Der Heilige Malidas

In der Provinz Bihar gab es einen Kuhhirten, einen Jungen namens Malidas. Er konnte zwar weder lesen noch schreiben, aber er war unschuldig und rein. Tagsüber weidete er seine Kühe im Dschungel und abends kehrte er nach Hause in sein Dorf zurück. Eines Tages kam ein Brahmane (Mitglied des Priester- und Gelehrtenstandes) dorthin, nahm sein Bad im Fluss und saß am Ufer, machte Pranayama (Atemübungen) und verehrte Gott. Der Junge beobachtete den Brahmanen genau. Als dieser seine Gebete beendet hatte und sich auf den Weg machte, hielt der Junge ihn sogleich an den Füßen fest und bat ihn, ihm zu sagen, was er dort gemacht habe. Der Brahmane sagte er habe Puja (Gottesanbetung) gemacht. Dann bat der Junge den Brahmanen ihm zu erklären, was Puja sei. Brahmane antwortete ruhig: „Puja ist Anbetung Gottes durch Wieder holung des Gayatri Mantras. Malidas aber fragte: „Was ist Anbetung und Gayatri?“ Jetzt erkannte der Brahmane: „Du bist ein ungebildeter Junge, du kannst das alles nicht verstehen. Lass mich bitte gehen.“ Beschämt sagte Malidas: „Gut du kannst gehen. Aber sage mir eins.“ Der Brahmane wandte sich erneut um und fragte: „Was möchtest du wissen?“

Malidas fragte ganz schnell: „Warum verschließt du deine Nase, wenn du Puja machst?“ Geduldig erklärte der Brahmane: „Wenn man die Nase verschließt, wird der Atem angehalten und der Geist konzentriert sich. Durch richtige Konzentration sehen wir Gott.“ „Danke“, sagteMalidas: „Nun gut, jetzt kannst du gehen.“ Der Brahmane ging weg aber der Junge Malidas nahm ihn als seinen Guru an. Er nahm also ein Bad im Fluss, setzte sich hin, und schloss seine Nase mit den Fingern. Nach einer Minute dachte er: „Gott ist noch nicht gekommen. Vielleicht kommt er später. Ich werde also weitermachen.“ Er war fest in seinem Glauben und sehnte sich inniglich: „Ich muss Gott sehen.“ Als eine weitere Minute vergangen war, wurde er unruhig, aber er öffnete seine Nase nicht. Vishnu war von dem festen Glauben, der unschuldigen Art und der Reinheit des Herzens des Jungen gerührt. Er sah, dass der Junge ersticken würde, wenn er nicht erschien. Also zeigte er sich. Der Junge sah vor sich eine seltsame Gestalt mit vier Händen und fragte sie wer sie sei. Vishnu antwortete: „Ich bin Vishnu. Ich bin gekommen, um dir Darshan zu gewähren, da du deine Nase verschlossen hast.“ Der Junge aber sagte: „Wie kann ich glauben, dass du Vishnu bist?“

Vishnu erklärte daraufhin: „Ich sage die Wahrheit. Du kannst dich überzeugen, auf welche Weise du magst.“ „Gut“, sagte der Junge, „Ich werde meinen Guru rufen und wenn er sagt, dass es stimmt, bin ich zufrieden.“ „Gut, gehe ruf ihn.“ sagte Vishnu. Malidas war aber besorgt. „Aber du könntest inzwischen weggehen?“ Worauf ihn Vishnu beruhtigte:„Nein ich gehe nicht weg. Ich bleibe hier bis du zurück bist.“ Der Junge war noch nicht zufrieden „Aber wie kann ich dir glauben?“ Vishnu seufzte und sagte „Dann tu wie du meinst.“ „Ich werde dich mit einem Seil an diesen Baum binden.“ sagte der Junge und Vishnu meinte dann zu ihm, „Wie du willst.“ Der Junge nahm ein Seil vom Hals einer Kuh und fesselte Vishnu an einen Baum. Dann lief er seinen Brahmanen-Guru holen. Er fand den Brahmanen und hielt ihn fest. Der Brahmane fragte: „Was ist los? Warm hältst du mich fest?“ Der Junge antwortete: „Guruji, bitte komm schnell mit mir und schau ob es Vishnu ist oder nicht.“ Der Brahmane dachte, der Junge sei ein Narr. Aber der Junge ließ ihn nicht weiter gehen. Schließlich ging der Brahmane an die Stelle, sah aber nichts. Der Junge zeigte ihm Vishnu, der mit einem Seil an den Baum gefesselt war. Der Brahmane jedoch war nicht reinen Herzens und konnte daher den Herrn nicht sehen.

Er war sehr verärgert und ungeduldig. Um den Jungen also los zu werden, sage er: „Ja, das ist der Gott.“ Der Junge lies den Brahmanen gehen und nach dem Namaskar (Grußform) band er Vishnu los. Vishnu war sehr erfreut über sein Vertrauen in die Worte seines Gurus und forderte ihn auf, sich eine beliebige Gunst zu erbitten. Der Junge sagte daraufhin: „Ich wünsche nichts. Ich habe genügend Essen für meinen Körper.“ Vishnu aber drängte ihn immer wieder sich doch was zu wünschen. Schließlich bat ihn der Junge: „Wenn du mit mir zufrieden bist, so bitte ich dich um folgende Gunst: sobald ich meine Nase verschließe, solltest du gleich zu mir kommen. Du sollst nicht so lange säumen, wie vorhin.“ Vishnu war hocherfreut über sein einfaches Wesen und sage: „Dein Wunsch sei dir gewährt.“ Nun hatte der Junge jeden Tag einen Spielgefährten. Er ließ die Kühe im Dschungel weiden und schloss dann seine Nase. Vishnu kam dann und spielte den ganzen Tag mit ihm. Nach vielen Jahren begab es sich, dass der Brahmane wieder dort vorbei kam. Der Junge fiel ihm zu Füßen und sagte: „Guruji, du hast mir eine sehr gute Methode gezeigt, Gott zu sehen.“ Der Brahmane verstand ihn nicht. Da erzählte der Junge die ganze Geschichte von Anfang an.

Der Brahmane bat den Jungen, ihm Vishnu zu zeigen. Der Junge schloss seine Nase und Vishnu erschien. Der Junge bat seinen Guru den Gott zu schauen, aber Brahmane konnte ihn nicht sehen, denn er war stolz auf sein Wissen und nicht reinen Herzens. Da bat der Junge Vishnu seinem Guru Darshan zu gewähren. Vishnu aber sagte: „Er ist nicht rein. Lass ihn erst sein Herz reinigen und auch seinen Stolz aufgeben. Erst dann kann er mich sehen.“ Als er dies hörte, gab der Brahmane seinen Stolz auf. Er weinte bitter lich und fiel dem Jungen zu Füßen. Da gab Vishnu auch dem Brahmanen Darshan. So sah der Junge Gott durch seinen festen Glauben und zeigte Ihn auch seinem Guru. Obwohl der Guru den Jungen zuerst täuschte, glaubte er fest an seinen Guru und an seine Worte. Habe daher Glauben. Der Glaube kann alles.