geheim! Arunagiri sagt nun nicht, was ihm offenbart wurde, sondern überlässt es uns, zu Gott zu beten, wie er es getan hat und es von Ihm direkt und geheim offenbart zu bekommen, wie im Falle von Shiva und ihm selbst. Da dies eine Abhandlung über Anubhuti, Gotteserfahrung ist, überlässt es uns der Heilige, es selbst zu erfahren. Aber in seinen anderen Werken berichtet er, was Gott ihm offenbart hat. Er sagt, dass dort, wo Dvaita, das dualistische Bewusstsein von „Ich“ und „mein“ vergeht, wirkliches Wissen dämmert. Dieses Wissen zu kennen heißt, das Geheimnis von Om oder Pranava zu kennen. Denjenigen, der weiß, zu kennen, ist wahres Wissen.

Manche sagen auch, der Heilige gebe einen Hinweis darauf in der anderen Hälfte des gleichen Verses, wenn er sagt, dass, obwohl Skanda der Herr ist, dessen Füße den Kopf von Brahma und anderen Göttern schmücken, er dennoch seinen Kopf mit Vallis Füßen schmückt. Valli hat soviel Askese praktiziert, das sie „Ich-heit“ und „Mein-heit“ überwand und darum stellte Gott ihre Füße auf Seinen Kopf, was bedeutet, dass dort, wo Individualität beseitigt wird, die Universalität sich selbst enthüllt oder zugänglich wird. Es heißt deshalb, dies sei die Unterweisung von Lord Skanda an Shiva gewesen: Wo man sich selbst verliert, kann Gott erfahren werden. Das Pranava Upadesa offenbart das Geheimnis der Identität, der Einheit von allem.

Eine kurze Studie über Om ist hier nicht fehl am Platze. Pranava, Om ist tatsächlich das Absolute, Brahman und es ist auch alles, was sichtbar ist. Es ist „dies“ und „das“, die sichtbare Manifestation und die transzendente Wirklichkeit. Es hat zwei Aspekte – den relativen und den absoluten. Om besteht aus den drei Lauten „ A“, „U“ und „M“, welche den relativen Aspekt repräsentieren; Om als Ganzes in seiner transzendenten Natur ist das Absolute. „ A“ repräsentiert den Wachzustand im Individuum, der Vishva genannt wird, dem auf kosmischer Ebene das physische Universum (Virat) entspricht. Es ist das Bewusstsein, das den Wachzustand im Mikrokosmos und das physische Universum belebt. „U“ repräsentiert den Traumzustand (Taijasa) im Individuum und kosmisch ist es der feinstoffliche Kosmos (Hiranyagarbha). Es ist dasselbe Bewusstsein, das den Traumzustand und den feinstofflichen Kosmos belebt. „M“ repräsentiert den Zustand des Tiefschlafs (Prajna) im Individuum und kosmisch ist es das Universale Kausale. Auch hier belebt dasselbe Bewusstsein den Tiefschlaf und den kausalen Kosmos.

Es ist nicht so, dass sie drei verschiedene Bewusstseins-Entitäten wären, sondern ein und dasselbe Bewusstsein belebt die unterschiedlichen Ebenen der Manifestation. Im Individuellen sind es Visva, Taijasa und Prajna und Virat, Hiranyagarbha und Ishvara auf der kosmischen Ebene. Aber all diese sind bereits Manifestationen der Schöpfung. Es muss jedoch einen Zustand geben, der nicht mit der Schöpfung verbunden ist, der noch vor der Schöpfung ist.

Was gab es vor der Schöpfung? Es ist reines Om, reine Bewusstseins-Existenz. Aber niemand kann dies kennen, weil alle erst nach der Schöpfung gekommen sind und wir können diesen Zustand vor der Schöpfung nicht kennen. Dieser Zustand ist die Absolute, transzendente Wirklichkeit, Om. Wie ist dann die Schöpfung entstanden? In diesem reinen Existenz-Bewusstsein entstand die kosmische Schwingung Om. (Wie und warum können wir nicht erklären, weil wir alle danach gekommen sind. Die Autorität in dieser Hinsicht sind nur die Schriften, die die Offenbarungen von verwirklichten Heiligen sind.) Om wird deshalb auch Shabda-Brahman (die Urschwingung) genannt. Daraus gingen Ishwara (auf der Kausalebene), Hiranyagarbha (auf der feinstofflichen Ebene) und Virat (auf der physischen Ebene) hervor. Diese sind auch kosmische Seinszustände. Om ist eine kosmische Schwingung, die immer gegenwärtig ist. Es gab Om als reines Bewusstsein vor der Schöpfung; daraus entstand die kosmische Schwingung Om und dieses ganze sichtbare Universum. Also sind das Absolute und das Relative beide Om.

Wie soll uns jetzt dieses Wissen über „Om“ helfen? Wenn wir Om sagen, ist es nicht bloß ein gesprochener Klang, sondern es erzeugt eine bestimmte Schwingung in uns. Wenn wir Om sagen, wollen wir also eine Schwingung in uns erzeugen, die uns hilft, uns auf die immer existierende kosmische Schwingung von Om einzustimmen. Eine korrekte Rezitation von Om mit dem richtigen Bhava (innere Haltung) und dem richtigen Verständnis, versetzt uns in die Lage, die Individualität schrittweise zu transzendieren, uns auf die verschiedenen kosmischen Ebenen von Virat, Hiranyagarbha, Ishvara und schließlich auf das reine Bewusstsein an sich einzustellen. So kommen wir (und alles) von Om, haben unser Sein in Om und müssen wieder in Om aufgehen.

„Natha Kumara Nama“ scheint eine tamilische Version des heiligen Shadakshara (6silbigen) Sanskrit-Mantras „Kumaraya Namah“ zu sein. Dieses Mantra gilt als ebenso heilig wie „Om Sharavanabhavaya Namah“ (Anrufung der Energie von Sharavanabhava = Skanda), weil Shiva es ausgesprochen hat, dessen Mantra das Panchakshara (5silbige) ist.

Dass solch ein großartiger Gott, der Om selbst ist, der Shiva das Geheimnis von Pranava offenbarte, die Füsse von Valli Devi auf seinem Kopf trägt, soll die Einfachheit und Güte von Lord Skanda zeigen, dass er bereitwillig versucht, wirklichen Verehrern zu helfen. Valli machte strenge Askeseübungen, um Gott zu erreichen. Von ihrer Kindheit an war sie entschlossen, Ihn „zu heiraten“ und dachte immer an ihn; nichts anderes im Leben interessierte sie. Und selbst dann prüfte Gott ihre Hingabe gründlich, bevor er sie annahm. Aber als er wirklich von der Echtheit ihrer Liebe überzeugt war, freute er sich sogar, ihre Füße auf Seinen Kopf zu stellen. Gott wird buchstäblich zum Sklaven Seiner wahren Verehrer. Er gibt sich vollständig denen, die sich ihm rückhaltlos geben. So groß ist die Gnade und Einfachheit Gottes.

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Die Verse 33 bis 35 beschreiben die ernsthafte Sehnsucht und spirituelle Unrast des Sadhakas, der nach vollständiger Freiheit von allen Karmas und den Fesseln des Samsara strebt.

Um die Verwirklichung zu erreichen und vom Samsara befreit zu werden, fühlt er deshalb das Bedürfnis nach Einweihung in die höchste mystische Meditation. So wie sich Shiva verbeugt hat und Pranava Upadesa bei Skanda gesucht hat, so sucht der Sadhaka, indem er sich vor seinem Guru verneigt, Unterweisung in das Geheimnis von Pranava, die höchste Art der Nirguna Meditation (abstrakte Meditation).

Weil reines Pranava, also Meditation über Om, als das Mantra für Sannyasins (Entsagte) gilt, muss man daraus schließen, dass der Sadhaka Einweihung in Sannyasa sucht, wenn er um Initiation in Pranava bittet.