Flucht vor dem Bösen

Durch ständiges Bemühen kann ein Sünder zum Heiligen werden. Aber, sei gewarnt, wenn du von dem Bösen fliehst, klammert es sich um stärker an dich. In einem gewissen Hochland, in dem das Stehlen von Schafen aufs tiefste verabscheut wurde und als Verbrechen galt, wurden zwei Brüder bei dieser frevelhaften Tat ertappt. Um die Strafe auf immer für alle sichtbar zu machen, brandmarkten die Dorfältesten die Stirn der beiden Brüder mit den Buchstaben SD. Das bedeutete ‘Schafsdieb’.

Danach wurden sie frei gelassen. Die beiden Brüder waren äußerst unglücklich, da das ganze Dorf die Geschichte erfuhr; wo auch immer sie in der Öffentlichkeit auftraten, verhöhnten die Leute sie und die Kinder folgten ihnen spottend. „Da gehen die SD! Passt auf die Schafsdiebe kommen!“ riefen sie. Der ältere Bruder nahm sich die Schande so sehr zu Herzen dass er dachte: „Ich lauf vor dem Ganzen davon.“ Er verlies daher das Dorf und wanderte durch die Hügel und Täler, aber, oh weh! nirgends fand er Frieden. Das Brandzeichen auf seiner Stirn sorgte überall für Aufmerksamkeit und er wurde mit vielen Fragen gequält. „Was bedeuten die Buchstaben? Wer hat diese Buchstaben in deine Stirn gebrannt?“ Eine Zeitlang versuchte er diesen unvermeidlichen Fragen auszuweichen. Aber wie lange konnte er das aushalten? Immer wieder musste er an einen anderen Ort gehen. Tag für Tag wurde er ruheloser und schließlich starb er an Verbitterung und Enttäuschung. Er wurde einsam in der Erde beerdigt, weit entfernt von der Wärme seiner Heimat. Der jüngere Bruder jedoch entschloss sich zu bleiben, wo er war. „Ich kann von meinem Verbrechen nicht davonlaufen“, dachte er und unerschrocken trug er die öffentliche Schmähung.

Er beschloss die Vergangenheit zu vergessen und ein neues Kapitel in seinem Leben auf zuschlagen. Mit unverzagtem Eifer baute er sich über Monate und Jahre einen sehr guten Ruf von Ehrlichkeit und Redlichkeit auf. Seinen Nachbarn war er Flucht vor dem Bösen das Sinnbild von Güte und Tugend. Seine Wunde heilte der kosmische Heiler – die Zeit – und die Leute vergaßen im Laufe der Zeit seine Vergangenheit. Viele Jahre später kam ein Fremder ins Dorf und sah den alten Mann mit den Buchstaben „SD“ auf der Stirn eingebrannt. Er fragte einen Nachbarn, was sie bedeuteten. „Es ist eine sehr alte Geschichte“, sagte der Nachbar. „Ich erinnere mich nicht mehr an die Einzelheiten, aber es muss eine Abkürzung für ‘Sankt’ – Heiliger – sein.“ Und die Moral der Geschichte ist, dass ein Sünder durch beharrliches Bemühen durchaus ein Heiliger werden kann. Niemand kann wirklich vor dem Übel und Unrecht seiner Taten entfliehen. Sie folgen ihm wie ein Schatten. Je mehr man an seine Vergangenheit denkt, umso stärker verfolgt einen sein Gewissen. Sein Verstand und seine Erinnerung verfolgen ihn, wo immer er auch hin gehen mag. Wenige werden als Heilige geboren.

Die Geschichte zeigt auf, dass der Sünder von heute der Heilige von morgen ist. Durch ernstes Bemühen und der Entschlossenheit erfolgreich zu sein, kann selbst die schlechteste Natur zu einer der eines Heiligen werden. Die Wandlung des Verbrechers Ratnakar zum Heiligen Valmiki (Verfasser des Ramayana) ist ein dichterisches Beispiel für diese Wahrheit. Daher, Oh Ram! sei nicht mutlos wegen deiner Unzulänglichkeiten. Wie schändlich deine Vergangenheit auch sein mag, mit einem unbeirrbaren Willen kannst du deine Fehler ohne jeden Zweifel überwinden und zu einem leuchtenden Beispiel an Tugend und Sittlichkeit für die Menschen in deiner Umgebung werden. Kopf hoch! Beginne jetzt sofort mit deinem Sadhana.