Beherrsche den Geist

  1. Erkenne den Wert der Zeit. Nicht einmal eine Sekunde solltest du an wertlose Taten verschwenden. Zeit ist kostbar.
  2. Nutze jede Sekunde für spirituellen Fortschritt und selbstlosen Dienst.
  3. Begehre keine Freizeit. Verschwende keine Minute. Sei so kühn und erkenne die Wahrheit hier und jetzt.
  4. Verbinde dich immer mit dem inneren Göttlichen Bewusstsein. Verwurzle dich im reinen Absoluten Bewusstsein.
  5. Die Sinne und der Geist sind deine wahren Feinde. Besiege sie.
  6. Den Geist gefügig zu machen, ist spirituelle Disziplin.
  7. Züchtige den Geist. Geißle den Geist. Zerschlage das Ego. Schreite voran mit eiserner Entschlossenheit und tritt ein in das Königreich von Frieden und Wonne.
  8. Gehe in dich. Beobachte deinen Geist und versuche, ihn zu bessern.
  9. Gehe in dich und finde dein ewiges Selbst.
  10. Führe ein inneres spirituelles Leben. Kämpfe gegen die dunklen, bösen Kräfte.
  11. Fasse einen spirituellen Entschluss und bleibe dabei. Dies wird dir dabei helfen, weiterzukommen und dein Ziel schnell zu erreichen.
  12. Bleibe unbeirrbar bei deinen spirituellen Entschlüssen. Dies wird deine Willenskraft stärken.
  13. Besiege die Faulheit mit Pranayama (Atemübungen), Asanas (Körperhaltungen des Hatha Yoga) und leichter, sattwiger Kost.
  14. Ärger, Lust, Gier, Neid und Hass werden immer in deinem Unterbewusstsein lauern. Sei auf der Hut! Sei vorsichtig! Sei wachsam! Sei aufmerksam! Beseitige sie vollständig. Sonst werden sie an Kraft gewinnen, dich überwältigen und all dein Sadhana (spirituelle Praxis, geistiges Üben) zunichte machen.
  15. Zügle deine Begierden Schritt für Schritt durch Mantrawiederholung, Gebet, Meditation, Satsang (gemeinsame Meditation), Studium der Schriften und sattwige Kost.
  16. Schärfe den Intellekt. Dünne das Ego aus. Läutere den Geist.  
  17. Arbeite geflissentlich an der Läuterung deines Selbst. Wachse Tag für Tag in deiner spirituellen Kraft.
  18. Reinheit des Geistes, Zerschlagung des Egos, Gleichgültigkeit oder Widerwillen gegenüber weltlichen Objekten und ein energisches Streben sind die wichtigsten Voraussetzungen für die Gotteserkenntnis.
  19. Gib dein Leben auf, wenn du leben willst.
  20. Die bösen Mächte der Vergangenheit werden versuchen, sich erneut Eingang in deinen Geist zu verschaffen. Sei auf der Hut!
  21. Suche zielstrebig nach dem Atman (unsterbliches Selbst), der in deinem Herzen wohnt, durch Innenschau, Selbstanalyse und Meditation.
  22. Oh Aspirant, spare kein Geld auf, denn es wird deinen Gleichmut stören, deinen Willen schwächen und deinen spirituellen Fortschritt behindern.
  23. Selbst ein kleiner Sieg im inneren Kampf deines Geistes wird deine Willenskraft stärken und dir mehr Mut und Willenskraft geben. Werde aber bei Erfolgen nicht übermütig. Sei trotz allem demütig.

Versuchung:

Ein für den Postversand im Ashram zuständiger Aspirant hatte Tausende von Rupien an sich genommen und war verschwunden. Die Ashrambewohner wollten nun eine Suche nach ihm organisieren, um ihn dann der Polizei zu übergeben. Der Meister aber wollte davon nichts wissen und sprach: „Er hat uns so viele Jahre lang gedient, doch nun ist die Versuchung über ihn gekommen. Lasst uns für ihn beten. Vielleicht wird es ihn später reuen und er kommt auf den spirituellen Pfad zurück. Bestraft ihn nicht und lasst ihn ziehen.“

Über Anhaftung:

Eine Aspirantin des Ashrams hatte die Nachricht erhalten, dass ihrem Sohn gesagt worden sei, sie habe ihn aus Selbstsucht verlassen und würde ihrer Verantwortung nicht mehr nachkommen. Ob dieser Nachricht wandte sie sich an den Meister: „Swamiji, ich bin an niemandem verhaftet, nicht einmal an diesem Jungen. Ich bin an nichts verhaftet. Dennoch stört es mich, dass er wegen mir ein Gefühlschaos erleiden muss. Ich würde ihn gerne aufsuchen, um ihm zu erklären, warum ich mich für dieses Leben entschieden habe und welcher Zweck dahinter steht. Er ist ein intelligenter Junge; er würde es verstehen, wenn ich es ihm erkläre. Kann ich zu ihm gehen?“
„Vertraue auf Gott“, sprach der Meister. „Wenn du dieses Leben der Entsagung für Gott auf dich genommen hast, so wird Er für alles Weitere sorgen. Bete für deinen Sohn. Das ist alles, was du tun musst. Du solltest ihn nicht übereilt aufsuchen, da du sonst wieder der Anhaftung erliegen könntest. So würdest du alles verlieren, was du bisher erreicht hast. Bitte gehe nicht nach Hause.“  Die Aspirantin gehorchte dem Meister bereitwillig.

Ist Gott parteiisch?

Beim Abendsatsang wurde dem Meister ein Korb voll Litschis überreicht. Die anwesenden Aspiranten hofften nun innig, dass er die Früchte an sie verteilen würde. Er übergab den Korb und den gesamten Inhalt jedoch einer einzigen Person. Auch eine Tüte Süßigkeiten wurde dem Meister überreicht, die er wiederum nur einer Person überreichte. Die Aspiranten waren enttäuscht.
Hridayananda Mataji, eine Aspirantin, fragte sich später, was dies zu bedeuten habe und fragte also den Meister: „Swamiji, ich verstehe nicht, warum du gestern den Korb Litschis und die Tüte Süßigkeiten nicht an alle gerecht verteilt hast. Könntest du mir das bitte erklären?“
„Oh, denkst du, ich bin parteiisch?“, warf der Meister ein.
„Nein, ich weiß nicht, Swamiji. Ich würde es gerne verstehen.“
„Ist Gott parteiisch oder nicht?“ – „Er ist unparteiisch, Swamiji.“
„Liebt er alle Menschen gleich?“– „Ja, gewiss.“
„Warum sind dann viele Menschen so arm und müssen sogar verhungern, während andere reich sind? Sind sie nicht alle seine Kinder? Warum gibt er einigen mehr als anderen? Einerseits glaubst du an Gottes Unparteilichkeit, gleichzeitig wähnst du mich parteiisch. Denkst du denn, ich handle nach meinem eigenen Gutdünken? Nein, es war das Kosmische Bewusstsein, dass mich dazu veranlasste, den Korb nur einer einzelnen Person zu geben. Ich habe mir vorher nicht überlegt, so zu handeln. Vielleicht hat dieser Mensch es verdient. Gott hat entschieden. Verstehst du nun?“
„Ja, Swamiji.“

Diebstahl:

Zwei Musiker, einer von ihnen halb blind, waren beim Abendsatsang anwesend. Sie wurden gebeten, für den Meister zu singen. Nach dem Satsang bat der Meister seinen Sekretär, den Gästen eine Unterkunft für die Nacht zu geben.
„Gib ihnen Quartier, damit sie morgen ausgeruht weiterreisen können.“
Da es aber keine freien Zimmer mehr gab, wurde ihnen der Raum, in dem das Harmonium und die Tablas (Trommeln) standen, zugewiesen. Am nächsten Morgen aber waren die beiden Musiker verschwunden und das Harmonium auch.
Als der Vorfall dem Meister berichtet wurde, kommentierte dieser voller Humor: „Warum hat der eine nicht auch noch die Tablas mitgenommen? Armer, halb blinder Mann! Ich glaube, sie wollten sich hier ein wenig Geld dazuverdienen.“

Ein Meisterdieb:

Eines Morgens wurde dem Meister gemeldet, dass aus dem Tempel des Ashrams wertvolle Handschriften gestohlen worden waren.
„Der Dieb muss wirklich ein Fachmann gewesen sein“, gab der Meister mit seinem charakteristischen Humor kund. „Wie hat er es nur geschafft, die beiden Schlösser zu öffnen? Dafür müsste man ihm eigentlich einen Preis verleihen.“

Guru Purnima:

Anlässlich des Festes von Guru Purnima (Vollmond, der besonders dem Guru gewidmet ist) wurden dem Meister die traditionellen Geschenke überreicht. Ein Mann, der ganz offensichtlich schlechte Laune hatte, gab ihm einen Karton mit einem alten Schuh und einem Stein darin! Als die Aspiranten dies sahen, wollten sie sich auf den Mann stürzen, um ihn zu verprügeln, aber der Meister gebot ihnen Einhalt.
„Was macht das schon? Lasst gut sein. Akzeptieren wir dieses Geschenk. Schließlich hat er uns ja keinen Schaden zugefügt. Wenn wir ihn verprügeln, dann begeben wir uns nur auf sein Niveau hinunter. Lasst ihn gehen.“

Ein Raucher:

Ein tabaksüchtiger Ashrambewohner hatte sich für den Kauf von Zigaretten Geld geliehen. Nun bat er den Meister um 50 Rupien, um seine Schulden begleichen zu können. Der Meister, der um die Sucht des Mannes wusste, gab ihm 25 Rupien mit den Worten: „Zahle 15 Rupien Schulden ab und behalte 10 Rupien, um Tabak für dich zu kaufen.“ Die Umherstehenden waren entsetzt, dass der Meister so den Tabakkonsum des Mannes unterstützte.
„Nun hör zu!“,  fuhr der Meister fort. „Rauchen ist sehr schädlich für deine Gesundheit. Du ruinierst deine Lungen und bekommst Lungenkrebs. Deshalb möchte ich, dass du mit dem Rauchen aufhörst. Ich weiß, du kannst es nicht von heute auf morgen tun, aber du kannst es reduzieren. Rauche von nun an pro Tag fünf Zigaretten weniger als sonst. Wirst du mir das versprechen?“
„Ja, Swamiji, ich werde fünf Zigaretten weniger rauchen.“
Einige Tage später fragte ihn der Meister: „Ist das Geld aufgebraucht?“
„Ja, Swamiji“, antwortete der Mann zerknirscht.
Der Meister gab ihm noch einmal zehn Rupien, mahnte aber: „Ich möchte, dass du mir versprichst, deinen Zigarettenkonsum um weitere zehn pro Tag einzuschränken.“
Der Mann versprach es. Und so geschah es, dass durch des Meisters Güte, Herzlichkeit und Liebe der Mann das Rauchen schließlich ganz und gar aufgab.

Des Meisters Mitgefühl:

Eine alte Frau aus Madras kam in den Ashram. Sie war sehr kränklich und konnte kaum gehen. Unglücklicherweise waren zu diesem Zeitpunkt alle Zimmer des Ashrams belegt und so musste sie gebeten werden, sich ein Zimmer außerhalb des Ashrams am Gangesufer zu suchen.
Als sie zu des Meisters Darshan (Anblick) kam, sprach sie: „Swamiji, ich bin so weit gereist, um dich zu sehen und um am Satsang teilzunehmen, aber es ist keine Unterkunft hier für mich. Ich glaube, ich kann so nicht jeden Tag zu deinem Darshan kommen.“
Darauf fragte der Meister seinen Sekretär: „Ist wirklich kein Platz mehr frei?“
„Swamiji, alle Zimmer sind von Besuchern belegt. Es ist nichts mehr frei.“
Der Meister, dem doch das Schreiben als Dienst an der Menschheit so viel bedeutete, antwortete sogleich: „Räumt das Schreibzimmer und quartiert die Frau dort ein.“
Als er dann zum Satsang ging und sah, wie schlecht die Frau zu Fuß war, ordnete er zudem an: „Bringt einen Stuhl. Lasst die Frau darauf Platz nehmen – tragt sie zum Satsang. Sie soll sich auch am Satsang erfreuen können.“

Die Gabe des orangefarbenen Gewandes:

Beim Abendsatsang gab der Meister einer ziemlich modebewussten Frau ein orangefarbenes Gewand. Später wandte sich ein Aspirant an den Meister und äußerte, dass die Frau es nicht wert sei, das orangefarbene Gewand zu tragen.
Der Meister aber sprach: „Sie soll es ja nicht jeden Tag tragen. Ich habe sie noch nicht in Sannyas (Entsagung) eingeweiht. Ich habe es ihr gegeben, damit sie es zum Gebet und zur Meditation trage. Es scheint in der Tat, dass sie sehr modebewusst ist, dennoch geht sie regelmäßig zur Meditation und zum Gebet. Sie bat mich um das Gewand, damit sich in ihrem Geiste eine förderliche spirituelle Tugend entwickle. Vielleicht wird sie eines Tages so weit kommen, dass sie in den heiligen Stand der Entsagung aufgenommen werden kann. Deshalb gab ich ihr dieses Gewand.“

Die Rechte der Affen:

Eines Tages gingen einige Ashrambewohner zum Meister und schlugen ihm vor: „Swamiji, es wäre gut, wenn wir hier einen Blumengarten anlegen würden. Die Belästigung durch die Affen ängstigt einige Besucher. Sollen wir sie nicht fortjagen?“
„Aber dieser Ort gehört ihnen, der Wald gehört ihnen. Ihr seid gekommen und habt ihren Platz weggenommen und jetzt wollt ihr sie noch fortjagen? Wie grausam! Wir sind im Unrecht,  nicht sie. Bisher haben sie hier immer friedlich gelebt und jetzt sollen sie fort. Nein, das tun wir nicht!“

Mitgefühl:

Eines Tages brach in der Nähe des Ashrams eine Pferdekutsche zusammen und das arme Pferd wurde ohnmächtig. Es blutete. Dr. Hridayananda Mataji wurde sogleich gerufen.
Der Meister wies sie an: „Sieh, was du für das Pferd tun kannst.“
„Aber Swamiji, ich bin doch kein Tierarzt, ich weiß nicht, wie man Tiere behandelt“, wandte sie ein.
„Nein, aber gebrauche doch deine Intelligenz. Wenn du Mitleid mit Tieren hast, kannst du sicher etwas tun. Erhöhe die Medikamentendosis, die du einem Menschen verabreichen würdest, aber tue etwas, um das Tier zu retten.“
Hridayananda Mataji gab dem Tier alle Injektionen, die ihr einfielen und so wurde es gerettet.

Tu es jetzt!

Einmal wies der Meister einen Aspiranten an, ein Paket an eine bestimmte Person zu versenden. Die Adresse war aber nicht aufzufinden und schließlich vergaß der Beauftragte auch seine Aufgabe.
Am ersten Tag fragte ihn der Meister: „Ist das Paket fertig?“
„Nein Swamiji, ich mache es morgen fertig.“
Am nächsten Tag fragte der Meister erneut: „Wo ist das Paket?“
„Swamiji, das habe ich völlig vergessen.“
Mit etwas lauterer Stimme gab der Meister nun Anweisung, wo die Adresse zu finden sei.
„Ja, Swamiji, ich werde es morgen erledigen“, versprach der Aspirant.
Am nächsten Tag suchte der Aspirant die Adresse an dem vom Meister angegebenen Ort, konnte sie aber nicht finden. Er suchte auch nicht weiter, sondern vergaß die Angelegenheit erneut.
Am dritten Tag sah der Meister, dass das Paket noch immer nicht versandfertig war. Als er den Aspiranten traf, sagte er: „Hast du heute morgen denn dein Frühstück vergessen? Du hast das Paket doch nur vergessen, weil du es nicht für so wichtig wie dein Frühstück hältst. Morgen brauche ich das Paket!“
Als das Paket am nächsten Morgen versandfertig war, sprach der Meister: „Ich bin mir noch nicht sicher, ob du das Paket wirklich aufgeben wirst. Verschicke es als Einschreiben und bring mir die Quittung. Erst dann darfst du zum Mittagstisch gehen.“
In seiner Hütte wartete der Meister nun auf die Rückkehr des Aspiranten und sprach zu sich: „Ich bleibe hier so lange sitzen, bis er zurückkehrt und mir die Quittung vorweisen kann.“
Als der Aspirant schließlich nach vollendeter Arbeit zurückkehrte, erschien er verängstigt und zitterte am ganzen Körper.
„Hier ist ein Teller Sambar für dich. Komm, setz dich zu mir und iss!“, hieß ihn der Meister voller Wärme willkommen und speiste zusammen mit ihm.

Den Hass überwinden:

Aspirantin A verspürte große Liebe and Respekt für Aspirantin B und lobte diese in höchsten Tönen. Es begab sich nun aber, dass sich Aspirantin B eines Tages in der Gerüchteküche des Ashrams abfällig über Aspirantin A äußerte. Dies irritierte Aspirantin A naturgemäß aufs Höchste und sie erregte sich ihrerseits über B.
Der Meister aber, der die Herzen aller kannte, wurde sich der Situation bewusst und sprach zu B: „Willst du mir einen Dienst erweisen?“
„Ja, Swamiji“, antwortete sie.
„Weißt du, da ist eine Aspiranten hier, die hat starke Rückenschmerzen“, und er nannte den Namen von Aspirantin A. „Bitte nimm sie doch zu dir und gib ihr eine Rückenmassage.“
Die Aspirantin war bestürzt, aber sie musste den Anordnungen des Meisters ja Folge leisten und so willigte sie ein.
So kamen die beiden Aspirantinnen zusammen und begannen während der Massage miteinander zu reden. Dadurch lösten sich die Spannungen und Irritationen zwischen den beiden auf, ihre Herzen begannen zu schmelzen und die Freundschaft erblühte wieder zwischen ihnen.

Liebe statt Hass:

Die gleiche Aspirantin musste später erkennen, dass eine andere Person große Widerstände gegen ihre Anwesenheit im Ashram hatte. Dennoch grüßte sie die Person immer mit einer Verbeugung, wurde aber ihrerseits gänzlich ignoriert. Das verletzte aber auf Dauer doch ihren Stolz und sie ignorierte die andere Person gleichfalls. Der Meister bemerkte dies.
Eines Tages rief er die Aspirantin zu sich und stellte ihr die Frage: „Möchtest du wirklich ein spirituelles Leben führen?“ – „Ja, Swamiji.“
„Wirst du dann tun, was ich dir sage?“ – „Ja.“
„Wann immer und wo immer du ihn siehst, verbeuge dich vor ihm.“
Die Aspirantin wandte ein: „Genau das habe ich getan, aber er hat mich immer ignoriert.“
„Das macht nichts“, kam die Antwort des Meister. „Lass ihn dich nur ignorieren. Tue einfach, was ich dir sage.“
Die Aspirantin tat wie ihr geheißen und verbeugte sich wie ehemals vor der anderen Person zum Gruße. Nach und nach stellte sie fest, wie in ihr der Hass und die Abneigung gegen die andere Person immer weniger wurden und schließlich ganz verschwanden. Später dann riet ihr der Meister, die Verbeugungen einzustellen.

Prüfung guter Meditation:

Einmal kam eine Aspirantin in gehobener Stimmung zu der Hütte des Meisters. Sie hatte an diesem Tag eine gute Meditationssitzung gehabt und so verbeugte sie sich vor dem Meister mit einem Lächeln.
Er sah sie an und fragte: „Du machst einen glücklichen Eindruck, was ist geschehen?“
„Ja Swamiji, ich habe heute sehr gut meditiert und ich fühle mich glücklich.“
„So glaubst du also, heute etwas Besonderes erreicht zu haben?“
„Ich bin mir nicht sicher, Swamiji, aber ich habe einfach das Gefühl, dass heute etwas Besonderes geschehen ist“, antwortete die Aspirantin.
„Sei dir da nicht zu sicher. Stell dir vor, du gehst jetzt hoch zur Bhajan-Halle und triffst auf dem Weg auf deinen besten, liebsten Freund, der auch dich stets bewundert und hochschätzt – lass diesen Menschen auf dich zugehen und einen Schwall von Verwünschungen auf dich herabregnen. Wenn du in diesem Moment deine gute Stimmung beibehalten kannst, dann kannst du wirklich von dir behaupten, heute etwas Besonderes erreicht zu haben, vorher nicht.“

Prüfung echter Entwicklung:

Ein Schüler fragte einmal den Meister: „Gurudev, warum hast du all diese Menschen hier versammelt?“
„Zu deiner Entwicklung“, antwortete der Meister. „Wie willst du dich sonst weiter entwickeln? Du denkst vielleicht, du bist schon ziemlich weit entwickelt, aber du kannst erst sicher sein, wenn du mit allen möglichen Menschen und Situationen konfrontiert wurdest. Wenn du hier im Ashram trotz allem ein heiteres und ausgeglichenes Gemüt bewahren kannst, so kannst du sicher sein, dass du dich weit entwickelt hast, vorher nicht.“

Eins mit dem göttlichen Willen:

Zu einer Gruppe von Aspiranten sprach der Meister einmal: „Ich arbeite hier allein nach dem göttlichen Willen und für das Göttliche. Und wenn das Göttliche entscheiden sollte, dass meine Arbeit hier nicht mehr fortgeführt werden soll, so wird es mich nicht bekümmern. Ich werde einfach nur aufhören. Mag kommen und gehen wer will, es ist mir gleichgültig, denn ich will nichts für mich selber. Ich handle nur nach Gottes Willen. Wenn Gott nicht will, dass diese Arbeit fortgeführt wird, so wird Gott bestimmte Umstände schaffen und ich werde verstehen, dass das Göttliche entschieden hat, dass meine Arbeit in diesem Leben beendet ist. Meine Aufgabe ist es lediglich, Menschen zu führen. Es ist an ihnen, sich für ihre Ziele einzusetzen und Fortschritte zu machen. Es bleibt ihnen überlassen, ob sie Fortschritte machen oder Rückfälle erleiden wollen.“

Guru und Schüler:

Jemand schrieb dem Meister: „Ich wollte geheime Anweisungen von dir erhalten und dich zu meinem Guru machen, aber in deinen Artikeln schreibst du: ‚Du selbst bist dein eigener Guru.’ Aber du schreibst auch, dass ein Guru unabdingbar für jemanden ist, der Erlösung sucht. Könntest du mir bitte erklären, was nun richtig ist?
Ich glaube, ein wahrer Guru steht Gott sehr nahe und so kann ich nicht anders, als mich seiner Gnade und Führung anzuvertrauen. Ich glaube mehr an seine Gnade denn an irgendeine meiner eigenen Fähigkeiten und ich glaube, es ist wahr, dass ein Guru in einem Moment mehr geben kann, als wir in vielen Jahren und Leben verdienen könnten. Wirklich, meine Seele verlangt nach einem Guru.
Du schreibst: ‚Wenn du ein wahrhaftiger Aspirant bist, so wirst du deinen Guru auch finden.’ Aber ich weiß nicht wie und wann. Ich glaube, nur die segensreiche Hand eines Guru kann das Verlangen nach jenen feinen, verborgenen kosmischen Kräften durch eine göttliche Vision des Selbst ersetzen.
Bitte schreibe mir, was ich tun muss, um ein wahrhaftiger Aspirant zu sein und wie ich meinen Guru finden kann. Weißt du, es ist sehr schwierig für mich, einen echten Guru von einem Scharlatan zu unterscheiden, da ich nur sehr wenig Erfahrung in diesen Dingen besitze. Mir wurde gesagt, dass ein Yogi einen wahren Guru erkennen kann. Und so bitte ich dich, mich bei meiner Suche zu führen! Liebster Swamiji, bitte hilf mir und erleuchte mich.“
„Für einen Neuling auf dem Pfad der Spiritualität ist ein Guru absolut notwendig“, begann der Meister seine Antwort. „Erst wenn der eigene Geist rein ist, wird er selbst zum Guru. Ein leiblicher Guru kann bis dahin Zweifel beseitigen, den spirituellen Pfad aufzeigen und den Schüler inspirieren. Der Rest der Arbeit aber muss vom Schüler alleine getan werden. Selbständigkeit ist absolut notwendig.
Obwohl auch die Gnade des Guru absolut notwendig ist, bedeutet das nicht, dass der Schüler untätig abwarten sollte. Er muss konsequent und in eigener Regie praktizieren. Heutzutage wollen die Leute nur einen Tropfen aus dem Kelch eines Sannyasin (Entsagter) kosten, um dann sogleich in Samadhi (überbewusster Zustand) einzugehen. Sie sind aber nicht bereit für spirituelle Praktiken, um ihr Selbst zu reinigen und sich zu erkennen. Sie wollen eine Zauberpille, um sich in den Zustand von Samadhi zu katapultieren. Wenn du solche Illusionen hast, dann gib deine Suche noch in diesem Moment auf.
Wenn du alle Anweisungen dieses Briefes geflissentlich befolgst, wirst du einen wahrhaftigen Guru finden. Folgst du dann strikt der Anleitung dieses Guru und übst dich in spirituellen Praktiken mit Achtsamkeit und Interesse und findet er an deinem Sadhana (spirituelle Praxis) Gefallen, so wirst du einst seine Gnade erlangen. Das bedeutet aber ständiges Praktizieren. Nur dann wird sich die Gnade des Guru, die auch die Gnade Gottes ist, auf dich herabsenken. Dies geschieht nicht einfach, indem du sagst: ‚Ich habe dich als meinen Guru gewählt – nun gib mir die Einweihung und ein Mantra.’
Wie kannst du nun ein guter Aspirant werden? Reinige den Geist. Entwickle sattwige Eigenschaften wie Vornehmheit, Mut, Großherzigkeit, Barmherzigkeit, Liebe, Großmütigkeit und Wahrhaftigkeit. Beseitige schlechte Eigenschaften wie Lust, Habgier, Zorn, Stolz, Widerwillen und Gier, die alle der ethischen Vervollkommnung und Selbsterkenntnis im Wege stehen. Du kannst noch so viel spirituelle Praxis haben, es nützt dir alles nichts, wenn du diese Seite des spirituellen Lebens vernachlässigst.
Liebe alle Menschen, verbeuge dich vor ihnen und sei freundlich. Sprich liebevoll und zartfühlend. Vergiss niemals das Zölibat, denn du kannst keine Fortschritte auf dem spirituellen Pfad machen, wenn du die Säfte des Lebens nicht aufsparst. Entsage der Lust und entwickle statt dessen Demut. Wirklich, dies sollte der erste Schritt sein, bevor du deinen Guru aufsuchst.
Lies diesen Brief drei Mal sorgfältig durch. Wann immer du auf Schwierigkeiten auf deinem spirituellen Pfad stößt, so werde ich dir beiseite stehen; du kannst mir immer schreiben. Sei ernsthaft und ehrlich. Wenn du diesen Anweisungen geflissentlich folgst, wirst du ewige Wonne erreichen.“

Wie man betört:

Es war der 22. November 1958. Eine Frau, die vor kurzem von ihrem Mann verlassen worden war, erschien in alten, abgetragenen Kleidern vor dem Meister. Sie hatte ihre sechs Kinder mitgebracht und ersuchte den Meister nun um Hilfe. Nachdem dieser ihre Geschichte gehört hatte, wies er seinen Sekretär an, ihr 125 Rupien für Kleidung und Nahrung zu geben. Ihre Adresse wurde notiert und regelmäßige Unterstützung zugesichert. Die Frau dankte dem Meister und berichtete ihm, wie gerne sie eine weiterführende Schule besuchen und sich in der Zwischenzeit durch handwerkliche Arbeit Geld dazuverdienen würde.
In der Gegenwart des Meisters blieben aber selbst solch beklagenswerte Situationen nicht ohne eine humorvolle Bemerkung, wobei das Opfer aber immer in den Spaß mit einbezogen wurde. Als die Frau nun wieder und wieder berichtete, wie ihr Mann mit „der Neuen“ entschwunden sei, äußerte der Meister die Vermutung, dass diese wohl besonders charmant gewesen sei.
„Nein, das war sie nicht, Swamiji“, widersprach die Frau energisch.
„Dann hättest du dich vielleicht ein wenig attraktiver kleiden und dein Gesicht etwas pudern sollen, um deinen Mann zu betören! Vielleicht musst du diese Kunst noch lernen!“
Alle brachen in Gelächter aus.

Ein schmelzendes Herz:

Ein Mann ohne einen Pfennig in der Tasche wollte Hilfe, um irgendwo eine Anstellung zu bekommen. Der Meister gab ihm wohl das unkonventionellste aller Empfehlungsschreiben an einen befreundeten Geschäftsmann mit: „Mein Herz schmilzt dahin, wenn ich diesen Menschen in Not sehe. Ich übersende ihn an dich. Bitte hilf ihm, wie immer du kannst.“

Die Segnung eines Hotels:

Wohin und für welchen Zweck auch immer der Meister ging, er versäumte es nie, bei den Leuten, die er besuchte, einen Kirtan abzuhalten.
Es begab sich im Jahre 1954, als der Meister im Hakman Hotel in Mussoorie nächtigte. Nachdem er einen Becher Milch getrunken hatte, ging er in den dortigen Theatersaal und begann den Sankirtan.
Später kam der Leiter des Hotels, ein Mann namens Mehra, auf ihn zu und sprach: „Niemals zuvor hat dieser Saal den Namen Gottes vernommen; es wurde dort bisher nur weltliche Musik gespielt, aber nun hast du die Atmosphäre dort gereinigt und dadurch eine neue Ära in der Geschichte des Hotels eingeleitet.“
Der Meister segnete den Chef des Hotels, seine Familie und das Personal und lud alle auf einen Besuch im Ashram ein.

Das Tor zur Hölle:

Als er im Jahre 1950 nach Dehra Dun kam, suchte der Meister unter anderem einen Buchladen auf, um dort einige Bücher zu erwerben und Kirtan dort abzuhalten. Als er aus dem Buchladen kam, bemerkte er ein Restaurant auf der anderen Straßenseite und schlug den beiden Aspiranten, die ihn begleiteten, vor: „Warum gehen wir nicht dorthin und trinken eine Tasse heißen Kaffee?“ So gingen sie, fanden einen Tisch, setzten sich und ließen sich vom Ober die Speisekarte bringen.
„Oh, was für verführerische Speisen!“, rief der Meister aus, als er die Karte durchsah. Dann lud er seine Begleiter ein: „Bestellt euch einen Kaffee mit Toast oder was immer ihr wollt. Ich möchte nichts.“ So bestellten sie einen Kakao für den Meister und zwei Kaffee für sich.
Mit einem Lächeln im Blick betrachtete der Meister sowohl die gefällige Einrichtung des Restaurants als auch die Männer und Frauen, die dort bei Kaffee und Kuchen saßen, rauchten und den neuesten Klatsch austauschten.
„Ein wahrer Aspirant sollte niemals einen Ort wie diesen aufsuchen“, raunte der Meister mit leiser, aber eindringlicher Stimme. „Dieser Ort ist das Tor zur Hölle. Ich kam nur, um herauszufinden, was hier eigentlich vor sich geht. Wie weit doch Gott von diesen Menschen hier entfernt ist! Trotz all der Dämonen, die ihr Spiel hier mit den Menschen treiben, trotz der Dunkelheit des weltlichen Jammertales, die alle hier umgibt und trotz dieser undurchdringlichen Finsternis, die das innere Licht aller umfängt, denken die Menschen hier, sie seien glücklich, obwohl sich mit jeder Sekunde die Schlinge des Todes um ihre Hälse schließt.“ Und sogar während er an seinem Kakao nippte, rezitierte der Meister einige Verse aus der Gita.

Spirituelle Anweisungen:

Es war morgens am 17. Mai 1962. Einige Aspiranten hatten sich um den Meister versammelt, der an seinem Büroschreibtisch saß. Unter ihnen befanden sich der Anwalt Tiwari aus Gwalior, Dr. Padma Mudholkar aus Bombay und Dr. Narayana Murti, HNO-Spezialist aus Andhra. Dr. Murti war in Begleitung seiner Frau Rajeswari und seiner Kinder Latha und Niranjan.
Der Meister übergab das Wort an Herrn Tiwari mit den Worten: „Bitte sehr, du wolltest uns einiges über Maya berichten.“
„Ja, Swamiji“, dankte der bescheidene Anwalt aus Gwalior und hob zu einem kurzen Vortrag an.
„In Wirklichkeit gibt es keine Welt. Die Welt überlagert lediglich Gott. Sie ist nur eine Erscheinung. Es ist keine Schlange in dem Seil. Wenn man dieses Wissen verinnerlicht hat, weiß man, dass es nur Brahman alleine gibt.“
Als der Sprecher geendet hatte, blickte der Meister eine Weile zu Dr. Murti und fragte dann schließlich: „Warum äußerst du dich nicht dazu? Ich habe dir doch alle meine Bücher zugesandt. Beschäftigst du dich denn 24 Stunden am Tag nur mit Hals-Nasen-Ohren-Problemen? Verbringe doch statt dessen täglich nur 20 Stunden mit der HNO-Arbeit und widme 4 Stunden dem Studium des Vedanta. Ich habe dir doch meine Bücher zugesandt, oder?“
Er ließ Dr. Murti diesen Rat erst einmal verdauen und wandte sich in der Zwischenzeit an Frau Murti, die augenscheinlich mehr Interesse an diesem Thema zeigte. Auf die Analogie „Schlange und Seil“ Bezug nehmend erklärte er: „Dies nennt man Vivarta Vada (scheinbare Umwandlung). Und jetzt hast du Vedanta erst richtig verstanden, nicht wahr?“
Der Meister fuhr fort, die Philosophie des Vedanta zu preisen. Mit großem Enthusiasmus und Herzenswärme rief er aus: „Keine Probleme, keine Sorgen, kein Gedanke an Essen, kein Hunger – ihr alle wollt doch diesen Zustand erreichen, nicht wahr? Ein weltlicher Mensch will alle drei Stunden etwas zu essen. Er isst zu Mittag, wäscht sich danach die Hände und fragt sogleich: ‚Und was gibt es zu Abend?’ Praktiziert Vedanta und erlangt Freiheit! Dann werdet ihr Nahrung, Geld, ein Auto und Juwelen aus euch selbst hervorbringen können.“
Der Meister war nun in sehr inspirierter Stimmung und als sich seine Inbrunst mehr und mehr steigerte, verloren seine Worte ihren Zusammenhang: „Frieden, Frieden – du kannst ihn erlangen ... eine Verkörperung des Friedens … eigenschaftslos ... Frieden als Körper ... Weisheit statt Fleisch als Körper ... Meditation, Meditation.“
Wenn ein Schüler des Vedanta spirituelle Selbstverwirklichung erreicht, wird er eins mit dem Geist Gottes, obwohl er noch seinen irdischen Körper trägt bis sein Prarabdhakarma (für dieses Leben aktiviertes Karma aus früheren Geburten) erschöpft ist. Der befreite Weise erlangt Einheit mit Gott; es gibt keinen Unterschied mehr zwischen den beiden. Der Weise ist die Verkörperung von Frieden, Weisheit und Wonne. Frieden, Weisheit und Wonne sind nun die Substanzen, aus denen sein spiritueller Körper, der wirkliche Körper des Weisen, gemacht ist. Sie sind nicht nur Attribute des irdischen Körpers. So waren die Worte des Meisters zu verstehen.
Der Meister sprach gerade noch von der Meditation und deren Notwendigkeit, als ihn Frau Murti unterbrach, um einen Zweifel zu äußern. „Und was ist mit der Verehrung? Ist die Verehrung auch wichtig, Swamiji?“
Und er antwortete ihr: „Diese Menschen (die Anhänger des Vedanta) sprechen immer nur über die Meditation. Gib die Verehrung nicht auf. Vom frühen Morgen an und während jeder der 24 Stunden des Tages denke stets an Gott! Wenn der Kaffee kommt, so ist das Brahman. Wenn das Frühstück kommt, so ist das auch Brahman. Ganz ruhig und sachte!“
Das Gespräch ging weiter.
Frau Murti: „Werden so alle meine Sorgen schwinden?“
Meister: „Führe Arati, die Lichtzeremonie, aus. Gehe ans Ufer des Ganges und wiederhole ‚Ram, Ram, Ram, Ram’.“  
Frau Murti: „Ich wiederhole jeden Tag einige Mantras.“
Meister (immer noch auf das vedantische Sadhana pochend): „Sieh Gott in deinen Kindern, sieh ihn...“
Frau Murti: „Was ist mit meinem Ehemann?“
Meister: „Der Ehemann ist Gott. Alles ist Gott.“
Während dieser Worte wandte sich der Meister mit einem schelmischen Lächeln in den Augen Dr. Murti zu und sprach: „Herr Murti, sie hat jetzt mehr Interesse an dir. Geht es dir auch so mit ihr?“
Und wieder wandte sich der Meister an Frau Murti, legte sich die Hand aufs Herz und sprach: „In diesem Herzen wohnt das ewige Licht. Murtis Licht ist auch Rajeswaris Licht. Es gibt nur diese eine Sonne, die sich vielfach in verschiedenen Behältnissen spiegelt. Sieh dein Haus als Brindavan (indischer Pilgerort; Ort, an dem Krishna lange gelebt hat), deinen Mann und deine Kinder als Gott und das alltägliche Leben als Verehrung Gottes.“
Jetzt blickte der Meister in Richtung von Lalitananda, einer westlichen Aspirantin. „Lalita ist auch unwahr. Nur allein Brahman ist Wahrheit.“
„Ich bin auch unwahr?“, fragte die bestürzte Lalitananda ungläubig zurück.
„Ja, ja“, bekräftigte der Meister und sah sie mit Augen voller Güte und liebevoller Zuwendung an.
Nun war es Dr. Padma, die spirituelle Anweisung erhalten sollte. Der Meister hob an: „Oh Dr. Padma! Maya hat zwei Kräfte: Die eine verhüllt, die andere projiziert. Die verschleiernde Kraft verhüllt deine angeborene Intelligenz, deine Weisheit. Die projizierende Kraft bringt diese Weisheit durcheinander. Die Objekte von Maya täuschen deinen Geist; du vergisst die Einheit mit Gott und glaubst, die Welt und ihre Objekte seien die einzige Realität. Hast du den Worten von Tiwari zugehört? Diese Schüler (des Vedanta, wie Tiwari) flüchten aus der Wirklichkeit. Sie verwenden Worte wie Adhyas (Fehlinterpretation, Überlagerung, Irrtum der Wahrnehmung).“
Der Meister wollte hier nur einen Aspiranten aufziehen, um einer anderen einen Sachverhalt zu verdeutlichen. In keiner Weise wollte er Shankaras brillante Theorie über Adhyas und das Konzept der Überlagerung anzweifeln, was die zugrundeliegende Idee der Geschichte von der Schlange und dem Seil war.
In der Dunkelheit wird ein Seil fälschlicherweise für eine Schlange gehalten. Bei Licht jedoch verschwindet die Illusion von der Schlange und es existiert nur noch das Seil. Gleichsam sieht der Mensch in der Finsternis seiner Unwissenheit nur eine Illusion der Welt. Selbstverwirklichte Weise aber, die mit dem Licht ihrer Intuition sehen, erklären unzweideutig, dass nur Gott alleine existiert und es gar keine Welt gibt. Solange aber ein Mensch Gott nicht persönlich erfahren hat, bleibt die Welt seine einzige Realität. Ein solcher Mensch kann die Welt nur auf sein eigenes Verderben hin außer acht lassen.
Der Meister spannte den Bogen aber noch weiter: „Du solltest weltliche Dinge dennoch nicht vernachlässigen. Bettelarm und ohne Nahrung und Kleidung zu sein, ist für sich noch keine Spiritualität. Ramanuja (Name eines indischen Heiligen, 1055-1137 AD) besaß sogar Elefanten und Triumphwagen.“
An dieser Stelle wurden kleine Speisehappen und Kaffee serviert. Der Meister bediente sich auch ein wenig. Dann besprachen sie einige organisatorische Dinge des Ashrams, eine Studentin aus Hyderabad rezitierte einige Verse aus der Gita und schließlich hielt ein Swami aus Delhi einen kurzen Vortrag.
So verstrich eine Stunde und dann sagte eine Weile niemand etwas. Der Meister brach diese Stille mit den Worten: „Wisst ihr“, und er sah in die Runde der Versammelten, „Na ham, na tum, daftar gum.“
Eine freie Übersetzung dieses hinduistischen Verses wäre in etwa: „Mich gibt es nicht, dich gibt es nicht. Und auch nicht dieses Büro. Alles ist entschwunden.“
Der Meister erklärte, dass „Büro“ oder „daftar“ in diesem Vers für die Phänomene der weltlichen Existenz stünden. „Im Zustand von Samadhi aber,“, sprach er an Frau Murti gewandt, „wenn wir den Zustand absoluter Wonne erreichen, gibt es weder ein ‚Ich’ noch ein ‚Du’ noch ein ‚daftar’.“

Höhlenleben:

Am 28. März 1950 lobte der Meister in einer Ansprache einen außerhalb des Ashrams lebenden Aspiranten für seinen Dienst an der Divine Life Society. In diesem Zusammenhang sprach er auch über das vergleichsweise schwierige spirituelle Leben inmitten einer hektischen Welt im Vergleich zu einem abgeschiedenen Leben in einer Höhle.
„Es ist sehr leicht, sich in eine Höhle zurückzuziehen“, begann der Meister. „Wie einfach es doch ist, nicht zu lügen, wenn niemand sonst da ist! Wie einfach es doch ist, Ärger zu kontrollieren, wenn niemand da ist, einen zu konfrontieren! Was bedeutet es schon, den Geist zu kontrollieren, wenn es keine Ablenkungen gibt? Der wirkliche Glanz eines Yogi ist es, seinen Geist zu kontrollieren und der Menschheit selbstlos zu dienen, aber dabei auch in dieser Welt zu leben.“

Sieh Hari überall:

Manohar Desai, ein Lehrer aus Rajkot, kam zum Meister und bat ihn, in das Hari-Om-Mantra (Hari: Vishnu/Krishna) eingeweiht zu werden.
Der Meister wiederholte: „Hari Om, Hari Om, Hari Om“, rollte eine Mala-Kette in seinen Händen und übergab sie dem neuen Aspiranten.
„Halte Ekadasi, den Fastentag, ein und nimm in dieser Nacht nur Früchte und Milch zu dir“, riet ihm der Meister. Dann übergab er ihm ein Buch auf Gujarati und wies ihn an: „Wiederhole zweimal täglich zweihundert Malas (Gebetskette) dein Mantra.“
Als er die Verwunderung im Gesicht des Lehrers sah, fügte der Meister schnell hinzu: „Wiederhole es wenigstens fünfzig Malas oder mehr. Sieh Hari in allem, dann kannst du gar nicht erst Egoismus, Hass, Abscheu und den Wunsch, jemanden auszubeuten, entwickeln. Dies wird sich aber nicht binnen eines Tages, sondern erst allmählich entwickeln.“