Hildegard von Bingen

Hildegard von Bingen (* 1098 Geburtsort unbekannt; † 17. September 1179 im Kloster Rupertsberg bei Bingen) war Benediktiner Äbtissin, Dichterin, Komponistin und eine Gelehrte. Die römisch-katholischen Kirche verehrt sie inzwischen als Heilige und Kirchenlehrerin. Schon zu Lebzeiten begeistere sie die Gemüter mit ihrer leidenschaftlich bildhaften Sprache und ihrer unermüdlichen Hingabe zu Gott.

Begegnung mit dem Licht

Auch das Leben Hildegards von Bingen (1098 - 1179) war bis zu ihrem Tod, bei dem der Legende nach ein strahlendes Licht am Himmel erschienen sein soll, gekennzeichnet vom Licht in all seinen Farben und Schattierungen. Ja mehr noch,  das Licht wurde zum Ausgangspunkt, zum zündenden Funken, zum lebensspendenden Feuer für ihr gesamtes Werk.

Die Begegnung mit dem Licht traf wie ein Blitz ihr bis dahin ganz und gar unscheinbares Leben. Sie selbst beschreibt es so: "Im Jahre 1141 der Menschwerdung Jesu Christi, als ich 42 Jahre und sieben Monate alt war, kam ein feuriges Licht mit Blitzesleuchten vom Himmel hernieder. Es durchströmte mein Gehirn und durchglühte meine Brust und plötzlich erschloss sich mir der Sinn der Schriften..." Und sie vernahm den Auftrag: "Schreibe, was du siehst und hörst!."

Hintergrund

Der Einbruch des Lichtes und die damit verbundene Gabe der Schau hat Hildegard von Bingen bis zum heutigen Tag den Ruf einer Visionärin und Prophetin eingebracht. Wer war diese Frau, die nicht nur ihre Zeitgenossen in ihren Bann zog, sondern ebenso die nach Sinn suchenden Menschen unserer Tage? Lohnt es sich, ihr Leben und Werk kennenzulernen und sich darin zu vertiefen? Kann der Sprung über 900 Jahre hinweg gelingen, ohne in die Abgründe der Geschichte abzustürzen?

Leben im Kloster

Historisch wissen wir nur wenig Zuverlässiges über Hildegard von Bingen. Im Jahre 1098 geboren, entstammte sie dem Geschlecht Bermersheim, einer Familie, die zum fränkischen Hochadel gehörte. Der zeitgenössischen Vita gemäß hatte Hildegard neun Geschwister und wurde, was damals durchaus üblich war, in jugendlichem Alter der Einsiedlerin Jutta von Sponheim zur Erziehung und Ausbildung übergeben. Diese lebte damals in einer Klause neben dem Benidiktiner Kloster auf dem Disibodenberg. Schon früh wurde Hildegard also durch den Lebensrhythmus der Mönche mit seinem Wechsel von Gebet und Arbeit, Studium und geistlicher Lesung, gemeinschaftlichem Leben und Einsamkeit entscheidend geprägt. Im Laufe der Zeit wuchs die Klause, in der Hildegard lebte und enwickelte sich schließlich zu einer kleinen Klostergemeinschaft.  Als dann im Jahr 1136 Hildegards Vormund starb, übernahm sie dort die geistliche Führung.

Hochgebildet

Bis zu ihrem 41. Lebensjahr vollzog sich Hildegards Leben fortan im schlichten Gleichmaß des normalen klösterlichen Alltags. Gleichwohl dürfen wir mit Sicherheit annehmen, dass sie sich in diesen ersten Lebensjahrzehnten eine profunde Bildung und Lehrweisheit angeeignet hat. Obwohl sie sich in ihren späteren Schriften immer wieder als ungelehrte Frau bezeichnete (eine Tatsache, die sich wohl eher auf das Fehlen einer formalen Ausbildung in den klassischen Disziplinen der Dialektik, Rhetorik und Grammatik bezog), besaß Hildegard umfangreiche biblische, theologische und philosophische Kenntnisse. Vor allem der Reichtum der biblischen Schriften, der sich ihr vor allem durch die Liturgie und die Benediktusregel erschloss, ebenso aber die Lektüre der Kirchen- und Mönchsväter, waren für sie eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration und bildeten die Grundlage für ihr gesamtes Werk. Wissen und Weisheit, natürliches Erkenntnisvermögen und inspirierte Gelehrtheit schmolzen bei ihr zu einer untrennbaren Einheit zusammen.

Botschaft und Schreibstil

Hildegards Werk entspricht, ganz ihrem Selbstverständnis nach, stark visionäre und prophetische Züge. Der göttliche Ursprung dessen, was sie im überhellen Licht erblickt und gehört hat, und das Sendungsbewusstsein der Prophetin gehören für sie untrennbar zusammen.

Das Sprachrohr Gottes

Ihr prophetischer Geist wollte die Menschen ihrer Zeit aufrütteln, sie zur Umkehr bewegen und der wachsenden Gott-Vergessenheit entgegentreten. Hildegard verstand sich als Anwalt, Sprachrohr und Werkzeug Gottes. Sie lenkte den Blick in ungeschminkter Rede immer wieder neu auf das Geheimnis des Allerhöchsten und erschloss ihren Lesern und Zuhörern die göttliche Liebe als Urgrund und Vollendung allen Seins. Dabei predigte sie keineswegs eine Seelenmystik oder weltlose Innerlichkeit. Ihr ging es um eine religiöse Deutung des gesamten Universums und um ein konsequent gelebtes, christliches Leben in der Welt. Alles, Himmel und Erde, Glaube und Naturkunde, das menschliche Leben in all seinen Facetten und Möglichkeiten, ist für sie ein Spiegel der göttlichen Liebe und deutet damit auf den Schöpfer hin.

Schreiben in Gottes Auftrag

Drei große theologische Werke hat Hildegard von Bingen verfasst, nicht aus Freude am Schreiben, wie sie wieder und wieder betont, sondern aus der Verpflichtung heraus, das zu verkünden, was ihr die Erkenntnis der Schau vermittelt hat. Wie groß die Mühe, die sie das Schreiben kostete und wie stark die inneren Widerstände waren, die sie zu überwinden hatte, schildert Hildegard im Vorwort von "Scivias": "Erst als Gottes Geißel mich auf das Krankenlager warf, (...) legte ich endlich Hand ans Schreiben..." Was dann in den nächsten Jahrzehnten in mühevoller Arbeit entstand, war eines der imponierendsten Weltpanoramen des Mittelalters. Nicht umsonst wird Hildegards Werk häufig als Grundlage von Dantes "Divina Commedia" bezeichnet.

Ausgewählte Werke

Hildegards Miniaturen

Ihren ganz besonderen Ausdruck haben die Kosmosvisionen in den farbenprächtigen Miniaturen gefunden, die die Visionen Hildegards exakt im Bild sichtbar werden lassen. Insgesamt sind 42 Miniaturen (davon 35 zum "Scivias" und sieben zum "Liber divinorum operum") überliefert. Sie alle sind wohl nicht mehr unter dem direkten Einfluss Hildegards, sondern erst kurz nach ihrem Tod entstanden.Unvergleichlich sind hier vor allem die Darstellungen des Menschen im Kosmosrad, der göttlichen Liebe in Gestalt einer Frau sowie die Darstellung der Trinitätsvision. Besonders auffallend ist die weit ausholende, der mittelalterlichen Ikonographie entnommene Farbsymbolik, deren sich Hildegard und in ihrem Gefolge die Miniaturen-Maler bedienen.

Das Buch der Wegweisung: Liber Scivias

In ihrem ersten Werk "Scivias", schlägt Hildegard den großen Bogen von der Schöpfung der Welt und des Menschen, über das Werden und Sein der Kirche, bis zur Erlösung und Vollendung am Ende der Zeit. Die ewige Geschichte von Gott und Mensch sowie das Drama von Abkehr und Hinwendung des Menschen zu seinem Schöpfer, wird hier auf einzigartige Weise zur Darstellung gebracht. Dabei versucht Hildegard von Bingen, das unsagbare Geheimnis Gottes in immer neuen Bildern anschaulich zu machen.

Die Darstellung ihrer Visionen ist dabei immer auf dieselbe Art und Weise komponiert. Zunächst beschreibt sie bloß, was sie in ihrer Vision gesehen hat, anschleißend wird der Inhalt erklärt sowie schließlich nach theologischen und spirituellen Blickpunkten erläutert. Dabei fasziniert sie noch heute den Leser durch ihren souveränen Umgang mit ihren Quellen, die sie völlig frei und schöpferisch in ihre Gesamtschau einfließen lässt. Ebenso beeindruckend ist die elementare Wortgewalt, die Hildegard zur Beschreibung ihrer Bilder verwendet, die es dem heutigen Leser allerdings oftmals nicht leicht macht, ihre Gedanken und Deutungen zu verstehen. Entsprechend der inhaltlichen Fülle und Vielseitigkeit ihres Werkes. verfügte Hildegard auch sprachlich über große Variationsmöglichkeiten: Sie beherrschte den narrativen Stil, ebenso wie den dramatischen, die wissenschaftliche Schreibe in gleicher Weise wie die Lyrik.  Sie füllte alte Begriffe mit neuen Inhalten, schuf völlig neuartige Worte, komponierte Lieder und Hymnen und betätigte sich nicht zuletzt auch als Dramaturgin.

Spiel der Kräfte - Ordo virtutum

Hildegard von Bingen hat nicht nur über ihre Visionen geschrieben, sondern auch musikalische Werke geschaffen. Im "Ordo Virtutum" (Spiel der Kräfte) bringt sie den immerwährenden Kampf zwischen Gut und Böse zur Darstellung. Dabei finden in 35 dramatischen Dialogen Auseinandersetzungen zwischen den Tugenden und Lastern statt. 1152 erlebte das allegorische Musikdrama seine Uraufführung nunmehr im Kloster Rupertsberg, in das Hildegard inzwischen gezogen war. Das Kloster am Disibodenberg hatte sie zuvor 1150 zusammen mit 20 Nonnen verlassen, nachdem es dort zu Auseinandersetzungen gekommen war.

Das Buch der Lebensverdienste - Liber Vitae Meritorum

Seinen theologischen Niederschlag fand das Grundthema des Ordo Virtutum in Hildegard von Bingens zweitem großen Hauptwerk, dem Buch der Lebensverdienste. Auch hier geht es um die immer wieder zu treffende Entscheidung des Menschen zwischen Gut und Böse, zwischen Glaube und Unglaube, zwischen der Hinwendung zu und Abkehr von Gott.Tugenden und Laster begegnen dort einander, rhetorisch meisterhaft inszeniert,  in argumentativen Streitgesprächen. Diese werden immer wieder unterbrochen durch die Worte von Gott, dessen Gestalt vom Himmel bis in die Tiefen des Abgrunds hinabreicht.Der Mensch, so Hildegards Grundanliegen, ist frei geschaffen und sein Leben lang in die Entscheidung gestellt, seiner in der Schöpfung grundgelegten Gottesebenbildlichkeit zu entsprechen. "Werde, was du bist", "Mensch, werde Mensch!" - beide Kurzformeln könnten nahtlos dem Denken Hildegards entnommen sein.

Das Buch der göttlichen Werke - Liber divinorum operum

Mit ihrem dritten Hauptwerk, dem "Buch der göttlichen Werke", dass sie nach elfjähriger Arbeit 1174 abschließt, gelingt Hildegard noch einmal ein großer Wurf. Die gewaltige Schrift lässt die Welt vor den Augen des Lesers als Kunstwerk Gottes erstrahlen. Aus der Urkraft der Liebe Gottes fließen die Schöpfung, die Inkarnation in Gestalt des Sohnes und die endgültige Erlösung des verlorenen Menschen, am Ende der Zeiten in einer allumfassenden Einheit zusammen.Der Mensch erscheint als Mikrokosmos, der in allen seinen körperlichen und geistigen Gegebenheiten die Gesetzmäßigkeiten des gesamten Makrokosmos widerspiegelt. Im Menschen hat Gott die anderen Geschöpfe gezeichnet und die Menschengestalt dem Bau des Firmaments und des Schöpfungsalls entsprechend geordnet.

"So wie ein Künstler seine Formen hat, nach denen er seine Gefäße macht", schreibt Hildegard, "so bildet Gott die Gestalt des Menschen nach dem Bauwerk des Weltgefüges, nach dem ganzen Kosmos". Urformen des Seins sind für Hildegard dabei Kreis und Kreuz, welche als Symbole der göttlichen Liebe, der Einheit und der Erlösung dienen, wie auch als Chiffren für Zeit und Ewigkeit. Hildegard von Bingen lenkt das Verständnis und die Interpretation immer wieder auf das eine, große Grundanliegen ihres Werkes, das sie am Ende des "Buches der göttlichen Werke" noch einmal zusammenfaßt: "Und wiederum sah ich das lebendige Licht und hörte ich eine Stimme vom Himmel, die mich diese Worte lehrte: Nun sei Gott Lob in Seinem Werke, dem Menschen! Um seiner Erlösung willen hat Er die gewaltigsten Kämpfe auf Erden gefochten"...

Hildegards Kräuterheilkunde

Auch die Erlösungsbedürftigkeit des Menschen sah Hildegard ganz unter der Prämisse der untrennbaren Einheit von Kosmologie, Anthropologie und Theologie. Das Licht der göttlichen Gnade, so Hildegard, lässt den Menschen seine Unvollkommenheit und Heilungsbedürftigkeit erkennen.

Heilung durch die Hinwendung zu Gott

Wer sich des Anrufs Gottes verschließt und seine Freiheit im Wahn absoluter Autonomie missbraucht, gerät in Schuld und Sünde, wird krank an Seele und Leib und bringt damit letztlich auch die Elemente des Kosmos in Aufruhr. Heil und Heilung können so allein von der Hinwendung zu Gott ausgehen, vom Glauben, der die guten Werke und eine maßvolle Lebensordnung hervorbringt und so im ganzheitlichen Sinne heil und gesund macht. Hildegard ging es um eine ganzheitliche, umfassende Sicht des Menschen und der Welt als Schöpfungswerk Gottes, als "Opus Dei", das einerseits reines Geschenk der Gnade Gottes ist, andererseits den Menschen zum Mitschöpfer macht und deshalb als Aufforderung, sich im Alltag und in der konkreten Lebensgestaltung bewähren muss, verstanden werden muss.

Meisterin der Kräuterheilkunde

Hildegards Sorge um das Heil des Menschen fand auch seinen Niederschlag in einer Vielzahl naturkundlicher und therapeutischer Äußerungen und Anregungen. Bis heute allerdings nicht geklärt ist die Frage, ob die ihr zugeschriebenen Werke "Physica" und "Causae et Curae", in denen es einerseits um die Beschreibung bestimmter Arznei- und Heilmittel geht, andererseits um die Behandlung von Krankheiten, wirklich in ihrer Ganzheit von Hildegard stammen. Solange die Quellen- und Überlieferungsgeschichte dieser Werke weithin im Dunkeln liegt, erscheint es deshalb angebracht, gegenüber Stichworten wie "Hildegard-Medizin" oder gar "Offenbarungs-Medizin" eher vorsichtig zu sein.

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Lebenswerk

Unverwechselbaren Ausdruck verlieh Hildegard ihrem prophetischen Anliegen vor allem auch in ihren Briefen. 390 Schreiben aus ihrer umfangreichen Korrespondenz sind bis heute überliefert: Zeugnisse unerschrockener Direktheit, mahnender Sorge, erfrischend-humorvoller Weitherzigkeit, persönlichen Engagements und weitreichender (kirchen)-politischer Einflussnahme.

Eine rigorose Predigerin

Einem verzagenden, selbstquälerischen Abt schrieb sie einmal ins Stammbuch: "Denk daran, dass du ein irdischer Mensch bist und fürchte dich nicht so sehr, denn Gott sucht nicht immerzu Himmlisches in dir!" Auch ihre Briefe zeigen, dass Hildegard bereits zu Lebzeiten eine anerkannte Autorität war, ihr Rat war begehrt, auch dann, wenn er oftmals unbequem und keineswegs schmeichelhaft war. Dasselbe berichten zeitgenössische Biographen von ihren Predigten, die sie überall im Land auf Markt- und auf Domplätzen gehalten hat: in Köln, Trier, Metz, Würzburg und Bamberg, in Siegburg, Eberbach, Hirsau, Zwiefalten und Maulbronn. War das Reisen allein für eine Nonne des 12.Jahrhunderts bereits eine Ungeheuerlichkeit, so waren die Inhalte dessen, was sie ihren Zuhörern bisweilen zumutete, nicht selten ein Skandal. Und dennoch war Hildegard zumindestens inhaltlich alles andere als eine Revolutionärin. Ihre Theologie war durchaus orthodox, ihre Schau streng ekklesiologisch orientiert und ihr Menschenbild entsprach ganz dem biblischen Fundament.

Was war es also, das die Menschen an dieser Frau so faszinierte und was den Namen Hildegard von Bingens noch heute so unverwechselbar und aktuell erscheinen läßt? War es ihre radikale Ehrlichkeit, ihr kompromissloses Eintreten für die Wahrheit, die sie im himmlischen Licht geschaut hatte und die im ausgehenden ersten Jahrtausend vermeintlich niemand mehr hören wollte? War es ihre kraftvolle und bildreiche Sprache, die es verstand "alte" Wahrheiten den Menschen auf ganze neue Weise nahe zu bringen? War es ihre wahrhaft kosmische Theologie, die die untrennbare Einheit und Sinnhaftigkeit allen Lebens in ganz neuem Licht erstrahlen ließ?

Die Wucht der ungeschminkten Wahrheit

Hildegard war und ist ein Mensch, der uns wachrütteln kann, ein Stachel im Fleisch von Kirche und Welt. Sie war Prophetin im wahrsten Sinne des Wortes: unerschrocken, klar, sich selbst verzehrend im Feuer radikaler Nachfolge. Bis zuletzt blieb sie Vorkämpferin für einen gelebten Glauben und Anwältin der Liebe und Gerechtigkeit. Das zeigt noch einmal ein Ereignis kurz vor ihrem Tod: Hildegard begrub den Leichnam eines jungen Edelmannes auf ihrem Klosterfriedhof, der zwar exkommuniziert, aber vor seinem Tod durch den Empfang der Sakramente wieder in die Kirche zurückgekehrt war. Die Prälaten des Bischofs von Mainz, die von der Umkehr des Edelmannes keine Kenntnis hatten, forderten die Exhumierung des Leichnams, da dieser nicht in "geweihter Erde" habe beerdigt werden dürfen. Hildegard aber weigerte sich und verhinderte die gewaltsame Herausgabe, in dem sie den Friedhof umpflügen ließ und so das Grab des jungen Mannes unkenntlich machte.

Die unbeugsame Haltung Hildegards wurde mit dem Interdikt bestraft. Die Klostergemeinschaft wurde ihres Herzstückes beraubt: sie durfte nicht mehr öffentlich das Gotteslob vollziehen und der Kommunionempfang wurde ihr verboten. Erst nach zwei Jahren zähen Ringens erreichte die Äbtissin vom Rupertsberg die Aufhebung des Interdikts. Der letzte Rest ihrer Lebenskraft war aufgezehrt. Hildegard starb am 17. September 1179.

Prophetin und Kirchenlehrerin

Hildegard von Bingen wurde unlängst heilig gesprochen und zu einer offiziellen Lehrerin der römisch-katholischen Kirche ernannt. Unzählige Menschen verehren sie als Heilige und pilgern auf ihren Spuren. Hildegards Ruf in die Zeit scheint also damals so aktuell gewesen zu sein wie heute. Es ist ein Ruf, der zu einer ganz persönlichen Antwort herausfordert, ein Ruf der ungeahnte schöpferische Kräfte freisetzen kann.

Chronik

1098Hildegard wird in Bermersheim bei Alzey geboren
ca. 1112Eintritt in die Klause am Disibodenberg
1136Hildegard wird zur Äbtissin des aus der Klause entstandenen Nonnenklosters gewählt
1141-1151Arbeit am "Scivias" und am Mysterienspiel "Ordo Virtutum"
1147/48 Eugen III. beglaubigt Hildegards Schriften
1150 Übersiedlung nach Rupertsberg bei Bingen
1158-1170 Öffentliche Predigten u.a. in Mainz, Würzburg, Bamberg, Trier, Metz und Köln
1158-1173Arbeit am "Liber Vitae Meritorum" und am "Liber divinorum operum"
1165 Hildegard gründet ein zweites Kloster in Eibingen
1174/75 Der Mönch Gottfried beginnt mit seiner Hildegard-Vita.
1178 Verhängung des Interdikts über das Kloster Rupertsberg
17.9.1179 Hildegard stirbt im Kloster Rupertsberg
ca.1180-1190Der Mönch Theoderich vollendet die von Gottfried begonnene Vita.
ca.1223-1237 Das Heiligsprechungsverfahren für Hildegard scheitert aus unbekannten Gründen.
1632 Zerstörung des Klosters Rupertsberg in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges
1802 Aufhebung des Eibinger Klosters im Zuge der Säkularisation
17.9.1904Neubesiedlung der neu errichteten Abtei St.Hildegard
1978-1994Kritische Editionen aller Hauptwerke
2012Heiligsprechung und Erhebung zur Kirchenlehrerin durch Papst Benedikt XVI