Karma Yoga von Swami Sivananda

 

Kapitel 7: Inspirierende Geschichten

1. Tiruvalluvar

In Mylapore, Madras, lebte vor etwa zweitausend Jahren ein geborener Siddha  und Poet namens Valluvar oder geläufiger bekannt als Tiruvalluvar. Man hält ihn für einen Avatar  von Brahma. Er heiratete Vasuki und führte ein Leben als Familienvater, um den Menschen zu zeigen, wie man ein göttliches Leben in Reinheit und Heiligkeit führt und dennoch in der Welt lebt. All seine weisen Sprüche und Lehren finden sich nun in Buchform unter dem Titel Tirukural. Diese Sprüche und Lehren sind in Zweizeilern verfasst. Hier sind einige dieser Sprüche:

„So wie das „A“ im Alphabet der erste Buchstabe ist, so ist Gott auch der Anfang dieses Universums.“

„Studiere die Shastras vollständig und handle dann gemäß ihren Anordnungen.“

„Die Anicha-Blume welkt, wenn man an ihr riecht; Gäste sind jedoch noch empfindlicher, wenn die Gastgeber ihre Gesichter ein wenig abwenden.“

„Tod ist wie Schlafen auf dem Friedhof. Geburt ist wie Erwachen am Morgen.“ Von diesen Zweizeilern gibt es eintausenddreihundertdreißig. Sie beinhalten die Essenz der Veden, der Upanishaden und der sechs Darshanas . Tirukural wird als allumfassende Bibel verstanden. Es ist praktisch wie eine weitere Gita, Koran oder Avesta .

Einige Aspiranten wandten sich an Tiruvalluvar und fragten: „O Weiser, welches Ashrama (Lebensstadium) ist besser – Garhasthya oder Sannyasa?“ Der Weise gab keine Antwort. Er war einfach still. Er wollte ihnen anhand eines Beispiels den Ruhm des Garhasthya Ashramas lehren. Seine Ehefrau war eine ideale, keusche und ergebene Frau, die seinen Anordnungen immer Folge leistete und sie sofort ausführte. Einmal nahm Tiruvalluvar am Morgen kalten Reis zu sich. Er sagte zu ihr: „O Vasuki, der Reis ist sehr heiß, bringe einen Fächer, um ihn abzukühlen.“ Als er sie rief, schöpfte sie gerade Wasser aus dem Brunnen. Sofort ließ sie das Seil los und lief mit einem Fächer zu ihm, um den Reis abzukühlen. Sie sagte nicht zu ihrem Ehemann: „Wie kann kalter Reis heiß sein? Weshalb willst du also einen Fächer?“ Sie gehorchte ihm einfach. Aus Respekt vor ihrer Pativrata Dharma Shakti (Kraft der ehelichen Pflichterfüllung) hatte sie den Wassereimer halb im Brunnen hängen lassen. Die Aspiranten bemerkten dieses merkwürdige Phänomen und das großartige Verhalten von Vasuki und waren höchst erstaunt.

Bei einer anderen Gelegenheit rief Valluvar seine Frau um ein Uhr nachmittags und sagte: „Bring sofort eine Lampe, o Vasuki. Ich nähe gerade ein Stück Stoff. Ich kann das Nadelöhr nicht sehen. Ich kann nicht ordentlich einfädeln.“ Sie sagte nicht: „Es ist jetzt helles Tageslicht. Wieso möchtest du eine Lampe? Du kannst die Nadel gut sehen“, sondern gehorchte seinen Worten stillschweigend. Die Aspiranten waren sehr vom idealen Leben des Weisen Tiruvalluvar und dem erhabenen Benehmen seiner Frau inspiriert. Sie sagten zu dem Heiligen kein Wort. Sie verließen den Ort stillschweigend und tief befriedigt. Sie waren tief beeindruckt vom praktischen und beispielgebenden Leben des Weisen und seiner Frau. Sie lernten die Lektion, dass das Leben eines idealen Familienvaters in keiner Weise dem eines idealen Sannyasins, der den Weg des Nivritti und der Härte in den Höhlen des Himalajas geht, unterlegen ist und dass jedes an seinem Platz großartig ist.

Lieber Leser! Kann man heutzutage in unserer modernen Zivilisation und unserem wissenschaftlichen Fortschritt auch nur eine einzige ergebene Ehefrau wie Vasuki finden? Benähme sich ein Ehemann heute so wie Tiruvalluvar, würde seine Frau sagen: „Mein Mann ist von Sinnen. Er möchte seinen Reis kühlen, wenn er bereits kalt ist. Er verlangt Licht, wenn es taghell ist.“ Die Frau würde ihren Mann schelten und mit ihm streiten. Sie würden die Trennung suchen.

Jenes Haus, in dem die Frau dem Ehemann in ernsthafter Ergebenheit dient und Pativrata Dharma befolgt, ist der Himmel auf Erden. Jenes Haus, in dem die Ehefrau mit dem Mann streitet und seinen Anordnungen nicht gehorcht, ist die wahre Hölle auf Erden. Frauen, die Pativrata Dharma üben, brauchen nicht in den Tempel zu gehen. Sie brauchen keinen Vrata (strenges Gelübde mit besonderen Regeln der Lebensweise) tun. Der Dienst am Ehemann wird zum Gottesdienst. Sie können Gott durch den Dienst an ihren Ehemännern verwirklichen. Ehemänner sollten auch ideale Personen mit hochherzigen Eigenschaften sein. Ehemänner sind die Gurus ihrer Frauen. Ehefrauen brauchen keine Einführung durch einen Acharya . Ruhm jenen erhabenen Frauen, die Pativrata Dharma praktizieren!

2. Die Geschichte eines Bania

Ein Bania (Angehöriger der Händlerkaste) trat einmal auf einen Sadhu zu mit der Bitte um Initiation.

Der Sadhu sagte: „Wenn ich dich das nächste Mal treffe, weihe ich dich ein.“

Der Bania bedrängte den Sadhu mehrere Tage lang immer wieder mit der Bitte um Einweihung. Der Sadhu weigerte sich. Er kehrte nach einem Jahr zu dem Bania zurück. Er legte in seine Bhiksha-Schale Schlamm, Haare, Urin und Exkremente und bat den Bania um Almosen. Der Bania brachte dem Sadhu gute, süße Speisen, Kheer (süße Milchreisspeise), Halwa (eine Art Konfekt) etc. Er bereitete schöne Speisen vor, weil er dachte, er würde dieses Mal vom Sadhu eingeweiht werden.

Der Sadhu sagte zu dem Bania: „Leg alles in meine Schüssel.“

Der Bania sagte: „Wie kann ich sie hineinlegen, Swamiji, in diese schmutzige Schüssel. Sei so freundlich und reinige die Schüssel und bringe sie mir. Ich werde alles, was ich vorbereitet habe, hineingeben.“

Der Sadhu antwortete: „Wenn dies für diese Schüssel gilt, wie kann ich den reinen Gott dann in dein Herz setzen, das mit vielen Unreinheiten wie Lust, Ärger, Stolz, Gier usw. gefüllt ist? Wie kann ich dich nun einweihen, wenn dein Geist so schmutzig wie diese Schüssel ist?“

Der Bania war verwirrt und entfernte sich voller Scham. Er reinigte sich durch Wohltätigkeit und selbstlosen Dienst und wurde dann nach einiger Zeit von dem Sadhu eingeweiht.

Der Geist muss zuerst bereitet sein. Warum scherst du dich groß um Upadesha (spirituelle Unterweisung/Initiation)? Reinige dich und erreiche die moralischen Qualifikationen, Brahmacharya usw. Die Einweihung stellt sich dann von alleine ein.

3. Raja Gopichand

Minavaty, die Mutter des Raja Gopichand, gab ihrem Sohn vier Anweisungen:

  1. Iss Nektarspeisen.
  2. Schlafe auf einem Blumenbett.
  3. Lebe innerhalb des eisernen Forts.
  4. Vergnüge dich mit den schönsten Frauen.


Die adhyatmische  (esoterische) Bedeutung dieser Anweisungen ist wie folgt:

  1. Wenn du wirklich hungrig bist, iss deine Speise. Sie wird gut verdaut. Sie wird wie Nektar schmecken. Hunger ist der beste Koch.
  2. Wenn du wirklich müde bist, lege dich nieder; du wirst gut schlafen, auch wenn du auf einem steinernen Bett liegst.
  3. Lebe in der Gesellschaft von leidenschaftslosen Yogis, Sannyasins und Mahatmas. Dies ist das eiserne Fort. Keine Versuchung tritt an dich heran.
  4. Meditiere und entwickle Brahmakara Vritti (ständiges Denken an Brahman) und genieße Brahman. Dies ist das Vergnügen mit den schönsten Frauen.

4. Die Geschichte eines Pandits

Einmal überquerten ein gelehrter Khatha-Shastri (Kenner der Schriften), ein brahmanischer Pandit (Gelehrter) und ein Chandala (Ausgestoßener) in einem Boot den Fluss Ravi in Lahore. Das Boot kenterte bei einem starken Windstoß. Der Gelehrte sowie der Unberührbare waren am Ertrinken. Sie schluckten ständig Wasser.

Der hochmütige Pandit sagte zum Chandala: „Trinke nicht das gleiche Wasser von der oberen Schicht des Flusses, welches ich trinke. Du verunreinigst mich! Trinke nur das Wasser aus den tieferen Schichten des Flusses.“

Schau dir diese Engstirnigkeit des Pandits an! Der Chandala ist am Sterben. Sein Leben gerät aus dem Gleichgewicht und dennoch sieht der Pandit noch so viel Unterschied und hält die Vorstellung der brahmanischen Überlegenheit aufrecht! Glaubst du, dass der brahmanische Pandit selbst nach Millionen von Wiedergeburten sein Einssein mit allem spüren wird? Was ist der Zweck seines Khatha-Shastra, seines Studiums und Wissens? Pfui jenen unglückseligen verdrehten brahmanischen Pandits, die kleingeistig und engherzig sind! Ruhm den großherzigen Pandits!

5. Die fröhliche Ameise

Einmal traf eine Ameise, die in einem Zuckerberg lebte, eine andere Ameise, die in einem Salzberg lebte und sagte: „Hallo, mein lieber Freund! Wie geht’s?“

Die andere antwortete: „Ich bin nicht so fröhlich wie du. Mein Mund ist immer salzig, da ich in einem Salzberg lebe.“

Die fröhliche Ameise sagte: „Komm mit mir zu meiner Unterkunft. Ich mache dich fröhlich. Ich lebe in einem riesigen Zuckerberg. Ich sorge dafür, dass deine Zunge immer süß ist.“

Die unglückliche Ameise folgte der fröhlichen Ameise zum Zuckerberg und lebte dort eine Woche lang.

Die fröhliche Ameise fragte ihren Freund: „Wie geht es dir nun, mein liebenswerter Kamerad?“

Sie antwortete: „Mein Schicksal ist immer noch gleich, mein guter Freund.“

Die fröhliche Ameise entgegnete: „Spüle deinen Mund mit dieser Saccharinlösung. Bürste deine Zunge gut mit dieser Zuckerseife. Deine Zunge muss gut gebürstet werden. Du lebtest mehrere Jahre im Salzberg.“

Sie folgte den Anweisungen der fröhlichen Ameise. Nach dem achten Tag wurde ihre Zunge süß. Sie wurde auch sehr fröhlich.

Einige Aspiranten verbergen in sich unterschwellige Wünsche, Gier, Moha (Täuschung) und Stolz. Diese Doshas (Unreinheiten) kleben an ihrem Geist so wie die alte Salzschicht an der Zunge der unglücklichen Ameise. Sie beschweren sich wie die Ameise aus dem Salzberg: „Wir machen keinen spirituellen Fortschritt. Wir verwirklichen uns nicht. Wir genießen keine spirituelle Wonne.“ Bürste deinen Geist und dein Herz mit der Seife von Japa (Mantra-Wiederholung) und selbstlosen Dienens. Beseitige alle Wünsche und Unreinheiten des Geistes. Dann wirst du höchste Wonne im Paramatman (höchstes Selbst) genießen.

6. Raja Janaka

König Janaka befahl einmal einem schwer kriminellen Brahmanen, sein Herrschaftsgebiet sofort zu verlassen.

Der Brahmane sagte: „O König, nenne mir freundlicherweise die Grenzen deines Herrschaftsgebietes. Dann werde ich deinen Staat verlassen und mich im Gebiet eines anderen Königs niederlassen.“

Janaka gab keine Antwort. Er seufzte schwer und dachte konzentriert nach. Dann fiel er plötzlich in Ohnmacht. Nach fünfzehn Minuten erlangte er das Bewusstsein wieder.

Dann sagte er: „Ich habe den Staat von meinem Vater geerbt. Er steht unter meiner Herrschaft, aber nichts gehört mir ausschließlich. Ich finde nirgendwo etwas, das ausschließlich mir gehört, nicht einmal in Mithila und auch nicht meine eigene Nachkommenschaft. Nun dämmert mir wirkliche Weisheit. Ich stehe nun unter dem Eindruck, dass ich entweder überhaupt kein Reich besitze oder dass alles mein Reich ist. Entweder ist dieser Körper nicht meiner oder die ganze Welt gehört mir und ebenso der (Körper) anderer auch. O Bester der zweimal Geborenen! Dies ist meine feste Überzeugung. Bleibe in meinem Reich, so lange wie du magst und vergnüge dich.“

Der Brahmane fragte: „O König! Wie kommst du darauf, dass dieses Königreich entweder nicht dir gehört oder dass alles dir gehört? Wie hast du dieses Gefühl des „Meinseins“ in diesem Königreich deiner Vorfahren, das du nun regierst, verloren?“

Janaka erwiderte: „Alles auf der physischen Ebene ist vergänglich. Das Leben ist flüchtig. Alles vergeht. Ich könnte meinen Finger auf nichts legen, das ich mein eigen nennen könnte. Ich entsinne mich des vedischen Texts: „Es gehörte irgendjemandem.“ In diesem Sinne sann ich nach und gab so die Vorstellung des „Meinseins“ auf. Horche nun sorgfältig, wie ich mein Reich überall sehe. Ich hege keinen Wunsch nach gut riechenden Gegenständen: So habe ich die Erde erobert. Ich wünsche keine gut schmeckenden Dinge, schönen Formen, weichen Bettpolster oder Musik: deshalb habe ich das Wasser, das Feuer, die Luft und den Äther bezwungen. Ich verlange nichts für den Geist, deshalb befindet er sich vollkommen unter meiner Kontrolle. Ich handle für die Devas, die Vorfahren, für alle Wesen und für jene, die an meine Türe klopfen.“

Da lächelte der Brahmane und sagte: „O König! Ich bin verkleidetes Dharma (Pflichterfüllung). Ich bin gekommen, um etwas über dich zu erfahren. Du bist die einzige Person, die dieses Rad drehen kann, dessen Name Brahman ist, dessen Speiche die Vernunft ist, das niemals umkehrt und das durch die Eigenschaft der Güte als sein Umfang auf Kurs gehalten wird.“ [Anugita 17]

7. Ein idealer Karma Jnana Yogi

Ein Sadhu ging zum Hof des Königs Janaka und beobachtete all seine mannigfaltigen Aktivitäten. Er dachte bei sich: „Wie können wir Raja Janaka einen Jnani (verwirklichten Weisen) nennen? Wieso halten wir ihn für einen spirituellen Menschen? Er ist nur ein weltlicher Mensch. Er ist in so vielen weltlichen Angelegenheiten gefangen. Er spricht über weltliche Themen.“

Raja Janaka verstand durch Divya Drishti (innere Schau) die Mentalität des Sadhus. Nachdem er den Sadhu zu sich gerufen hatte, sagte Janaka: „Du scheinst schuldig zu sein. Du bist nicht würdig, die Kleidung eines Heiligen zu tragen. Du denkst nicht an Gott. Die Eigenschaft der Fehlersuche ist tief in dir verwurzelt. Ich habe beschlossen, dich mit dem Tode zu bestrafen. Innerhalb einer Woche wirst du gehängt.“

Der König befahl seinen Dienern, dem Sadhu täglich salzloses Gemüse, Konfekt mit Chillies und köstlichen Kheer, Mandeln und Rosinen mit Tamarinden zu reichen.

Der Sadhu war höchst beunruhigt. Er verbrachte schlaflose Nächte und wurde sehr nervös. Immer dachte er an den Galgen. Täglich träumte er, dass sein Hals im Seil steckte. Er wurde sehr dünn und blass.

Raja Janaka sandte einen Diener, um den Sadhu am siebten Tag zur Exekution zu holen. Der Sadhu konnte nicht vor dem König stehen. Er zitterte und fiel besinnungslos zu Boden. Nach zehn Minuten gelangte er wieder zu Bewusstsein, als ihm Janaka Früchte und eine Tasse Milch mit Salz reichte.

Der Sadhu trank sie. Aber sein Geist war beim Galgen.

Dann sagte der weise König: „Schau her, o Sadhu! Wie schmeckt dir die Milch nun? War sie gut? Enthielt sie genügend Zucker? Wie schmeckte dir das Essen die letzten sieben Tage?“

Der Sadhu antwortete: „O Raja, ich schmeckte überhaupt nichts im Essen oder in der Milch, welche du mir eben gabst. Mein Geist ist ständig beim Galgen. Ich sehe überall Galgen. Ich bin dem Gedanken an den Galgen zum Opfer gefallen. Ich wusste nicht, ob das Gemüse oder die Suppe Salz oder Zucker enthielten.“

Raja Janaka sagte: „O Sadhu, so wie dein Geist immer beim Galgen ist, so ist mein Geist durch intensive Praxis von Nididhyasana (tiefe Meditation) ständig bei Brahman, obwohl ich mit verschiedenen weltlichen Aktivitäten beschäftigt bin. Obwohl ich in der Welt bin, bin ich immer weg von der Welt. Verstehst du meinen geistigen Zustand? Schau in Zukunft nicht mehr auf die Fehler der anderen. Kümmere dich immer um deine eigenen Angelegenheiten. Schaue auf die guten Seiten anderer. Verherrliche andere. Meditiere intensiv. Verwirkliche. Arbeite ohne Verhaftung in diese Welt, so wie ich es tue. Nun kannst du gehen.“

Der Sadhu war sehr vom König angetan. Nun begriff er seine Dummheit und den wahren Ruhm König Janakas. Er verstand voll und ganz, dass Janaka ein wunderbarer Brahma Nishtha  war und inmitten vielfältiger Aktivitäten einen vollkommen ausgewogenen Geist hatte. Er verbeugte sich immer wieder vor ihm und ging. Dann übte er intensiv Sadhana, verwirklichte das Selbst und folgte dem Beispiel Raja Janakas, der Welt zu dienen.

Raja Janaka war ein Jnani durch und durch, auch wenn er in der Welt arbeitete. Sein Jnana bestand den Test. Er befand sich in der Durbar Hall (Audienzsaal), als ihm ein Bote die Nachricht von einem Feuer in der Stadt überbrachte.

Janaka sagte: „Mein Wohlstand ist unbegrenzt und doch habe ich nichts. Auch wenn ganz Mithila verbrennt, verliere ich nichts.“

Der Name von Raja Janaka ist immer mit Karma Yoga und Karma Nishtha verbunden.

In der Bhagavad Gita sprach Krishna zu Arjuna:

„Janaka und andere erreichten Vollkommenheit wahrlich alleine durch Handeln; auch zum Schutze der Menschen musst du handeln. Was ein großer Mensch tut, das tun auch die anderen; was er zur Regel erhebt, dem folgt die Welt. Daher tue ohne Verhaftung stets das, was getan werden muss; denn durch verhaftungsloses Handeln erreicht der Mensch das Höchste.“
[BhG 3.19-21]

Durch seine äußeren Handlungen alleine ist es sehr schwierig, einen Jnani zu bestimmen. Jnana ist ein rein geistiger Zustand. Es ist eine innere Kondition. Nur ein Jnani kann einen anderen Jnani verstehen. Atma Jnana (Erkenntnis des Selbst) ist unvergänglicher und unauslöschlicher Wohlstand. Der Reichtum der drei Welten ist nichts, ich sage nichts, im Vergleich zu den unbezahlbaren Schätzen des Atman. Deshalb war Janaka von der Zerstörung der Stadt Mithila überhaupt nicht berührt. Er stand fest auf dem Fels von Atma Jnana.

8. Höchstes Selbstopfer

König Yuddhishthira brachte nach der Schlacht von Kurukshetra  ein großes Opfer (Yajna) dar. Er überreichte den Priestern und den Armen sehr wertvolle Geschenke. Alle waren von der Großartigkeit dieser großherzigen Opfer höchst erstaunt.

Sie riefen in großer Freude: „Niemals in unserem Leben haben wir ein solch glänzendes Opfer gesehen. Es hat noch niemals einen derart ruhmvollen Yajnain den Annalen der Weltgeschichte gegeben. Ruhm König Yuddhishthira! Ehre dem Arjuna! Ehre den Pandavas  und Draupadi !“

Ein kleiner Mungo (Schleichkatze) erschien am Schauplatz. Die eine Seite seines Körpers war golden und die andere braun. Er wälzte sich am Boden, wo der Yajna ausgeführt wurde. Dann rief er sorgenvoll: „Dies ist überhaupt kein Yajna. Warum lobt ihr dieses Opfer in den höchsten Tönen? Ihr seid alle Heuchler und Lügner.“

Die Menschen antworteten: „Was! Du dummer Mungo! Hast du nicht die Herrlichkeit dieses Maha Yajna (großes Opferritual) bemerkt? Tausende armer Leute sind reich geworden. Millionen Menschen sind üppig gespeist worden. Juwelen und Kleider sind im Überfluss verteilt worden. Die Welt hat niemals solch ein wundervolles Opfer gesehen. Verschwinde, o armer Schlucker, o dummer Mungo!“

Der Mungo antwortete: „Sehr geehrte Herren, seid nicht unnötig ärgerlich mit mir. Hört meine Worte nur geduldig an. In einem kleinen Dorf gab es einen armen Brahmanen. Er lebte in einer kleinen Hütte mit seiner Ehefrau, seinem Sohn und seiner Schwiegertochter. Es gab eine große Hungersnot. Die ganze Familie litt monatelang darunter. Sie hungerten tagelang. Eines Tages brachte der arme Mann etwas Reis und Dal. Als sie zu essen beginnen wollten, hörten die eine Stimme an ihrer Tür. Der Brahmane öffnete die Tür und fand einen Gast vor.

Er sagte: „O verehrenswerter Gast, komm herein. Nimm Platz und iss mit uns.“ Er gab dem Gast seine Essensportion.

Der Gast sagte: „Herr, ich bin noch nicht satt. Ich hungere schon seit fünfzehn Tagen.“

Die Ehefrau sagte zu ihrem Mann: „Mein Herr, hier ist meine Portion. Gib ihm freundlicherweise diese Portion. Ich bin deine Ardhangini (Gattin). Es ist meine Pflicht, mit dir alles Wohl und Wehe des Lebens zu teilen. Die Shastras und Smritis betonen dies immer sehr stark.“

Der Gast aß auch diese Portion, aber sein Hunger war immer noch nicht gestillt.

Der Sohn sagte: „Lieber Vater, ich muss dir gegenüber meine Pflicht erfüllen, sonst kritisieren mich die Menschen. Ich muss dir bei der Erfüllung deines heiligen Wunsches gefällig sein. Gib ihm auch meinen Anteil.“

Der Gast aß ihn und blieb dennoch hungrig. Die Frau des Sohnes sagte: „O verehrter Schwiegervater, ihr habt alle das größte Selbstopfer gebracht. Ich muss euch auch bei diesem Yajna zur Seite stehen. Bitte gib ihm auch meine Portion.“

Der Gast aß diese Portion und war vollkommen zufrieden. Dann segnete er den armen Brahmanen und dessen Familie und ging mit großer Freude weg.

Der Mungo erzählte weiter: Die vier Personen verhungerten am selben Tag. Einige Reiskörner wurden am Boden gefunden. Ich wälzte mich auf diesen Krümeln. Die Hälfte meines Körpers wurde golden. Seitdem reise ich durch die ganze Welt, um einen Yajna wie jenen zu finden. Nirgendwo habe ich einen gefunden. Nirgendwo konnte ich die andere Hälfte meines Körpers vergolden. Dieses Opfer von Yuddhishthira hat die zweite Hälfte meines Körpers nicht golden gemacht. Deshalb sage ich, dass dies überhaupt kein Opfer ist. Habt ihr gut verstanden, was ich sagen wollte? Werdet nicht ärgerlich. Die Wahrheit kann nie die Gefühle anderer verletzen.“

Die Priester und andere, die sich am Yajna des Raja Yuddhishthira erfreut hatten, schämten sich. Sie ließen ihre Köpfe vor Scham sinken. Sie begriffen nun, was ein wirkliches Opfer ist und dass es frei von Stolz und Eitelkeit sein sollte.

Verstehe hier den Ruhm des armen Brahmanen und seines bemerkenswerten Selbstopfers! Er war ein idealer Familienvater. Er war ein idealer Karma Yogi. Er erreichte dieselbe Stufe von Kaivalya (Freiheit) wie ein Brahma Jnani oder ein Raja Yogi. Möget ihr alle erstrahlen wie dieser arme Brahmane!

9. Die Geschichte vom Vogel

Vier Reisende mussten eine Nacht unter einem großen Baum verbringen. Es war Winter. So entzündeten sie ein Feuer, um sich zu wärmen.

Ein Vogel lebte mit seiner Frau und seinen Kindern in dem Baum. Der kleine Vogel blickte herab und sah die Reisenden. Er sagte zu seiner Frau: „Meine Liebe, was sollen wir tun? Wir haben einige Gäste in unserem Haus. Sie sind hungrig. Wir müssen sie irgendwie bewirten. Wir sind die Hausherren und sollten ihnen Gastfreundschaft erweisen. Wir haben ihnen nichts anzubieten. Ich werde ihnen meinen Körper anbieten.“ So ließ er sich ins Feuer fallen und wurde gebraten.

Die Ehefrau des Vogels beobachtete die noble Geste ihres Ehemanns. Sie dachte für sich: „Es sind vier Gäste. Das Fleisch eines Vogels reicht nicht für alle. Lass mich auch zur Erfüllung des reinen Sankalpa (Wunsch) meines Ehemanns ein Opfer bringen. Die Pflicht der Frau ist es, dem Ehemann immer zu dienen und ihn zu erfreuen.“ Sie stürzte sich ebenfalls ins Feuer und starb alsbald.

Die fünf Kleinen sagten: „Noch immer reicht das Essen nicht für unsere vier Gäste. Unsere Eltern haben ihre Pflicht gut erfüllt. Wir sollten ihren Namen in Ehren halten. Sie haben ein großes Opfer gebracht; wir sollten auch etwas zu diesem Atithi Yajna (Opfer der Gastfreundschaft) beitragen.“ Sie ließen sich ins Feuer fallen und verbrannten.

Die vier Reisenden waren wie vom Donner gerührt, als sie die selbstlosen Taten der kleinen Vögel beobachteten. Sie aßen das Fleisch nicht. Sie blieben ohne Essen.

Versteht den Geist des Selbstopfers dieser kleinen Vögel! Nehmt euch ein Beispiel an dem idealen Leben, das sie führten. Ein Karma Yogi bzw. Familienvater sollte die Tugend des Selbstopfers in bemerkenswertem Ausmaß besitzen. Er sollte bereit sein, jederzeit seinen Körper für eine gute Sache zu opfern. Jener Karma Yogi, der seinen Körper für eine edle Sache opfert, erreicht das gleiche Ziel wie ein Raja Yogi mittels Asamprajnata Samadhi (meditativer Zustand ohne Objekt) oder wie ein Hatha Yogi, der die Kundalini erweckt und sie zum Sahasrara  leitet oder wie ein Vedantin mittels Shravana, Manana und Nididhyasana. Ohne Schmerz, kein Gewinn. Größe kann nicht ohne Opfer erreicht werden, sowohl auf körperlicher als auch auf spiritueller Ebene.