Karma Gesetz der Gnade Gottes

Das fünfte Gesetz des Karma ist die Gnade Gottes. Wenn du Gott darum bittest, etwas für dich zu tun, dann wirkt da mehr als die eigene Gedankenkraft: Du öffnest dich für göttliche Gnade. Wenn du z.B. Gott um Demut bittest, kannst du vielleicht am nächsten Tag eine Erkältung bekommen – das ist sehr wirkungsvoll für die Erzeugung von Demut. Oder es kann sein, dass irgendetwas, auf das du sehr stolz bist, durch deinen eigenen Fehler schief geht – auch dies erzeugt Demut.

Krishna und Arjuna

Um das mit einer kleinen mythologischen Geschichte zu verdeutlichen:
Krishna und Arjuna gingen einst auf Pilgerreise. Beide waren machtvolle Kämpfer. Krishna war ein König und eine Inkarnation Gottes und Arjuna ein Prinz. Sie waren befreundet. Ab und zu gingen sie gemeinsam auf Pilgerfahrt. Eine Pilgerreise hilft, vom normalen Leben Abstand zu gewinnen. Man kommt an spirituelle Kraftorte, zu Weisen, die einem Rat geben können und man lernt, ob man tatsächlich an den Dingen hängt oder nicht. Es gibt verschiedene Arten von Pilgerreisen. Bei der strengsten Form nimmt man kein Geld mit, sondern lebt allein von Bettelgaben. Und da ist es in Indien genauso wie überall: Manche Menschen geben etwas und manche beschimpfen einen. Krishna und Arjuna hatten sich einmal für die asketischste Form der Pilgerreise entschieden. Sie nahmen keine Vorräte und kein Geld mit und gingen inkognito als arme Pilger.
Die beiden waren nun schon einige Tage unterwegs. Und am Ende eines anstrengenden Wandertages waren sie müde und hungrig. Sie kamen in ein kleines Städtchen. Da sahen sie, dass in einem großen Haus ein besonderes Fest im Gang war. Große Mengen an Nahrungsmitteln waren übrig geblieben, und so gingen sie durch die Gartentür hinein. Sie klopften an die Haustür und sagten: „Wir sind hungrige Pilger. Können wir etwas zu essen bekommen?“ „Verschwindet!“, rief ihnen der reiche Hauseigentümer zu. „Was wollt ihr hier überhaupt? Wenn ihr Essen wollt, dann arbeitet doch.“ „Es ist aber doch so viel übrig. Wir sind auch mit Resten zufrieden.“ „Verschwindet“, rief der Reiche erneut. Und da die beiden ihn nochmals nach Essen fragten, rief er seine Leibwächter. Diese warfen Krishna und Arjuna in hohem Bogen heraus. Krishna und Arjuna wären natürlich stark genug gewesen, mit einer Hand die Leibwächter zu besiegen. Aber sie befanden sich auf Pilgerfahrt und da übten sie sich in Ahimsa (Gewaltlosigkeit). Mit Prellungen und Schürfwunden gingen sie also weiter. Nach hundert Metern drehte sich Krishna herum und sagte: „Möge sich der Reichtum des reichen Mannes vervielfältigen. Möge sein Gold sich verzehnfachen, seine Getreideernte sich verzwanzigfachen und möge er dreißigmal so viel Kühe haben.“ Arjuna, der wusste, dass solche Segenswünsche Krishnas sich für gewöhnlich manifestierten, wunderte sich sehr.
Dann kamen sie in einen anderen, ärmeren Teil des Städtchens. Da lebte ein armer Bauer und Tagelöhner. Dieser hatte nur einen Besitz, nämlich seine Kuh. Die Kuh gab Milch. Und der Bauer machte daraus nach einem Familienrezept eine besondere Art von Käse. Diesen verkaufte er und bestritt davon sowie von einfachen Gelegenheitsarbeiten seinen dürftigen Lebensunterhalt. Darüber hinaus war dieser arme Bauer auch ein großer Gottesverehrer und spiritueller Aspirant, der sehr regelmäßig in seinen spirituellen Praktiken war. Krishna ging zielstrebig auf die Hütte dieses Mannes zu. Arjuna versuchte ihn aufzuhalten. „Aber Krishna“, sagte er, „hier sieht es doch so arm aus, hier können wir nicht hineingehen.“ Krishna scherte sich nicht um Arjunas Einwände und klopfte an. Der Mann öffnete und fragte: „Was kann ich für euch tun?“ Krishna antwortete: „Wir sind arme Pilger. Bitte, können wir etwas zu essen haben?“ „Ich habe zwar nicht viel, aber was ich habe, teile ich gerne mit euch. Ich habe gerade alles zum Abendessen fertig.“ So bat er seine Gäste, sich hinzusetzen und teilte sein karges Abendmahl in drei Teile. Arjuna war zwar hungrig, aber er traute sich nicht, etwas zu essen. Krishna aß seine Portion und sagte: „Arjuna, iss doch!“
Währenddessen hielt sich der Gastgeber zurück und als er sah, dass Krishna mit seinem Teller fertig war, gab er ihm auch noch seinen Teil. Krishna aß alles auf, so dass der Gastgeber nichts zu Abend essen hatte. Arjuna schämte sich in Grund und Boden. Krishna sagte: „Ich bin noch hungrig. Hast du noch etwas?“
Der Mann hatte noch etwas Mehl, was er aufbewahrt hatte, um am nächsten Morgen seinen Frühstücksbrei zu machen. Er machte aus diesem Mehl Fladenbrot. Krishna aß alles auf. Dann gab der Gastgeber ihm auch noch den Käse, den er eigentlich am nächsten Morgen verkaufen wollte, um sich für den nächsten Abend etwas zu essen kaufen zu können. Auch die Milch, aus der er am nächsten Tag neuen Käse hatte machen wollen, gab er ihm.
Schließlich, als es nichts Essbares mehr im Haus gab, bedankte sich Krishna und die beiden gingen. Nach hundert Metern drehte sich Krishna um und sagte: „Möge die Kuh dieses Mannes heute Nacht sterben!“ „Mit dir will ich nichts mehr zu tun haben!“, rief Arjuna da. „Du bist keine Inkarnation Gottes, du bist ein Dämon!“ Denn Arjuna wusste, was Krishna sagte, das würde auch eintreffen. Da lächelte Krishna. „Du verstehst die Gnade Gottes nicht, Arjuna. Beide Menschen haben um etwas gebetet. Der reiche Mann geht regelmäßig in den Tempel. Dann bereut er seinen Geiz. Er bittet Gott darum, ein besserer Mensch zu werden. Und da gibt es für ihn nur eine Möglichkeit: Er muss ganz deutlich erkennen, dass Reichtum wirklich nicht glücklich macht. Er hat sowieso schon mehr als er braucht. Mit jeder zusätzlichen Goldmünze steigen seine Sorgen ins Unendliche. Er wird niemanden mehr in der Familie haben, dem er trauen kann. In reichen Familien gibt es ständig Streit um die Erbschaft. Und er wird merken, dass er keine echten Freunde hat. Alle sind nur hinter seinem Geld her. So wird er tief im Innern erkennen, dass Geld nicht glücklich macht. Erst dann kann er wirklich auf den spirituellen Weg kommen. Dieser reiche Mann braucht also noch mehr Geld, um wirklich auf den spirituellen Weg zu kommen. Aber dieser arme Mann hier meditiert seit vielen Jahren. Er ist ein gottesfürchtiger Mensch mit hohen Idealen, verankert in einer Ethik des Mitgefühls und des Dienens. Er sagt jeden Morgen und Abend: „Gott, du bist mein Ein und Alles. Dein Wille geschehe. Lass’ mich dich erkennen.“ Aber im Hintergrund seines Geistes denkt er, dass seine Kuh seine Sicherheit ist. In dem Moment, in dem er die Kuh verliert, bekommt er die Gelegenheit, sich Gott wirklich ganz, ohne Vorbehalt, ohne Rückversicherung, vollständig hinzugeben: „Gott, jetzt habe ich nur noch dich.“ Wenn er diese Prüfung so bewältigt, dann erreicht er vielleicht schon morgen die volle Gottverwirklichung. Und dann werde ich dafür sorgen, dass er alles hat, was er zum Leben  braucht.“
So kann die Gnade Gottes sein. Die Menschen erwarten die Gnade Gottes auf großartige, mysteriöse Weise, aber sie kann eben auch ganz anders kommen, handfest, als praktische Lektion. Wenn du also Gott um etwas bittest, sei darauf gefasst, dass die Antwort auf deine Gebete in anderer Gestalt kommt, als du das denkst.

Moderne Geschichte über Karma und Gnade

Hier eine weitere Geschichte, die ich etwas modernisiere:

Es war einmal vor nicht allzu langer Zeit ein spiritueller Aspirant. Dieser hatte gerade in der Bhagavad Gita im 6. Kapitel gelesen(VI.40) : „Wahrlich, niemand, der Gutes tut, wird je Schaden erleiden.“ So entschloss er sich, bei allen Schwierigkeiten nur auf Gott zu vertrauen. Eines Tages kam ein Bote ins Dorf und sagte: „Es gab ein Unwetter in den Bergen. Riesige Regenfälle sind herabgekommen. Innerhalb der nächsten Stunden wird das ganze Dorf überschwemmt sein, alle müssen evakuiert werden. Alle aus dem Dorf packten ihre Sachen und verließen das Dorf. Unser junger Aspirant aber blieb und sagte sich: „Gott hat gesagt, wer an mich glaubt, kommt nicht zu Schaden. Gott wird mir helfen.“ Kurz danach kam ein Polizeiauto. Es wurde nochmals per Lautsprecher angesagt, dass, falls noch jemand da sei, er schnell das Dorf verlassen solle. Unser Aspirant blieb. Der Fluss trat über die Ufer, die Straße wurde überflutet, das Wasser drang in die Häuser. Unser Aspirant ging in den ersten Stock. Da kam ein Motorboot vorbei. Der Bootsfahrer rief durch das Megafon: „Ist noch jemand da? Jetzt ist die letzte Gelegenheit zur Rettung.“ Unser Aspirant rührte sich nicht. Er sagte sich: „Gott wird mich retten. Ich brauche kein Boot.“ Das Wasser stieg weiter, auch der erste Stock wurde überflutet. Unser Aspirant stieg auf das Dach. Dann kam ein Hubschrauber, der Pilot ließ eine Strickleiter herunter. Unser Aspirant rührte sie nicht an. Er rief dem Piloten zu: „Ich brauche deine Hilfe nicht. Gott wird mich retten.“ Der Hubschrauber drehte ab. Das Wasser stieg bis zum Dach. Der Aspirant kletterte auf den Dachfirst. Dann kam ein Flugzeug. Der Pilot ließ ein Seil herunter und rief: „Halte dich fest, ich rette dich.“ Der Aspirant rief zurück: „Gott wird mich retten, ich brauche dich nicht.“ Der Pilot drehte ab. Das Wasser stieg weiter. Der Aspirant ertrank. Nach dem Tod beschwerte er sich bei Krishna: „Du hast gesagt, wer auf dich vertraut, dem wird nichts Schlechtes geschehen.“ Krishna antwortete: Ich habe dir nacheinander einen Boten, ein Polizeiauto, ein Motorboot, einen Helikopter und ein Flugzeug geschickt – was willst du mehr?“
So kann Gottes Gnade vielerlei Gestalt annehmen.

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