Goraksha Shataka

 

Vers 47: Drei Atemphasen des Pranayama

 

Die (Praxis der) Atemregulation, in Verbindung mit (einer Dauer von) zwölf Zählzeiten (pro Atemverhaltung) und der heiligen Silbe OM, besteht aus drei Teilen: Ausatmung, Einatmung und Atemverhaltung.


    रेचकः पूरकश्चैव कुम्भकः प्रणवात्मकः |
    प्राणायामो भवेत्त्रेधा मात्राद्वादशसंयुतः || ४७ ||


    recakaḥ pūrakaś caiva kumbhakaḥ praṇavātmakaḥ |
    prāṇāyāmo bhavet tredhā mātrā-dvādaśa-saṃyutaḥ || 47 ||

    rechakah purakash chaiva kumbhakah pranavatmakah |
    pranayamo bhavet tredha matra-dvadasha-samyutah || 47 ||


Wort-für-Wort-Übersetzung

    recakaḥ : Ausatmung (Rechaka)
    pūrakaḥ : Einatmung (Puraka)
    ca : und (Cha)
    eva : ebenso ("so", Eva)
    kumbhakaḥ : Atemverhaltung (Kumbhaka)
    praṇavātmakaḥ : deren Wesen (Atmaka) die heilige Silbe ॐ (Pranava) ist
    prāṇāyāmaḥ : die Atemkontrolle, Atemregulation (Pranayama)
    bhavet : besteht ("sei", bhū)
    tredhā : aus drei Teilen (Tredha)
    mātrā-dvādaśa-saṃyutaḥ : verbunden (Samyuta) mit (einer Dauer von) zwölf (Dvadasha) Zählzeiten (Matra)

Anmerkungen: Dieser Vers benennt die drei Phasen eines vollständigen Pranayama, das aus Einatmung (Puraka), Atemverhaltung (Kumbhaka) und Ausatmung (Rechaka) besteht. Die beiden Adjektive praṇavātmakaḥ "deren Wesen die heilige Silbe OM ist" und mātrā-dvādaśa-saṃyutaḥ "verbunden mit (einer Dauer von) zwölf Zählzeiten" können sich syntaktisch sowohl auf prāṇāyāmaḥ, also den gesamten Zyklus, beziehen, oder aber auf jeweils eine der genannten drei Phasen recakaḥ, pūrakaḥ oder kumbhakaḥ. Die zentrale Phase der Pranayamapraxis ist jedoch die Atemverhaltung (Kumbhaka), wie bereits aus der in Vers 42 gegebenen Begriffsbestimmung von Pranayama deutlich wurde. Daher ist anzunehmen, dass sich die Angabe der Dauer von 12 Matras sowie die innerliche Rezitation der Silbe OM (möglicherweise pro Matra à 4 Sekunden, vgl. die Anm. zu Vers 42) auf die Phase der Atemverhaltung bezieht. Dies wird auch durch den folgenden Vers 49 bekräftigt, der drei Stufen der Intensität bzw. Dauer der Atemverhaltung lehrt, wobei die niedrigste Stufe das Anhalten der Luft für die Dauer von 12 Matras darstellt.

Dass in der Pranayamapraxis die Silbe OM (Omkara, Pranava) als rhytmisierendes Zählmaß (Matra) verwendet wird, zeigt auch ein Vers der Yogachudamani Upanishad, worin sogar die Dauer der einzelnen Atemphasen näher angegeben wird:

    pūrakaṃ dvādaśaṃ kuryāt kumbhakaṃ ṣoḍaśaṃ bhavet |
    recakaṃ daśa cauṅkaraḥ prāṇāyāmaḥ sa ucyate || 103 ||

"Die Einatmung (Puraka) führe man zwölf (OM lang) aus, die Atemverhaltung (Kumbhaka) sei 16 (OM lang), und die Ausatmung (Rechaka) zehn Omkara (lang) - dies wird Atemregulation (Pranayama) genannt." (YCU 103)

Eine weitere, in der Gheranda Samhita gelehrte Angabe zur Dauer der Phasen der Ein- und Ausatmung sowie der Atemverhaltung lautet wie folgt: die Einatmung soll 16 Matras dauern, die Atemverhaltung 64 Matras, und die Ausatmung 32 Matras (GhS 5.39-45, 50-52).