Saraswati

Saraswati, die Göttin des Lernens und der Weisheit, vermählte sich mit Brahma, dem Schöpfergott. Als seine Frau wird sie zur Mutter der gesamten Schöpfung.

Das Wort "Saraswati" bedeutet: diejenige, die die Essenz (sara) des eigenen Selbst (swa) gibt. Ferner auch: "die Fließende". Saraswati repräsentiert einen immer fließenden Strom göttlicher Gnade. Sie steht auch für die menschlichen Fähigkeiten zu denken und zu unterscheiden.

Saraswati, die Göttin des Lernens und der Weisheit

Sie verkörpert alles Wissen, einschließlich der Künste und Wissenschaften. Als Personifikation vollendeter Weisheit verleiht sie ihren aufrichtigsten Anhängern diese höchste Weisheit.

Saraswati personifiziert Weisheit. Hindus auf der ganzen Welt beten sie an, wann immer es um Studien oder Lernen geht. Sie regiert die Kommunikation, Musik und den Intellekt. Während des zehntägigen Navaratri-Festivals verehren die Menschen Saraswati am letzten Tag. Sie legen dann Bücher vor ihr Bild, um ihre Gnade und ihren Segen zu erhalten.

Künstler stellen Saraswati auf einer Lotusblume sitzend dar, in makelloses Weiß gekleidet. Weiß versinnbildlicht das Gegenmittel für die dunkle Welt der Unwissenheit.

Die Lotusblume erblüht zu ihrer schönen Form, obwohl sie aus dem Morast des Teiches hervorgeht. Die Lotusblüte, auf der sie sitzt, symbolisiert ihre feste Etablierung in der Höchsten Realität - unberührt von den schmutzigen Unvollkommenheiten der physischen Welt.

Saraswati hat vier Hände. Sie hält die heiligen Schriften in einer Hand und eine Lotusblume in der anderen. Mit den anderen zwei Händen spielt sie die indische Laute (vina).

Künstler stellen sie folgende Dinge haltend dar: eine Schlinge (pasha), einen Dorn (ankusha), eine Lotusblüte (padma), einen Dreizack (trisula), eine Seemuschel (sankha), eine Diskusscheibe (chakra).

Die Lotusblüte in ihrer Hand symbolisiert das letztendliche Ziel menschlichen Seins: Selbstverwirklichung. Das heilige Buch und die Laute, die sie in ihrer anderen Hand hält, weisen auf den Pfad des Wissens und den Pfad der Hingabe, über die der Mensch sein Ziel erreichen kann.

Die vier Hände repräsentieren auch die vier Aspekte der menschlichen Persönlichkeit: Geist (manas), Intellekt (buddhi), ego (ahamkara) sowie konditioniertes Bewusstsein (chitta). Das bedeutet, dass Saraswati vollständig die intellektuellen Fähigkeiten des Menschen beherrscht.

Der Schwan (hamsa), das Gefährt ihres Gemahls Brahma, wird auch mit Saraswati in Verbindung gebracht. Der Schwan symbolisiert Weisheit und Unterscheidungskraft.

Die Bedeutung von Saraswati

Aus einem Kurzvortrag von Sukadev Bretz zu Anlass von "Navaratri", des neuntägigen Festes der Göttlichen Mutter:

Heute ist der achte Tag von Navaratri, des neuntägigen Festes zur Verehrung von Devi, der göttlichen Mutter. Wir sind mitten im Saraswati-Teil, in dem man sich besonders an Saraswati erinnert.

Die göttliche Mutter wird auch als Shakti bezeichnet. Shakti heißt kosmische Energie. Die göttliche Mutter symbolisiert zum einen Grundkräfte des Universums und zum anderen die Kräfte in uns. Im Yoga sagen wir ja auch, wir wollen die inneren Kräfte aktivieren.

Die Yogis haben das optimistischste Menschenbild überhaupt. Sie sagen zum einen, dass alles, was wir suchen, in uns ist. Und zum anderen, dass alles, was in uns ist, auch überall ist. Wir können in uns immer mehr Kontakt zu einer höheren Wirklichkeit finden, zu unserem wahren Wesen.

Und das wahre Wesen von jedem Menschen ist zugleich die Intelligenz hinter dem gesamten Universum. Zusätzlich zu diesem höchsten wahren Wesen, zu dem wir Kontakt finden wollen, gibt es in jedem Menschen die Eigenschaften, die er noch entfalten kann und will, um ein viel faszinierenderes Leben führen zu können als bisher.

Im Menschen steckt der Wunsch, sich selbst kennen zu lernen, nicht nur den transzendenten Aspekt, sondern auch die verschiedenen persönlichen Facetten, Fähigkeiten und Möglichkeiten. Diese Fähigkeiten wollen zum Ausdruck gebracht werden. Gerade Navaratri steht in besonderem Maße für diese noch ungeborenen Fähigkeiten.

Saraswati symbolisiert die Kreativität und eben diese künstlerischen und anderen Fähigkeiten.

Saraswati symbolisiert auch die Erkenntnis und die höhere Intuition. In jedem Menschen schlummert die Kreativität. Wenn man Kinder anschaut, kann man das deutlich sehen: Sie brauchen nur etwas zu sehen und sehr schnell wird daraus alles Mögliche Kreative. Man braucht bloß ein Kind in einen Sandkasten zu bringen, schon wachsen die wunderschönsten Burgen und Städte und Geschichten.

Und es ist nicht so, dass im Alter zwischen 6 und 10 Jahren eine mystisch-magische Veränderung im Menschen stattfindet, wodurch die Kreativität verschwindet. Die Kreativität ist immer da. Diese kreativen Energien sind weiter in uns, nur manchmal sehr tief verborgen.

So kann man sich öfters selbst fragen: „Was ist in mir und was will sich manifestieren? Welche kreativen Ideen habe ich noch?“

Manchmal denkt man: „Ich habe Kreativität, aber leider geht in den Umständen, in denen ich stecke, gar nichts. Ich müsste dafür meinen Beruf an den Nagel hängen, den Partner wechseln, die Kinder loswerden usw. Da ich aber all das nicht will, muss ich leider in dieser Inkarnation ein reduziertes Leben führen.“

Wir sollten die Frage anders stellen: „Wie kann ich in meinen Lebensumständen meine Kreativität einbringen?“ Und dann sollte man kreativ in der Frage werden, wie die Kreativität einzubringen ist.

Es gibt immer bestimmte Fixpunkte im Leben, die einem wichtig sind. Aber innerhalb dieser wichtigen Dinge, wie der familiären Situation, dem Partner, den Kindern, dem Chef oder Haus oder was auch immer, kann man sich stets fragen: „Wie kann ich hier meine Kreativität zum fließen bringen?“ Das kann hobbymäßig sein oder innerhalb des Arbeitskontextes. Auf jeden Fall ist es meistens sehr viel mehr Sein, als man so denkt.

Darüber könnt ihr jetzt besonders gut nachdenken: „Wie könnte ich in meinen Kontexten neue Möglichkeiten zum Vorschein bringen? Wie könnte ich kreativer werden? Wie könnte ich innerhalb des Kontextes, der eben so ist, wie er ist, meine Kreativität sprudeln und fließen lassen?“ Mal sehen, was für Möglichkeiten sich dann auftun.

Mehr zur Bedeutung von Saraswati

Niederschrift eines Vortrages von Sukadev nach der Meditation zu Navaratri, des 9-tägigen Festes zur Verehrung der Göttlichen Mutter:

Heute ist der 7. Abend von Navaratri, des neuntägigen und neunnächtigen Fests zur Verehrung der göttlichen Mutter. Heute ist der erste Tag und Abend des letzten Drittels.

Navaratri hat drei Teile. Zuerst kommen drei Durga Tage: Verehrung von Mutter Durga zur Überwindung aller Negativitäten. Dann folgen drei Lakshmi Tage: Lakshmi wird verehrt zum Aufbau von positiven Eigenschaften, Ansammlung von Prana, spiritueller Fülle und selbstlosem Dienst. Dann folgen drei Tage für Saraswati.

Saraswati steht für Intuition, Weisheit, höchstes Wissen und Künste. Schaue dir das Bild links an: Saraswati wird mit einem weißen Sari dargestellt. Weiß ist die Farbe der Reinheit.

Es gibt Künste, die Verschiedenstes ausdrücken. Künste können verschiedene Emotionen, Gefühle ausdrücken und es gibt natürlich nicht nur reine Gefühle, sondern auch Traurigkeit, Melancholie, Unruhe, Aufbruchsstimmung usw. All das sind Gefühle, die durch verschiedene Künste ausgedrückt werden können.

Mein Meister Swami Vishnu-devananda liebte es, wichtige Wahrheiten auf humorvolle Weise zu verdeutlichen. Ein von ihm häufig erzählter Witz geht wie folgt: "Eines Tages spielte jemand eine Country Musik Schallplatte falsch herum. Da kam ein Toter nach dem anderen aus dem Schalltrichter lebendig wieder heraus..." (Anmerkung an alle, die amerikanische Country-Music nicht kennen: Da stirbt typischerweise einer nach dem anderen, oder der Tod von allem Möglichen wird beklagt. So gibt es verschiedene Kunstformen, die durchaus nicht nur den Geist erheben, sondern auch anderes mit einem anstellen...)

Saraswati steht als die Reinheit dafür, dass Künste auf das Höchste, auf das Unendliche ausgerichtet sind.

Saraswati sitzt hier auf einem Baumstumpf. Manchmal sitzt sie auch auf einem Felsen. Shri Kartikeyan sagte gerne, dass normalerweise Lakshmi auf einem Lotus in einem See sitzt und meistens Saraswati irgendwo auf etwas Festem sitzt. Das stimmt zwar nicht immer: Oft wird Saraswati auch auf einem Lotus sitzend dargestellt.

Dennoch kann man dahinter eine bestimmte Logik entdecken: Lakshmi ist das Ansammeln von positiven Eigenschaften, spirituellem Reichtum und Prana. Sie steht auch für Glück, auch materielles Glück. Aber all das, wofür Lakshmi steht, wird mal mehr und auch mal weniger. So wie es Ebbe und Flut gibt, geht es im Leben hoch und runter. Mit dem höheren Aspekt von Saraswati, der Weisheit, ist es anders:

Saraswati ist Weisheit und die Weisheit ist beständig.

Zwar gilt: Der künstlerische Aspekt von Saraswati ist unbeständig. Viele Künstler haben auch durchaus ein unbeständiges Gemüt. In einer Hörsendung habe ich gehört: es wurde jemand vom Hirnmäßigen und Evolutionsmäßigen untersucht, warum es bis heute noch verschiedene psychische Störungen gibt.

Zum einen würde man eigentlich sagen, dass z.B. Schizophrenie doch eigentlich etwas wäre, was die Evolution längst hätte eliminieren müssen. Noch dazu, wo es vererblich ist. Man hat aber festgestellt, dass das Gen, das mit zur Schizophrenie beiträgt, auch kreativer macht. Und ein Genie ist entweder verrückt oder hyperkreativ und sehr oft beides.

Auf dieser Ebene ist Saraswati auf einem See, wo es Höhen und Tiefen gibt, und diese Art von künstlerischem und kreativem Genie ist dann auch diese Unruhe. Deshalb ist Saraswati manchmal auf einem See, auf einem Lotus und das Ganze ist ein bisschen schwankend. Und manche unter euch, die sehr kreativ sind und auf ihre Weise genial, wissen, dass man dort sehr leicht in die ein oder andere Richtung kippen kann.

Aber der höhere Aspekt Saraswatis ist beständig: Daher sitzt Saraswati auf etwas Festem. Was ist dieses Beständige? Das ist die Weisheit. Die Weisheit ist sicherlich dauerhaft.

Man würde niemals einen Menschen weise nennen, wenn er heute mal weise ist und morgen nicht weise. Heute verhält er sich geschickt und morgen ungeschickt. Das würde man nicht als Weisheit bezeichnen. Das ist vorübergehend.

Saraswati steht daher für das höhere Wissen, die höhere Erkenntnis, den höheren Aspekt der Weisheit.

Diese höhere Erkenntnis, die eine intuitive Verwirklichung ist, verankert uns in dem Höchsten. Und diese Verankerung in einer Höheren Wirklichkeit bleibt bestehen, egal was passiert. Saraswati wird immer freundlich dargestellt, sie lächelt. Auch das ist ein Kennzeichen von echter Weisheit - reine, bedingungslose Liebe. Was auch immer geschieht, es ist reine, bedingungslose Liebe.

Saraswati hat einiges gemein mit Lakshmi:

Weder Saraswati noch Lakshmi haben Waffen in ihren Händen. Durga und Kali dagegen werden immer mit Waffen dargestellt. Durga und Kali stehen dafür, sich durchzusetzen und Negativitäten zu überwinden und das gehört zu bestimmten Aspekten des Lebens dazu und zu bestimmten Aspekten des spirituellen Sadhanas. Wenn wir Kontakt zur höchsten Erkenntnis haben, ist der Kampf vorbei.

Es gibt nichts mehr zu überwinden, nichts mehr zu bekämpfen, nichts mehr, woran wir arbeiten müssen. Wir können in Ruhe lächelnd die höchste Erkenntnis erfahren, Liebe ausstrahlen und aus dieser höchsten Erkenntnis heraus anderen weitergeben und anderen helfen und dienen.

Ihr seht bei Saraswati manchmal einen Schwan und hier auf dem großen Bild seht ihr einen Pfau. Der Pfau steht in Indien für Schönheit. Schönheit, wofür der Pfau steht, wird in Indien als eine Eigenschaft Gottes angesehen. Schon in den Upanishaden steht: Satyam Shivam Sundaram. Gott ist die Wahrheit, Gott ist Güte, Gott ist Schönheit. Über Schönheit können wir Gott wahrnehmen und so symbolisiert Saraswati auch Schönheit.

Oft wird Saraswati mit einem Schwan abgebildet. Schwan heißt auf Sanskrit Hamsa. Und Hamsa hat als Zweitbedeutung " weiße Wildgans". Der Schwan und die Wildgans haben ein Gefieder, auf dem alles abperlt.

Ich weiß nicht, ob ihr mal Schwäne von Nahem gesehen habt: Das Gefieder ist absolut sauber, rein. Wenn ein Schwan seinen Kopf ins Wasser hält und den Kopf wieder hochhebt, ist das Gefieder sofort trocken, es perlt sofort alles ab. Das steht für einen Aspiranten, der in Erkenntnis verwurzelt ist. Wir wissen: "Ich bin das unsterbliche Selbst." Wenn wir uns dann in den Teich des Lebens hineinbegeben, haftet nichts an. Sowie wir meditieren, perlt alles ab, wir wissen: Wir sind unendlich.

Die weiße Wildgans in Indien ist auch ein Wandervogel. Im Sommer fliegt die Wildgans nach Norden und im Winter zurück. So steht die Wildgans für Freiheit. Auch in unseren Breiten gibt es Wildgänse auf Durchgangsstation. Wenn ihr die Wildgänse am Himmel seht, lasst das einmal auf euch wirken - vielleicht spürt ihr diese Freiheit und Weite. Und auch dafür steht Saraswati, für diese unendliche Freiheit inmitten von allem Geschehen.

Video: Durchführung einer Saraswai Puja