Goraksha Shataka

 

Vers 34: Khechari Mudra

 

Die zurückgebogene Zunge wird in den Nasenrachenraum eingeführt, und der Blick wird zwischen die Brauen gerichtet. Dies ist Khechari Mudra.


    कपालकुहरे जिह्वा प्रविष्टा विपरीतगा |
    भ्रुवोरन्तर्गता दृष्टिर्मुद्रा भवति खेचरी || ३४ ||


    kapāla-kuhare jihvā praviṣṭā viparītagā |
    bhruvor antar-gatā dṛṣṭir mudrā bhavati khe-carī || 34 ||

    kapala-kuhare jihva pravishta viparitaga |
    bhruvor antar-gata drishtir mudra bhavati khe-chari || 34 ||


Wort-für-Wort-Übersetzung

    kapāla-kuhare : in die Höhlung (Kuhara) des Schädels (Kapala)
    jihvā : Zunge (Jihva)
    praviṣṭā : (wird) eingeführt (Pravishta)
    viparītagā : die zurückgebogene (Viparitaga)
    bhruvoḥ : beide Brauen (gerichtet, Bhru)
    antar-gatā : zwischen ("im Innern befindlich", Antargata)
    dṛṣṭiḥ : der Blick (Drishti)
    mudrā : (dieses) Siegel (Mudra)
    bhavati : ist (bhū)
    khe-carī : Khechari

Anmerkungen: Dieser Vers wird wortwörtlich in der Hatha Yoga Pradipika (3.32) sowie in der Yogachudamani Upanishad (Vers 52) überliefert, gleichfalls in der Gheranda Samhita (3.27) in nahezu identischer Form.

Mit der "Höhlung des Schädels" (kapāla-kuhara) ist der Nasenrachenraum (Nasopharynx) gemeint, der hinter Gaumensegel und Gaumenzäpfchen liegt. Da die Zunge normalerweise nicht die nötige Länge hat, diese Höhlung zu verschließen, empfehlen Gheranda Samhita (3.25-26) und Hatha Yoga Pradipika (3.33-36) verschiedene Methoden zur Verlängerung derselben, bis sie so lang ist, dass sie bis zur Mitte (Madhya) zwischen beiden Augenbrauen (Bhru) reicht: yāvad gacched bhruvor madhye (GhS 3.26).

Die Bezeichnung khe-carī bedeutet wörtlich "die im Luftraum (Kha) wandelnde (car)". In der Hatha Yoga Pradipika (3.37) wird auch der alternative Name Vyomachakra "Himmelsrad, Ätherkreis" für Khechari Mudra genannt: sā bhavet khecarī mudrā vyoma-cakraṃ tad ucyate.

Eigentlich sollte gemäß der Aufzählung der Mudras und Bandhas in Vers 32 an dieser Stelle Nabho Mudra, das "Himmels-Siegel" beschrieben werden, statt dessen wird jedoch Khechari Mudra gelehrt, das wiederum in der Aufzählung in Vers 32 fehlt. Bei beiden Mudras handelt es sich um ein Zurückbiegen der Zunge. Dass es sich tatsächlich um zwei verschiedene Varianten handelt, zeigt die Gheranda Samhita (3.9), die beide Mudras einzeln aufführt und lehrt. Nabho Mudra wird dort wie folgt definiert:

    yatra yatra sthito yogī sarva-kāryeṣu sarvadā |
    ūrdhva-jihvaḥ sthiro bhūtvā dhārayet pavanaṃ sadā |
    nabho-mudrā bhaved eṣā yogināṃ roga-nāśinī || 3.9 ||

"Wo auch immer sich der Yogi befindet Sthita), bei allen Tätigkeiten Karya), jederzeit, werde er (innerlich) bewegungslos (Sthira), mit nach oben gerichteter (Urdhva) Zunge (Jihva), und halte kontinuierlich den Atem (Pavana) an. Dies ist Nabho Mudra, die Vernichterin der Krankheiten (Roga) der Yogis." (GhS 3.9)

Nabho Mudra unterscheidet sich somit von Khechari Mudra in erster Linie dadurch, dass keine Anweisung für das Ausrichten des Blickes (Drishti) gegeben wird. Möglicherweise hat die oben erwähnte alternative Bezeichnung von khecarī mudrā - vyoma-cakra "Himmels-Rad" - zu einer Verwechslung oder Gleichsetzung mit nabho-mudrā "Himmels-Siegel" geführt, da Vyoman und Nabhas gleichermaßen "Himmel, Luftraum" bedeuten.