Todesprozess bei fast Erleuchteten

Bei einem Meister, der bereits Savikalpa Samadhi erreicht hat, geschieht der Todesprozess dann so:

  1. Meister wissen normalerweise, dass sie sterben sollen und kündigen das oft auch an. Swami Sivananda hatte Monate vorher in Gegenwart eines Schülers auf den 14. Juli, seinen späteren Todestag, gezeigt. Swami Vishnu-devananda ist nach Indien geflogen, um dort seinen Körper aufzugeben. Ähnlich hatten Swami Vivekananda, Swami Satyananda und Swami Chidananda ihren Tod angekündigt.
  2. Nach dem Tod geht der Meister/die Meisterin  in Bhur Loka ein. In vielen Fällen erscheint der Meister seinen engsten Schülern. Ich kenne mindestens eine Handvoll von Schülern von Swami Sivananda, die gesagt haben, dass sie Swami Sivananda nach dem Tod gesehen haben und zwar genauso klar, als ob er im physischen Körper gewesen wäre. Swami Vishnu-devananda hat gerne und sehr bewegt von seiner Vision von Swami Sivananda ein paar Tage nach seinem physischen Tod erzählt.   Ramakrishna ist Vivekananda erschienen. Paramahamsa Yogananda ist einigen seiner Schüler erschienen, sogar bevor sie informiert wurden, dass er gestorben war. Manche Inder deuten die Wiederauferstehung Jesu als ein solches Phänomen der nachtodlichen Erscheinung eines Meisters im Astralkörper vor seinen Schülern, wie es bei Yoga-Meistern üblich ist. Das wird sicherlich in keinster Weise der christlichen Lehre vom Tod Jesu zur Vergebung der Sünden und der physischen Auferstehung gerecht, ist aber einer der Gründe, weshalb das Christentum in Indien unter spirituell Vorgebildeten so wenig Missionserfolge hat. Wenn der eigene Meister seinen Körper verlassen hat, ist es gut, die nächsten Tage viel zu meditieren, um sich zu öffnen für den Segen des Meisters. Es kann sein, dass der Meister einem noch einmal helfen will, richtig intensiv auf dem Weg voranzuschreiten. So hat Swami Vishnu-devananda gesagt, dass Meister Sivananda ihn in den Tagen nach seinem physischen Tod in hohe Ebenen des Bewusstseins geführt hat und ihm versichert hat: „Ich werde stets mit dir sein.“
  3. Nach Bhur Loka geht der Meister in Bhuvar Loka ein. Vielleicht hilft er dort einigen seiner vorher verstorbenen Schüler. Auf dieser Ebene sendet er sein „Sankalpa“ aus, seine Gedankenkraft, mit der er seine Schüler auch nach dem Tod anleitet und sein Werk auf der Erdebene fortführt. Wenn Schüler noch Jahre (sogar Jahrhunderte und Jahrtausende) nach dem Tod eines Meisters Visionen von diesem Meister haben, seine/ihre Führung spüren, ist dafür dieses Sankalpa verantwortlich, welches die Grenzen von Zeit und Raum überschreitet. Der Meister schafft damit eine feinstoffliche Form, über welche Gott selbst wirksam werden kann.
  4. Dann gibt der Meister auch den Astralkörper auf und geht in Swar Loka ein, in den Zustand transzendenter Wonne und Gottesnähe.

Leben nach Erleuchtung und Tod

Nachdem der Meister/die Meisterin einige Zeit in Swar Loka gewesen ist, hat er/sie verschiedene Möglichkeiten:

  1. Er/sie kann weitergehen bis zur Befreiung. Das nennt sich Videha Mukti, „Befreiung ohne den Körper“. „Mukti“ heißt „Befreiung“, „Videha“ heißt „ohne Körper“. Der Meister verschmilzt schrittweise mit Brahman.  Er kann sich auch wieder inkarnieren, um der Menschheit zu dienen und die letzten Schritte bis zur Befreiung gehen. Er kann sich auch als bestimmtes Engelswesen, als sogenannter „Deva“ inkarnieren oder manifestieren. Dort kann er übergeordnete Funktionen übernehmen und ein Engel für ein ganzes Zeitalter sein. Wenn der Meister sich als ein Engelswesen inkarniert, ist er auf einer subtilen Ebene mit übergeordneten Funktionen tätig. Nach den Vorstellungen der indischen Mythologie waren alle Engelswesen irgendwann einmal Menschen. Aber als Engelswesen muss er sich danach wieder in einen physischen Körper inkarnieren, um so noch die letzten Schritte zu gehen. Deshalb heißt es auch immer wieder, dass die menschliche Geburt das wertvollste Gut ist: Nur im menschlichen bzw. menschenartigen Körper kann man zur vollen Verwirklichung kommen. Viele indische Schriften behaupten: „Die Engelswesen beneiden die Menschen um ihren menschlichen Körper.“ Menschlicher Körper muss nicht notwendigerweise ein Erdenkörper sein, wie wir ihn kennen., wie ich im Kapitel über die Möglichkeit von Leben auf anderen Planeten geschrieben habe. „Menschliche Geburt“ in diesem Sinne heißt, einen physischen Körper zu haben, mit dem das Karma erfahren und gestaltet werden kann und dabei alles bewusst zu erleben, also mit funktionierendem Buddhi (Verstand) und Ahamkara (Ich-Bewusstsein). Es ist also denkbar, dass sich ein Meister auch auf anderen Planeten wieder inkarniert.
  2. Ein Meister kann sich dafür entscheiden, sich wieder und wieder zu inkarnieren und der Menschheit zu helfen, bis alle anderen Wesen die Befreiung erlangt haben. Bei den Buddhisten wird das als Bodhisattwa-Gelübde bezeichnet.
  3. Ein Meister kann auch mit der Prakriti, also der Urnatur, verschmelzen. Er wird mit seiner Bewusstheit eins mit dem gesamten Universum. Aus diesem Zustand kann er dann jederzeit in Nirvikalpa Samadhi eingehen.
  4. Ein Meister kann zum „Siddha“  werden: Der Meister gibt den physischen Körper auf, existiert aber in subtilen Ebenen weiter. Ein Siddha hat fast die Vollkommenheit erreicht. Er hat sich aber entschieden, sich zwar  beständig Brahmans bewusst zu sein, aber noch nicht vollständig mit Brahman zu verschmelzen. Er existiert in einer subtilen Form ohne Körper, um den Suchenden immer wieder zu helfen, sie zu inspirieren und ihnen gegebenenfalls zu erscheinen, wenn dies für ihre spirituelle Entwicklung notwendig ist. In manchen Traditionen wird Hanuman als Siddha in diesem Sinne gesehen.  Hanuman, oft dargestellt als Affenmensch, war ein großer Bhakta, Verehrer von Rama. Er gilt als Beispiel dafür, wie man mit Hingabe und Gottesverehrung alles erreichen kann. Zunächst bekam er außergewöhnliche Kräfte. Wenn er Rama, Gott, verehrte, konnte er fliegen, riesengroß oder winzig klein werden. Später wurde er ein großer Jnani, Wissender. Er entschied sich dann aber, nicht vollständig mit Gott zu verschmelzen, sondern als Siddha Gott und der Menschheit weiterhin zu dienen. Daher heißt es: Wenn man Hanuman anruft, dann kommt er, manifestiert sich, hilft, wo immer notwendig. Ich selbst kenne gar nicht so wenige Menschen, die eine Vision von Hanuman hatten und in kritischen Lebenssituationen von Hanuman Hilfe erhielten. Andere bekannte Siddhas sind z.B. Dattatreya, Agastya sowie die großen Hatha Yoga Meister wie Gorakhnath, Gheranda und Swatmarama. Der bekannteste Siddha in unserer Zeit ist der sogenannte „Babaji“, der von Paramahamsa Yogananda in seiner berühmten „Autobiographie eines Yogi“ beschrieben wird. Der Ausdruck „Babaji“ heißt übersetzt in etwa „verehrter Vater“. So gibt es viele Lehrer in Indien, die als „Babaji“ bezeichnet werden. Der Meister, der von Paramahamsa Yogananda als „Babaji“ bezeichnet wurde, hat alle typischen Kennzeichen eines Siddhas. Siddhas können, wann immer sie wollen, Moksha, die volle Befreiung, erlangen. Sie können dazu wieder auf der Erde inkarnieren, um dort dann Jivanmukti zu erlangen, die lebendige Befreiung. Oder sie können Videhamukti, die Befreiung ohne Körper, erreichen.